Home Die 66 goldenen Entscheidungsregeln (Meta-Regeln)

 

Zusammengestellt für eine Vorlesung “Entscheiden und Verantworten im Alltag“

 an der Volkshochschule, Juli 1987

 

 

1.a) «quidquid agis, prudenter agas et respice finem."
Was du auch tust, handle klug und bedenke das Ende (das Ziel, die Folgen).
b) Denn: Jede Lösung hat Nachteile.

 

2. Leben heisst: auswählen.
Entscheiden heisst: neue Akzente setzen.
Verantworten heisst: Zusammenhänge beachten.

 

3. „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mat. 10,16).

 

4. “Versäumt nicht zu üben

die Kräfte des Guten.“

            (Goethe: „Symbolon“, 1813)

 

5. a) Das Gute, Positive bejahen und fördern ist wirkungsvoller (auch lernpsychologisch) als über das Schlechte zu schimpfen.
b) Lob ist wirksamer als Tadel.
c) Überwinde das Böse mit dem Guten.

 

6. „Lebe, wie Du, wenn Du stirbst,
wünschen wirst, gelebt zu haben! (Christian Fürchtegott Gellert*, ca. 1750)
Bleibe treu dem Pflichtgebot,
halte fest an Tat und Streben,
dann wird über Welt und Tod,
Dich ein reines Herz erheben!“
* bereits bei Mark Aurel:
Wie du beim Dahinscheiden gelebt zu haben wünschst, so kannst du jetzt bereits leben.“
(Selbstbetrachtungen 12.1)

 

7.a) Man kann nicht alles haben.
Denn: "Qui trop embrasse, mal étraint."
b) Man kann auch nicht "den Fünfer und das Weggli" haben, oder den Pelz waschen, ohne ihn nass zu machen.
c) Niemand kann zwei Herren dienen.

 

8.a) Wer viel will, muss stark sein - auch seelisch.
b) Das Wollen ist auf das Können abzustimmen. Beides kann vermehrt oder vermindert werden.
c) Die Frage lautet: Kann ich alle Folgen tragen?
d) Können die andern die Folgen tragen?
e) Daher: Mute dir und den andern nicht zuviel zu.
f) Man muss mit den eigenen wie den fremden Kräften haushalten.
g) Je länger der Weg, desto mehr muss man Kräfte und Mittel einteilen - und auch den Weg.
h) Jeder ist "Unternehmer" seiner Anlagen, Kräfte, Kenntnisse und Mittel.

 

9. Bei überlegten Entscheidungen sind Kosten, Aufwand und Ressourcen, Ziele und Nutzen – je für einen selber und für die anderen – zu beurteilen und gegeneinander abzuwägen.

 

10.a) Fälle keine "einsamen" Entscheide.
b) Man muss reden miteinander. Auch die „andere Seite“ verdient Gehör.
c) Das Gespräch klärt, wenn es ehrlich und weder Disput noch Gerede ist.

 

11.a) Man muss Ja sagen zum Leben (und seinen eigenen Anlagen) und Nein zu allen Verlockungen und Verführungen (z. B. Drogen, Sekten, Hetzereien, Handgreiflichkeiten).
Beides bedeutet: Sein Leben selber gestalten.
b) „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge nicht“ (Sprüche 1,10). Denn: Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten.
c) Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
d) Wer Pech angreift, besudelt sich.
Oder: Ihr sollt eure Perlen nicht vor die Säue werfen.
e) Übermut tut selten gut.
f) „Im Zweifel nie!“ („In gewissen Dingen gibt es keine Birne.“)

 

12.a) Man muss sorgfältig beobachten, besonders das Unauffällige, Unscheinbare.
b) Erst schauen, dann überlegen, dann handeln. „Warte, lose, luege, laufe!“
c) Man soll in sich selbst und andere hineinhorchen.
Fragen: Was sind meine, seine Bedürfnisse, "Bestimmungen", Berufungen.

 

13.a) Den Dingen und Menschen ins Auge sehen und darin das Beste suchen.
b) "Prüfet alles und behaltet das Beste" (1. Thess. 5,21).

 

14.a) Humor ist die beste Medizin.
b) Wer den Humor verloren hat, hat alles verloren.
c) Ein Lächeln kann Berge versetzen.
d) Verbissener Ernst führt oft in Sackgassen. Was mit heiterer Gelassenheit oder heiligem Zorn angenommen oder angepackt wird, ist oft "halb so schlimm".

 

15. "Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet", heisst es in der französischen Erklärung der Menschenrechte (1789).
Oder moderner: Meine Freiheit endet dort, wo diejenige der anderen anfängt.
Oder: Wer seine Grenzen sprengt, verletzt diejenigen seiner Nachbarn.

 

16. Wer mit dem Kopf durch die Wand geht, muss manches draussen lassen.

 

17. Keine Halbheiten. Lieber etwas gar nicht anfangen, als halbherzig daran gehen und bald aufgeben.
“Nichts halb zu tun ist edler Geister Art” (Christoph Martin Wieland, 1780).

 

18. Gefasste Entschlüsse sind ohne Umschweife in die Tat umzusetzen.

 

19.a) Vor jeder Entscheidung muss man sich die Frage stellen: Will ich nach dem Gewissen oder nach meinen Gelüsten entscheiden.
b) Die Folgen von Gewissensentscheiden sind leichter zu tragen als Entscheidungen nach Lust und Laune.
Es heisst zwar: "Der Gerechte muss viel leiden" (Ps. 34,20). Aber auch: "Den Seinen (Gerechten) gibt er’s im Schlaf" (Ps. 127,2).
c) Wer nach Gelüsten entscheidet, ist erpressbar.

 

20. Wer Schulden macht, sich subventionieren oder bestechen lässt, ist nicht mehr sein eigener Herr und Meister.

 

21. Wer weiterkommen will, muss fragen:
Gibt es andere Möglichkeiten?

22.a) Wenn wir nicht mehr weiter wissen, müssen wir unsere Optik ändern. Das heisst: entweder die Blickrichtung ändern oder auf ein höheres Betrachtungsniveau steigen. „Reculer pour mieux sauter“ (Alfred de Musset, 1834).
Von oben oder von der andern Seite sieht manches anders aus.
b) In einer verfahrenen Lage kann man es mit dem Gegenteil versuchen.
c) Statt auf Bedürfnisse auf Ziele achten.
d) Sich in den andern hineinversetzen. Oder fragen: "Wie sieht mich der andere?"

 

23.a) Wir müssen einerseits möglichst viele Aspekte sammeln, anderseits immer wieder versuchen, sie zusammenzufassen und in eine Ordnung zu bringen. Wir müssen wechselweise nuancieren und schematisieren.
b) Das Einfache ist zu komplizieren.
Wenn etwas aber zu kompliziert wird, muss man wieder vereinfachen oder auf das Einfache zurückgehen.
c) Dazu dient Suchen, Fragen und Reden einerseits, offene Besinnung und konzentriertes Nachdenken anderseits.
d) Kreativität besteht aus einem Wechselspiel von Suchen und Ordnen, Schweifen und Konzentration.

 

24. Eingriffe in Systeme müssen energisch, aber behutsam vorgenommen werden.
„Fortiter in re, suaviter in modo“ (der Jesuit Claudio Acquaviva, 1600).

 

25. Gleiches ist gleich, ungleiches ist ungleich zu behandeln.

 

26. Niemanden an die Wand stellen.
Dem Feind eine golden Brücke bauen.

 

27. Das Ausmass des Eigennutzes ist mit der Ehrfurcht vor dem Gegenüber abzustimmen.

 

28.a) "Es ist das Wissen des Herzens und des Instinkts (Spürsinns), auf das sich die Vernunft stützen muss, auf das sie alle Ableitungen gründet" (Pascal).
b) Heftige oder bohrende Gefühle wie Eifersucht, Neid, Ehrgeiz, Hass, Gier, Eigensinn sind jedoch schlechte Ratgeber.

 

29. Vorsicht und Rücksicht sind zwei Seiten derselben Medaille: der Übersicht.
„Vorsicht ist der bessere Teil der Tapferkeit“ (Shakespeare, „Henry IV“, 1597).

 

30. Präzisieren steht vor jeder Entscheidung:
a) Was sind meine Beweggründe? (Eigennutz, Rache, Neid?)
b) Was will ich wirklich? Was ist die Absicht, was ist das Ziel?
c) Brauche ich das wirklich? Oder: Muss ich unbedingt … ?
d) Wenn ja, ist es das Richtige?

 

31. Präzisieren heisst auch: Prioritäten setzen.

 

32. Vor "schnellen" Entscheidungen auf 10 zählen,
vor weniger dringlichen: einmal darüber schlafen.

 

33.a) Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein (siehe Ps. 7, 16; 57,7; Sprüche 26,27).
b) „Wer Wind säet, wird Sturm ernten“ (Hosea 8,7
).

 

34.a) "Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?" (Mat. 7,3; Luk. 6,41).
b) "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein" (Joh. 8,7)..
c) „Hochmut kommt vor dem Fall“ (Sprüche 16,18)
d) Nicht päpstlicher sein als der Papst.
e) „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“ (Goethe, 1802).

 

35.a) An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
b) Das Werk lobt den Meister.

 

36. Alles hat eine Vorgeschichte und einen Hintergrund:
der Mensch
jeder Ratgeber
Ideologien, wissenschaftliche Theorien
jede Situation (ob individuelle, politische oderwirtschaftliche).

 

37. Nicht von den Umständen oder den andern etwas erwarten, sondern selber eine mutige Tat vollbringen.
Sein Leben selber, "beherzt" in die Hand nehmen.
"Mein Glück soll, so weit wie möglich, meine Sache sein."

 

38. Entscheiden statt vor sich her schieben.
Oft ist wichtiger, dass überhaupt als was entschieden wird.
Entscheiden heisst, seine Freiheit wahrnehmen.
Fichte: "Freiheit besteht nicht darin, dass ich tun kann, was ich will, sondern dass ich wollen kann, was ich will."

 

39. Unterscheiden, was "bloss" wünschbar und was machbar ist.

 

40. Oft ist eine Entscheidung die Wahl zwischen zwei Übeln.
Es gilt, sich für das eine entscheiden und das Beste daraus zu machen.

 

41. Bei Beurteilungen die Vorsilbe "un-" durch "noch nicht" oder "nicht immer" ersetzen, z. B.: "rede-unbegabt" wird so zu "noch nicht sehr rede-geübt", "unaufrichtig" zu "nicht immer aufrichtig".

 

42. Zuversicht ist eine Kraftquelle, wenn sie auf das "Richtige" gerichtet ist.
Zweifel ehrt, aber lähmt.

 

43. "Einmal heisst: immer wieder", sagt die Psychologie.

 

44.a) Es kommt meist anders heraus als wir denken.

b) Gerade was wir vermeiden wollen, ereignet sich oft.

 

45. Jede getroffene Entscheidung bedeutet einen neuen Anfang.
"Wer neu anfangen will, soll es sofort tun", sagt Kungfutse.

 

46. Der schlechteste Weg ist der Ausweg.
Manchmal ist es besser, umzukehren, damit man besser sieht.

 

47. Eine Münze aufwerfen und dann das Gegenteil tun.
Warum? Das Ergebnis des Wurfs bringt uns die eine Möglichkeit schlagartig nahe; dann zeigt sich oft spontan, ob wir sie ausführen wollen.

 

48. "Not macht erfinderisch." Aber die Not muss offenbar gross sein.

 

49. "Wie man in den Wald ruft, so tönt es heraus.“
Ist der Mensch denn eine Reaktions-Maschine?
„Vertrauen erweckt Vertrauen.“'

 

50. Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle.
Fragt sich nur, in welchem Zustand.
Und vielleicht möchten wir aufs Meer hinaus.

 

51. Die strengsten Gesetze stammen nicht vom Menschen, sondern von der Natur (Physik, Chemie, Biologie).
Aber belastender sind oft die inneren Zwänge und der soziale Druck.

 

52.a) Der Verzicht auf höhere Bindungen macht anfälliger für "niedere" Abhängigkeiten (Süchte, Rituale, Moden, Gruppenmeinungen).
b) Die meisten Krisen sind programmiert. Wer auf Freiheit pocht, muss sich aus dem Automatendasein lösen.

 

53. Jedes Ziel oder Engagement richtet unser Bemühen aus und bündelt die Kräfte, aber es engt den Blick ein.

 

54. Über den eigenen Schatten zu springen, ist erwünscht.
Aber was, wenn man dabei stolpert?

 

55. "Verschiebe nicht auf morgen, was du heute tun kannst."
Und: Das Naheliegende zuerst tun; "eines nach dem andern wie in Paris."
Aber erledigt sich nicht manches durch "Abwarten und Tee trinken", durch Vergessen oder Liegenlassen?

 

56. "Wer A sagt, muss auch B sagen." Aber ist nicht alles dem Wandel unterworfen?

 

57. "Wer rastet, der rostet."

 

58. Ich sollte wissen, was ich will.
Aber der Weg ist oft wichtiger als das Ziel.

 

59.a) Jede Regel bedarf der Interpretation.
b) Alle Menschen können dieselben Regeln anwenden. Je nach Veranlagung, Erziehung und Erfahrung werden sie sie jedoch anders interpretieren.

 

60. Von nichts kommt nichts. "Ohne Fleiss kein Preis".
Aber: Einigen fällt alles in den Schoss; statt Fleiss gibt es Erpressung.

 

61. Gibt es Argumente gegen Sorgfalt und Zuverlässigkeit? Nein, nur Launen und andere Gelüste.

 

62. Hoffnung liegt in jedem Leid. "Durch Schmerzen empor" (Seneca, ca. 50 n. Chr.).

 

63. Zusammen (= gemeinsam) ginge es besser.

 

64. Begriffsscharfes Denken bringt Klarheit.
Z. B. Was ist „Spontaneität“ anderes als: seinen Launen und Gelüsten nachgeben? "Lässig" ist meist fahrlässig.

 

65. Mehr Konsequenz im Denken und Verhalten ist nötig.
Aber: Letzte Konsequenz ist tödlich.

 

66. Die 10 mosaischen Gebote sind eine gute Richtschnur.

 


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