Einsichten und Lebensregeln
Zusammengestellt für eine Vorlesung “Entscheiden und Verantworten im Alltag“ an der Volkshochschule, Juli 1987
siehe auch: Von Ratschlägen und Regeln Wichtige ethische Gebote, Tugenden und Verpflichtungen aus der Weltgeschichte Die 66 goldenen Entscheidungsregeln Der Mensch als "individuum ineffabile"
ferner: www.leonitas.ch/sermon_texte/21_Bibelzitate-Weisheiten.pdf http://www.lebensweisheiten.net/
Lebensweisheiten
· Das Neue ist nicht immer gut und das Gute nicht immer neu. · In der Realität sieht manches anders aus als man sich vorgestellt hat. Wenn "es" eingetreten ist, ändert sich das Bild schlagartig. Daher verlangt man: "learning by doing". · Entscheidungen sind brutal. Jede Entscheidung vernichtet andere Möglichkeiten - für einen selber wie für andere. · Dem Menschen stehen sechs Entscheidungsprinzipien zur Verfügung: - Gewohnheiten und Erfahrungen sagen, was man und wie man es bisher getan hat - Sitte und Brauch sagen, was von einem erwartet wird - Gelüste oder Einfälle sagen, was man gerade tun möchte - Das Gewissen sagt, was gut und böse ist - Die Vernunft sagt, was man alles bedenken muss - Die "gerichtete Intuition" (der "Spürsinn") vereinigt all dies. · Gewohnheit und Brauch entlasten vor dem Nachdenken, bedeuten aber wie die Gelüste einen Verzicht auf freie Wahl. · Das Vorhandensein oder Fehlen des Gewissens zeigt sich in der Gesinnung oder Mentalität. · Das Gewissen ist die Frucht der menschlichen Gemeinschaft, insbesondere der Familie. · Die Moral ist unteilbar wie das Leben und die Persönlichkeit.
Zitate
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Gewissenserforschung bedeutet: tief in sich
hineinhorchen.
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Bleib dir selber treu! (Polonius in Shakespeare: Hamlet)
· Konfuzius sagt: "Wenn die Alten die
lichte Tugend offenbar machen wollten im Reiche, ordneten sie zuvor
ihren Staat;
· Der englische Philosoph John Locke (1632-1704) hat seine Grabinschrift selbst abgefasst. Sie ist an der Kirchenmauer von High-Lawer [genauer: High Laver in Essex] angebracht: “Hier liegt John Locke, ein Mann, der mit seinem Schicksal zufrieden war. Seine Tugenden waren zu klein, als dass er sich ihrer rühmen könnte. Seine Fehler mögen mit ihm begraben sein. Wenn Ihr ein Bild des Lebens sucht, findet Ihr es im Evangelium. Ein Bild des Todes findet Ihr hier – und überall.”
· "Sagen Sie Ihm, dass er für die Träume seiner Jugend Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird, Nicht öffnen soll dem tötenden Insekte Gerühmter besserer Vernunft das Herz Der zarten Götterblume - dass er nicht Soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeisterung, die Himmelstochter, lästert. Ich hab´ es ihm zuvor gesagt
Und sagen Sie ihm, dass Ich Menschenglück auf seine Seele lege, Dass ich es sterbend von ihm fordre - fordre! Und sehr berechtigt dazu war.
Doch – vorbei, Es ist vorbei." (Marquis von Posa in Friedrich Schiller: Don Carlos)
· "Masshalten ist die Grundlage der Sittlichkeit und die erste Tugend des Menschen. Ohne sie ist er ein wildes Tier." (Napoléon)
·
„In dein Auge schaute ich jüngst, oh Leben!
Lebenskunst II
1. Die höchste Anforderung an die Lebenskunst: zu wissen, wo Anpassung, wo Widerstand erforderlich ist, zu wissen, wo Verständnis und wo Kritik angebracht ist, zu wissen, was man dulden und was man bekämpfen sollte. Weil wir Menschen unter Menschen sind, können und sollen wir nicht alles mit "heiterer Gelassenheit" hinnehmen, sondern manchmal ist "gelinder Zorn" vonnöten, z. B. empörter Protest gegen Intoleranz, gegen Vergewaltigung, gegen das Böse. Wut tut gut, aber sie macht blind. Da wir Menschen sind, können und müssen wir aber auch mit dem andern reden und Brutalität, Egoismus und Verdorbenheit in etwas Besseres zu verwandeln versuchen. Aber wenn er nicht mit sich reden lässt?
2."Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." (diese oft Friedrich Christoph Oetinger zugeschriebenen Zeilen stammen von Reinhold Niebuhr, ca. 1941)
3. Diese Weisheit ist nicht ganz von dieser Welt. Denn, auch wenn der Mensch sich als Herr der Welt fühlen sollte: Er ist es nicht ganz, und er ist in mancher Hinsicht nicht einmal Herr seiner selbst. Dies zu wissen, macht den mündigen Menschen aus.
4. "Ich leb und waiss nit, wie lang Ich stirb und wais nit, wan Ich far und waiss nit, wahin Mich wundert, dass ich froelich bin." Grabspruch des Martinus von Biberach (15. Jh.)
5. „En’n sin Uhl is ’n Annern sin Nachtigall“ (aus: Plattdeutsche Sprichwörter von J. C. F. Günther im Mecklenburgischen Jahrbuch für alle Stände. Herausgegeben von W. Raabe. Hamburg 1847 – manchmal auch Fritz Reuter zugeschrieben) Heute meist zitiert als: „Was dem einen sin Ul (Uhl), ist dem andern (anderen) sin Nachtigall“
Lebens-Kunst Einige Volksweisheiten, Sprichwörter, Redewendungen
Siehe auch: Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes. 30. Aufl. neubearbeitet von Werner Rust und Gunther Haupt. Berlin: Haude & Spener 1961; und viele weiter Auflagen. Günther Drosdowski, Werner Scholze-Stubenrecht: Der Duden, Bd. 11: Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim: Dudenverlag 1992. Felix Hammer: Antike Lebensregeln - neu bedacht. Zürich: Edition Interfrom/ Osnabrück: Fromm 1989. Wolfhart Berg: Runterschalten! Die neue Lebenskunst: Weniger ist garantiert mehr. Landsberg am Lech: mvg-Verlag 1997.
Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitern Stunden nur. Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König. Carpe diem (Pflücke den Tag). Lebe jetzt! Morgenstund' hat Gold im Mund.
"Fortes fortuna adjuvat." Dem Mutigen hilft Gott oder: "Wer wagt, gewinnt". Fürchte dich nicht. Ordnung/ Organisation ist das halbe Leben. Die andere Hälfte ist die Moral. Der kluge Mann baut vor. Bereit sein ist alles.
Früh übt sich, was ein Meister werden will. Vor die Tugend haben die Götter den Schweiss gesetzt (Hesiod). "Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen" (1. Mose 3, 19) "Ora et labora" (Benedikt von Nursia) Arbeiten und nicht verzweifeln (Carlyle). Wer schaffen will, muss fröhlich sein. Ohne Fleiss kein Preis. Arbeit schändet nicht. Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen, um zu leben.
Tue recht und scheue niemand. "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut" (Goethe). Geben ist seliger denn nehmen. Keiner zu klein, Helfer zu sein. "Wer die Praxis ohne die Theorie liebt, ist wie ein Seemann, der auf ein Schiff ohne Steuer und Kompass steigt und nie weiss, wohin er gerät" (Leonardo da Vinci). "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie" (Kurt Lewin). Wissen befreit. "Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch tun" (Goethe). Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. In dubio pro reo. Alles zu seiner Zeit. Gut Ding will Weile haben. Was du tust, das tue bald. Verschiebe nicht auf morgen, was du heute tun kannst. Eile mit Weile. Keine übermässigen Belastungen. Ruhig Blut bewahren. Trotzdem, trotz allem, dennoch. "Wer für die Zukunft sorgen will, muss die Vergangenheit mit Ehrfurcht und die Gegenwart mit Misstrauen aufnehmen." Zeit ist eine kostbare Gabe. Kommt Zeit, kommt Rat. Müssiggang ist aller Laster Anfang. Lieber spät als niemals. Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige. Nimm dir Zeit und nicht das Leben. Steter Tropfen höhlt den Stein. Beharrlichkeit führt zum Ziel. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Packe die Gelegenheit beim Schopf. "Was man von der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück" (Friedrich Schiller, 1786).
Macht korrumpiert. Planlose Gewalt stürzt durch eigene Last. Recht geht vor Macht. Alles hat seinen Preis! (Heisst das umgekehrt auch: "Jeder Mensch ist käuflich"?)
Kein Mensch muss müssen. Üb' immer Treu und Redlichkeit. Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht. Leben und Leben lassen. Es ist der Geist, der die Materie bewegt. Es ist der Geist, der sich den Körper baut. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
"Ne quid nimis." Nichts zuviel. Allzu straff gespannt zerspringt der Bogen. Sei nicht übermütig im Glück, nicht kleinmütig im Unglück. Die Freuden, die man übertreibt, verwandeln sich in Schmerzen.
Die Sonne bringt es an den Tag. Handle so als hinge von dir und deinem Tun das Schicksal der Welt ab. Ein jeder kehre vor seiner Tür. Der Mensch ist soviel wert, wie er sich selber schätzt.
Ein Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben. Es bleibt immer etwas haften. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. "Unrecht Gut gedeiht nicht" (Sprüche 10,2). "Crime doesn't pay".
Durch Eintracht wächst das Kleine, durch Zwietracht zerfällt das Grösste. Es ist Mass und Ziel in den Dingen, es gibt schliesslich bestimmte Grenzen. Frisch gewagt, ist halb gewonnen. Sapere aude. "Erkühne dich, weise zu sein" (Schiller) Der Klügere gibt nach. Aber: Widersteh schon im Anfang! Beim Lehren lernt man. Eines schickt sich nicht für alle. "Quod licet Jovi, non licet bovi". Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Dr. phil. Roland Müller,
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