Home Der Mensch als "individuum ineffabile"

 

Zusammengestellt für eine Vorlesung “Entscheiden und Verantworten im Alltag“ an der Volkshochschule, Juli 1987

 

 

siehe auch:   Literatur: Individuation

ferner:

Leo Baeck: Individuum ineffabile. Eranos-Rede 1947; Nachdruck in: Gibt es Grenzen der Naturforschung? Freiburg i. Br.: Herder Bücherei 1966, 139-176.

Michael Landmann: Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart. Berlin: De Gruyter, Sammlung Göschen, Nr. 156/156a, 1955; 5. Aufl. 1982.

Michael Landmann: Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur. Geschichts- und Sozialanthropologie. München: Reinhardt 1961.

Michael Landmann: De homine. Der Mensch im Spiegel seines Gedankens. Freiburg: Alber 1962.

 

 

1. Der Mensch gehört zwei Reichen an: der Natur und der Kultur. Er hat eine biologische wie eine kulturelle Vergangenheit.

2. Der Mensch hat die ganze Evolution des Lebens in sich. Sein Gehirn umfasst mehrere Regulationsstufen des Verhaltens (gleichzeitig), z. B. Amöbe, Fisch, Krokodil, Pferd oder Wolf, Affe und Mensch.
Es kommt auf die Abstimmung dieser Ebenen an. Der Neokortex muss die Kontrolle behalten, aber auch auf die früheren Schichten hören.
(In der Praxis gibt es Regressionen auf die verschiedenen Schichten.)

3. Der Mensch ist nicht der Mittelpunkt der Welt.

4. Der Mensch ist Schöpfer und Geschöpf der Kultur.

5. Der Mensch ist ein personales und soziales Wesen.

6. Der Mensch ist "ni bête ni ange..." (Pascal)

7. Alle Menschen stecken in Netzen, die andere gewoben haben, aber auch in selbstgestrickten.
Das sind Entscheidungsnetze, aber auch Nutzennetze und Kostennetze.

8. Der Mensch steht zu sich selber und zu andern im Verhältnis der Reziprozität, der gegenseitigen Förderung und Abhängigkeit.

a) Ich kann nur Erfolg haben, wenn ich an mich selber glaube. Ich kann nur stark sein, wenn ich mich selber nicht zugrunde richte.

b) Ich bin in vielerlei auf andere Menschen angewiesen, und sie sind umgekehrt auf mich angewiesen.

9. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren" (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948).
Alle Menschen haben die gleichen Grundbedürfnisse. Aber je nach Anlagen, Erziehung und Umwelt, nach ihrer Entwicklung und persönlichen Erfahrung sind sie ungleich in Charakter und Temperament, Mentalität und Meinungen, Stresstoleranz und Reaktion auf Stress. Demgemäss haben sie trotz gleicher Bedürfnisse einen ungleichen Bedarf. "Was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall."

10. Dem Menschen sieht man nicht an, was er ist, war oder sein wird.

11. Der Mensch steht unter paradoxen Forderungen. Eine der auffälligsten ist: "Du sollst dies oder das freiwillig tun."
Gottlieb Duttweiler sagte: "Freiwilligkeit ist der Preis der Freiheit."

12. Der Mensch stellt ebensolche paradoxen Ansprüche an die Umwelt und die Mitmenschen. Er möchte "den Fünfer und das Weggli".

13. Alle Menschen sind Sünder, Schwindler und Schwätzer.

14. Niemand ist vollkommen. Es gibt unter Menschen nichts Narrensicheres und nichts Vollkommenes.

15. Der Mensch muss mit Widersprüchen und Unvollkommenheiten leben.

 


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