Die Freimaurerei und die Frauen
siehe auch: Frauen als Freimaurer
hhttp://sophieold.byu.edu/sophiejournal/New/Huffmire-format.pdf
Inhalt Das Bauwesen im Mittelalter war eine Männersache Im Barock durften die Frauen „Salons“ betreiben Ab 1730/40: Adpotionslogen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz Pioniere der Frauenemanzipation Ab 1730/50: Adoptionslogen in Amerika Ab 1893: gemischte Logen des „Droit Humain“ Ab 1918: reine Frauenlogen in England
Das Bauwesen im Mittelalter war eine Männersache
Wenn man das Verhältnis der Freimaurerei zu den Frauen betrachtet, fällt zweierlei auf:
1) Die Geschichte der weiblichen Freimaurerei ist reichhaltiger als man meint. 2) Wenn man das Verhältnis der Freimaurer zu den Frauen verstehen will, muss man weit in die Geschichte zurückgehen.
Es ist unbestritten, dass die Freimaurerei aus dem Bauwesen des Mittelalters stammt. Da waren keine Frauen tätig, zumindest nicht an der Front. Das hat ganz handfeste Gründe. .Steine brechen und tragen, Steine spalten und behauen, Steine hochhieven und in ein Bauwerk einfügen - das war eine harte und körperlich anstrengende Arbeit. Ebenso das Hantieren und Herumturnen auf schwindelerregenden Gerüsten. Und das alles erst noch bei jedem Wetter, bei Regen und Wind, im schwülen Sommer wie im harten Winter.
Immerhin wurden in einigen Fällen Witwen und Töchter von Bauleuten in Zünften und anderen Vereinigungen aufgenommen.
Im Barock durften die Frauen „Salons“ betreiben
Die moderne Freimaurerei entstand im Barock, als das Bauwesen seine Bedeutung verloren hatte. Insbesondere wurden nicht mehr soviel Burgen und Schlösser, Kirchen und Kathedrale gebaut. Im Barock spielten die Frauen im gesellschaftlichen Leben keine sehr grosse Rolle. Adelige oder vermögende Frauen durften zwar „Salons“ betreiben, also Orte, wo sie Gelehrte und Künstler versammelten, wo diskutiert, getanzt und Theater gespielt wurde. Vor allem in Frankreich sprach man von den „Précieuses ridicules“ und „Femmes savantes“. Der Komödiendichter Molière hat sie in seinen gleichnamigen Theaterstücken (1659 und 1672) karikiert. Aber die vielen Vereinigungen und gelehrten Gesellschaften, die damals entstanden, waren fast alle Männerbünde. Etwa die vielen Sprachgesellschaften und die Rosenkreuzer oder die Forschungsgesellschaften wie die „Royal Society“ in England (1660) und die „Académie des Sciences“ in Frankreich (1666). Immerhin gilt auch hier: Ab und wurden auch Frauen aufgenommen oder zu durften Ehefrauen mitmachen, und es gab einige Gesellschaften die nur von Frauen gebildete wurden.
Dass die Freimaurerlogen nach 1700 keine Frauen als Mitglieder hatten, entsprach also einerseits der Tradition des Bauwesens, anderseits dem Zeitgeist. (Es gibt allerdings einige Hinweise, dass, wie schon bei den Zünften, ab und zu Witwen oder Töchter von Maurern aufgenommen wurden.)
Ab 1730/40: Adpotionslogen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz
Es ging allerdings nicht lange, bis einige Frauen aus Protest gemischte oder rein weibliche Vereinigungen gründeten. Bekannt ist z. B. der Mopsorden, der 1740 in Deutschland gegründet wurde - und allerdings nicht lange lebte. Unter den Mitgliedern waren viele angesehene Frauen, darunter Wilhelmine von Preussen, Markgräfin von Bayreuth.
Der Mopsorden war nur eine von vielen sogenannten Adoptionslogen. Es waren Frauenlogen, die von Beamten regulärer Logen geleitet wurden, und zwar vorwiegend in Frankreich wie in Deutschland. In der Schweiz sind solche in Yverdon und Bern nachgewiesen. Es gibt davon humoristische Kupferstiche und Schilderungen. Aber man soll darüber nicht lachen, denn sie entsprachen dem Geist der Zeit. Der französische Grossmeister Louis-Philippe d’Orléans (bekannt als „Philippe Egalité“) liess z. B. seine Frau (Louise Marie Adélaïde de Bourbon, Herzogin von Chartres) und seine Schwester Louise-Marie-Thérèse-Bathilde d'Orléans, Herzogin von Bourbon) aufnehmen, und letztere wurde 1777 Grossmeisterin der Adoptionslogen. Vier Jahre später konnte Marie Antoinette an ihre Schwester über die Adoptionslogen schreiben: „Tout le monde en est – und man weiss alles, was sie machen.“ Weitere bekannte Namen sind: die Gräfin von Rochechouart, die Herzogin von Lamballe (Grossmeisterin 1780), Madame Helvetius, Baronin Dietrich und die Gattin des französischen Generals Xaintrailles. Im allgemeinen bewegte sich deren Wirken zwischen symbolischen Zeremonien, Wohltun und schönen Festen“ (Lennhoff/ Posner, 18). Man kann diese Logen durchaus als Fortsetzung der früheren „Salons“ betrachten.
Der legendäre Hochstapler und Magier Cagliostro gründete seit 1775 mehrere Logen der von ihm als „ägyptisch“ bezeichneten Freimaurerei, in der auch Frauen aufgenommen wurden. Seine eigene Frau machte er zur Grossmeisterin einer weitgehend aus Damen bestehenden Grossloge in Den Haag (Lennhoff/ Posner, 247). Cagliostro war in Frankreich, Deutschland und Russland in diesem Sinne aktiv. Sein Versuch, den ägyptischen Ritus in Rom zu installieren, misslang.
Dann kam die Französische Revolution. Es ist kaum bekannt, aber sie zerstörte das weltweite blühende Logenleben in vielen Ländern, und zwar das männliche wie das weibliche Logenleben – auch in der Schweiz. Erst nach 1800 breitete sich die Freimaurerei wieder aus. Und auch die weibliche Maurerei erlebte eine neue Blüte - insbesondere durch die Frau von Kaiser Napoléon, Kaiserin Joséphine - bis etwa 1830. Auch die Schwester von Napoleon, Caroline, die Königin von Neapel, war dabei.
Vielleicht lebten sogar einige Adoptionslogen weiter, denn Alec Mellor berichtet (1985, 223), dass die Mutter des Dichters Charles Baudelaire zwei Briefe (1866 und 1868) mit den fünf Punkten der Adoptions-Freimaurerei unterzeichnet hat. Anderswo wird von einer Frauenloge berichtet, die im Herbst 1870 bei der Belagerung von Paris beim Marsch der Freimaurer auf die Barrikaden dabei war.
Pioniere der Frauenemanzipation
Bemerkenswert ist, dass die ersten Schriften zur Frauenemanzipation von Freimaurern stammen. Der Philosoph Condorcet, der Gründer der wissenschaftlichen Loge „Les Neuf Soeurs“ in Frankreich, trat bereits 1787 für das Frauenstimmrecht und die Gleichberechtigung ein, und Theodor Gottlieb von Hippel, ein Freund des Philosophen Immanuel Kant, schrieb 1792 eine Abhandlung „ über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“.
50 Jahre später verwendete die Schriftstellerin George Sand viel freimaurerisches Gedankengut in ihrem Roman: „La Comtesse de Rudolstadt (1843). In ihrem Freundeskreis waren viele Freimaurer, beispielsweise der Komponist Franz Liszt und zahlreiche Sozialisten (Proudhon, Leroux, Blanc), ja Anarchisten (Bakunin).
Ab 1730/50: Adoptionslogen in Amerika
Aber Frankreich mit seinen Kolonien und Deutschland blieben nicht allein. Sogar in Polen und Russland gab es unter französischem Einfluss Adoptionslogen.
Auch In Amerika gab es ähnliche Organisationen, insbesondere für Ehefrauen und Töchter von Freimaurern. Es heisst, bereits 1730, jedenfalls aber um 1750 durch keinen Geringeren als Benjamin Franklin, sei die Adoptionsmaurerei nach Amerika gebracht worden. General Lafayette (um 1780) soll die Idee dieser Art von Maurerei ebenfalls von Frankreich nach Amerika mitgenommen haben. Er weihte den Präsidenten George Washington ein und dieser seine Frau Martha. Für die nächsten 100 Jahre lief der Orden daher unter dem Namen „Martha Washington Degree“. Seither läuft er unter der Bezeichnung „True Kindred“ (etwa: „Im Geiste verwandt“). Eine andere bekannte Freimaurerin aus der Zeit um 1800 war die amerikanische Feministin Hannah Mather Crocker.
Eine andere gemischte Vereinigung nannte sich „Heroines of Jericho“. Wie die „True Kindred“ existiert sie heute noch.
Um 1850 kommt es in den USA zum Durchbruch der weiblichen Sache. Der freimaurerische Schriftsteller Robert Morris gründete den Orden des „Eastern Star“. Er umfasst unter Führung von Freimaurern des Meistergrades deren Frauen, Töchter, Mütter, Witwen und Schwestern, Sie praktizieren eine Art freimaurerisches Ritual, basierend auf griechischen Gottheiten, denen später biblische Namen wie Ruth und Esther gegeben wurden. Der Eastern Star wurde rasch zu einer der grössten Organisationen der Welt. Er zählt heute etwa eine Million Mitglieder, hauptsächlich in den USA, aber auch etwa in Deutschland. Clara Barton, die 1877 das amerikanische Rote Kreuz gründete, war Mitglied des Order of the Eastern Star. Später traten ihm viele schwarze Schriftstellerinnen bei und auch etwa Eleanor Roosevelt, die Frau des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt.
Die beiden um 1920 gegründeten Orden „Job’s Daughters“ und „Rainbow for Girls“ nehmen 11-20 jährige Töchter von Freimaurern und Eastern-Star-Mitgliedern auf.
Ob der bekannte General und Grosskommandeur Albert Pike um 1870 tatsächlich ein Adoptionsritual geschrieben hat, ist umstritten. Verbürgt ist nur, dass er die Bildhauerin (Vinnie Ream Hoxie), welche die Staute von Abraham Lincoln schuf, in einem Dokument als „Sublime Ecossoise and Directress of the Work“ bezeichnete.
Seit etwa 1900 gibt es in den USA überdies eine ganze Reihe von Orden für weibliche Angehörige von Freimaurern (Beauceant; Oriental Shrine; Daughters of the Nile; Daughters of Mokanna; Princesses of Sharemkhu).
Ab 1893: gemischte Logen des „Droit Humain“
Eine eigenständige gemischte Freimaurerei gibt es erst seit gut 100 Jahren.
Das kam so: In Frankreich waren die Freimaurer aufmüpfig gegen die alte englische Freimaurerei, welche wie seit Jahrhunderten auf der Bibel beruhte. Seit 1877 legten sie nur noch ein Buch mit leeren Seiten auf den Altar. Gleichzeitig begannen auch die Frauen, vor allem in der Politik, aufmüpfig zu werden. In Paris war die treibende Kraft Marie Deraismes. Sie war eine begnadete Rednerin und Schriftstellerin, hatte gute Beziehungen zum „Grand Orient de France“ und gründete seit 1869 mehrere Frauenrechtsbewegungen. Sie setze sich auch für die Abschaffung der Sklaverei und die Rechte der Kinder ein. Mit 58 Jahren, 1882, wurde sie in eine kurz zuvor aus dem regulären Logenverband der Freimaurer ausgescherte Loge aufgenommen. Elf Jahre später gründete sie mit Georges Martin und 16 Frauen eine eigene gemischte Loge. Das war der Grundstein für die heute wichtigste gemischte Freimaurerei, den sogenannten „Droit Humain“. Also: von den Frauenrechten zu den Menschenrechten.
Der „Droit Humain“ ist heute noch feministisch ausgerichtet und zählt rund 28 000 Mitglieder in etwa 50 Ländern auf der ganzen Welt, sogar in Beirut, im Sahel und in Argentinien oder auf den Inseln Madagaskar, Guadeloupe und Tahiti. Er ist auch in der Schweiz tätig. Berühmte Mitglieder waren die Anarchistin Louise Michel und die Theosophin und Tibet-Forscherin Alexandra David-Neel.
Die Abenteurerin und Spiritistin Helena Blavatsky hatte 1875 zusammen mit einem Freimaurer die Theosophische Gesellschaft gegründet, eine esoterische Vereinigung, die sich weit über die Welt ausbreitete und bald auch weitere Freimaurer - allerdings oft wenig orthodoxe - als Mitglieder zählte. Die Nachfolgerin von Helena Balvatsky, Annie Besant, liess sich 1902 in Frankreich in den gemischten Freimaurer-Orden Droit Humain aufnehmen und gründete in England dann selber eine Loge. Sie bildete den Grundstein für die sogenannte „Co-Masonry“, die gemischte Freimaurerei, die vor allem in England, USA (1903) und Indien (1904) Fuss fasste. Annie Besant entwickelt ein eigenes Ritual, das Dharma-Ritual. Die Co-Masonry blieb stets stark von der Theosophie beeinflusst. In den USA verband sich die Co-Masonry (1909) mit der „American Federation of Human Rights“.
Die dritte grosse Theosophin, Alice Bailey, gründete 1923 in New York die sog. Arkanschule als Übungsschule für Meditation. Diese Schule betrachtet sich als "magnetisches Zentrum der Freimaurerei". Der Schulleiter in Genf war gleichzeitig Generalsekretär der Universellen Freimaurer-Liga. Baileys Mann war Freimaurer.
Ebenfalls Frauen wurden seit der Gründung (1888) in den Londoner Orden „The Golden Dawn“ aufgenommen. Die Frau eines der Gründer, die in Genf geborne Künstlerin Moina Mathers (die Schwester des Philosophen Henri Bergson), war wesentlich an der Ausgestaltung der Rituale und Symbolik beteiligt. 1897 leite die berühmte Schauspielerin Florence Farr den englischen Zweig des Ordens. 1919 trat die Schriftstellerin und Okkultistin Dion Fortune ein.
Eine gemischte Loge gab es im Ersten Weltkrieg auch in der Schweiz, und zwar in der Künstler- und Intellektuellenkolonie auf dem Monte Verità ob Ascona. Stuhlmeister war der Tänzer und Choreograf Rudolf von Laban, ein bekanntes Mitglied die Tänzerin Mary Wigmann. Die Loge wurde nach vielen Turbulenzen unter dem Namen „Libertas et Fraternitas“ später (1925) rektifiziert und ist heute auf dem Lindenhof beheimatet.
Um dem Auftreten gemischter Logen entgegenzutreten, versuchte die Grand Loge de France seit 1901 wiederum sogenannte Adoptionslogen für Frauen ins Leben zu rufen. Diese erhielten 1935 die absolute Souveränität, das heisst, sie wurden zu reinen Frauenlogen. Das bekannteste Mitglied war Josephine Baker, die Tänzerin, die für ihr humanitäres Engagement bekannt wurde. Nach der kriegsbedingten Pause bildeten sich nach 1945 wieder reine Frauenlogen; sie schlossen sich 1952 zur „Grande Loge Féminine de France“ zusammen.
Ab 1918: reine Frauenlogen in England
Etwa um die selbe Zeit wie die selbständigen gemischten Logen gebildet wurden, entstanden auch die selbständigen reinen Frauenlogen. Das geschah ausgerechnet am Ursprungsort der modernen männlichen Maurerei, in London. Hier waren ja auch die Frauenrechtlerinnen besonders aktiv. Bereits 1908 hatte sich nach heftigen Auseinandersetzungen eine gemischte Grossloge von der Co-Masonry abgespalten. Nach dem Tod des ersten männlichen Grossmeisters (1912) spaltete sich erneut eine Gruppierung ab. Beide nannten sich „Honorable Fraternity“. Die „Honourable Fraternity of Ancient Freemasons“ (1913 gegründet) war fast so etwas wie ein Familienunternehmen. Als Grossmeister amteten Mutter und Tochter aus der Familie Boswell weit über 50 Jahre. Die „Honourable Fraternity of Antient Masonry“ (seit 1958 „Order of Women Freemasons“) feierte 2008 ihr hundertjähriges Bestehen.
Doch die Abnabelung von den Männern war nicht leicht. Erst allmählich konnten sich die Frauen dazu durchringen, den Männern den Zugang zu ihren Logen völlig zu verwehren. Der erste Orden brauchte dazu zehn oder fünfzehn Jahre (bis 1918 oder 1923), der zweite fast 30 Jahre (bis 1935). In beiden Orden reden sich die Frauen heute noch mit „Brother“ an, weil sie dieselben Rituale praktizieren wie die männlichen Logen. Es heisst, die beiden Orden hätten heute rund 60 000 Mitglieder.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in vielen weiteren Ländern reine Frauenlogen, meist von Ehefrauen von Freimaurern getragen. Ableger gibt es in der Schweiz.
Es gibt heute also durchaus Vereinigungen mit Frauen, die sich als Freimaurer bezeichnen. Insgesamt sollen 150 000 Frauen Freimaurer sein (www.phoenixmasonry.com)
Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved
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