Home Was ist die Freimaurerei?

 

Anhang zum Constitutionen-Buch Der Frey-Maurer

Worin Eine Sammlung Verschiedener Zum Vortheil dieser Ehrwürdigen Gesellschafft

Ans Licht gekommenen merckwürdigen Schutz-Schrifften, Reden Und anderer Vertheidigungen, enthalten.

Franckfurt am Mayn, In der Andreaeischen Buchhandlung 1743, erneut 1762

Seiten 127-140

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1762:

http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/pageview/844545

 

siehe auch: Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Leipzig 1744, 173-186.

http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1677538

http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880985

 

Für eine andere deutsche Übersetzung – ohne die Zitate - siehe:

C. Lenning: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Dritter Band. Leipzig: F. A. Brockhaus 1867, 13-16.

 

Frz. Text u. a. in:

Histoire Obilgations et Statuts de la très vénérable Confraternité des Francs-Maçons. 1742, 127-142.

 

 

Anrede

Des

Groß-Meisters der Frey-Maurer

in Franckreich,

An die

Zu Paris versammlete Loge,

Im Jahr der Frey-Maurerey 5740.

 

 

Meine Herren!

 

Die edelmüthige Begierde, welche Sie zeigen, in den sehr edlen und berühmten Orden der Frey-Maurer zu treten, ist ein gewisser Beweis, daß Sie bereits alle erforderliche Eigenschafften, um desselben Mit-Glieder zu werden, nemlich die Leutseligkeit, die reine Sittlichkeit, die unverbrüchliche Verschwiegenheit, und den Geschmack an schönen Wissenschafften, besitzen.

 

Lycurgus, Solon, Numa, und alle politische Gesetzgeber, haben ihre Staats-Einrichtung nicht dauerhafft machen können: So weise auch ihre Gesetze immer seyn mochten, so konten sich doch dieselben nicht in alle Länder, noch in alle Zeiten, erstrecken. Weil selbige nichts anders, als die Siege und Eroberungen, die Kriegs-Gewalt und die Erhebung eines Volcks über das andere, zum Augenmerck hatten; so haben sie nicht allgemein werden, noch sich für den Geschmack, die Gemüths-Art und Staats-Absichten aller Völcker, schicken können. Die Menschen-Liebe war nicht der Grund derselben.

Die Liebe des Vaterlandes, welche man unrecht verstund oder allzu hoch trieb, richtete offtmahls bey diesen kriegerischen Republicken die Liebe und Menschlichkeit überhaupt zu Grunde.

 

Die Menschen werden nicht durch die besondere Arten der Sprachen, welche sie reden, der Kleidungen, welche sie tragen, der Länder, welche sie bewohnen, noch der Ehren-Stellen, welche sie bekleiden, wesentlich von einander unterschieden. Die gantze Welt ist nichts anders, als eine grosse Republick, worin jedes Volck eine Familie und jeder Einwohner ein Kind abgibt.

Diese wesentliche Grund-Regeln, welche aus der Natur des Menschen hergenommen sind, wieder hervor zu bringen und auszubreiten, ist unsere Gesellschafft anfänglich aufgerichtet worden.

 

Wir suchen alle Menschen von erleuchtetem Verstande, guten Sitten und ausgeräumtem Gemüth, nicht allein durch die Liebe der schönen Künste, sondern noch mehr durch die grossen Grund-Sätze der Tugend, Wissenschafft und Religion, zu vereinigen. Hierdurch kommt der Nutze der Brüderschafft dem gantzen menschlichen Geschlecht zu statten, hier können alle Völcker gründliche Einsichten erlangen, hier lernen die Unterthanen aller Königreiche, wie sie einander lieben sollen, ohne ihrem Vaterland untreu zu werden. Unsere Vor-Eltern, die Creutzfahrter, welche sich aus allen Theilen der Christenheit in dem heiligen Lande versammlet hatten, gedachten also die Leute aus allen Völckern in eine Brüderschafft zu verbinden.

 

Wie sehr ist man nicht diesen erhabenen Menschen verpflichtet, welche ohne groben Eigennutz, und ohne der natürlichen Herrsch-Begierde Gehör zugeben, eine Verfassung ersonnen, deren eintziger Zweck die Vereinigung der Gemüther und Hertzen ist, um solche zu verbessern, und mit der Zeit eine gantz vernünfftige Nation aufzurichten, worin man, ohne den Pflichten der verschiedenen Stande einen Abbruch zu thun, ein neues Volck hervorbringen wird, welches alle die Nationen, woraus es bestehet, gewisser Massen durch das Band der Tugend und Wissenschafft verknüpfet.

 

Die gesunde Sittlichkeit ist die andere Eigenschafft, so in unserer Gesellschafft erfordert wird. Die Religiöos-Orden wurden ehemahls gestifftet, um die Menschen zu vollkommenen Christen zu machen, die Kriegs-Orden, um die Liebe zu wahrem Ruhm einzuflössen, und der Frey-Maurer-Orden, um Menschen, und zwar angenehme Menschen, gute Bürger, gute Unterthanen, die ihre Zusage unverbrüchlich halten, treue Verehrer des Gottes der Freundschafft, die mehr auf Tugend als auf Belohnungen sehen, hervorzubringen.

 

Polliciti servare fidem, sancumque vereri

Numen amicitiae, mores, non munera amare.

 

Das ist,

die Zusage treulich erfüllen, die geheiligte Gottheit

der Freundschafft in Ehren halten, gute Sitten, und nicht Geschencke, lieben.

 

Doch binden wir uns nicht an blosse bürgerliche Tugenden. Wir haben unter uns drey Gattungen der Mitbrüder, Angehende oder Lehrlinge, Gesellen oder „Professos“, und Meister oder Vollkommene.

Man erkläret den ersten die sittlichen, den zweyten die heldenmäßigen, und den letzten die christlichen Tugenden; daß also unsere Verfassung die gantze Philosophie des Verstandes, und die gantze Theologie des Hertzens in sich begreiffet.

Daher saget einer von unsern ehrwürdigen Mitbrüdern [Le comte de Tressan]:

 

Free-Maçon, illustre Grand-Maitre,

Recevez mes premiers transports,

Dans mon coeur l’Ordre les fait naitre;

Hereux, si de nobles efforts

Me font mériter vôtre estime,

Et m’élèvent au vrai sublime,

A la première vérité,

A l’essence pure & divine,

De l’ame céleste Origine,

Source de vie & de charté.

 

 

Das ist,

Frey-Maurer, vortrefflicher Groß-Meister,

nehmet meine ersten Triebe an,

welche der Orden in meinem Hertzen erwecket.

Wie glücklich bin ich, wenn mich edle Bestrebungen

eurer Hochachtung würdig machen,

und mich zu der wahren Hoheit,

zu der ersten Wahrheit,

zu dem reinen und Göttlichen Wesen,

zu dem Göttlichen Ursprung der Seele,

zu der Quelle des Lebens und der Liebe, erheben.

 

Gleichwie eine traurige, rauhe und widerwärtige Philosophie den Menschen einen Eckel vor der Tugend beybringet; also haben unsere Vorfahren, die Creutzfahrter, selbige durch die Reitzung unschuldiger Ergetzlichkeiten, einer anmuthigen Music, einer reinen Freude, und einer vernünfftigen Lust, angenehm zu machen gesuchet.

 

Unsere Gastmahle sind nicht dasjenige, was die ruchlose Welt und der unwissende Pöbel sich einbilden. Alle Laster des Hertzens und Verstandes sind davon verbannet, und man hat die Gottlosigkeit, ungebundene Freyheit, den Unglauben und die Uppigkeit, daraus verwiesen:

 

[Hier findet sich in der französischen Originalfassung von Ramsays Rede der Zusatz:

C'est dans cet esprit qu'un de nos Poètes [Procope, dans l'"Apologie des Francs-Maçons"] dit:

Nous suivons aujourd'hui des sentiers peu battus,

Nous cherchons à bâtir, et tous nos édifices

Sont ou des cachots pour les vices,

Ou des temples pour les vertus.

 

Wir folgen der Bahn, worauf heutiges Tages nur wenige gehen.

Wir suchen zu bauen, und alle unsere Gebäude

sind entweder Gefängnisse für die Laster,

oder Tempel für die Tugenden.]

 

 

Unsere Gastereyen gleichen jenen tugendhafften Abend-Mahlzeiten des Horatz, allwo man sich von allem dem, was den Verstand aufklären, das Hertz in Ordnung bringen und den Geschmack an dem Wahren, Guten und Schönen, einflössen konte, zu unterhalten pflegte.

O noctes coenaeque Deum! ...

Sermo oritur, non de regnis domibusve alienis,

...  sed quod magis ad noss

Pertinet, & nescire malum est, agitamus, utrumne

Divitiis homines, an sint virtute beati;

Quidve ad amicitias usus rectumve trahat nos,

Et quae sit natura boni, sümmumgue quid ejus.

 

[Horace, Satire VI du Livre II]

 

Das ist:

O Göttliche Nächte und Abend-Mahlzeiten!

Man unterredet sich nicht von fremden Königreichen und Häusern;

sondern wir handeln dasjenige ab,

was uns mehr angehet, und dessen Unwissenheit schädlich ist!

Ob die Menschen durch Reichthümer oder durch Tugend glückselig werden,

ob uns der Nutze oder die Tugend zur Freundschafft ziehe,

worin die Beschaffenheit des Guten, und dessen höchster Grad, bestehe.

 

Solchemnach sind die Pflichten, worzu euch der Orden verbindet, eure Mitbrüder durch euer Ansehen zu beschützen, selbige durch eure Einsichten zu erleuchten, durch eure Tugenden zu erbauen, in ihren Bedürffnissen zu unterstützen, allen persönlichen Widerwillen aufzuopfern, und alles, was zum Frieden und zur Einigkeit der Gesellschafft gereichen kan, hervorzusuchen.

 

Wir haben Geheimnisse; dieses sind figürliche Zeichen und besonders erwehlte Wörter, welche eine bald stumme, bald sehr beredte Sprache ausmachen, um sich in der grösten Entfernung zu verstehen, und unsere Mitbrüder, von was für einer Sprache sie auch seyn mögen, zu erkennen. Die Creutzfahrter gaben einander Kriegs-Losungen, um sich vor den Uberfällen der Saracenen zu versichern, welche sich manchmahl unter ihnen einschlichen, und sie zu ermorden suchten. Diese Zeichen und Worte erneuern das Andencken entweder eines Theils von unserer Wissenschafft, oder einiger sittlichen Tugend, oder eines gewissen Glaubens-Geheimnisses.

 

Bey uns hat sich dasjenige ereignet, was noch bey keiner andern Gesellschafft geschehen. Unsere Logen sind unter allen wohlgesitteten Völckern ausgerichtet und ausgebreitet worden, und gleichwohl hat unter einer so zahlreichen Menge Menschen noch niemahls einiger Mitbruder unsere Geheimnisse verrathen. Die leichtsinnigsten, unverständigsten und am wenigsten zur Verschwiegenheit aufgelegten Gemüther lernen diese grosse Wissenschafft, wenn sie in unsern Orden treten. So grosse Gewalt hat der Begriff von der brüderlichen Einigkeit über die Gemütherl

 

Dieses unverletzbare Geheimniß würcket mit grossem Nachdruck, Personen von allen Völckem zu verbinden, und die Mittheilung der Wohlthaten leicht und gemeinsam unter uns zu machen. Wir haben davon manche Exempel in den Jahr-Büchern unsers Ordens. Unsere Brüder, welche in verschiedene Länder gereiset, haben sich unsern Logen nur zu erkennen geben dürffen, um allda sogleich mit allerhand Dienstleistungen überschüttet zu werden, auch sogar zur Zeit der blutigsten Kriege; und vornehme Gefangene haben Brüder gefunden, wo sie nur Feinde anzutreffen glaubten.

 

Dafern jemand die feyerlichen Zusagen, welche uns verbinden, hindansetzen solte, so wissen Sie, meine Herren, daß die Straffen, so wir ihm auflegen, die Vorwürffe seines Gewissens, die Schande wegen seiner Untreue, und die Ausschliessung von unserer Gesellschafft sind, nach den schönen Worten des Horatz:

 

Est & fideli tuta silentio

Merces; vetabo, qui Cereris sacrum

            Vulgarit arcanum, sub iisdem

            Sit trabibus, fragilemque mecum

Solvat phaselum …

 

[Horace, Odes, Livre III]

 

Das ist:

Es hat auch ein getreues Stillschweigen

seine sichere Belohnung; wer der Ceres Geheimniß

offenbaret, den will ich nicht bey mir unter einem Dach,

noch in einem zerbrechlichen Schiffe, dulden.

 

Ja, meine Herren, die berühmten Feste der Ceres zu Eleusis, der Isis in Egypten, der Minerva zu Athen, der Urania bey den Phöniciern, und der Diana in Scythien, hatten einige Gleichheit mit den Unsrigen. Man begieng allda Geheimnisse, wobey sich verschiedene Spuren der alten Religion des Noa und der Patriarchen befanden. Selbige endigten sich mit Mahlzeiten und Tranck-Opfern, und man kannte dabey weder die Unmäßigkeit, noch die Ausschweiffungen, worein die Heyden allgemählig verfielen.

Der Ursprung solches üppigen Wesens rührte daher, weil man Personen von beyderley Geschlecht wider die erste Verordnung in die nächtlichen Zusammenkünffte einen Zugang vergönnte. Damit man solchen Misbräuchen zuvorkommen möge, werden die Weibs-Personen von unserm Orden ausgeschlossen. Wir sind nicht so ungerecht, daß wir dieses Geschlecht der Verschwiegenheit unfähig achten sollen: es könte aber ihre Gegenwatt die Reinigkeit unserer Grund-Reguln und Sitten unvermerckt verderben.

 

Die vierte Eigenschafft, so in unserm Orden erfordert wird, ist der Geschmack an den nützlichen Wissenschafften und freyen Künsten. Solchemnach erfordert der Orden von einem jeden unter euch, daß er durch seinen Schutz, Freygebigkeit, oder durch seine Arbeit zu einem weitläufftigen Werck etwas beytrage, für welches keine Academie hinlänglich ist, weil alle diese Gesellschafften nur aus einer kleinen Anzahl Menschen bestehen, und also ihre Bemühung einen Vorwurff von so grossem Umfang nicht begreiffen kan.

 

Alle Groß-Meister in Teutschland, Engelland, Italien und andern Landen, ermahnen alle Gekehrten und alle Künstler der Brüderschafft, mit vereinigtem Fleiß die Materialien zu einem allgemeinen Wörter-Buch der freyen Künste und nützlichen Wissenschafften die Gottes -Gelahrtheit und Staats-Kunst allein ausgenommen, zu sammlen. Man hat zu diesem Werck in London bereits den Anfang gemacht, und man wird solches durch die Vereinigung unserer Mitbrüder in wenig Jahren zu seiner Vollkommenheit bringen können. Man erkläret in selbigem nicht allein die Kunst-Wörter und ihre Herleitung, sondern liefert auch dann die Geschichte jeder Wissenschafft und Kunst, .ihre Grund-Sätze und die Art und Welse darin zu arbeiten.

Hierdurch wird man die Einsichten aller Nationen in einem eintzigen Werck verbinden, welches gleichsam eine allgemeine Bibliotheck alles desjenigen, was nur schönes, grosses, erleuchtetes gründliches und nützliches in allen Wissenschafften und edlen Künsten zu finden, abgeben kan. Dieses Werck wird in jedem Jahrhundert, nach der Vermehrung der Einsichten, zunehmen, und allenthalben eine Nacheiferung und den Geschmack an schönen und nützlichen Sachen ausbreiten.

 

 

[Seconde Partie: Origine et Historie de L’Ordre]

 

Der Name Frey-Maurer muß also nicht in einem wörtlichen, groben und materiellen Verstande genommen werden, als ob unsere Urheber schlechte Arbeiter in Stein, oder bloß lehrbegierige Köpfe gewesen, welche die Künste verbessern wollen. Sie waren nicht allein geschickte Baumeister, welche ihre Fähigkeiten und Guter dem Bau äusserlicher Tempel wiedmen wollen, sondern auch gottesfürchtige und kriegerische Prinzen, welche die lebendigen Tempel des Allerhöchsten zu erleuchten, zu erbauen und zu schützen bemühet gewesen.

 

Dieses werde ich Ihnen, Meine Herrn, klärlich darthun, wenn ich die Geschichte oder vielmehr die Erneurung des Ordens entdecke.

 

Jede Familie, jede Republick, jedes Reich, deren Ursprung in einem dunckeln Alterthum verlohren gegangen, haben ihre Fabel und ihre Wahrheit, ihre Legende und ihre Geschichte. Einige führen unsere Errichtung bis zu den Zeiten Salomons, andere bis auf Mosen, andere bis auf Abraham, einige bis auf Noa und so gar bis auf Hanoch, welcher die erste Stadt erbauet, oder bis auf Adam zurücke.

Ohne diese Herleitungen zu läugnen, will ich mich zu neuern Sachen wenden. Dieses ist ein Theil von demjenigen, was ich aus den alten Jahr-Büchern von Groß-Britannien, aus den Britannischen Parlements-Acten, welche offtmahls von unsern Privilegien Meldung thun, und aus den mündlichen „Traditionen“ der Englischen Nation, welche seit dem Xlten Jahrhundert der Mittelpunkt unserer Brüderschafft gewesen, gesammlet habe.

 

Zu der Zeit der Creutz-Züge nach Palästina vereinigten sich viele Prinzen, Herren und Bürger und thaten ein Gelübde, die Christlichen Tempel in dem heiligen Lande wieder herzustellen, und ihre Bau-Kunst mit allem Fleiß wieder auf deren erste Errichtung zu bringen. Sie verglichen sich wegen verschiedener alten Zeichen und figürlichen Wörter, die aus dem innersten der Religion hergenommen waren, um einander vor den Ungläubigen und Saracenen zu erkennen. Man theilte diese Zeichen und Wörter nur allein denjenigen mit, welche feyerlich und offtmahls gar vor den Altären angelobten, solche niemahls zu offenbaren.

Dieses geheiligte Versprechen war demnach kein abscheulicher Schwur, wie man vorgeben will, sondern ein verehrenswürdiges Band, um die Christen von allen Nationen in eine eintzige Brüderchafft zu vereinigen. Einige Zeit hernach verband sich unser Orden aufs genaueste mit den Rittern St. Johannis zu Jerusalem. Von da an führten unsere Logen allesamt den Namen der Logen St. Johannis. Diese Vereinigung geschahe nach dem Exempel der Israeliten, als sie den zweyten Tempel aufführten, und in einer Hand die Mauer-Kelle und Mörtel, in der andern aber Schwerdt und Schild hielten.

 

Folglich darff man unsern Orden nicht als eine Erneuerung der Bacchus-Feste betrachten, sondern als einen sittlichen Orden, der seit den ältesten Zeiten gestifftet und in dem heiligen Lande durch unsere Vorfahren erneuert worden, um sich der erhabensten Wahrheiten mitten unter den unschuldigen Ersetzungen der Gesellschafft zu erinnern.

 

Die Könige, Prinzen und Herren, legten nach ihrer Zurückkunfft aus Palästina verschiedene Logen in ihren Ländern an. Zur Zeit der letzten Creutz-Züge sahe man schon viele Logen in Teutschland, Italien, Spanien, Franckreich und von da in Schottland wegen des genauen Bundes zwischen den Schottländern und Frantzosen aufgerichtet. Jacob, Lord Steward von Schottland, war Groß-Meister einer Loge, welche zu Kilwin im Westlichen Schottland im Jahr 1286. kurtz nach dem Tode des Schottischen Königs Alexander lIl. und ein Jahr vor der Erhebung Johann Baliols auf den Thron, angelegt worden. Dieser Herr nahm die Grafen von Glocester und Ulster, wovon jener ein Engelländer, und dieser ein Irrländer war, als Frey-Maurer in seine Loge auf.

 

Nach und nach wurden unsere Logen und Feyerlichkeiten an den meisten Orten aus der Acht gelassen. Daher kommt es, daß unter so vielen Geschichtschreibern die Groß-Britannischen die einzigen sind, welche von unsern Orden etwas melden. Nichts destoweniger erhielt sich derselbe in seinem Glantz unter den Schottländern, welchen unsere Könige (von Franckreich) einige Jahrhundert hindurch die Bewachung ihrer geheiligten Personen anvertrauten.

 

Nach den bedauernswürdigen Unfällen der Creutz-Fahrten, dem Untergang der Christlichen Kriegs-Heere, und dem Siege des Bendoidar, Sultans in Egypten, bey dem achten und letzten Creutz-Zug, sahe der grosse Prinz Eduard, des Englischen Königs Henrich III. Sohn, daß in dem heiligen Lande, woraus die Christlichen Kriegs-Völcker abzogen, keine Sicherheit mehr vorhanden wäre; er führte sie demnach allesamt zurück, und diese Colonie von Brüdern ließ sich in Engelland nieder. Gleichwie dieser Prinz alles besaß, was einen Held ausmachet; so liebte er die schonen Künste, erklärte sich zum Beschützer unsers Ordens, und verliehe demselben neue Vorrechte, worauf die Glieder dieser Brüderschafft, nach dem Exempel ihrer Vorfahren, den Namen der Frey-Maurer annahmen.

 

Von dieser Zeit an ist Groß-Britannien der Sitz unsers Ordens, die Erhalterin unserer Gesetze, und die Bewahrerin unserer Geheimnisse gewesen. Die unglücklichen Religions-Zwistigkeiten, welche Europa im XVI. Jahrhundert in Unruhe und Zerrüttung setzten, waren Ursache, daß der Orden von seinem edlen Ursprung einen Verfall erlitte. Man veränderte, verheelte und unterdrückte verschiedene von unsern Ceremonien und Gebräuchen, welche den Vorurtheilen selbiger Zeit zuwider waren.

Solchergestalt vergassen viele unserer Mitbrüder, wie die alten Juden, den wahren Verstand unserer Gesetze, und behielten davon bloß den Buchstaben und die äußerliche Schale. Man hat bereits den Anfang gemacht, diesem Ubel durch einige Mittel abzuhelffen. Es kommt nur darauf an, daß man beständig fortfahre, und endlich alles auf die erste Errichtung zurück bringe. Dieses Werck kan in einem Lande, wo die Religion und Regierung nothwendig unsern Gesetzen beförderlich seyn müssen, keine grosse Schwierigkeit antreffen.

 

Aus den Britannischen Insuln beginnet die Königliche Kunst nach Franckreich unter dem Regiment des liebenswürdigsten Königs, dessen Leutseeligkeit alle Tugenden belebet, und unter dem „Ministerio“ eines Mentors, welcher alles Fabelhaffte, so man nur ersonnen, zur Würcklichkeit gebracht, wieder zurück zu kehren. Zu dieser beglückten Zeit, da die Liebe zum Frieden eine Helden-Tugend geworden, soll diese Nation, eine der sinnreichsten in Europa, der Mittelpunkt des Ordens werden.

Selbige wird unsern Wercken, unsern Satzungen und unsern Sitten die Anmuth, Artigkeit und den guten Geschmack beylegen, welches wesentliche Eigenschafften bey einem Orden sind, dessen Grund auf der Weisheit, Stärcke und Schönheit des Verstandes beruhet. Diesemnach werden die Frantzosen künfftig in unsern Logen, als in öffentlichen Schulen, ohne Reisen zu thun, die Eigenschafften aller Nationen erblicken, und die Ausländer durch die Erfahrung lernen, daß Franckreich das Vaterland aller Völcker sey.

 


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