Zur Geschichte der Freimaurerei
1696-2000
Siehe auch: Die phantastische Vergangenheit der Freimaurerei Unwahrscheinliche und wahrscheinliche Wurzeln der Freimaurerei Die Grundauffassungen der Freimaurerei
Zum Thema Esoterik in der Freimaurerei siehe:
Siehe auch: http://www.glnf.asso.fr/ („… de Tradition“) http://freemasonry.bcy.ca/anti-masonry/webster_n.html http://www.nullens.org/content/category/1/15/51/
Inhalt Teil I: 1717-1813: Aufbruch und Blütezeit der Freimaurerei Kap.1.Die äussere Seite Es gab mehr als vier Logen in London Das Ritual ist etwas älter Öffentliches Auftreten im 18. Jahrhundert Turbulente Weiterentwicklung der Freimaurerei Rasante weltweite Ausbreitung Verfolgungen in Portugal Kap.2: Die innere rationale Seite Die moralischen Auffassungen Die Freimaurerei als Träger der Aufklärung Die Freimaurerei und der Rationalismus Die Freimaurerei und der Deismus Die Freimaurerei und die Philanthropie Die Freimaurerei und die Menschenrechte Kap.3: Die innere esoterische Seite Das Geheimnis Die Rituale Die Freimaurerei als Mysterienbund? Die Freimaurerei und die Mystik Die Freimaurerei und die Magie
Teil II: Seit 1813: Freimaurerei weitgehend gefestigt 1717-2012: drei kreative und turbulente Schübe Was blieb von den Hochgradsystemen?
Die Rituale der blauen Freimaurerei halten den Bund zusammen
Seit 1813: Sonderorganisationen und Spaltung, gemischte und weibliche Maurerei sowie Esoterik
Heute noch 3 Millionen Freimaurer
Zusammenfassung: Vier Strömungen
Literatur Die heutige („moderne“) Freimaurerei setzt mit dem
Stichdatum 1717 ein. Im ganzen 18. Jh. fand die Ausgestaltung der vielen
verschiedenen Systeme statt. Seit etwa 1800/1813 hat sich die Freimaurerei
nicht mehr stark verändert. Teil I: 1717-1813: Aufbruch und Blütezeit der Freimaurerei Kap.1.Die äussere Seite Es gab mehr als vier Logen in London Das Datum 1717 ist eigentlich gar nicht so bedeutsam.
Immerhin schlossen sich damals "vier Alte Logen" zur ersten Grossloge
von London und Westminster zusammen. Sie trugen wohlklingende Namen: Daneben gab es noch viele andere spekulative wie auch
operative Logen. Sogenannte Versammlungen mehrer Logen hat es schon seit
langer Zeit gegeben. Charles v. Bokor (1982, 77) erwähnt ohne nähere Angaben
solche: Nach Knoop/ Jones (1968, 145-157) gab es nicht-operative
Werkleute in Maurerlogen vermutlich ab 1500. Nach einem Bericht des
Chemieprofessors und Historikers
Robert Plot
von 1686 war der Brauch, Männer in
die „Gesellschaft der Frei-Maurer“ aufzunehmen, mehr oder weniger über
die ganze englische Nation verbreitet. Bereits 1704 wurde in einer Londoner Loge der Bostoner
Jonathan Belcher aufgenommen, der vielleicht der erste in Amerika
geborene Freimaurer war. Er wurde später Gouverneur von Massachusetts und New
Hampshire. Wahrscheinlich hat es schon vor ihm ausgewanderte Freimaurer
aus England gegeben, so werden drei Schotten aus Aberdeen genannt, die nach New
Jersey kamen. Keine Philosophen oder Doktrinäre „Die Logen zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren keine
Gesellschaften von Philosophen oder Doktrinären. Unter den angenommenen Maurern
mögen gut und gern einige ‚Intellektuelle’ gewesen sein, aber die fundamentalen
Grundsätze der Freimaurerei, wie z. B. die verhältnismässige Freiheit von
Prüfungen, die Verbannung politischer und religiöser Streitgespräche aus der
Loge und die Wohltätigkeit, waren aller Wahrscheinlichkeit nach schon unter den
Werkmaurern und den angenommenen Maurern allmählich entstanden und waren
eher das Ergebnis empirischer Lösungen für praktische Probleme als auf
grundsätzlichen Überzeugungen beruhende Massnahmen. Langsame Entwicklung? Im Laufe der Zeit übernahmen die spekulativen Maurer diese
Grundsätze von den operativen und angenommenen Maurern. Die maurerischen
Grundsätze und Gedanken wuchsen ebenso wie das maurerische Ritual langsam
und wurden nicht von einem oder zwei Männern plötzlich geschaffen … Aus nichtmaurerischen oder antimaurerischen Schriften der
Zeit ist über die Grundsätze der Freimaurerei sehr wenig zu entnehmen. Das
lässt wohl darauf schliessen, dass sie nichts Neues darstellten und in
Angelegenheiten der Religion und Politik mit dem Zeitgeist in Einklang standen“
(Knoop/ Jones, 1968, 188). Keine Kontinuität? Genau das Gegenteil behauptet der Konservator des
Freimaurermuseums der Grossloge von Frankreich, Philippe Henri Morbach
(1992/93, 150, 151): Bei der modernern Freimaurerei handelt es sich um eine
„Neuschöpfung“, und zwar, in Anlehnung an
David Stevenson (1988), durch einen
einzigen Mann, nämlich den schottischen Baumeister William Schaw im Jahre 1598.
Das Ziel seiner Statuten für das Maurerhandwerk sei es gewesen, „das
traditionelle Wissen und die Institutionen des Bauhandwerks durch eine komplexe
Mischung von Einflüssen aus der Renaissancezeit zu erweitern … Diese Einflüsse
entsprangen nicht einfach Schaws Phantasien, sondern spiegelten vielmehr die
Interessen seiner Zeit wieder.“ Als diese Neuschöpfung 100 Jahre später zur formellen
Gründung der modernen Freimaurerei führte, ergaben sich rasch zwei
Orientierungen: Das Ritual ist etwas älter Es ist zwar immer noch umstritten,
ob die modernen Freimaurerei aus dem früheren Bauwesen stammt, doch deutet manches
darauf hin: beispielsweise das Geheimnis und die Berufung auf alte Gewohnheiten,
die Legenden, Zeichen, Worte und Griffe. Und manche Geräte und Werkzeuge sind diejenigen
der Bauarbeiter und Architekten. Manche Bräuche waren sogar seit Jahrhunderten
in den Handwerken allgemein üblich. Bemerkenswert ist, dass heute manches
vom Ritual aus der Zeit vor 1700 bekannt ist. Ein Konstitutionsmanuskript soll bereits
aus dem Jahre 1663 erhalten sein (Roberts-Manuskript; siehe Knoop/
Jones, 1968, 177, 200). Eine weitere Konstitution eines Sloane-Manuskripts (Nr.
3848) könnte bereits 1646 bei der Aufnahme von Elias Ashmole in die
Loge zu Warrington verwendet worden sein (Knoop/
Jones, 1968, 152). Eine andere Sloane-Handschrift (Nr.
3329) bringt bereits Fragestücke in der Form eines Katechismus (Lennhoff/
Posner, 1932, Sp. 993, sie datieren das Manuskript auf 1720-30, Knoop/ Jones,
1986, 84, auf 1700). Sie könnte eine Abschrift eines Dokuments aus der Zeit um 1650
darstellen (Sp. 1468). Auch eine Harleian-Konstitution könnte aus dieser Zeit
stammen (Knoop/ Jones, 1968, 83, 152-154, 227-228). Vielleicht bildete sich um 1650 auch
bereits die Hirams-Legende (erstmals erwähnt 1726) und der esoterische Gehalt
des Royal Arch (erstmals erwähnt 1756). Aus dem Jahre 1696 ist ein schottischer
Katechismus mit 15 plus 2 Fragen erhalten (Edinburgh Register House MS.). Ähnliche Angaben bringt
das Chetwode-Crawley-Manuskript, das auf ca. 1700 datiert wird. Da war, wie Knoop/ Jones berichten
(1968, 218, 251, 257) mit der Erteilung des Geheimnisses an den Lehrling „ein
gut Teil Schabernack verknüpft“ (vgl. auch Dierickx, 1968, 41), der durchaus
auf mittelalterliche Studentenbräuche oder auf Bräuche in der Seefahrt zurückgehen
könnte. Noch heute werden Auszüge als Prüfungsgespräch
aus dem Katechismus von 1696 praktiziert, wie Heinz-Günter Deiters (1963, 137) enthüllt,
beispielsweise, dass die Geheimnisse der Freimaurer „in einer knöchernen Kapsel“
verhehlt seien und dass der Schlüssel dazu die menschliche Zunge sei. Öffentliches Auftreten im 18. Jahrhundert In 1720er Jahren war es üblich, dass die Aufnahme von
Adeligen wie gewöhnlichen Bürgern in die Freimaurerei unter voller
Namensnennung in den Zeitungen Englands bekanntgegeben wurde. Ferner zeigten die Freimaurer keine Scheu, sich öffentlich
zu zeigen. „In Zusammenhang mit dem grossen Fest“ (Knoop/ Jones, 1968, 315)
bewegten sich die Brüder in maurerischer Bekleidung durch die Strassen, zuerst
zu Fuss, bei späteren Gelegenheiten in Kutschen. Erst nach zwei Jahrzehnten
begannen die Gegner der Freimaurer Spottparaden zu inszenieren, sodass die
Grossloge 1747 beschloss, fortan auf die Umzüge zu verzichten. In Dublin fanden ebenfalls Kutschenparaden statt. Hier
fanden auch öffentliche Theaterbesuche von Freimaurern statt. Etwas später, als die vielen bunten Hochgradsysteme
entstanden, hören wir, dass die englischen „Knights Templar“ am 27. Dezember
(1785) „in einer besonderen Uniform gelegentlich ihres Grand Encampment die
Strassen in Prozession durchzogen“ (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 846). Turbulente Weiterentwicklung der Freimaurerei Innerhalb des Logenlebens herrschte eine
ungeheure geistige Aktivität. Alle Möglichkeiten des Denkens, der
Weltanschauung und des Rituals wurden durchgespielt. Die weitere Entwicklung der Freimaurerei verlief sehr
turbulent. Schon 6 Jahre nach der Gründung der Londoner Grossloge erschien die
"Konstitutionen der Freimaurer". Sie werden heute die "Alten
Pflichten" genannt. Damals waren es freilich
neue Pflichten,
geschrieben im Geist der Aufklärung. Aber das Drumherum, vor allem der
geschichtliche Teil, d. h.
die Legende, war alt. Bald regten sich Gegenströmungen. Es gab
Auseinandersetzungen zwischen den "Antients" und den
"Moderns". Der Streit drehte sich dabei um das religiöse Fundament und
um das Gottesbild. Erst nach hundert Jahren (1813) wurde der Streit
entschieden. Die englische Richtung einigte sich auf eine
konservative
Auslegung. Sie ist heute noch massgeblich für die weltweite, reguläre
Freimaurerei. Die Franzosen als grösste Gruppe der "Abtrünnigen"
sind eher modernistisch orientiert, also im Sinne der ursprünglichen
Aufklärung. Eine weitere Welle von Turbulenz brachte das Eindringen der
Symbolik, ja der Esoterik. Sie erfolgte erst zwei, drei Jahrzehnte nach der
Gründung der Londoner Grossloge und führte in der 2.Hälfte des 18. Jahrhunderts
zu einer Fülle von Abspaltungen, Neugründungen und Veränderungen innerhalb
bestehender Logen. Für die Frauen wurden sogenannte "Adoptionslogen" gebildet (siehe:
Die Freimaurerei und die Frauen). Die wichtigsten Ergebnisse waren: 1.)
eine verwirrende
Vielfalt von sog. Hochgraden mit bis zu 97 Stufen 2.)
die Ausbildung
einer fortschrittlichen und einer alchemistischen Splittergruppe. Beide lebten
nur kurz. Ein junger Forscher hat 1982 formuliert: Die
Illuminaten (1776-85) waren radikal aufklärerisch, die Gold- und Rosenkreuzer (1757-93) konservativ gegenaufklärerisch,
ja irrational-schwärmerisch. Man kann sagen, dass der Liberalismus des 19. Jh. von den Illuminaten
her kommt, der Konservatismus von den Gold- und Rosenkreuzern. Der 1906 von Theodor Reuss gegründete "Illuminatenorden"
hat mit den erwähnten Illuminaten nichts zu tun. Und die drei Bücher "Illuminatus"
(1975) von Robert Anton Wilson sind typisch amerikanische "Fiction". Nichts mit den alten "Gold- und Rosenkreuzer"
haben die Rosenkreuzer des 20. Jahrhunderts zu tun. Sie basieren auf Theosophischem
Gedankengut. Der heutige AMORC (Antiquus Mysticus Ordo Rosae Crucis)
wurde etwa 1909/15 in Amerika vom Theosophen Spencer Lewis gegründet. Das heute sehr aktive "Lectorium Rosicrucianum"
wurde 1924 vom holländischen Theosophen Jan van Rijkenborgh gegründet. Rasante weltweite Ausbreitung Die Freimaurerei hat sich nach ihrer Gründung wie ein
Lauffeuer über die ganze Welt ausgebreitet, und unzählige Gelehrte, Künstler
und Forscher schlossen sich an. Es gehörte zum guten Ton, Freimaurer zu sein.
Nicht zuletzt war es auch eine der wenigen Gelegenheiten für die bürgerliche
Opposition, sich zusammenzufinden. Die Logenbrüder empfanden sich als
revolutionär, fortschrittlich, modern (Kosellek). Gemäss erhaltenen Dokumenten kann man feststellen, dass
erste Logen folgendermassen datierbar sind Um 1721 erste Logen vermutlich in Rotterdam (eine gelegentliche Loge im Haag erst 1731) und angeblich in Belgien (Mons, Gent), Frankreich (Dunkerque; 1725:
Paris; 1731: Graf Derwentwater) und
in Istanbul
Griechenland (1724 – nach andern Angaben erst seit 1740 auf Korfu und Zakynthos) Tschechoslowakei (1726; Graf Franz Anton von Spork– die Loge in Prag ist erst 1741 nachgewiesen) Spanien (1728; Herzog von Wharton - nach andern Angaben
bereits 1727) Gibraltar (1729 - nach andern Angaben bereits 1724) Russland (1731) Italien (1733) Portugal (1735) Schweden (1735; Graf Axel Wrede-Sparre) Niedersachsen und Hamburg (1736 – bereits 1733 in Hamburg
bewilligt) Schweiz (1736 in Genf, 1740 in Zürich) Türkei (1738 – nach andern Angaben 1740) Polen (1738; Graf Friedrich Rutowski) Ungarn (1740) Osterreich (1742; Graf Philipp Gotthard von Schaffgotsch – nach andern Angaben gab es Logen bereits 1740) Dänemark (1743) Norwegen (1745 - nach andern Angaben 1749) Lettland (1750) Die ersten aussereuropäischen Logen entstanden unter
englischem Einfluss Erste Zusammenkunft einer Loge schon 1720 in Boston (1930 ein Patent für eine Provinzialgrossloge)
1729 in Bengalen (Fort William) 1730 Calcutta (Ralph Farr Winter) 1734-64 auf den karibischen Inseln, z. B. 1740 Barbados,
1742 Jamaica, 1744 Bermuda 1736 in Südamerika 1736 in Gambia 1738 Haiti (auch französischer Einfluss) 1738 Kanada (Erasme J. Phillips) Es folgten Australien (1752; unter irischem Einfluss),
Nicaragua (1763) und China (1767), dann Argentinien (1790) und Brasilien
(1797), Ägypten (1798) und die Philippinen. Unter holländischem Einfluss standen die Gründungen in
Südafrika (1772), Indonesien und Ceylon.
(Eine andere Liste mit anderen Zahlen findet sich bei Robert A .Minder: Freimaurer Politiker Lexikon, 2004, 22.) Weitere Angabe in:
Freimaurerei 1725-1742: rasch ausgebreitet – sofort verboten
Ebenfalls bereits um 1740 bildeten sich
die ersten Frauenorden, beispielsweise der Mopsorden. Sie blühten bis zur Französischen
Revolution und dann nochmals unter Kaiserin Josephine bis etwa 1820. Verfolgungen in Portugal Eines der düstersten Kapitel bei der Ausbreitung der
Freimaurerei bietet das Land Portugal. Gemäss Lennhoff/ Posner (1932, Sp.
1225-1230, 977) führte hier ein englischer Mathematiker die Freimaurerei im
Jahre 1735 ein. Bereits acht Jahre später verriet ein fanatischer
Dominikanermönch 17 Freimaurer beim Grossinquisitor wegen „Verschwörung und
Ketzerei“. König Johann V. willigte in deren Verfolgung ein. Am 8. März 1743
wurde die Lissabonner Loge „Virtud“ überfallen. Die drei anwesenden Brüder
wurden festgenommen und mussten nach einer fürchterlichen Tortur das Blutgerüst
besteigen. Unter drei weiteren Verhafteten war der Schweizer Johann Coustos.
Über ihre Folterungen schrieb er nachher
einen erschütternden Bericht. Zwei
andere Freimaurer erlitten den Feuertod. Nach einer kurzen liberalen Zeit unter José II. liess
Königin Maria I. die Freimaurer wieder drangsalieren. Ein berühmter
Mathematiker wurde zwei Jahre eingekerkert, viele Brüder mussten fliehen. 1788
fand eine Autodafé statt. Vier Jahre später wurde dem Gouverneur von Madeira
befohlen, alle Freimaurer auf der Insel zu verhaften. 64 Brüdern gelang es, mit
ihren Familien auf einem Schiff nach Amerika zu entkommen. 1788 wurde auf Freimaurerei die Todesstrafe gesetzt. Viele
Freimaurer verschwanden auf Nimmerwiedersehen in den Kerkern. Als neun Jahre
später französische Truppen in Lissabon einrückten, fanden sie in einem
unterirdischen Verlies neun gefesselte Skelette von Freimaurern. 1810 wurden 30
Freimaurer aus der Hauptstadt nach den Azoren deportiert. Sieben Jahre danach
wurde der Grossmeister als Anhänger der Monarchie denunziert und zusammen mit
elf Brüdern von der englischen Besatzungsmacht gehenkt. Später führte ein
Hirtenbrief des Erzbischofs von Lissabon zur Ermordung von 17 Freimaurern. Erst nach dem Auftritt der jungen Königin Maria II. da
Gloria 1834 konnte sich die Freimaurerei wieder etwas ausbreiten. Heftige
interne politische Auseinandersetzungen führten zur Gründung von vier
verschiedenen Grosslogen. Und immer wieder gab es Verfolgungen. Noch 1918 wurde
in Lissabon der Freimaurertempel des Grossorients vom Pöbel demoliert. Der
Vorkämpfer des portugiesischen Liberalismus, Sebastião de Magalhães Lima, trat
schon in jungen Jahren dem Freimaurerbund bei, wurde wegen seiner politischen
Aktionen mehrfach eingekerkert, Nach vier Jahren im Exil wurde er 1915 für
kurze Zeit Unterrichtsminister. Von 1907-28 amtete er als Grossmeister der
portugiesischen Freimaurer. 1935 verbot das Regime Salazars die Freimaurerei erneut; ihr
gehörten damals 120 Logen mit 10 000 Mitgliedern an. Kap.2: Die innere rationale Seite Die moralischen Auffassungen
Siehe auch:
Die Grundauffassungen der Freimaurerei
Die Tugendlehre von Shaftesbury?
„Aus
Grundsätzen moralisch seyn“
Freimaurerische Tugenden, Untugenden und sittlichen Strebungen
Die freimaurerischen Historiker Knoop /Jones betonen in
ihrer unentbehrlichen und grundlegenden Studie über die Vorgeschichte der
Freimaurerei (1968, 7), dass der einzige offenbar seit Jahrhunderten – also
seit etwa 1360 (dem ersten, hypothetischen “Book of Charges”) – mit ihr
verbundenen Leitgedanke “die Einschärfung sittlichen Verhaltens” gewesen
sei. Gemäss dem „Internationalen Freimaurer-Lexikon“ von
Lennhoff/ Posner (1932) basieren die ethischen Standards auf den wesentlichen
Fundamenten der abendländischen Kultur zu verschiedenen Zeiten: ·
aus der griechischen
Philosophie: ·
aus dem Christentum:
die Menschenliebe Frühe maurerische Prinzipien In einem Gedicht, das von 1725 bis 1731 mehrfach
abgeschrieben resp. abgedruckt wurde, sind die Prinzipien der Freimaurerei wie
folgt zusammengefasst: “If all the Social Virtues of the
Mind, If an extensive Love to all Mankind, If hospitable Welcome to a Guest, If speedy Charity to the Distrest, If due Regard to Liberty and Laws, Zeal for our King, and for our
Country’s cause, If these are Principles deserving
Fame, Let Masons then enjoy the Praise
they claim.” Der Charakter des Freimaurers Wogegen kämpfen die Freimaurer? In einer alten englischen Aufzeichnung
heisst es: „I came there to conquer my passions, correct my vices and improve
my morals.“ Welche Laster sind gemeint? „Blasphemy, Drunkenness, Lewdness,
Swearing, Evil plotting, Lying and Controversy“. Was macht den Charakter des Freimaurers aus? „To walk humbly in the
sight of God, to do justice and to love Mercy“ (Dyer, 1991, 60-61). Aus derselben Zeit stammt die Warnung, man möge in die Loge
„nur gute und wahre Männer, Freunde der Kunst [d. h. der Königlichen Kunst] und
der Tugend“ aufnehmen (Knoop/ Jones, 1968, 314). Sogar in der ersten gegen die Freimaurer gerichteten
päpstlichen Bulle von 1738 heisst es, dass sich in dieser Vereinigung „Menschen
aller Religionen und Sekten, wenn sie sich nur einer natürlichen
Rechtschaffenheit und Wohlanständigkeit befleissigen“, verbunden haben (v. Bokor,
1982, 121). Bei Heinz-Günter Deiters (1963, 60) heisst es ganz anders:
„… mit dem angemassten Schein einer gewissen Gattung äusserlicher Redlichkeit
zufrieden“, bei Eugen Lennhoff (1931, 293) und Michel Dierickx (1968, 64): „…
mit dem angemassten Schein einer gewissen Art natürlicher
Rechtschaffenheit“. Bei Binder (2000, 53) lautet es bloss: „ …mit einer gewissen
Art von natürlicher Rechtschaffenheit“. Am Konvent von Wilhelmsbad 1782 erklärte Franz von Ditfurth,
„Zweck der Freimaurerei sei allgemeine Menschen- und vorzügliche Bruderliebe,
Wohltätigkeit, Aufklärung und Duldung“ (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 860). In seiner legendären Rede von 1736 resp.1737 hat der
Chevalier de Ramsay
die vier Voraussetzungen zur Aufnahme in den Freimaurerbund vorgestellt:
Menschen-Liebe
gesunde Sittlichkeit
unverbrüchliche Verschwiegenheit
Geschmack an den nützlichen Wissenschaften und freien Künsten.
Der Philosoph Herder hat formuliert: „Licht, Liebe und Leben
hervorzuzaubern, ist das Ziel der Freimaurerei“ (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp.
935). Die drei Johannisrosen deuten darauf hin. Am Ende seines um 1815 formulierten Gedichts „Symbolum“ hat
Goethe noch knapper formuliert: die Kräfte des Guten.“ Die Tugenden
siehe auch:
Freimaurerische Tugenden, Untugenden und sittlichen Strebungen
„Die Freimaurerei trachtet durch die ethische Erziehung des
Individuums die vernunftgemässen moralischen Pflichten im Gefühl zu
verankern, da sittliches Handeln, wie Handlung überhaupt aus der adynamischen
Vernunft allein nicht entstehen kann“ (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 1602). Für die Freimaurerei waren anfänglich die Handwerkstugenden
des Mittelalters - welche vor allem von den christlichen Tugenden getragen
wurden - weiterhin bedeutsam. Die Verbindung mit den alten griechischen
Kardinaltugenden und der christlichen Trias „Glaube, Liebe Hoffnung“ ergab sich
erst sehr spät, nämlich nach 1750. Eine schöne Beschreibung findet sich in einem englischen
Ritual seit 1825 (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 1595; 1555; zur Datierung: 1625)
anhand der vier Quasten einer Knotenschnur: „An den vier Ecken der Loge finden sich vier Troddeln, die
uns an die vier Kardinaltugenden erinnern sollen, nämlich Mässigkeit,
Tapferkeit, Weisheit und Gerechtigkeit, die in ihrer Gesamtheit, wie uns
unsere Überlieferung lehrt, ständig von der Mehrheit unserer alten Brüder
bewahrt wurden. Die unterscheidenden Merkmale eines guten Freimaurers sind
Tugend, Ehrenhaftigkeit und Güte. Mögen sie immer in des Maurers Brust gefunden
werden.“ Manchmal wird die Tapferkeit durch Mildtätigkeit („clementia“)
ersetzt (Deiters, 1963, 119). Diese Verschiebung könnte auf die römische
Kaiserzeit zurückgehen, denn damals wurde Weisheit durch Frömmigkeit („pietas“)
und Mässigkeit durch Mildtätigkeit ersetzt. Auch einer der 10 Sefiroth im Buch Jezira
der Kabbala ist die „Barmherzigkeit“. Unter Weisheit wird ab und zu auf Micha
6, 8 oder Weish. 111, 10 hingewiesen. Die zweite Gruppe von Tugenden sind „Selbsterkenntnis,
Selbstbeherrschung und Selbstveredelung, die zur Toleranz führen und das soziale
Leben im Sinne des Humanitätsideals formen wollen“ (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp.
1602, 1194; detailliert Sp. 1450; auch Lennhoff, 1931, 17-19; Dierickx, 1968,
155-157). Dierickx (1968, 130-131, 155-156) schliesslich weist mehrmals
auf „Glaube, Hoffnung und Liebe“ (1. Kor. 13, 13) hin. Im Englischen heissen
sie „Faith, Hope, Charity“. Letztere könnte die Verbindung zur Mildtätigkeit
bilden. Im angelsächsischen Sprachraum werden die vier irdischen und
die drei himmlischen Tugenden oft zu den „sieben Tugenden“ zusammengefasst. Der Freimaurer Friedrich der Grosse forderte um 1750 die 7 „preussischen“
Tugenden: Unbestechlichkeit, Sparsamkeit, Fleiss, Pflichtbewusstsein, Bescheidenheit,
Gemeinsinn, Toleranz (Dosch, 1999, 289). In Tolstois „Krieg und Frieden“, Teil 5, Kap. 3 (1806-1807),
werden im Rahmen einer freimaurerischen Zeremonie sieben andere Tugenden
angeführt, welche den sieben Stufen des Salomonischen Tempels entsprechen
sollen: 1. Discretion, the keeping of the
secrets of the Order. 2. Obedience to those of higher
ranks in the Order. 3. Morality. 4. Love of mankind. 5. Courage. 6. Generosity. 7. The love of death. Der amerikanische „De Molay“ Orden für Knaben und junge
Männer hat nochmals sieben andere Tugenden, nämlich: filial love, reverence for God and
respect for others, courtesy, comradeship, fidelity, cleanness of thought, word
and deed, and patriotism. Weitere freimaurerische Tugenden Gemäss Reinhold Dosch (1999, 289-290) finden sich in den
Akten der 1770 gegründeten Grossen Landesloge der Freimaurer von Deutschland: Im Ritual der deutschen National-Mutterloge „Zu den drei
Weltkugeln“ finden sich: Die Freimaurerei als Träger der Aufklärung Die moderne Freimaurerei wurde - unter Beibehaltung der
alten Berufstradition der Bauleute - zu einem wichtigen Hort aufklärerischer
Ideen. Diese Ideen kann man in vier Begriffe fassen: Freiheit des Geistes,
Toleranz, Kosmopolitismus und Humanität. Aus einem anderen Blickwinkel formulierte der Philosoph
Immanuel Kant: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Reinhart Kosellek hat in seiner umgearbeiteten Dissertation
„Kritik und Krise“ (1959, 49) festgehalten: „Zwei gesellschaftliche Formationen haben auf dem Kontinent
das Zeitalter der Aufklärung entscheidend geprägt: die République des lettres
und die Logen der Freimaurerei.“ Michael W. Fischer (1982, 120; vgl. 105, 123, 134, 142)
meint: „Im Zentrum der Organisation von Aufklärung steht … die
Freimaurerei.“ Helmut Reinalter (2000, 16 und 17) schreibt ganz ähnlich:
„Eine wichtige Rolle kam schliesslich im Prozess der Aufklärung ... auch der
Freimaurerei und den Geheimbünden zu. Im Mittelpunkt der Logen, in denen sich
ihre als Weltbürger verstehenden Mitglieder eine selbstgeschaffene Ordnung
gaben, stand die ritualisierte Freundschaft … Freimaurerei und Geheimbünde haben zweifelsohne als
gesellschaftliche Formationen die Aufklärung entscheidend mitgeprägt. In ihnen
wurden schon vor der Französischen Revolution z. T. demokratische Formen der
Willensbildung entwickelt.“ Die Freimaurer und der Rationalismus „Das Zeitalter der Aufklärung stand unter dem Einfluss des
Rationalismus, der als Reaktion gegen die Gefühlsbetontheit des Mittelalters
die Vernunft zur Geltung brachte, aber dann seinerseits das rationale Moment
übertrieb“, schreiben Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 1283). „Es entspricht vor allem dem Standpunkt des Rationalismus,
wenn die Lehre der Freimaurerei das sittliche Postulat und nicht den Glauben in
den Vordergrund stellt … Die freimaurerische Lehre zeigt … rationalistische
Färbung, doch lehnt sie die schroffe Form des Rationalismus ab, zumal ‚reines
Denken’ zweifelsohne eine Fiktion ist. Sie will Vernunft und Gefühl, jede im
eigenen Bereiche gelten lassen, schätz Wissenschaft und Religion gleichermassen,
allerdings mit der Einschränkung, dass letztere sich nicht in Gegensatz zu den
positiven Ergebnissen der Forschung stellen, dass aus Glauben niemals
Aberglauben entstehen darf.“ Bereits seit etwa 1641 haben frühe
Freimaurer (Robert Moray, Elias Ashmole) die Gründung der englischen wissenschaftlichen
Gesellschaft, der „Royal Society“ (1662) vorangetrieben. Ein Freund von Isaac
Newton, ebenfalls Physiker und Mitglied der Royal Society, war John Theophilus Desaguliers,
der dritte Grossmeister der modernen Freimaurer (1719). In den ersten 50 Jahren
der modernen Freimaurerei waren zudem fast alle adeligen Grossmeister auch
Mitglieder der Royal Society. Kritisch schreibt Jan K. Lagutt (1971, 7, 181; vgl. 126-130):
„Die eigenartige Mischung von altem esoterischem ‚Geheimgut’ und Rationalismus,
der nur allzu leicht die harten Züge des Materialismus annimmt, geben
der ganzen Bewegung etwas Zwiespältiges, worunter sie leidet“ (vgl. auch Dierickx,
1968, 156-157). Die Freimaurerei und der Deismus Neben Rationalismus und Aufklärung war die dritte
zeitgenössische Strömung der Deismus. Dazu meinen Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 328; vgl.101), es
gehe nicht an, Deismus und Freimaurerei einfach zu identifizieren. „In manchen
Auffassungen von Religiosität, Sittlichkeit und Toleranz stimmte wohl die
zeitgenössische freimaurerische Auffassung mit den Lehren der Deisten überein,
ohne dass deswegen aber die Freimaurerei zur Deistenkirche geworden wäre. Die
‚Alten Pflichten’ werden gerade in der englischen Freimaurerei in ganz anderem
Sinne ausgelegt und gehandhabt. Schenkel weist auch darauf hin, dass keiner der
grossen Deisten Mitglied des Freimaurerbundes war.“ Der durchschnittlichen maurerischen Auffassung entspreche am
ehesten der Standpunkt des “moralischen Theismus” gemäss dem Philosophen
Immanuel Kant (Sp. 1573, 814; vgl. jedoch Sp. 1208). Obwohl die Gründer der modernen Freimaurerei auf dem
Christentum basierten, wurden in den englischen Logen „schon sehr frühzeitig
Andersgläubige, Juden, Mohammedaner, Buddhisten, aufgenommen. Die ersten
jüdischen Namen erscheinen 1723 in den Logenregistern“ (Lennhoff/ Posner, 1932,
Sp. 275, 791; etwas vorsichtiger sind Knoop/ Jones, 1968, 187-188). Zu Gott und der Bibel Zur Bibel äussern sich ausführlich Lennhoff/ Posner (1932,
Sp. 174-176; vgl. 100-102) und Michel Dierickx (1968, 142-155). 20 Jahre nach seiner Gründung (die 1833 erfolgte) hat Grand
Orient de Belgique die übliche freimaurerische Formel fallengelassen, wonach
alle Maurer zur Ehre des Allmächtigen Baumeisters aller Welten (ABaW) arbeiten.
1871 wurde anlässlich einer Satzungsrevision (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 161; Dierickx,
1968, 88, 175) der ABaW aus den Statuten gestrichen und die Bibel aus den Logen
entfernt. Als der französische Grand Orient de France 1877 folgte (Sp.
101, 175, 508; 88-90), verkündete der kurz zuvor gebildete „Deutsche Grosslogenbund“: „Der Freimaurerbund fordert von seinen Mitgliedern kein dogmatisch
bestimmtes Gottesbekenntnis, und die Aufnahme der einzelnen Brüder wird nicht
abhängig gemacht von einem religiösen Bekenntnis. Aber die freimaurerischen
Symbole und die freimaurerischen Ideale weisen nachdrücklich auf Gott hin und
wären ohne Gott unverständlich und unsinnig. Die Prinzipien und die
Geschichte der Freimaurerei lehren und bezeugen Gott … Das dem Freimaurer heilige Sittengesetz hat seine tiefste
und stärkste Wurzel in Gott. Würde die Freimaurerei abgelöst von der
Gottesidee, so würde ihr ideales Bestreben überhaupt seine nachhaltige Kraft
und sein höchstes Ziel verlieren und würde haltlos und ohnmächtig werden“ (Dierickx,
1968, 111-112; auch Rausch, 1999, 160; vgl. Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 344-345). Gemäss den Erläuterungen von Dieter A. Binder (1998, 377)
steht die Bibel heute als „Symbol des geistigen Kampfes zur Veredelung des
eigenen Ich, für Wahrheit und Recht“. Die Freimaurerei und die Philanthropie Beim Stichwort „Wohltätigkeit“ ist zu beachten, dass seit
Jahrhunderten in allen Handwerken Bestimmungen und Einrichtungen bestanden, die
der Hilfe an kranke und notleidende oder verarmte Zunft- oder
Bruderschaftsgenossen dienten. Darunter fiel auch die Unterstützung von Witwen
verstorbener Brüder und Beiträge and die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder. Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 1716) berichten: „Wohltätigkeit
ist am systematischsten und grosszügigsten von der englischen Freimaurerei
organisiert worden. Bereits … 1723 wurde ein Grosslogenkomitee für
Wohltätigkeit, committee of charity, gegründet [seit 1980: „The Great Charity“].
1729 drang Desaguliers auf Schaffung organisierter Hilfeleistung, zunächst für
bedürftige Brüder“ (vgl. auch Knoop/ Jones, 1968, 205-208; 284). Eine
ausführliche Schilderung der heutigen Tätigkeit bietet John M. Hamill (1992/93,
168-169). In der oben erwähnten alten englischen Aufzeichnung sind die Voraussetzungen, ein
würdiges Mitglied des freimaurerischen Handwerks („Craft“) zu sein: „To afford succour
to the distressed, to give bread to the poor, and to putt he muisguided traveller
into his way“ (Dyer, 1991, 61). 1788 wurde ein erstes Mädchen-Internat eingerichtet, 1798
ein ähnliches Institut für Knaben. Seit 2003 sind ihre Nachfolgestiftungen
vereint im „Royal Masonic Trust for Girls and Boys“. Weitere Einrichtungen sind
Witwen- und Waisenfonds, Spitäler und allgemeine Wohlfahrtsfonds, aber auch die
Unterstützungen anderer Institutionen. Für die USA erwähnen Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 36):
Altersheime, Krankenhäuser, Krüppelfürsorgestellen und Tuberkuloseheime sowie
Hilfe bei Naturkatastrophen (vgl. auch Deiters, 1963, 159-161). Bekannte Schweizer Institutionen der Schweizer Freimaurer
sind etwa der Unterstützungs- und Hilfsfonds der Zürcher Loge „Modestia cum Libertate“
(seit 1780). Diese Loge hat wesentlich zur Gründung und Betreibung des „Vereins
für den Transport von Verwundeten“ während des Sonderbundskriegs 1847
beigetragen und 1904 das Zürcher Brockenhaus gegründet. Dazu kommen eine ganze Fülle von Aktivitäten und Stiftungen
(Bänninger et al., 1994, 36, 58-61), von der Fürsorgegesellschaft der ältesten
Loge, der „Union des Coeurs“ in Genf, bis zur Mithilfe beim Kinderdorf
Pestalozzi in Trogen (1946). Laut Binder (1998, 255) unterstützen die deutschen Logen die
Aktion Karlheinz Böhms für Abessinien massiv. Die Freimaurerei und die Menschenrechte Ende 1736 hielt ein
schottischer Edelmann und Mitglied der Royal
Society als Redner der französischen Grossloge einen Vortrag, in dem er die
Herkunft der Freimaurer von den „Rittern des heiligen Johannes zu Jerusalem“
behauptete. Ein Jahrzehnt später kommentierte ein vehementer Gegner der Freimaurer, Abbé Larudan, in
einer Schrift “Les Franc-maçons écrasés” diese Rede, als deren Prinzipien er
neben der Brüderlichkeit “Gleichheit und Freiheit” bezeichnete (Lennhoff, 1931,
67 und 71). Es ist naheliegend, dass diese Parolen aus der Freimaurerei
hervorgegangen sind, denn die Freimaurerei verkörpert wie kaum eine Strömung
des 17. Jahrhunderts die besten Ansätze der neuen Zeit, also Aufklärung,
Vernunft, Abkehr von Dogma und von Herrschaft. Wie bei vielen anderen Ideen oder idealen handelt es sich um
Polaritäten. Zum ersten Mal findet sich die Formulierung der
Menschenrechte in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. Diese
ist stark von Freimaurern beeinflusst (Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 1024). Die „Erklärung der Menscherechte“ der Französischen
Revolution wurde zuerst in der Loge von Aix ausgearbeitet und auf Initiative
des Freimaurers General Lafayette von der verfassunggebenden Versammlung im
September 1791 angenommen (Sp. 1025, 896). 1926 war die Grossloge von Wien die Gründerin der bis heute
aktiven österreichischen Liga für Menschenrechte. Kap.3: Die innere esoterische Seite Der Dichter Lessing hat in seinen Gesprächen für Freimaurer
unter dem Titel „Ernst und Falk“ (1778) unterschieden zwischen einem Geheimnis,
das nicht mitteilbar ist, beispielsweise ein anthropologisches oder
emotionales, und „Heimlichkeiten“, die sich auf die Rituale und Symbole eines
Handwerks oder Gewerbes beziehen. Eine dritte Form wären „hermetische“
Geheimnisse. Heimlichkeiten: technische Geheimnisse Das Geheimnis ist nicht spezifisch freimaurerisch. Es gab das schon im Altertum, bei den Ägyptern, in den Mysterienbünden,
usw. Wichtig ist: Schon die ersten Christen wurden von den andern
bezichtigt, einen "Geheimkult" zu pflegen. Das ist psychologisch und
politisch verständlich. Alles, was sich zusammen schliesst und absondert, wird
verdächtigt. Als Reaktion darauf kann man die Leistung eines Eides sehen:
Man gelobt sich nicht nur Beistand und Einhaltung einer Ordnung, sondern auch
Verschwiegenheit. Für die Handwerkerzünfte in Deutschland ist ein
solcher Eid seit 1200 nachweisbar. Verschwiegen wurde dreierlei: Die sog. Erkennungszeichen, die komplizierten Rituale und
dergleichen stammen erst aus der Spätzeit der Zünfte und Logen. Sie tauchen
erst ab 1550 auf, also zur gleichen Zeit, da die Maurerei spekulativ
infiltriert wurde. Dass sie unter das Verschwiegenheitsgebot fallen, ist
einfach die Fortsetzung alten Brauchs. Recht nüchtern berichten davon Knoop/
Jones (1968, 83-85, 216, 262, 272) bei der Besprechung des
Cooke- und des
Regius-Manuskripts,
aber auch etwa Alec Mellor (1985, 46-48). Das maurerische Geheimnis Der katholische Nicht-Freimaurer Jan K. Lagutt (1971, 14)
schildert das eigentliche Geheimnis der Freimaurer in blumigen Worten: „Das wirklich erstaunliche daran ist jedoch, dass es gar
nicht verraten werden kann. Es hängt aufs engste mit dem Wesen des Menschen
zusammen … Es ist das Mysterium des Menschen selbst. Es ist das ureigenste
Geheimnis des menschlichen Wesens, das zugleich das Geheimnis unsres
Schöpfungskreises ist.“ Heinz-Günter Deiters (1963, 113) zitiert aus dem Aufsatz
eines Freimaurers aus dem Jahre 1960: Wir haben in den letzten 2½ Jahrhunderten ein Geheimnis
verstanden und bewahrt, das tiefer ist als alle Geheimnisse der Mysterienbünde:
den Menschen und sein Sittengesetz. Es macht das tiefste Wesen unseres
Bundes aus, den Menschen zu innerer Freiheit und Verantwortung, aus eigenem
Denken zu erziehen …“ Das maurerische Geheimnis ist auch kein hermetisches
Geheimnis. Charles v. Bokor (1982, 32-33) schildert die Zeit des Übergangs von
der operativen zur spekulativen Maurerei und fährt fort: „Ohne Zweifel mussten
die ersten Ehrenmitglieder denselben Verschwiegenheitseid leisten wie die ordentlichen
Mitglieder, auch wenn sie nicht wussten, was etwa die ‚goldene Zahl’ bedeutete
… Wenn man meint, die Mitgliedschaft von Adeligen und Reichen
damit erklären zu können, dass die Logen in dem Ruf standen, im Besitz eines hermetischen
Geheimnisses zu sein, so möchten wir das kategorisch ablehnen. Diese Tatsache
würde den Beitritt einiger weniger Leute erklären, aber warum sollten ihnen jahrzehnte-
und jahrhundertelang Tausende andere folgen, obwohl in den Logen nichts Aussergewöhnliches
geschah und die ersten Logenmitglieder sehr bald feststellen konnten, das die
Logen keine hermetischen Geheimnisse besassen.“ Die nüchternen Schweizer Freimaurer formulieren in ihrer
Informationsbroschüre (Bänninger et al, 1994, 52): „Die Einweihung ist ein Akt
der Bewusstseinserweiterung. Die Aufnahme in den Bund ist im maurerischen Leben
das zentrale Erlebnis, das unvergesslich bleibt … Diese Erlebnis kann
nicht durch Worte vermittelt werden. In diesem Erlebnis besteht das Geheimnis
der Freimaurerei“ (ähnlich Lennhoff, 1931, 20-22; Haack, 1975, 8-9, 34, 37; Dierickx,
1968, 125-126, 139-141, 159-161, 203; Binder, 1998, 380). Alec Mellor (1985, 305) meint, die Geheimnisse bestehen in
den Riten, und er zitiert Bernard E. Jones (1950), dass das Geheimnis zu einer
Einsicht führt, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Die Rituale Die moderne Freimaurerei trat 1717 offiziell in Erscheinung.
Die Rituale
damals entsprachen weitgehend denjenigen in Handwerksvereinigungen und Zünften,
speziell derjenigen von Bauleuten und Steinmetzen. Die Freimaurerei breitete sich in
den ersten 20-30 Jahren rasend schnell fast über die ganze Welt aus. Ab 1740/50 genügte das Bisherige
einigen nicht mehr, und sie begannen, esoterische Ideen und Rituale aus den
vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden einzubauen. Am wichtigsten waren Die Gnosis spielte im ganzen gesehen keine grosse
Rolle. Die historische Gnosis des 2. Jahrhunderts n. Chr. war ja weltverachtend
und pessimistisch. Die neuen gnostischen Strömungen entstanden erst 1890
und meist in Zusammenhang mit Theosophie und Anthroposophie. Immerhin bekannten sich um 1760 die Adepten von Martines de Pasqually
- um 1760 im „okkultistischen französischen Hochgradsystem“ der Elus Coëns - zu
den „mystischen Doktrinen der Neu-Platoniker, Gnostiker und Kabbalisten“
(Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 415-416). Ferner behaupte Lennhoff/ Posner (1932,
Sp. 471) und Binder (1998, 22), die Gedankenwelt der Gnostiker habe einen
entscheidenden Einfluss auf Ignaz A. Fessler ausgeübt, den Schöpfer eines
freimaurerischen Rituals um 1800. Um 1780 war die Ritualistik der Freimaurer so bunt, dass man
versuchte, sie zurückzustutzen. Das gelang zumindest für die
"normale", blaue Johannismaurerei. Die gereinigten Rituale von ca.
1800 sind seither unverändert in Gebrauch und -
in meinen Augen - nicht sonderlich spektakulär. Die Deutschschweizer sind da
eben sehr nüchtern, manche Logen in Deutschland und Schweden haben
eindrücklichere Rituale. In den sogenannten Hochgraden haben sich allerdings viele
der abenteuerlichen
Ideen und Rituale aus dem 18. Jahrhundert gehalten. Die Freimaurerei als Mysterienbund? Viel zitiert wird die Behauptung des Kulturphilosophen
August Horneffer aus dem Jahre 1916: „Die Freimaurerei ist der einzig echte
Mysterienbund, der in der Gegenwart noch lebendig ist“ (Lennhoff/ Posner, 1932,
Sp. 1081; 1086, 1088, 1694; ähnl. Lennhoff, 1931, 21; noch Dosch, 1999,
195,199; vgl. Deiters, 1963, 16-18, 109, 112f, 123f). Bernhard Beyer nennt 1947 die Freimaurer „Hüter des
Mysteriums“ (Deiters, 1963, 17). Historisch gesehen, trifft das zumindest für die ersten 50
Jahre der modernen Freimaurerei nicht zu. Im "Internationalen
Freimaurer-Lexikon" von Lennhoff/Posner (1932, Sp. 559; ähnl. 561) lesen
wir, dass am Anfang wohl einfach das bereits in den operativen Bauhütten übliche
Ritual übernommen wurde. Und die gesamte Symbolik der damaligen Logen verharrte
vollkommen in der alten Steinmetztradition (Sp. 562). Das bestätig der
freimaurerische Forscher Colin Dyer (1991, 61, 70-71). Auf Grund der Herkunft der modernen Freimaurerei aus den
Londoner Logen der „Accepted Masons“ schliessen Lennhoff /Posner (1932, Sp.
12), dass die einzig richtige Tradition der Freimaurerei die
Bauhüttenbräuche und deren Symbolik sei. „Woraus unmittelbar die Stellungnahme
zu jenen Abarten der Freimaurerei abzuleiten ist, die durch Verfälschung der
Tradition fremde Bestandteile … wohl aufgepfropft, aber nicht einverleibt
haben.“ Klubleben mit Trinken und Vorträgen Ab und zu finden sich Hinweise, wonach das Hauptanliegen der
modernen Freimaurerei in den ersten Jahren nach der Gründung der ersten
Grossloge in London nicht die Beschäftigung mit Symbolik, sondern das
heitere Klubleben bildete. Das gilt vor allem für England. Aber auch auf
dem Kontinent war es nicht viel anders. Paul Naudon schreibt (1982, 74):
"Besonders in den Pariser Logen fanden sich Scharen von Brüdern, denen ein
frivoles Treiben auf üppigen Banketten näher lag als die initiatorischen Ziele
des Ordens." Auch Knoop/ Jones (1968, 5-6,141-142, 144-145, 257; vgl. 313,
322-323) berichten von Trinkgelagen, aber auch von Vorträgen über
Baukunst und Geometrie. Sie bestätigen, dass die Wohlhabenden und Aristokraten
der ersten modernen Logen „offenbar vielfach mehr Wert auf die Geselligkeit und
das Bankett legte(n) als auf die Bearbeitung der Zeremonien“ (257). Desgleichen findet der Bibliothekar und Kurator von „Library
and Museum of the United Grand Lodge of England“, John M. Hamill (1992/93,
166): „Man könnte durchaus sagen, dass die englische Freimaurerei im 18.
Jahrhundert lange eine äusserst gesellige Angelegenheit war, die sich
von den unzähligen Wirtshausvereinen und Kaffeehausgesellschaften nur dadurch
unterschied, dass es für die Brüderschaft Aufnahmezeremonien gab, die ihren
Angehörigen eine einfache sittliche Gesinnung vermitteln sollten, und dass eine
Wohltätigkeitsgesellschaft damit verbunden war.“ August Horneffer bemerkt in Zusammenhang mit der Schilderung
der Gesetze der ersten Hamburger Loge: „Indessen zeigte sich bald, dass die
moralische Biederkeit und freundschaftliche Geselligkeit, die man nach
englischem Vorbild in den Logen pflegte, den deutschen Freimaurern ebensowenig
genügte wie den französischen“ (zit. bei Deiters, 1963, 23; vgl. 106-107; siehe
auch Dierickx, 1968, 42-43; Binder, 1998, 35). Initiation Erste Ansätze zu einer Initiation finden sich erst
bei einer kuriosen Gruppe, den „Afrikanischen Bauherren“ um 1763 (Lennhoff/
Posner, 1932, Sp. 25-26). Ihr Gründer, der preussische Kriegsrat Carl Friedrich
Köppen, war schon mit 15 Jahren Freimaurer geworden (Sp. 862). Er konstruierte
ein Ritual mit biblischen und ägyptischen Ingredienzien. Kurz darauf schuf der
Benediktiner Dom Antoine Joseph Pernetty den „Rite hermetique“ auf der Basis
ägyptischer, griechischer, gnostischer, usw. Fabeln und Mysterien (Sp. 734), Um
1775 begründete der Hochstapler Cagliostro die „ägyptische“ Freimaurerei (Sp.
247). Eine popularisierte Form bietet Mozarts Oper „Die
Zauberflöte“ (1791). Die Freimaurer Emanuel Schikaneder und Karl Ludwig Gieseke
schrieben das Libretto. Dazu äussern sich Lennhoff/Posner (1932, Sp. 1297; ähnl.
1255) sehr pointiert: "Die in die Reisen verlegten sogenannten Proben der
Standhaftigkeit, Ausdauer, des Mutes entstammen fremden Gedankenkreisen. Hier sind die mittelalterlichen Proben ritterlicher
Kardinaltugenden in das Freimaurertum hineingesickert, ohne die Idee der
Wanderung selbst zu bereichern. Diese in der Zauberflöte zu dichterischer
Schönheit verewigten Wanderungen durch Feuer und Wasser usw. usw. sind eine
Ornamentik des Gebrauchtums, die eigentlich an dem tieferen Sinn der Reisen
vorbeigeht." Zur „Mysterienform in der Freimaurerei“ allgemein äussern sie
sich (1932, Sp. 1086) ebenfalls sehr dezidiert: „Die Freimaurerei will
keineswegs Offenbarung, Erlösung und Unsterblichkeit vermitteln, wie das einst
das Ziel der Mysterienbünde war, nicht magisch und mystisch wirken, sondern
rein psychologisch … Die Erlösung wird nicht im Übersinnlichen, Jenseitigen
gesucht, sondern in der Bejahung des Schicksals, in der Betätigung des freien,
seiner Verantwortung bewussten Willens.“ Also: Die Freimaurerei ist keine Heilsgemeinde wie
die antiken Mysterienbünde, sie bietet keine rein auf das Ich bezogene
Esoterik, sondern sie bietet Lebensschulung durch Erleben und Belehrung. Die Freimaurerei und Mystik Schon wegen der häufigen Verwechslung von Mystik und
Mysterium fehlt auch die Mystik in der Freimaurerei nicht. Lennhoff/
Posner (1932, Sp. 1088) behaupten keck: „Mystik war die Geheimlehre der alten
Mysterienbünde.“ Für die christliche Mystik verweisen sie auf die
„Neuplatoniker“ Eckhart, Suso, Tauler und Jakob Böhme und behaupten, die
Steinmetzen des Mittelalters hätten, wie die ganze Kunst des Mittelalters, zur
Mystik geneigt. „Die Freimaurerei war schon auf diesem Wege dem Einfluss der
Mystik ausgesetzt.“ Und: „In der Symbolik der Freimaurerei spielt Mystik auch
heute noch eine Rolle.“ Insbesondere beim Symbol des Lichtes, der Forderung
nach Selbsterkenntnis und den „Wanderungen des Neophyten“, womit wir wider bei
den ägyptischen Riten und der „Zauberflöte“ sind. Die heute noch sehr aktive und in Skandinavien stark
verbreitete Schwedische Lehrart der Freimaurerei kann „geradezu als eine in
freimaurerische Formen gehüllte Erneuerung der mittelalterlichen
christlichen Mystik bezeichnet werden“ (Sp. 1434). Die Freimaurerei und die Magie Und schliesslich geht es auch noch um Magie.
Lennhoff/ Posner (1932, Sp. 1088) schreiben: „Es darf allerdings nicht
vergessen werden, dass Mystik nicht der alleinige Inhalt der Mysterienbünde
war, sondern dass insbesondere auch Magie in diesen eine tragende Rolle
gespielt hat.“ Das hängt wieder mit einer Behauptung von August Horneffer
zusammen, der behauptete: „Alle kultische Arbeit ist eigentlich Magie,
da Kult und Magie ohne sichtbare Grenze ineinander übergehen“ (Sp. 978). Gotthilf Adolf Schenkel
präzisierte 10 Jahre später, dass im Grunde “jeder Kult, der nicht als
Ausdruck eines Seelenlebens wirkt, sondern mechanisch, rein der Form nach,
magisch” sei. Nach Lennhoff/ Posner überschneidet sich die Magie vielfach
mit der Kabbala, Alchimie und Mystik. „Die Freimaurerei war im 18. Jahrhundert
mancherorts, namentlich in Frankreich und Deutschland, Einflüssen der Magie
ebenso wie solchen der Alchimie, der Kabbala und der Mystik ausgesetzt“ (Sp.
979). Es gab sogar eine magische Maurerei. Sie ging von den verworrenen
Gedankengängen der Gold- und Rosenkreuzer aus und fand im Leipziger
Magier Johann Georg Schrepfer (1772) einen ihren Apostel (vgl. Schreiber, 2000,
188-189). Sehr ausführlich beschreiben Lennhoff/ Posner auch die „okkultische
Freimaurerei“ und die „okkultistische Symbolik“ (Sp. 1146-1151; siehe auch Deiters,
1963, 27-28), wobei sie am Schluss betonen: „Die geschlossenen Mehrheit der
Freimaurerei steht diesen Gedankengängen fern.“ Alec Mellor zitiert in seiner ausgewogenen Untersuchung der
freimaurerischen Ausflüge in die Esoterik den verzweifelten Ausruf des grossen
Schriftstellers und christlichen Mystikers Joseph Marie de Maistre aus dem
Jahre 1782: „Lassen wir doch ab von den Verrücktheiten von Memphis, und
betätigen wir uns lieber als Christenmenschen!“ (Mellor, 1985, 306; vgl.
Lennhoff/ Posner, 1932, Sp. 986). Und wiederum schliessen Lennhoff/ Posner den Kreis zur
„Zauberflöte“: Der Akt der Einweihung eines Neophyten ist eine Handlung, durch
die ein Freimaurer der magischen Bruderliebe teilhaftig wird“ (Sp. 979)
und sie zitieren den Schweizer Oswald Wirth (1928): „Der Akt der Einweihung
gibt in erhöhtem Masse Anlass zu okkulten Deutungen. Die Elementarproben
… werden mit der Bahn der Sonne durch den Tierkreis verglichen, die einzelnen
Phasen der Initiation im Sinne der einzelnen Sternbilder gedeutet. Wenn der Neophyt
den Geist der Symbole richtig erfasst, ist er ein ‚abstracteur de quintessence’
“ (Sp. 1151).
siehe auch die chronologische Liste der Hochgradsysteme - am Schluss diejenigen, die
heute noch praktiziert
werden Teil II: Seit 1813: Freimaurerei weitgehend
gefestigt 1717-2012: drei grosse kreative
und turbulente Schübe Wenn wir die Geschichte der Freimaurerei im Grossen überblicken
wollen, kann man sechs Etappen feststellen, von denen jede etwa ein halbes
Jahrhundert umfasst. Jeweils die erste Jahrhunderthälfte verlief in eher ruhigen
Bahnen, während in den Jahren von 50-90 jeweils grosse Aufbrüche und
Umwälzungen stattfanden, wobei sie allerdings jedes Mal etwas schwächer
ausfielen.
Für die vollständige Chronologie von 1717-2012: siehe Gesamtübersicht Hans-Hermann Höhmann hat in neuerer Zeit (2011) formuliert: „So bildete sich beim Weg der Freimaurerei durch die Geschichte drei Grundtypen von Freimaurerei heraus, die sich zwar mischen können (und sich de facto auch gemischt haben), aber doch deutlich unterscheidbar sind: • eine ethisch orientierte Freimaurerei, der es um die Einübung moralischer Standards und ihre Praktizierung sich selbst und der Gesellschaft gegenüber geht, • eine esoterisch orientierte Freimaurerei, bei der die Suche nach höheren Erkenntnissen zum Hauptinhalt geworden ist, und • eine christlich orientierte Freimaurerei, deren Richtschnur die in den Evangelien enthaltene Lehre Jesu Christi ist.“ Was blieb von den Hochgradsystemen? Ziemlich genau um 1800 war die Entwicklung der modernen
Freimaurerei weitgehend abgeschlossen. Die hochgehenden Wogen der Bildung von
immer neuen Hochgrade und Splittergruppen hatten sich geglättet. Die Liste der im 20. Jahrhundert in England praktizierten Hochgrade bei Lennhoff /Posner (1932, Sp. 439-440) umfasst nur 11 „additional degrees“. Für Nordamerika nennen sie nur den AASR und den York Rite (Sp. 1127, 53, 55-56), ferner den „Royal Order of Scotland“, „The Red Cross of Constantine“, die Rosicrucians und die „Allied Masonic Degrees“ (Sp. 53-54). Eine gute aktuelle Übersicht über nicht weniger als 17 englische Hochgrade und Hochgradsysteme mit vielen farbigen Abbildungen der Insignien gibt Keith B. Jackson in seiner kleinen Schrift „Beyond the Craft“ (Lewis Masonic 1980, 5. Aufl. 2005). Viele dieser Systeme sind weltweit verbreitet. Einige Systeme bearbeiten auch die drei Johannisgrade (= blaue Freimaurerei oder symbolische Grade). Eine vollständige Übersicht bietet die:
chronologische Liste der Hochgradsysteme
- am Schluss diejenigen, die heute noch praktiziert werden. Die Rituale der blauen Freimaurerei halten den Bund zusammen Um 1813 war die Entwicklung auch im Mutterland England weitgehend
abgeschlossen: Die „Antients“ und „Moderns“ fanden sich zur „United Grand Lodge
of England“ (UGLE) zusammen und liessen unter der Mitarbeit von Peter William Gilkes
ein gemeinsames Ritual erarbeiten, das sogenannte Emulations-Ritual; es beruht
weitgehend auf den Idealen der „Antients“. Zur Schulung desselben wurde 1823 eine „Emulation Lodge of Improvement“
eingerichtet.
Das Ritual wurde bis 1969 nie aufgeschrieben, sondern nur mündlich
instruiert. Daher haben sich im Laufe der Zeit über 50 Ritual-Varianten
ergeben (bei Mellor: „Emulations-Ritus“; „Rite Anglais Emulation“ RAE).
Er wird auch von der Grande Loge Nationale Française bearbeitet.
In Schottland wird unter der Bezeichnung „Standard“ ein ähnliches Ritual praktiziert. Auch die Rituale, welche die meisten deutschen und Schweizer
Logen noch heute praktizieren, stammen aus der Zeit um 1801; vorwiegend in der
Fassung von Friedrich Ludwig
Schröder (frz. oft genannt: „Rite éclectique“). Die strikte Beachtung dieser Rituale
ist es gerade, welche die Freimaurerei 200 weitere Jahre am Leben gehalten hat.
Seit 1813: Sonderorganisationen und Spaltung, gemischte und weibliche Maurerei sowie Esoterik
Die Zeit seit 1813 ist durch weitere folgende Ereignisse gekennzeichnet:
speziell freimaurerisch:
1) Bildung von unzähligen freimaurerischen Orden (in den USA oft „fun degrees“ genannt), wie „Tall Cedars of Lebanon“, Shriners und „The Grotto“, sowie von freimaurerischen Fraternities an den amerikanischen Universitäten
2) Fortführung der gemischten Maurerei vor allem in den USA durch Orden wie „True Kindred“, „Eastern Star“, Amaranth“ und „White Shrine“. Für den „Eastern Star“ arbeitet Robert Morris um 1850 ein Ritual aus, das auf biblischen Frauengestalten, wie Ruth und Esther, beruht.
3) zahlreiche reformierte Rituale in Deutschland (Ficke, SGLA, Fischer, Marbach, Bluntschli; Eklektischer Freimaurerbund)
4) Infolge der generellen Säkularisierungstendenzen in Belgien und Frankreich verzichteten die dortigen Grosslogen in der Zeit von 1850-1877 auf die Anrufung des Allmächtigen Baumeisters aller Welten und legten statt der Bibel ein Buch mit weissen Seiten auf den Altar.
5) Manche Hochgrade schlossen sich 1879 zum “Grand Council of Allied Masonic Degrees” zusammen (mit 5 Stufen in England; später 12 Stufen in den USA). Um 1880 wurde in England der orientalisch orientierte „August Order of Light“ gebildet, 1913 in London ein Orden der ”Operatives”.
6) Der 1905-7 begründete „Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne“ möchte die Freimaurerei auf eine wissenschaftliche Grundlage (anfänglich der „Monismus“ von Wilhelm Ostwald) stellen (bis 1933). Heute berufen sich die „Loge zur Wahrheit“ in Nürnberg, die Zürcher Loge „Sapere aude“ und der 1995 gegründete „Grossorient von Deutschland“ (govd-fzas) auf den F. z. a. S.
7) Um 1920 werden in den USA freimaurerische Jugendorganisationen für Buben (De Molay, Builders) und Mädchen (Job’s Daughters, Rainbow) gebildet.
8) Ab 1970 erfolgt in Frankreich die Wiederbelebung alter Rituale wie des Rite Operératif de Salomon (1971), des Rite Ecossais Philosophique (1976) und des Rite Ecossais Primitf (1985).
freimaurerisch inspiriert::
1) Unzählige andere Organisationen und religiöse Vereinigungen übernehmen freimaurerische Symbole und Rituale, wie der Compagnonnage und die Odd Fellows, Druiden und Mormonen, B’nai B’rith und Knights of Columbus, ferner unzählige karitative Organisationen, wie Foresters, Elks, Moose, Woodmen und Eagles
2) Seit 1840 Ausbreitung der Esoterik einerseits durch Spiritismus und Okkultismus, Propheten, Geistheiler und Sexualmagier, anderseits durch die Theosophische Gesellschaft (1875), neue Rosenkreuzer-, Martinisten- und Templerorden, Gralsbewegungen und gnostische Kirchen
3) 1888 Gründung des kulturell einflussreichen Ordens „Golden Dawn“ (bis 1937). Viele Mitglieder waren freimaurerische oder esoterische Schriftsteller
4) Um 1890 bildet sich eine „gemischte“ Freimaurerei, die sich unter dem Namen „Droit Humain“ weltweit entfaltete, in den USA als Co-Masonry.
5) Seit 1900 entstanden in England und Frankreich reine Frauenlogen. 1999 gab die „United Grand Lodge of England“ öffentlich bekannt, dass diese Logen „richtig“ arbeiten – abgesehen davon, dass ihre Mitglieder Frauen sind.
Heute noch 3 Millionen Freimaurer Es gibt heute etwa 3 Millionen (um
1960 waren es noch 6-7 Millionen) Freimaurer in etwa 40 000 Logen in allen freien
Ländern der Welt. Der grösste Teil, etwa 1,4 Millionen, lebt in den USA. England und Schottland haben zusammen gut
500 000 Freimaurerei, Schweden und Norwegen je 17 000, Deutschland 14 000, die Schweiz
3500. Von den rund 100 000 Freimaurern in Frankreich gehören nur ein Viertel zur
regulären Grossloge. Interessant mag sein, dass die Freimaurerei auch in Kuba
blüht. Viele Kampfgenossen von Fidel Castro gehörten dem Bund an. Ferner gibt es Logen in allen Ländern Mittel- und
Südamerikas, in Israel und in Fernost (Indien, Singapur, Malaysia, Philippinen,
Hongkong, Taiwan, Japan), in Australien und Neuseeland sowie in über 20 Ländern
Afrikas. Keine Freimaurer-Logen gibt es Es gibt keine weltumspannende Freimaurerei-Organisation. Es gab nur, unter massgeblicher Beteiligung der
Alpina, von 1921-1950 die Association Maçonnique Internationale A. M. I. Ferner gibt es seit fast 100 Jahren (1905/1913) einen
Zusammenschluss von Einzelmitgliedern von Grosslogen aller Länder, die
Allgemeine Freimaurerliga (UFL).. Liberale Logen sind heute oft
Mitglied einer der folgenden Vereinigungen: CLIPSAS Centre de Liaison det d’Information
des Puissances maçonniques Signataires de l’Appel de Strasbourg (1961) International Masonic Union CATENA
(1961) SIMPA Secrétariat International Maçonnique
des Puissances Adogmatiques (1998). Zusammenfassung: Vier Strömungen Die Freimaurerei ist eine kuriose Bewegung. Wenn man ganz
grob eine Übersicht geben will, so finden sich in der Freimaurerei vier ganz
verschiedene Strömungen zusammen: Literatur Alex Bänninger et al.: Die
Freimaurer. Eine moderne Idee. Stäfa: Rothenhäusler Verlag 1994. Dieter A. Binder: Die diskrete Gesellschaft.
Geschichte und Symbolik der Freimaurer. Graz: Styria Edition Kaleidoskop 1988,
2. Aufl. 1995; Heinz-Günter Deiters: Die
Freimaurer. München:
List 1963; 2. Aufl. 1964. Michel Dierickx S. J.: Freimaurerei,
die grosse Unbekannte. Frankfurt, Hamburg: Bauhütten-Verlag 1968 (holl. 1967);
Neuausgabe Innsbruck: Edition zum rauhen Stein 1999. Reinhold Dosch: Deutsches
Freimaurer-Lexikon. Bonn:
Die Bauhütte 1999. Colin Dyer: Symbolism in Craft
Freemasonry. Shepperton:
Lewis Masonic 1976; erneut 1983, 1991. Michael W. Fischer: Die Aufklärung
und ihr Gegenteil. Die Rolle der Geheimbünde in Wissenschaft und Politik.
Habil.-Schrift. Univ. Salzburg 1981; Berlin: Duncker & Humblot 1982. Friedrich-Wilhelm Haack: Freimaurer.
München: Evangelischer Presseverband für Bayern 1975 (43 Seiten); 9. Aufl. 1993. Douglas Knoop, Gwilym Peredur Jones: The
Genesis of Freemasonry. 1948; Nachdruck London 1978; Reinhard Kosellek: Kritik und Krise.
Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Freiburg: Alber 1959; als suhrkamp
taschenbuch wissenschaft 36, Frankfurt 1973. Jan K. Lagutt: Grundstein der
Freimaurerei. Zürich: Origo 1958, 3. Aufl. 1971; 4. Aufl. 1993. Eugen Lennhoff, Oskar Posner:
Internationales Freimaurer-Lexikon. Wien 1932; unveränderte Nachdrucke Wien: Amalthea-Verlag
bis 1992. Alec Mellor: La Franc-Maçonnerie à
l’heure du choix. Tours:
Mame 1967; Philippe Henri Morbach: Von den
Werkmaurern zu den modernen und spekulativen Freimaurern. In Günter Düriegl,
Susanne Winkler (Hrsg.): Freimaurer: Solange die Welt besteht. 165.
Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 18. September 1992
bis 10. Jänner 1993, 149-154. Allan Oslo: Freimaurer. Humanisten?
Häretiker? Hochverräter? Frankfurt am Main: Umschau Verlag 1988; Nachdruck Nachdruck
unter dem Titel: Die Freimaurer. Düsseldorf: Albatros 2002. Will-Erich Peuckert: Geheimkulte.
Heidelberg: Pfeffer 1951 (635 Seiten); Reprint Hildesheim: Olms 1988;
ungekürzte Taschenbuchausgabe München: Heyne 1997. Ulrich Rausch: Die verborgene Welt
der Geheimbünde. Mit dem Lexikon der okkulten Zeichen, Symbole und Rituale. München:
Pattloch 1999. Helmut Reinalter: Die Freimaurer.
München: Beck 2000; 3. Aufl. 2002. Hermann Schreiber, Georg Schreiber: Mysten,
Maurer und Mormonen. Wien: Neff 1956; Taschenbuchausgabe München: Droemer Knaur
1992; Marcel Valmy: Die Freimaurer. Arbeit
am rauhen Stein. Mit Hammer, Zirkel und Winkelmass. München: Callwey 1988;
Köln: Parkland 1998; RM-Buch- und Medien-Vertrieb 2000. Charles von Bokor: Papes rois, francs-maçons.
L’histoire de
la franc-maçonnerie des origines à nos jours. Montréal: Ed. Québec-Amérique 1977; (erste, kürzere Version – zusammen mit „Freimaurerei und
Kirche, New Age und Frieden“ - als Vortrag gehalten am 26.5.1988)
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