HomeWas wurde aus den neuplatonischen Hierarchien?

 

                    Systemdenken als Ebenenbetrachtung

 

siehe auch:               Systemdenken: Hierarchien

                                   Hierarchien nach Roland Müller

                                   Allgemeine Systemtheorie

 

siehe ferner:             Systemwissenschaft Herkunft und Grundprobleme

                                   Grundlagen der Systemwissenschaft [?]

                                   Definitionen von "System"

 

 

Zusammengestellt Ende Februar 1976 für die Vorlesung "Interdisziplinarität" am

INDEL (Interdisziplinärer Nachdiplomkurs über Probleme der Entwicklungsländer)

an der ETH Zürich

 

 

Inhalt

Ausgliedern auf verschiedenen Ebenen

Verlust an göttlicher Einigungskraft

Kenneth E. Boulding (1956) und Thomas von Aquin (1250)

Dimensionen der Naturwissenschaften

Gebilde und Sachverhalte ohne Abmessungen

Die Bereiche: real und virtuell, natürlich und künstlich

Die organismische Hierarchie

Technische Gebilde

Mensch und Maschine

Entscheidungs-, Planungs-, Informationssysteme

Stufen der Denkbewegung oder Sprache

Der psychische Apparat

Organizismus in der Psychologie

Genetische Gesichtspunkte

Weitere Analogien

Analogiedenken

Gibt es allgemeine Systemgesetze?

 

Literatur

 

Kenneth E. Boulding: General Systems Theory - The Skeleton of Science. Yearbook of the Society of General Systems Research: General Systems, Ann Arbor, Bd. 1, 1956, 11-17;
Nachdruck in Management Science 2.3, 1955/56 (April 1956), 197-208; ferner in Peter Paul Schoderbek (Hrsg.): Management Systems. New York, London: Wiley 1967, und Walter Buckley (Hrsg.): Modern Systems Research for the Behavioral Scientist. Chicago: Aldine 1968, 3-10.

M. D. Mesarović, J. L. Sanders, C. F. Sprague: An Axiomatic Approach to Organizations from a General Systems Viewpoint. In W. W. Cooper, H. J. Leavitt, M. W. Shelly II (Hrsg.): New Perspectives in Organization Reserach. New York 1964, 493-512;
Nachdruck in Frank Händle, Stefan Jensen (Hrsg.): Systemtheorie und Systemtechnik. München: Nymphenburger Verlagshandlung 1974, 147-166.

F. de P. Hanika: New Thinking in Management. London: Hutchinson 1965;
dt.: Modernes Managementdenken. Ein Leitfaden für Manager. Wiesbaden: Gabler 1969.

Wolfgang Wieser: Kybernetik. In: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Stuttgart, Tübingen, Göttingen: G. Fischer, Mohr, Vandenhoeck & Ruprecht, Bd. 12, 1965, "Nachtrag", 625-633.

Ludwig von Bertalanffy: General System Theory. Foundations, Development, Applications. New York: Braziller 1968; als Penguin Taschenbuch, London: Lane 1971.

James G. Miller: The Nature of Living Systems. Behavioral Science, vol 16, 1971;
Nachdruck in Frank Händle, Stefan Jensen (Hrsg.): Systemtheorie und Systemtechnik. München: Nymphenburger Verlagshandlung 1974, 62-86.

Hubert Rohracher: Selbstdarstellung, in Ludwig J. Pongratz, Werner Traxel, Ernst G. Wehner (Hrsg.): Psychologie in Selbstdarstellungen. Bern: Hans Huber 1972, 256-287.

Walter Toman: Einführung in die Allgemeine Psychologie. 2 Bde, Freiburg: Rombach 1973.

Herbert Fuchs: Systemtheorie und Organisation.
(Diss. Univ. Köln. u. d. T.: Die Verallgemeinerung der Theorie offener Systeme als Grundlage zur Erforschung und Gestaltung betrieblicher Systeme. 1971) Wiesbaden: Gabler 1973.

Günter Ropohl (Hrsg.): Systemtechnik - Grundlagen und Anwendung. München: Hanser 1975.

 

 

Es ist eigenartig, dass in der doch sehr reichhaltigen systemtheoretischen Literatur kaum darauf hingewiesen wird, was das Spezifische ist, das die Systembetrachtung ausmacht.

 

Ein Grund mag darin liegen, dass ihr Kennzeichen in etwas besteht, das dem Menschen ausserordentlich schwer fällt - mithin auch den Systemspezialisten, so dass sie ungeachtet ihrer Etikettierung als Fachleute selber auch gerade nicht betreiben, was die echte Systembetrachtung erfordert. Sie sind sich also der Eigenarten ihres Ansatzes gar nicht bewusst.

Kein Wunder, dass deshalb soviel unter "Systems Approach" läuft, das nur alten Wein in neuen terminologischen und methodologischen Schläuchen vorführt.

 

Weder beruht nämlich die moderne Systembetrachtung allein auf der Euklidischen Erkenntnis "Das Ganze ist grösser als der Teil" (vgl. schon Zenon und Aristoteles' "Metaphysik" V, 24-27; VII, 10), noch auf der zu Beginn der Neuzeit aufgekommenen Definition von System, wie sie Kant so prägnant als "ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis" resp. "die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee" gefasst hat.

Die heutige Systembetrachtung verlangt weniger den Blick auf das "Ganze'' und die logisch widerspruchsfreie Konsistenz desselben, sondern vielmehr einen ständigen Wechsel der Perspektiven und der Ebenen der Betrachtung.

 

Genau dieses ständige Springen von einem Standpunkt zu einem andern - was die verschiedenen Aspekte einer Sache ergibt - sowie das stete Hinauf- und Hinabklettern auf den verschiedenen Stufen der Betrachtung stellt derartige Forderungen an die Beweglichkeit des menschlichen Geistes oder besser: seines noetischen Blickens, dass die Systembetrachtung zum schwierigsten gehört, was das Bestreben nach "clare et distincte" (Descartes, Locke, Leibniz) bestimmt.

 

Schon wenn wir System als etwas aus Elementen Zusammengesetzten auffassen, haben wir gleich zwei Ebenen aufs Mal ins Auge zu fassen. Erkennen wir dann weiter, dass jedes Element selbst als System betrachtet werden kann (das wiederum aus Elementen besteht), jedes System aber auch seinerseits als Element eines "höherer" Systems angesehen werden kann, so vermehrt sich die Zahl der Ebenen sehr rasch.

 

Sowohl die Hervorhebung der Aspektivität wie von verschiedenen Ebenen des Seins geht - nebst der Betrachtung des "Ganzen" (holon) und der Wohlordnung (kosmos als systema) - auf die alten Griechen, vorab Platon und Aristoteles zurück (vgl. den "Timaios" sowie das Liniengleichnis gegen Ende des VI. Buches, Höhlengleichnis und Synopsis im VII. Buch der "Politeia"; die Stufen der Erkenntnis in der "Metaphysik" I, 1f; VI, 1; XI, 7, und in der "Nikomachischen Ethik" VI, 3ff, sowie die "scala naturae").

 

Bei den Neuplatonikern erfuhr das Stufendenken seine höchste Ausprägung, wobei besonders Jamblichos und Proklos pythagoräische Zahlenspekulationen zu Hilfe nahmen. Dabei blieb in dem sowohl hierarchischen wie ineinander verschränkten Ausfalten (bereits bei Plotin eklampsis resp. emanatio; proodos bei Proklos) des Ur-Einen der synthetische oder synoptische Charakter stets erhalten.

Ähnliches findet sich auch bei den Gnostikern (z. B. Basilides und Valentinus), bei einigen Kirchenvätern und in den Schriften des sogenannten Dionysios Areopagita ("Die Hierarchien der Engel und der Kirche", dt. 1955).

 

[Zahlreiche Darstellungen des Systems von Dionysios Areopagita finden sich in dem dicken von Alexander Roob herausgegebenen Bilderbuch: Alchemie & Mystik" (Köln: Taschen Verlag 1996), z. B.:

Ferner gibt es dieselbe Abbildung wie bei Jacobus Publicus in Frances A. Yates: The Art of Memory. London: Routledge & Kegan Paul 1966, 116: The Spheres of the universe as a Memory System. From J. Romberch, Congestium artificiose memorie, ed. of 1533.

 

Bemerkenswert sind auch:

 

 

Ausgliedern auf verschiedenen Ebenen

 

Genau dieses Ausgliedern in und auf verschiedenen Ebenen bei gleichzeitiger Verschachtelung - häufig geleitet von einem Triadenschematismus, z.B. bei Plotin, Jamblichos, Augustin, Proklos und dem Aeropagiten - kennzeichnet auch das moderne Systemdenken:

Es ergibt sich eine verwirrend horizontal und vertikal strukturierte Welt, die der logischen Konsistenz durchaus ermangeln kann.

 

Was heisst aber Strukturierung? Zur Klärung dieser Frage wäre eine präzise Unterscheidung von Sphären, Bereichen, Gebieten, Reichen, Regionen, Teilen, Stufen und Schichten einerseits, Gegenständen, Gattungen und Arten, Allgemeinem und Einzelnem anderseits vonnöten.

Skizziert werden kann aber hier nur folgendes: Vor allem bei den Pythagoräern, Platon und Aristoteles stand die gleichförmige Kreisbewegung der Himmelskörper (bei Aristoteles auch für die mechanischen Bewegungen etwa von Hebelarmen beansprucht) als vollendete, ewige Bewegung fest, so dass sich ein sphärischer Aufbau (aus Kugelschalen) zumindest der "himmlischen Weit" ergab.

 

Schon Platon und Aristoteles sprachen aber auch von Bereichen (Gebieten, Reichen, Regionen) und Teilen (z. B. Denkbares und Wahrnehmbares; Tierreich und Pflanzenreich; Seelenteile), Plotin dann von den Hypostasen (oder Substanzen), die sich in einer unendlichen Stufenreihe ausfalten.

Wichtig seit Platon ist dabei durchgängig, dass sich bei allen Rangstufungen eine "von oben nach unten" abnehmende Vollkommenheit der Reiche und der in ihnen befindlichen Gebilde und Vorgänge ergibt. Besonders deutlich bei Plotin wird dann z. B., dass sich auf ein und derselben Stufe, so etwa des Seelischen, sowohl die "Weltseele" wie auch die "Einzelseelen" finden können und darüberhinaus je eine höhere, rein geistige (intuitive) und eine niederere, welche sich einen. Leib sucht, d. h. das Körperliche, Materielle gestaltet.

 

Einen Höhepunkt erlebte die sich durch die Jahrtausende hinziehende wechselweise Verknüpfung von monistischen, dualistischen und triadischen Prinzipien und Betrachtungsweisen in Hegels dreistufigem dialektischer Schematismus, der Ansätze von Fichte und Schelling weiterführte.

Zusammen mit den Hierarchien von Auguste Comte (der diese wohl weitgehend von St. Simon übernommen hat) bildet diese Aufstufung Anregung und Grundlage für die seit der Jahrhundertwende (1900) in zunehmendem Masse beliebter gewordenen Entwürfe von

 

  • "Schichten der Persönlichkeit" (Erich Rothacker, 1938) resp. "Aufbau des Charakters" (Philipp Lersch, 1938)
  • des "Aufbaus der realen Welt" (Nicolai Hartmann, 1940)
  • sozialen Schichten (z. B. Pitirim A. Sorokin, Theodor Geiger) und
  • "Systemen der Wissenschaften" (Wilhelm Schuppe, 1898; Edmond Goblot, 1898/1922; Alfred Hettner, 1905; Paul Tillich, 1923; Henry Evelyn Bliss, 1929; Karl Ludwig, 1950).

 

Zwar hört man recht häufig, vorab der psychologische Schichtgedanke gehe vom Erscheinungsbild der geologischen Schichten oder denn von den Stratigraphien in der Paläontologie und Archäologie aus, doch da die Entsprechungen allzu gering sind, ist ein Rückgriff auf Platon und Aristoteles eher angebracht.

Wohl recht weit hergeholt wäre es jedoch, die Schichtenbildung im "Timaios" heranzuziehen, wonach sich auf Grund der verschiedenen «Schwere" (als Folge der unterschiedlichen Anzahl von Dreiecken, aus welchen die Polyeder der "Elemente" gebildet werden) Wasser, Luft und Feuer über der Erde anordnen.

Immerhin kann man darauf hinweisen, dass "systema" in seiner vielleicht ursprünglichsten Bedeutung im Corpus Hippocraticum zur Bezeichnung von Sedimenten diente.

 

Interessant bei diesen Schichttheorien ist dabei das Vorherrschen eines Chorismos, so bei Erwin Stransky (1903) zwischen Thymopsyche und Noopsyche, bei Friedrich Kraus (1919/26) zwischen Tiefenperson und Kortikalperson, bei Philipp Lersch (1938) zwischen endothymem Grund und personellem Oberbau.

Diese und viele andere Theorien lassen sich unschwer auf Platon zurückführen.

 

Ähnliches gilt auch für das Welt-Gebäude von Nicolai Hartmann, das über die Anknüpfung an Hegels Dialektik und die Kampfansage an Neukantianismus und Phänomenologie bis zu Aristoteles zurückverfolgbar ist. Darüberhinaus hat seine Erkenntnismetaphysik eine derart verzwickte vertikale und vor allem horizontale Ausfächerung ergeben, dass sie Erinnerungen an die neuplatonischen Ontologien heraufbeschwört. Freilich fällt dabei das Gottesproblem ausser Betracht, da es nicht wissenschaftlich zu behandeln ist.

 

Verlust an göttlicher Einigungskraft

 

Gerade dieser Verlust an göttlicher Einigungskraft - welche noch für Leibniz und Newton bestimmende Leitidee war - kennzeichnet seit der Aufklärung das Bemühen um die Erfassung des Weltbaus, weshalb es wenig verwundert, dass auch die Kantischen "Prinzipien" oder "Ideen" als einheitsstiftende Kräfte rasch verblassten: Die verwirrende, von Widersprüchen erfüllte, unabgeschlossene "Komplexität" machte sich breit. Der Kosmos als "Wohlordnung", organische Einheit, Ordo "nach Mass, Zahl und Gewicht" (Augustin; vgl. Weish. 11, 20) oder "prästabilierte Harmonie" (von den Pythagoräern über Plotin bis Kepler und Leibniz) ist zerfallen.

 

Auf diesem Hintergrund die moderne Systembetrachtung zu sehen genügt freilich noch nicht, da seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts Mikroskop und Teleskop, seit dem 19. Jahrhundert Paläontologie, Evolutions- und Vererbungslehre, Archäologie und Kulturgeschichte, Ethnologie und Soziologie sowie seit der Jahrhundertwende (1900) Atom-, Quanten, und Relativitätstheorie, Tiefenpsychologie, Mengenlehre, mathematische Grundlagenforschung, Logistik, Linguistik und Semantik das Ausmass und die Vielfalt der Betrachtungsweisen und -ebenen so sehr erweitert haben, dass der Schichtungsgedanke trotz seiner Beliebtheit sich als völlig unzureichend zur Erfassung und Ordnung der Fülle von Phänomenen und Denkmöglichkeiten erweisen musste.

 

Was aber dennoch bleibt, das ist die beschränkte Fassungskraft des menschlichen Geistes, die Perspektivität und Selektivität seines Aufnehmens und die Notwendigkeit, den noetischen Blick je auf einen Gegenstandsbereich oder eine bestimmte Ebene zu fokussieren.

Was immer eine solche "Ebene" sein mag, sie darf weder im seelischen und geistigen, noch im anorganischen und organischen "Bereich" als ontische "Schicht" gefasst werden. Im könnte sie höchstens je als Etappe auffassen, die der noetische Blick - unterstützt von den Sinnen und ihr Vermögen verstärkenden Instrumenten einerseits, von Denk- und Vorstellungskraft, Einfühlungsvermögen und eigener Erfahrung anderseits - in seinem Schweifen durch Räume und Zeiten zurücklegt. Es sind, wie so vieles andere auch, blosse Hilfskonstruktionen, die in der Verständigung der Wissenschafter untereinander der Orientierung dienen, der Bestimmung dessen, worüber sie überhaupt sprechen, worauf sie ihr Augenmerk richten.

 

Kenneth E. Boulding (1956) und Thomas von Aquin (1250)

 

Die wohl komplizierteste Systemtypifikation hat der Nationalökonom Kenneth E. Boulding (1956, 14-17; 1968, 6-8) unternommen. Entsprechend ihrer Komplexität unterscheidet er neun Stufen von Systemen, wobei auf jeder Stufe Systeme mit gleichem Beziehungsmuster zusammengefasst werden.

Nach F. de P. Hanika (1969, 23f) und etwas ausführlicher H. Fuchs (1973, 58ff) ergibt sich etwa folgendes Bild:

 

1. statische Systeme, "deren Elemente in einer inaktiven Beziehungskonstellation stehen (Fuchs), z. B. "Anordnung der Atome in einer Molekularformel, Karten von der Erde oder vom Sonnensystem (Hanika)

 

2. einfache dynamische Systeme mit determinierten Bewegungsabläufen, Z. B. Uhrwerk, "aber auch komplizierte Maschinen, wie Dampfmaschinen und Dynamos, sowie theoretische Modelle aus dem Bereich der Physik, Chemie und Volkswirtschaftslehre" (Hanika)

 

3. einfache kybernetische Systeme mit Regelung durch Rückkopplung, z. B. Thermostat

 

4. offene oder selbsterhaltende Systeme, z. B. Zellen, Flammen und Flüsse

 

5. Pflanzenwelt: "Hier hat die Arbeitsteilung zwischen den Zellen zu einem Zellsystem von Wurzeln, Blättern, Samen usw. geführt" (Hanika)

 

6. Tierreich: "Systeme, die durch zunehmende Mobilität, teleologisches Verhalten und Bewusstsein gekennzeichnet sind. Bei diesen Systemen ist insbesondere die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen weitgehend spezialisiert" (Fuchs)

 

7. Mensch: Er "verfügt über die Fähigkeit der Selbstreflektion ... Von anderen Lebewesen unterscheidet er sich durch ein hochentwickeltes Gedächtnis, die Fähigkeit zu sprechen sowie Symbole aufzunehmen und zu verstehen" (Hanika)

 

8. soziale Organisationen als "Zusammenschluss der Systeme mit Selbstreflektion zu neuen Einheiten" (Fuchs); soziale Organisationen können als Komplex von Rollen definiert werden, die auf Grund von Kommunikationsbeziehungen zu einem System integriert werden" (Hanika)

 

Interessant ist, dass in der Sekundärliteratur die 9. Stufe meist unterschlagen wird. H. Fuchs gibt sie als Stufe der "nicht fassbaren, transzendentalen Systeme" an; bei F. de P. Hanika und in "Knaurs moderne Psychologie" (1972, 16f) fehlt sie.

 

Boulding spricht tatsächlich von "transcendental systems" und rechtfertigt sich dafür: There are however the ultimates and absolutes and the inescapable unknowables, and they also exhibit systematic structure and relationship. It will be a sad day for man when nobody is allowed to ask questions that do not have any answers." Daher ist die Weglassung dieser Stufe in doppelter Weise das Tüpfchen auf dem i einer doch recht auffälligen Tatsache:

Im Gegensatz zu den neuplatonischen Hierarchien setzen die "neuen" fast ausnahmslos unten an, nämlich bei Atomen, Zellen oder sogar "Ausdrucksatomen" ...

 

Wie dem auch sei, befriedigen kann Bouldings Vorschlag keineswegs - auch wenn H. Fuchs (1973, 60) darauf hinweist, dass u. a. "bereits Thomas von Aquin zwischen folgenden Seinsstufen" unterschieden hat:

 

"1. Unbeseelte materielle Körper,

 2. Pflanzen,

 3. Tiere,

 4. Menschen mit Wissen um ihr Tun,

 5. Engel,

 6. Gott."

 

Dieses Ungenügen hat auch Ludwig von Bertalanffy gespürt, der Ende der vierziger Jahre nach Amerika ausgewandert ist und 1954 zusammen mit Boulding sowie Ralph W. Gerard und Anatol Rapoport die "Society for General Systems Research" gegründet hat. In der Einleitung zu seiner Aufsatzsammlung "General System Theory" (1968) stellt er Bouldings Hierarchie nochmals vor, und zwar mit der bemerkenswerten Spezifizierung der 9. Stufe als "symbolic systems", die als durchaus fassbare Beispiele "language, logic, mathematics, sciences, arts, morals, etc" umfassen.

Doch in einer Fussnote bemerkt er: "This survey is impressionistic and intuitive with no claim for logical rigour. Higher levels as a rule presuppose lower ones; but the relation of levels requires clarification in each case (cf. .. .relation of 'conceptual' to 'real' systems, etc.). In this sense, the survey suggests both the limits of reductionism and the gaps in actual knowledge."

 

 

Dimensionen der Naturwissenschaften

 

Wie unermesslich gross die Spannweite dessen ist, was der menschliche Geist mit seinem Blick überstreichen müsste, sei mit einigen Zahlenangaben zu illustrieren versucht, obwohl von "Bildhaftigkeit" wohl in den meisten Fällen nicht die Rede sein kann.

 

Photon und Neutrino, Elektron und Proton gelten der Physik als "stabil". Die "Lebensdauer" eines Neutrons dagegen betrat nur 17 Minuten, diejenige eines Pions 10-16 Sekunden. Die Zeit, welche ein Proton für seine Drehung benötigt, liegt bei 10-25 sec. Auf der andern Seite reicht die schriftlich dokumentierte Geschichte des Menschen (seit dem Aufblühen der Hochkulturen) etwa 5000 Jahre zurück. Der erste "Mensch" könnte vor einigen Millionen Jahren aufgetreten sein; den Beginn des Lebens setzt man vor einigen Milliarden Jahren an, und das Alter des Alls mag ein Dutzend Milliarden Jahre, also etwa 3x1017 sec betragen.

Lange Zeit hat man den Radius eines Elektrons von 2,8x 10-13 Zentimeter (λ) als Elementarlänge betrachtet. Der Radius eines Atomkerns misst etwa 10-12 cm, der Durchmesser eines ganzen Atoms etwa 1 bis 4 Angström (10-8 cm; 0,1 nm). Bis in den Angströmbereich reicht auch das Auflösungsvermögen der Elektronenmikroskope. Erbringen diese eine maximale Vergrösserung von 1 : 10 Million, so die Lichtmikroskope eine solche von 1 : 1000 bis 2500. Damit liegt das Auflösungsvermögen von Lichtmikroskopen im Bereich der Wellenlänge des sichtbaren Lichts (4000-7000 A, 4 bis 7x 10-5 cm), wo sich auch Bakterien, Riesenmoleküle und Chromosomen finden.

Beträgt der Erdumfang etwa 40'000 Kilometer (4x 109 cm), so die Entfernung zum nächsten Fixstern, Alpha Centauri, 4, 3 Lichtjahre (also 4,3x 9,46x1012 km, mithin 4x 1018 cm).

Wenn nun die Grösse des Alls mit etwa einem Dutzend Milliarden Lichtjahren angegeben wird,  macht das 1028 cm aus.

 

Auch viele andere Einheiten oder Grössen führten ins Unvorstellbare. Hat ein Photon definitionsgemäss die Masse Null, so ein Elektron eine von 9,1x10-28 g, ein Proton oder Neutron eine solche von 1,6x10-24 g. Nimmt man letzteres als "Masseneinheit" für Atom- und Molekulargewichte, so ergeben sich solche für das Element Uran von 238, für Makromoleküle wie Proteine und die DNA bis zu sechs Millionen. Die Masse der Erde macht dann schon etwa 6x1027 g aus; der Jupiter bringt 300, die Sonne 333'000 Erdmassen auf die Waage, ein rechter Spiralnebel gar 8 bis 11 Zehnerpotenzen der Sonnenmasse.

 

Auch Anzahlen können beträchtliche Ausmasse erreichen. So leben im Moment (ca. 1975) auf unserem Globus - die meisten eher schlecht als recht - etwa 4 Milliarden (4x109) Menschen, von denen jeder aus einigen Dutzend Billionen Körperzellen (1013 bis 1014) und etwa ebensoviel Blutzellen (3x1013) besteht.

 

Definitionsgemäss enthält ein Mol einer Substanz - d. h. soviel Gramm, wie das Molekulargewicht angibt, bei Wasser also 18 g - 6,02x1023 Moleküle. Da die Wasservorräte auf der Erde etwa 1,3 Milliarden Kubikkilometer betragen (ale 1024 cm3), gibt es auf dem Globus über 4x1046 Wassermoleküle. Da hat Archimedes in seiner "Sandrechnung" wohl gar nicht so schrecklich weit danebengetroffen, wenn er die Anzahl der Sandkörner, welche es zum Ausfüllen des Weltalls brauchte, auf 1063 berechnete.

In weiteren Gedankenexperimenten kam er für absolute Zahlen gar zu Potenzen bis 80 Milliarden.

 

Selbstverständlich kann man diese Zahlenspielereien auch mit Frequenzen, Energien, Drücken, Spannungen usw. durchführen. Ein Blick in ein entsprechendes Nachschlagewerk kann auch da durchaus Erstaunliches enthüllen: Spannweiten von Dutzenden von Potenzen sind fast bei allen Arten von physikalischen Qualitäten auffindbar.

 

Gebilde und Sachverhalte ohne Abmessungen

 

Doch der Einwand lässt sich nicht mehr beiseiteschieben: Wie vieles ist nicht messbar! Ob Liebe, Glück und Freiheit, ob Gesellschaft, Politik, Religion, ob logischer Schluss oder Ideologie, Verhalten oder Normen und Begriffe - wer könnte ihre Masse oder Ausdehnung, ihre Ladung oder Anzahl bestimmten?

 

So hilfreich also etwa die Skalen der räumlichen und zeitlichen Struktur des Kosmos zur Orientierung sind, vgl. etwa

 

so wenig darf man übersehen, dass gerade diejenigen Erscheinungen und Schöpfungen, welche für den Menschen am bestimmendsten sind, weder mess- noch abstufbar und daher nicht in eine Hierarchie zu bringen sind.

 

Genau dies erweist sich auch für die Systembetrachtung als bedeutsam. Psychische und kognitive Systeme, Wirtschafts- und Handlungssysteme - wie sehen sie aus, was sind ihre Stufen, ihre Abmessungen, ihre Qualitäten? Welches sind die räumlichen und zeitlichen Erstreckungen einer Metatheorie, eines Kasus- oder Zielsystems, eines parlamentarischen oder monetären Systems, einer Klassifikation, eines Prozessmodells, ja des CGS-Systems selbst?

 

Die Bereiche: real und virtuell, natürlich und künstlich

 

Es macht einen Unterschied, ob diese Gebilde dem "Bereich" der physikalisch-chemischen Realität oder einem gewissermassen "virtuellen" Bereich der Gedanken und Begriffe, Werte und Regeln angehören.

 

Irgendwie schlägt da immer noch der Platonische Chorismos von Wahrnehmbarem und Denkbarem durch. Wenn nun im "Bereich" des Materiell-Energetischen eine Abstufung von Betrachtungsebenen nach der Grösse der Objekte einigermassen sinnvoll etwa in der Reihenfolge atomar, molekular, mikroskopisch, direkt sichtbar, planetar, teleskopisch und radioastronomisch durchgeführt werden könnte, so ergeben sich für den "Bereich" des Seelisch-Geistigen fast unüberwindliche Schwierigkeiten (wobei wir aber bereits im "Bereich" des Materiell-Energetischen so vieles nicht sehen können, z. B. den elektrischen Strom oder ein meteorologisches Tiefdrucksystem).

Vergrössert werden diese noch dadurch, dass viele Systeme im "Bereich" dessen, was man als menschliche Gemeinschaftsleistungen bezeichnen könnte, Anteil sowohl an "Realem" wie "Virtuellem" haben, man denke nur an die Verbindung von Methoden und Mitteln, also etwa von Know-how und Apparaten, juristischen Bestimmungen und Gütern. "Sehen" kann man jedenfalls ein Unternehmen oder die Entwicklungshilfe ebensowenig wie die Forschung, die Triebe oder die Sprache.

 

Noch komplizierter wird es, wenn man nicht nur nach der Zugehörigkeit zu einem "Seinsbereich" fragt - z. B. sind Geld, Information und Dienstleistungen "materieller Natur" oder macht das nur eine "Komponente" aus -, sondern auch nach der Art der Entstehung. Gerade die Unterscheidung von 'natürlich" und "künstlich" führt in manche uralte Zwickmühle zurück. Wäre nämlich etwas als künstlich zu betrachten, das von Menschen "erzeugt" wird, so wären alle Menschen selbst künstliche Wesen. Von einer andern Seite betrachtet "enthält" der Mensch jedenfalls natürliche Bestandteile (der Organismus), aber ebensosehr künstliche, die man etwa als "interne semantische Modelle" fassen kann.

 

Auf ähnliche Art kann man fragen, ob und wieweit die Naturgesetze, die Baupläne der Tiere oder das Bohrsche Atommodell, aber auch Medikamente, Holzmöbel und Juwelen, ja soziale Gruppen, Rituale und Gewohnheiten, Gefühle, Gedanken und Ideale "natürlich" sind. Oder ist etwa diese Fragestellung unsinnig, falsch, irreführend?

 

Wie man es drehn und wenden mag, die angetippte Problematik ist kaum in den Griff zu bekommen. Das rührt sowohl von der mehrfach erwähnten Perspektivität und Aspektivität her als auch von der wohl unumgänglichen Notwendigkeit nicht nur des Auswählens (Selektivität), sondern auch des Unterteilens (Differenzierens). Das Auseinanderreissen dessen, was doch irgendwie zusammengehört, das gedankliche Trennen, Gliedern und Ordnen des Ganzheitlichen, das Abstufen des Kontinuierlichen, das Kombinieren des Verschiedenartigen und Vereinigen des Gegensätzlichen, all dies zeigt die Macht wie Ohnmacht des menschlichen Geistes.

 

Auch die Systembetrachtung leidet an diesem wohl schwersten Geschäft des Geistes. Der Kampf mit den Tücken des Objekts, seinen qualitativen und quantitativen Bestimmungen ist immens, ein heroisches Unterfangen mithin, Ordnungsgesichtspunkte für dieses Ringen bereitstellen zu wollen. Dennoch könnte die Systembetrachtung ein geeigneter Ansatz hie für sein, da sie, wenn auch keineswegs voraussetzungsfrei, so doch in der Tendenz wertfrei, besser: wertneutral und demokratisch vorgeht. Ein Kristallgitter oder der Zellstoffwechsel gelten ihr nicht mehr und nicht weniger als eine Familie oder eine wissenschaftliche Theorie, eine prozessgesteuerte Werkzeugmaschine oder eine Galaxis.

Die Bemessung des Ranges von Wissen (Episteme) nach den drei Kriterien des Aristoteles, nämlich nach seiner Strenge (Akribeia) , seinem Nutzen (Chresis) oder der Ehrwürdigkeit des Gegenstandes (Timioteta) ist dahingefallen.

 

(Epikur hatte drei sichere Wahrheitskriterien aufgestellt:

  • Sinneswahrnehmungen (aisthesis)
  • Allgemeinvorstellungen (prolepsis; ~ Antizipation des Begriffs)
  • Erregungszustände (pathos).

Alle zusammen ergeben die Einsicht (phronesis), welche Verstand und Gemüt umfasst. Nach Hermann Glockner: "Die europäische Philosophie von den Anfängen bis zur Gegenwart." 1958, 215 und 218.)

 

Die organismische Hierarchie

 

Es sieht ganz so aus, als hätten es sich die Theoretiker mit den Hierarchien bisher viel zu einfach gemacht. Dies nicht zuletzt, weil man von "lebendigen Systemen" ausging. James G. Miller (1974, 84) weist etwa darauf hin, dass schon Rudolf Virchow in einer Rede "Über Leben und Kranksein" (1862) eine Stufung nach Zelle, Gewebe, Organismus und Gesellschaft vorgenommen hat. In seinen "Philosophischen Grundfragen der Biologie" (1912) hat sie dann Nicolai Hartmann nach oben und unten erweitert, so dass sich eine Reihe vom Weltall abwärts etwa zu den Gattungen und Arten, Tierstöcken, Lebewesen und sichtbaren Körpern, von da über die Zellen und plasmatischen Strukturelemente bis zu den Molekülen und Atomen ergab.

Daran schloss sich unter anderem der Wiener Biologe Ludwig von Bertalanffy in seiner "Theoretischen Biologie" (1932) an, und bei James G. Miller (1974, 70) sieht die Sache folgendermassen aus:

 

"The universe contains a hierarchy of systems, each higher level of system being composed of systems of lower levels:

 

- Atoms are composed of particles;

- molecules, of atoms;

- crystals and organelles, of molecules.

- About at the level of crystallizing viruses … the subset of living systems begins. Viruses are necessarily parasitic on cells, so cells are the lowest level of living systems.

- Cells are composed of atoms, molecules, and multimolecular organelles;

- organs are composed of cells aggregated into tissues;

- organisms, of organs;

- groups (e. g., herds, flocks, families, teams, tribes), of organisms;

- organizations, of groups (and sometimes single individual organisms);

- societies, of organizations, groups, and individuals;

- and supranatioral systems, of societies and organizations.

- Higher levels of systems may be of mixed composition, living and nonliving. They include

- planets,

- solar systems,

- galaxies, and so forth."

 

Das ist eine recht verbreitete Art von Hierarchisierung - es fehlen einzig die Organsysteme (oder "Apparate") -, doch krankt sie an der Nichtberücksichtigung nicht-materieller Elemente. Dabei hat doch Miller selbst säuberlich "conceptual systems" und "abstracted systems" von den "concrete systems" unterschieden. Konzeptuelle Systeme sollen aus Wörtern, Zahlen und anderen Symbolen bestehen, abstrahierte aus "Beziehungen", welche ein Beobachter an konkreten Systemen festgestellt und je nach Gesichtswinkel und Interessen ausgewählt hat (sie können empirisch bestimmbar oder aber auch nur vermutet sein).

 

Unzweifelhaft beginnen die Schwierigkeiten spätestens auf dem Niveau des Organismus. Dass das "Wesen" des Menschen hinreichend dadurch gekennzeichnet sei, dass er aus Organen "zusammengesetzt" ist, wird weder der Biologe noch der Physiker oder Chemiker behaupten. Ohne gleich Begriffe wie "Seele" und "Geist" ins Feld führen zu müssen, darf angenommen werden, dass auch ein Naturwissenschafter (als Organismus) sich ärgert und freut, denkt und plant, strebt, wählt und bevorzugt, seinen Stolz, Vorstellungen und Einfälle hat, träumt usw. Ob diese Sachverhalte und Vorgänge als blosse Epiphänomene des Stoffwechsels oder von nervösen und hormonellen Regulationen betrachtet werden dürfen, bleibe dahingestellt.

 

Immerhin gemahnen noch Auffassungen der jüngsten Zeit an die berüchtigte Theorie, die Jacob Moleschott entwickelt hatte, kurz bevor er Professor in Zürich wurde: "Ohne Phosphor kein Gedanke" (1853) oder an Karl Vogts Behauptung, "dass die Gedanken zu dem Gehirn etwa in demselben Verhältnis stehen wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren" (1874).

 

Die Krux liegt wohl darin, dass wir nicht genau wissen, was "zusammengesetzt", "bestehend aus" oder "enthaltend" heisst. So schreibt etwa Wolfgang Wieser (1965, 625), beim Verhalten von Systemen komme es auf die "qualitative Zusammensetzung" - "ob sie aus Stahl, Glas, Plastik, Enzymen, Zellen oder Menschen bestehen" - zunächst gar nicht an.

 

Im Bereich der lebendigen Systeme kann man durchaus mit der bereits von Nicolai Hartmann 1912 getroffenen Feststellung einiggehen: "Jedes begrenzte System ist ein Glied eines höheren Systems und enthält kleinere Systeme in sich", und das bedeutet: "Alle Teile und Teilprozesse sind von Grund aus zweckmässig inbezug auf den Organismus als Ganzes, d. h. auf seine Selbsterbauung und Selbsterhaltung, oder die Erhaltung seiner Art." Oder wie es Bertalanffy in seinem "biologischen Weltbild" (1949) ausdrückte: "Ein lebendiger Organismus ist ein Stufenbau offener Systeme, der sich auf Grund seiner Systembedingungen im Wechsel der Bestandteile erhält"; kurz: Jedes Lebewesen, ja auch schon die Zelle, "erhält sich in ständigem Wechsel der es aufbauenden Materien und Energien".

 

Ob nun diese Organismus-Auffassung aber auf Gruppen von Individuen, Organisationen, Gesellschaften und supranationale Systeme übertragen werden kann, ist fraglich, besteht doch gerade einer der "Fortschritte" der modernen Soziologie seit Durkheim und Pareto darin, dass sie den Organizismus und Sozialdarwinismus (Spencer, Lilienfeld, Fouillée, Worms, Gumplowicz, Sumner, Bouglé) überwand. Sogar Albert Schäffle hat in der zweiten Auflage seines Buches "Bau und Leben des sozialen Körpers" (1896; 1. Aufl. 1875ff) vermutet, dass man im Grunde ohne die biologische Analogie auskommen könne.

 

So werden denn etwa auch in der modernen betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie "soziale" Systeme ausdrücklich als "künstliche materielle" (oder konkrete) Systeme angesehen, die "natürlich" höchstens insoweit wären, als "der Faktor der bewussten rationalen Gestaltung entfällt" (G. Wegner). Als "animal rationale" (Aristoteles, Thomas von Aquin) verfügt der Mensch aber wohl unbestritten über etwas, das ihn über das blosse "zoon politikon" hinaushebt, mögen auch Arten von "Zweckbündnissen" sowie von "Arbeitsteilungen" durchaus schon im Tierreich vorkommen.

 

Technische Gebilde

 

Noch verzwickter wird die Angelegenheit, wenn man einerseits die materiellen, also handgreiflichen Kulturprodukte des Menschen, anderseits die menschlichen Gemeinschaftsleistungen wie "Wirtschaft", "Wissenschaft", "Staat", "Gesundheitswesen", "Kirche", "Armee" usw. untersuchen möchte. Miller fragt sich seltsamerweise nicht, ob und wie diese selbst Systeme seien, vielmehr betrachtet er erstere als blosse "Einschlüsse (inclusions) in lebendige Systeme, und von letzteren spricht er gar nicht. Sind solche Einschlüsse von Tieren hergestellt (z. B. "Spinnennetze, Vogelnester, Biberdämme") oder von Menschen (Häuser, Bücher, Werkzeuge, Maschinen, Musik, Gemälde, Sprache), heissen sie "Artefakte". In den meisten Fällen dienen sie als "Prothesen": "inventions which carry out some critical process essential to a living system" (1974, 76).

 

Nähme man sowohl die Artefakte wie die Gemeinschaftsleistungen als Systeme ernst, müsste man die Hierarchien um einiges erweitern. Für "electronic systems" hat Miller dies selbst durchgespielt:

  1. Ein Draht kann Strom leiten und erwärmt sich dabei.
  2. Fügt man Röhren, Kondensatoren, Widerstände und Schalter dazu, erhält man ein Radio, das Töne empfangen kann.
  3. Fügt man weitere Bestandteile dazu, darunter eine Bildröhre und noch mehr Schalter, wird daraus ein Fernsehapparat, der zum Ton noch Bilder empfangen kann.

Dabei ist gemäss dem Prinzip, wonach das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, festzustellen:

"The third system has .emergent (etwa: neu entstandene) capabilities the second system did not have, emergent (resultierend) from its special design of much greater complexity, just as the second has capabilities the first lacked" (1974, 72). Leider unterlasst es Miller, diesen wichtigen Gedanken im Bereich der "nonliving Systems" weiter zu verfolgen, einzig in einer Anmerkung (1974, 86) weist er darauf hin, dass in der sog. System-Technik etwa H. H. Goode (1960) drei "levels of design" auseinanderhält:

 

1. set level (e.g. a radar, an ignition system, a navigation set);

2. set of sets level (e. g. an airplane, a telephone exchange, a missile system);

3. set of sets of sets level (e. g. an over-all weapon system, a telephone system, an air traffic system).

 

D. G. Malcom (1963) hat sogar für ein grosses Waffensystem acht Stufen unterschieden: "system,

subsystem,

component,

assembly,

subassembly,

unit,

unit component, and

part."

 

Das trifft sich etwa mit dem Versuch von Günter Ropohl (1975, 35f), der bei sog. Sachsystemen, im Bereich Verkehrstechnik, zur Reihe gelangt:

 

- Einzelteile (Stirnräder, Wellen etc.),

- Baugruppen (Getriebe, Motor, Kupplung, Kraftübertragung und Antriebsachse),

- Aggregate (Antrieb usw.),

- Fahrzeuge,

- Verkehrssysteme.

 

Im Zeitalter der Mikroelektronik einerseits (z. B. LSI, holographische Speicher), globaler wirtschaftlicher und politischer Interdependenzen anderseits (z. B. Welthandel und Nato) greift diese Stufung aber sicher zu kurz.

 

Mensch und Maschine

 

Anhand solcher Hierarchien eröffnete sich nun ein weites Feld für Untersuchungen, wie beispielsweise ein Mensch (Organismus), eine Gruppe oder Organisation mit solchen "Artefakten" umgeht, was da für Beziehungen zwischen Menschen - ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen, aber auch Normen und andern "kognitiven Systemen" - und technischen Gebilden besteht.

Wie Miller selbst, freilich nur in einem Satz (1974, 76), sagt:

"An analysis of many modern systems must take into account the novel problems which arise at man-machine interfaces."

 

"Interface" als recht junger Fachbegriff bezeichnet so etwas wie eine Schnitt- oder Nahtstelle zwischen verschiedener "Systemen ", etwa zwischen selbständigen "Hardware"-Teilen einer Produktionsanlage oder eines Computers (vergleichbar vielleicht der Interzellularsubstanz im Organismus - Lilienfeld hat eine solche auch für den sozialen Organismus eingeführt) sowie zwischen Hardware überhaupt und den übergeordneten Steuerungseinrichtungen, im weitesten Sinne also zwischen Maschine und Mensch.

Da bei diesen Verbindungen von Seiten der Hardware aus "display elements" und von seiten des Menschen (als "human operator") aus "control elements" ins Spiel kommen, verwundert es nicht, dass da gerade die Psychologie einiges mitzureden hat. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich eine eigenständige Richtung unter dem Namen "Human Engineering" oder Ergonomie herausgebildet, die sich zuerst etwa mit "performance", "skills" und "training" von Piloten, später dann mit den bekannten "Tracking-Aufgaben" des Autofahrers auseinandersetzte.

Der Autor des informativen Penguin-Büchleins "Man-Machine-Systems" (1974), William T. Singleton, ist Professor für Anwandte Psychologie.

 

Damit ist das Stichwort gefallen: Stellt man die Interface-Problematik in einen grösseren Rahmen, so gelangt man zu den Mensch-Maschine-Systemen, oft auch sozioökonomische oder soziotechnische Systeme genannt. Es sind aus "natürlichen" und "künstlichen" Bestandteilen kombinierte Systeme, die sich als nicht-biologische Art einer organizistischen Betrachtung weitgehend entziehen. Paradigma ist die "Organisation", häufig in engerer Fassung als "Betrieb" oder "Unternehmen" beschrieben.

 

Eine klassische Art von Hierarchisierung hat Günter Ropohl (1975, 47) vorgestellt:

-         einzelner mit technischem Gerät ausgestatteter Mensch

-         Arbeitsgruppe

-         Abteilung

-         Betrieb

-         Unternehmung

-         Unternehmensverbund

-         Industriegesellschaft.

 

Bis in die jüngste Zeit blieb ihre Analyse - nicht zuletzt unter dem Einfluss massgeblicher Kybernetiker und Operations-Research-Experten wie z. B. Stafford Beer ("Cybernetics and Management ",1959; dt. 1962) - dennoch auch in der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie dem Organismus-Gedanken verhaftet, so dass ausschliesslich der Mensch als "Aktionsträger" angesehen wurde, Maschinen aber nur als ihm zugeordnete Hilfsmittel bei der Aufgabenerfüllung (F. Nordsieck,, E. Cosiol, H. Acker). Erst Erwin Grochla und seine Schülerin Gertrud Wegner haben Mitte der sechziger Jahre im deutschsprachigen Bereich den "Sachmitteln" zu mehr Beachtung und Eigenständigkeit verholfen und ihre Gestaltung sowie ihren Einsatz aus dem Bereich der Ingenieurwissenschaften in den der Organisationstheorie überführt.

 

Solange freilich einzig Menschen und Sachmittel (und eventuell auch die Werkstoffe resp. Objekte der Leistungserstellung) als 'Elemente' des komplexen Systems "Betrieb" gelten, ist das noch nicht ausreichend, fällt doch dabei wiederum der "geistige Überbau" ausser Betracht, mag er nun in Standards oder Zielen, Plänen und Modellen, Entscheiden und Handlungsanweisungen bestehen.

 

Entscheidungs-, Planungs-, Informationssysteme

 

Einen Ansatz zum Einbezug diesen Nicht-.Materiellen hat immerhin bereits James G. Miller unternommen, als er innerhalb eines Systems (auf beliebigem Niveau) mehrere wichtige Subsysteme unterschied, darunter als "executive subsystem" den "Decider", also einen Bereich, der entscheidet, bestimmt und dadurch das ganze System steuert. Daneben gibt es zahlreiche Subsysteme, die Funktionen ausführen wie Aufnahme und Abgabe, Verteilung und Speicherung, Verwandlung und Synthese (und zwar je von Materie, Energie und Information).

Bei Mihailo D. Mesarović (1964) - bekannt als Mitautor von "Menschheit am Wendepunkt" (1974) - sind diese Funktions-Subsysteme in ein "kausales Subsystem" zusammengefasst und. wird der "Decider" als "zielsuchendes Subsystem" (goal-seeking) interpretiert. Verbindet man mehrere solche Subsysteme, so ergeben sich als komplexeste Form "multilevel-multigoal" (mlng) Systeme. (Dabei ist bemerken, dass diese "levels" nicht denjenigen von Miller entsprechen, vielmehr hat dieser, durchaus sinnvoll, hiefür den Begriff "echelons" verwendet was etwa soviel wie Befehlsstufe bedeutet. Das heisst, dass in einem System auf einem gegebenen Niveau das zielsuchende (Mesarović) oder entscheidende (Miller) Subsystem selbst noch in eine Hierarchie von Entscheidungsstufen aufgegliedert werden kann.)

 

Wiederum eine gängige Gliederung hiefür ist etwa dem von Erwin Grochla herausgegebenen "Handwörterbuch der Organisation" (1969) zu entnehmen, wo für die "Hauptebenen der Planungsorganisation" eine sog. Management-Pyramide vorgestellt wird, die sowohl die Aufgaben wie die Planungsträger nennt:

 

Policy: Top Management

Strategy: Middle Management

Tactics: Operational 1 Management

Operation: Operational 2 Management.

 

Dass sich hierbei zahlreiche Probleme nicht nur der Kommunikation, sondern auch von Macht, Einflussnahme und Kontrolle sowie vor allem. der Einbeziehung einerseits des "kausalen Subsystems", anderseits der "Umwelt" ergeben, liegt auf der Hand (vgl. dazu u. a. Dieter S. Koreimann: "Systemanalyse", 1972). Betrachtet man das entscheidende, zielsuchende oder planende Subsystem unter dem Blickwinkel, was da eigentlich beschafft, verarbeitet und weitergeleitet wird,. kann man es als "Management-Informations-System" (MIS) fassen, wofür in kurzer Zeit eine reichhaltige Literatur entstanden ist.

 

Für ein solches betriebliches Informationssystem hat Herbert Fuchs unter der Leitung von Erwin Grochla ein Modell ausgearbeitet, das sich an die Hierarchisierung des Managements wie folgt anlehnt (1973, 155f):

 

• "Der ersten Gruppe von Subsystemen, die vorwiegend Umweltinformationen verarbeiten, obliegt die Zielbildung und -anpassung für die gesamte Unternehmung.

• Die zweite Gruppe von Subsystemen induziert, steuert und kontrolliert die Prozesse der materiellen Leistungserstellung sowie die der Informationstransformation aufgrund der Zielvorgaben der erstgenannten Subsystemgruppe.

• Die dritte Gruppe von Subsystemen ist dadurch gekennzeichnet,, dass sie nur Informationen, die das betriebliche Basissystem betreffen, erfasst, verarbeitet und an die übrigen Subsysteme oder an die Umwelt weiterleitet.

 

Zwischen diesen drei Subsystemtypen besteht ein funktionsbedingtes Über- und Unterordnungsverhältnis, das die hierarchische Struktur der Unternehmungsorganisation begründet."

.

Um Verwirrungen vorzubeugen, hätte Fuchs statt von Subsystemen besser von Untersystemen des (von ihm "Teilsystem" genannten) Informationssystems gesprochen. Sonst wird es ein bisschen schwierig zu fassen, dass er 32 solcher Subsysteme auf den drei Ebenen

  • "Zielzusammenhang" (Zielbildungsebene und obere Planungsebene),
  • "Untere Planungsebene" und
  • "Ebene der Informationsbeschaffung und -aufbereitung"

anordnet.

 

Stufen der Denkbewegung oder Sprache

 

Wie weit dieses durchaus idealisierte Bild der unternehmerischen Wirklichkeit entspricht, bliebe abzuklären. Genauso wie die Stichhaltigkeit der nachstehenden Hierarchien, die nun noch den bislang stets ausgeklammerten Bereich dessen skizzieren, was "im Kopf" oder "im Gemüt" des einzelnen Menschen vorfindbar sein mag.

 

Was das Denken betrifft, so lautet eine klassische Stufung:

 

- Begriff/ Wort

- Satzglied

- Urteil/ Satz; Aussage

- Schluss

- Schlusskette; Beweis

- Theorie/ Bericht

- Disziplin

- Wissenschaft.

 

Seit Ende der vierziger Jahre hat sich in der Soziologie für die Stufe "Theorie" eine Untergliederung anhand von Robert King Merton durchgesetzt:

 

- Beobachtung empirischer Regelmässigkeiten,

- Entwicklung von ad-hoc-Theorien,

- Theorien mittlerer Reichweite,

- Theorien höherer Komplexität.

 

Es ist zu befürchten, dass solche Versuche den tatsächlichen Vorgängen wie Wahrnehmung, Vorstellung, Kombination oder Begreifen, Vermuten, Ableiten usw. genausowenig gerecht zu werden vermögen wie etwa die reichlich esoterische Stufung der verallgemeinerten Linguistik, woraus Herbert Stachowiak ("Allgemeine Modelltheorie", 1973) eine "Theorie der semantischen Stufen" entwickelt hat:

 

- nullte Stufe (Substanz der Information): Taxeme (Ausdrucksatome, sub-semantische Elementarbausteine), z. B. Laute, Buchstaben, Signale, Reize;

 

- erste Stufe (Form der Information): Morpheme (bedeutungstragende Elementargebilde, kleinste Darstellungseinheit);
dazu als Unterstufen höheren Grades: Lexeme (kleinste syntaktologische Segmente, z. B. Wörter) und deren Kombinationen, die Syntaxeme (z. B. Satzschemata und Perioden). Vom modellistischen Standpunkt aus betrifft diese Stufe die "internen Modellbildungen" (Perzeptionsmodelle und daraus aufgebaute kogitative Modelle, also interne Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Denkgebilde), und zwar erfolgen die internen Operationen an den den Morphemen resp. Lexemen und Syntaxemen zugeordneten Bedeutungen (Sememen resp. Semantemen);

 

- zweite Stufe (explizit-sematischer Raum):
Kommunikationssysteme 1. Ordnung, z. B. die gesprochene Sprache als "externe" Zeichen-Realisation, die sich in der eigentlichen Kommunikation (aus "im eigentlichen Sinne" bedeutungstragenden Zeichen) konstituiert;

 

- dritte Stufe:
Kommunikationssysteme 2. Ordnung, z. B. die Schrift (als Modell 2. Grades bezüglich der internen Gebilde, und als Modell 1. Grades bezüglich der Zeichen des primären Kommunikationssystems);

 

- vierte Stufe:
Kommunikationssysteme 3. Ordnung, z. B. Brailleschrift.

 

Bedeutsam dabei ist, dass keine von den ersten drei Stufen "einer anderen funktionell oder entwicklungsmässig vorgelagert" ist. Alle "sind in allen Zeichenfunktionen wechselseitig aufeinander bezogen".

Auch diese Bemerkung könnte Anlass zu Verwirrung gehen, ergibt sich doch zumindest ein sehr strenger Aufbau nach dem Bauelemente-Prinzip von

-         Tax

-         Morph (plus Sem)

-         Lex (plus L-Semant)

-         Syntax (plus S-Semant)

und hat Stachowiak in zwei Schaubildern seine modellistischen Stufen ebenso streng hierarchisiert. Hier zeigt sich, wie schwierig es ist, im Bereich der "Denkbewegung" zu einer Strukturierung des "noetischen Kosmos" zu gelangen.

 

Der psychische Apparat

 

Dasselbe gilt erst recht für den seelischen Bereich. Bilden die "Teilbereiche" tatsächlich Schichten, die aufeinander "aufruhen" oder handelt es sich, wie z. B. Raymond B. Cattell für die Freudschen "Systeme" Es, Ich und Über-Ich nachzuweisen versuchte, um voneinander unabhängige "Faktoren"?

Die Sache mit dem "psychischen Apparat" ist aber so einfach nicht einmal bei Freud, hat er doch während Jahrzehnten seine "Systemtheorie" ständig umgearbeitet. Das geht von den vier "Instanzen" oder Systemen in der "Traumdeutung" (1900 ; Kap. VII; 437ff)

  • Ubw (Unbewusstes),
  • Vbw (Vorbewusstes),
  • Bw (Bewusstsein) und
  • W (Wahrnehmungssystem)

- wozu noch das "motorische Ende" kommt - über die Einführung des vom "Ich" aufgerichteten "Ich-Ideals" und seines Wächters, des "Gewissens" (1914), zur erwähnten Dreiheit von Es. Ich und Über-Ich (1923), die er zehn Jahre später nochmals modifizierte.

 

In "Das Ich und das Es" (1923) hat Freud ein an Platon erinnerndes Gleichnis, abgewandelt. Platon vergleich im "Phaidros" die Seele einem Gespann geflügelter Pferde mit einem Wagenlenker, die zusammen ein Gebilde ergeben. Der Lenker muss das Gespann auf seiner schwierigen Bahn nach oben zwingen. "Der Wagenlenker führt ein Zweigespann; von seinen Pferden ist des eine schön und. fromm und von edler Zucht, das andere garstig und böse und aus gemeiner Zucht. Und darum ist es so schwer und ein so grosser Verdruss, die Zügel zu halten."

Freud reduziert dieses Gleichnis, obwohl es seiner Auffassung recht nahe käme - z. B. das fromme Pferd als Über-Ich -, auf das Paar Ross und Reiter: Das Ich gleicht "im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die überlegene Kraft des Pferdes zügeln soll, mit dem Unterschied, dass der Reiter dies mit eigenen Kräften versucht, das Ich mit geborgten".

 

Ohne Platon noch Freud zu erwähnen, hat Erich Rothacker - ein Schüler des bereits 1913 mit einer Schichtung des emotionalen Lebens hervorgetretenen Max Scheler und Anhänger von Ludwig Klages' Charakterkunde (seit 1910) - 1938 dasselbe Bild verwendet: "Das Ich ist mit einem Reiter zu vergleichen, der auf dem 'Es' wie auf einem Pferd reitet. Er lässt, soweit er zum Reittier Vertrauen hat, dieses mit losem oder leicht gespanntem Zügel gehen, bis es gilt, aufzuwachen und aufzupassen."

 

Bekanntlich hat sich C. G. Jung, nachdem er seit 1909 Erfahrungen mit dem «Kollektiven Unbewussten" (als Begriff geprägt 1917) gemacht hatte (vgl. "Wandlungen und Symbole der Libido", 1912 - welche Schrift zum Bruch mit Freud führte) eingehend nicht nur mit Mythologie, sondern auch mit dem Gnostizismus und Neuplatonismus auseinandergesetzt, von dem er mit der Alchemie - als "einer Naturphilosophie des Mittelalters" - eine Brücke zur modernen Psychologie des Unbewussten schlagen konnte. *Die Urbilder und das Wesen des Archetypus [der Ausdruck zuerst 1919] rückten ins Zentrum meiner Forschungen, und ich erkannte, dass es ohne Geschichte keine Psychologie und erst recht keine Psychologie des Unbewussten gibt", schreibt er in seinem Lebensrückblick ("Erinnerungen, Träume, Gedanken", 1962, 209).

 

Fasst man mit Jung das "Selbst" als Totalität des Psychischen, die es in der Individuation (Selbstverwirklichung) zu entwickeln gilt, so kann man etwa anhand von Jolande Jacobis "Psychologie C. G. Jungs" (1959) folgende Hierarchie zu skizzieren versuchen:

 

- kollektives Bewusstsein (im Unterschied zu dem bei Freud unbewusst erworbenen Über-Ich - als Introjektion von Normen und väterlicher Autorität -- der bewusst erworbene Sittenkodex);

- individuelles Bewusstsein (mit den vier Grundfunktionen Denken und Intuieren, Fühlen und Empfinden); darin als dessen Subjekt, Zentrum oder Spitze das Ich, maskiert durch die Persona (vergleichbar der sozialen Rolle);

- das persönliche Unbewusste mit dem (stets abrufbereiten) Vergessenen, Verdrängten und unterschwellig Wahrgenommenen (etwa vergleichbar den Schichten: Vorbewusstsein und Unterbewusstsein)

- das kollektive Unbewusste als "objektive" und ubiquitäre Gegebenheit mit den Emotionen, Invasionen und Instinkten sowie. einem "nie bewusst zu machenden Teil". (Dadurch ist das Bewusstsein "rückwärts verbunden mit physiologischen Bedingungen einerseits und archetypischen Voraussetzungen anderseits.. Es ist aber auch nach vorwärts antizipiert durch Intuitionen".)
Auch Freud hat übrigens eine "phylogenetische" (1918) und "archaische Erbschaft" (1937), wenn auch nur als "Erinnerungsspuren an das Erleben früherer Generationen" anerkannt.
In den vierziger Jahren hat dann der von Bergen-Belsen in die Schweiz geflüchtete Leopold Szondi das "familiäre Unbewusste" als weitere Stufe eingeführt, die über die Wirksamkeit der latent rezessiven Gene u. a. Berufs- und Partnerwahl als "Triebschicksal" bestimmt.)

 

Mit grosser Akribie hat Ludwig J. Pongratz in seiner "Problemgeschichte der Psychologie" (1967) das gesamte Inventar dieser Wissenschaft aufgearbeitet und als zusammenfassende Übersicht ein "Logogramm" gezeichnet, das die zwei Polaritätenpaare Erleben und Verhalten sowie Bewusstsein als Präsenz und Unbewusstsein als Latenz zum psychischen Leben der Person vereint.

 

Organizismus in der Psychologie

 

Ausgeklammert werden von Pongratz einzig neuropsychologische Fragestellungen, die seit den Forschungen von John Hughlings Jackson in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmende Bedeutung erlangt haben.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass das Nervensystem eine hierarchische Integration von Entwicklungsstufen darstellt, ist es naheliegend, wenn auch ungemein schwierig, zu untersuchen, wie diese Hierarchie - etwa von Reflexzentren des Rückenmarks über die verschiedenen Zentren des Urhirns bis zum Grosshirn und dessen "höchsten" Zentren des Cortex wie Brocas motorische Sprachregion und die Assoziationsfelder - mit den persönlichkeitsorientierten oder tiefenpsychologischen Instanzen, Systemen und Stufen zusammenhängt (vgl. etwa Ribot, Edinger, Kraus, Kretschmer, Kleist, Birnbaum, Cannon, Bard, von Monakow, Hess, de Crinis usw.)

 

Wenn freilich die Endokrinologie (seit Claude Bernard) mit ihrer hormonellen Regulation oder gar den Psychopharmaka dazu kommt, wird die Angelegenheit rasch noch komplizierter. Als einer der ersten hat Franz Alexander (1949) tiefenpsychologische Phänomene und psychosomatische Zusammenhänge auf neuroendokrinologischer Grundlage behandelt. Wie sehr schliesslich die Umwelt - Geographie, Klima und Ernährung (Protein), soziale und ökonomische Gruppe, Kultur - dank der ungemein grossen Plastizität und Ausbaufähigkeit der nervösen Strukturen zumal während der ersten Lebensjahre von Einfluss ist, hat sich seit Taine, Breuer, Freud und Watson auf verschiedene Weisen und in ganz unterschiedlichen Hinsichten (Perspektiven!) bestätigt.

 

Organizismus also auch in der Psychologie? In verschiedener Weise sogar. Der Seelenmythologie steht, wenn man nicht aufpasst, die Gefahr einer Hirnmythologie entgegen. Einige Sätze mögen das zeigen:

- "Wir wissen heute, dass überhaupt kein psychischer Vorgang ohne die Bedingungen körperlicher Grundlagen existiert" (Karl Jaspers, "Allgemeine Psychopathologie", 1946),

- "Jedes subjektive Erlebnis entspricht einer physikalisch beschreibbaren Situation des Organismus, vor allem des Nervensystems, z. T. auch der humoral usw. wirkenden Organe" (Karl Steinbuch, "Automat und Mensch", 1961)

- "Da wir heute mit voller Sicherheit wissen, dass die Grundlagen jeden bewussten Erlebens in Erregungsprozessen des Gehirns bestehen, ist es überflüssig, zwischen das bewusste Erleben und seine organischen Grundlagen noch ein unbewusstes Seelenleben als Zwischenstadium einzuschalten". (Hubert Rohracher in seiner "Selbstdarstellung" 1972, 267);

- "Bewusstsein ist ein Epiphänomen des tatsächlichen Gesamtverhaltens eines Individuums" (Walter Toman, 1973, 49).

 

Bei solchen Sätzen wird der Philosoph sofort auf der Unterscheidung von "notwendigen" und "hinreichenden" Bedingungen bestehen und sie ins Stammbuch der Nachfolger von La Mettrie und Priestley, Cabanis und Gall, Comte, Moleschott und Vogt, Sechenow und Pawlow, James und Watson schreiben. Der Biologe wird mahnen: Die Persönlichkeit ist mehr als die Summe ihrer Organfunktionen.

 

Was ergibt sich daraus? Weder in der einen noch in der andern Richtung lässt sich eine strenge Zuordnung treffen. Es gilt, sich sowohl an die Warnung von Florin Laubenthal über das Verhältnis von "Gehirn und Seele" zu halten - "Symptome zu lokalisieren ist etwas ganz anderes als die örtliche Festlegung von Funktionen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen" - als auch an das mutige Bekenntnis von H. Rohracher (1972, 284), dass es ihm trotz Jahrzehnten gehirnelektrischen Experimentierens nicht gelungen sei, seine Überzeugung zu bestätigen, "dass jedem Erlebnisinhalt ein spezifisches 'Muster' von Gehirnpotentialen entspricht".

 

Dieselbe Vorsicht ist auch am Platz, wenn man die psychologischen und neurologischen Schichttheorien mit dem Systemdenken in Beziehung zu setzen versucht. Wenn auch Leibnizens Stufen der Perzeptionen als Vorläufer der tiefenpsychologischen Stufungen betrachtet werden können und seit Locke und Hume Beschreibungen nicht fehlen, wie aus Einzeleindrücken (sensations; impressions) Assoziationen oder Komplexionen aufgebaut werden, so hat doch diese "Chemie des Geistes" (J. St. Mill) keine expliziten Schichttheorien entwickelt.

Und diese haben nun gerade ihr Kennzeichen darin, dass sie nicht davon ausgehen, Elemente würden auf höherer Stufe zu Systemen zusammengefasst. Es handelt sich viel schlichter um "Bereiche" von "Aufbaukräften der Seele" (William McDougall,1947), die nicht zwingend eine "vertikale Ordnung der seelischen Dispositionen" (K. Strunz, 1942) ergeben müssen. Ja, es kann sich durchaus eine horizontale Differenzierung ergeben, nämlich vom Kern zur Peripherie, von innen schalenförmig nach aussen oder umgekehrt (F. Krueger, 1918; A. Pfänder, 1924; H. Prinzhorn, 1927; K. Lewin, 1936; V. E. Frankl, 1949; usw.).

 

Genetische Gesichtspunkte

 

Dafür haben Neurologie und Psychologie den genetischen Gesichtspunkt - vgl. System als Sediment - wieder aktualisiert: Aus einer Abfolge von Entwicklungsstufen können "Schichten" werden. Die Genesis hat hier mit dem Sechstagewerk vorgearbeitet; Augustin folgte ihr mit den sechs, den verschiedenen Lebensaltern des Menschen vergleichbaren Stufen (Perioden); Comte übernahm von Saint-Simon das "Dreistadiengesetz" (theologisch/ fiktiv; metaphysisch/ abstrakt; wissenschaftlich/ positiv), und Jean Gebser ("Ursprung und Gegenwart", 1949/53) sah eine aufsteigende Linie von archaisch über magisch, mythisch und mental zu integral.

 

Als eine solche Integration können wir zusammenfassen: Archetypen und Gleichnisse, Träume und. Neurosen, Pläne und Identifikationen, Interessen und Normen dürften schwerlich auf physiologische oder gar chemische Termini zu reduzieren sein (wie das Rohracher unter Bezug auf einen Wunsch Freuds anstrebte), genauso wie für soziale Organisationen und erst recht Mensch-Maschine-Systeme die Sprache der Biologie, für Lebensvorgänge die Sprache der Physik kaum die richtige ist - vgl. die Klarstellung von Carl Friedrich von Weizsäcker:

"Das physikalische Weltbild hat nicht unrecht mit dem, was es behauptet, sondern mit dem, was es verschweigt" (im Aufsatz "Die Physik der Gegenwart und das physikalische Weltbild", 1943; in "Zum Weltbild der Physik", 1943, 4. Aufl. 1949, 25).

 

Stanley Hall hat ums Jahr 1880 das biogenetische Grundgesetz (Müller, Haeckel) - wonach die Ontogenese die Phylogenese wiederholt - als psychogenetisches Prinzip in die Entwicklungspsychologie übernommen; Paul von Lilienfeld machte es auch für die Soziologie geltend. Heinz Werner verfeinerte 1926 Halls Gesetz in ein "orthogenetisches", und Oswald Kroh verband es 1935 explizit mit dem Schichtgedanken.

 

Weitere Analogien

 

Auf der andern Seite muss aber vermerkt werden, dass Jackson das Aufbauschema der zentral-nervösen Funktionen nach dem Vorbild staatlicher Organisationen entworfen hat. Sowohl Walter Rudolf Hess ("selbständige Ministerien") wie Konrad Lorenz ("Parlament der Instinkte") und Erich Rothacker ("Verwaltungsapparat") haben daran angeknüpft, und 1973 schreibt Walter Toman (49): "Der nervöse Prozess, der dem Entscheidungserlebnis entsprechen würde, wäre etwa einem Parlament vergleichbar ... Die laufende Debatte der Parlamentarier wäre sozusagen das Bewusstsein des Individuums."

 

Analogisierungen also hin und zurück. Sie scheinen fast unumgänglich zu sein und machen deshalb neben der Stufenbetrachtung den zweiten - ebenfalls ausserordentlich diffizilen Hauptpunkt des Systemdenkens aus. Es wäre eine interessante Aufgabe, der psychologischen Fundierung dieses Vergleichsbedürfnisses nachzuspüren. Darauf kann hier nicht eingegangen werden, genausowenig wie auf das sich offenbar im Laufe der Zeit stets einstellende Bedürfnis nach Hierarchisierung in der einen oder andern Form.

 

Bedeutsam für den vorliegenden Zusammenhang mag nebst der Fülle der Stufungs- und Schichtungsversuche von Psychologie und Neurologie sein, dass es immerhin gerade die Persönlichkeit als "unitas multiplex" ist, die in den Mensch-Maschine-Systemen Werkzeuge benützt, Maschinen bedient, mit Apparaten hantiert und Computer programmiert, dass der ganze Mensch sowohl im Arbeitsprozess integriert ist und auch in den "höheren" Entscheidungs-, Planungs- und Informationssystemen von Betrieben seine ganze körperliche, seelische und geistige Erbschaft und Entwicklung nie verleugnen kann.

 

Analogiedenken

 

Was hat es nun mit den Analogien auf sich? Sie gehören unzweifelhaft zu den ältesten Bestimmungsfaktoren menschlichen Denkens und Fühlens, sei es im Bereich von Magie und Animismus, Mythologie oder Metaphysik, Wissenschaft und Kunst (vgl. etwa Ernst Topitsch: "Vom Ursprung und Ende der Metaphysik", 1958).

Bei den alten Griechen führt die Linie etwa über die Homerischen Gleichnisse (Wie - So) über Thales (die Erde ruht auf dem Urwasser wie ein Schiff auf dem Meer) bis zu den zahlreichen bekannten Analogien in den Werken Platons.

 

Schicht- und Analogiedenken gehören also eng zusammen.

 

Was die analogen Tatbestände betrifft, so hat schon Bertalanffy darauf hingewiesen, dass man aufpassen muss, nicht in Trivialitäten abzugleiten, etwa durch die Feststellung, dann 2 + 2 = 4 auf allen Ebenen der Betrachtung gilt.

Gerade deshalb muss man sich aber bei einigen System-Prinzipien fragen, ob sie überhaupt auf Systeme anzuwenden sind. So etwa bei dem von Bertalanffy häufig vorgetragenen Beispiel des exponentiellen Wachstums von Zellen, Bakterien, Menschen, Büchern, Produkten usw.

Wenn Bertalanffy so sehr Gewicht darauf legt, dass es sich bei Systemen um Ganzheiten handeln soll, deren Elemente in "Wechselwirkung " (resp. "Interaktion") stehen, dann ist es möglicherweise nicht zwingend, bei der Vermehrung von Bakterienpopulationen von System-Prinzipien zu sprechen. Interessanter könnte jedenfalls sein, das. Verhältnis den Populationswachstums zur Umwelt der Population, das Aussterben von Populationen oder die Konkurrenz von Populationen zu untersuchen.

 

Gibt es allgemeine Systemgesetze?

 

Wohl angeregt durch eine frühe Schrift von Nicolai Hartmann («Philosophische Grundfragen der Biologie", 1912) und Wolfgang Köhlers Theorie der "physischen Gestalten" (1920, 1924) hat Ludwig von Bertalanffy bereits in seinem ersten Buch (1928) gefordert, es müssten "die Gesetze lebender Systeme auf allen Niveaus der Organisation untersucht werden. Wir nennen diese Auffassung, betrachtet als Forschungsmaxime, organismische Biologie und, als ein Versuch zur Erklärung, die Systemtheorie des Organismus."

Bei seinen Versuchen einer Vereinheitlichung der biologischen Theoriebildung auf dem Boden der organismischen Anschauung blieb er aber nicht stehen, vielmehr drängte es ihn, eine "allgemeine Systemlehre als übergreifende Wissenschaft", eine "Theorie von Systemen überhaupt" zu entwickeln. Allerdings war das intellektuelle Klima der dreissiger Jahre für solche Ideen keineswegs günstig. So konnte er vorerst nur Vorträge darüber halten und erst gegen Ende der vierziger Jahre vereinzelte Aufsätze publizieren.

 

Es ergab sich dann, dass in der selben Zeit auch andere Forscher zu ähnlichen Überlegungen gelangt waren: Sie besagen etwa, dass zwar Gebilde und Vorgänge auf allen Betrachtungsebenen in ihren Eigenheiten durch das Herauspräparieren einiger weniger Variablen resp. von linearen Kausalketten untersucht werden können und müssen, dass man aber wichtige Interpretationshilfen gewinnt, wenn man sie als "Systeme" fasst. Solange indes "System" bloss als irgendwie geordnete Mehrzahl von Teilen steht, ist damit noch nicht viel gewonnen.

Was man jedoch nun langsam entdeckt hat, ist folgendes: Ungeachtet dessen, was das System als Ganzheit darstellt, ungeachtet aber auch der Art und Beschaffenheit seiner Teile sowie der Beziehungen zwischen ihnen und dem System, gelten für Systeme auf allen Betrachtungsebenen ganz ähnliche Tatbestände. Bertalanffy spricht von "Isomorphien in gewissen allgemeinen Prinzipien".

 

Was das bedeutet, wird in einem Zitat aus dem Jahre 1947 klar: "Es gibt Modelle, Prinzipien und Gesetze, die für allgemeine Systeme oder Unterklassen von solchen gelten, unabhängig von der besonderen Art der Systeme, der Natur ihrer Komponenten und der Beziehungen oder Kräfte zwischen diesen ... Die Allgemeine Systemtheorie ist ein logisch-mathematisches Gebiet, dessen Aufgabe die Formulierung und Ableitung jener allgemeinen Prinzipien ist, die für 'Systeme' schlechthin gelten. Auf diesem Wege sind exakte Formulierungen von Systemeigenschaften möglich, wie zum Beispiel Ganzheit und Summe, Differenzierung, progressive Mechanisierung, Zentralisierung, hierarchische Ordnung, Finalität und Äquifinalität und so fort; das heisst Charakteristiken, die in allen Wissenschaften vorkommen, die sich mit Systemen beschäftigen und so deren logische Homologie bedingen."

 

Obgleich Bertalanffy und viele andere grosses Gewicht auf die mathematische Formulierung von Systemeigenschaften, vorab in Differentialgleichungen gelegt haben, ist dies nicht das Entscheidende. Viel wichtiger ist die Bestimmung der Tatbestände, die auf den verschiedenen Ebenen festzustellen sind. Zu den bekanntesten gehören dabei neben den von Bertalanffy genannten:

 

- der Austausch von Materie, Energie und Information eines Systems mit seiner Umgebung, in anderer Formulierung Input-Verarbeitung (resp. Übertragung und Speicherung) - Output;

- das Vorhandensein von Wechselwirkungen (auch Konflikten) zwischen Elementen;

- das Ablaufen von Prozessen in Kreisläufen, Schwingungen oder Etappen;

- das Auftreten von Steuerungs- und Regulationsmechanismen auf der Basis von Rückkopplungsschleifen;

- die Erscheinung von Gleichgewicht, Stabilität, Selbsterhaltung, Anpassung oder irgend einer Art von Zielerreichung (resp. deren Gegenteile);

- die Möglichkeit von Wachstum und Selbstorganisation, von Lernen und Entwicklung sowie der Selbstreproduktion;

- das Ausüben derselben Funktion oder die Äusserung desselben Verhaltens trotz unterschiedlicher Struktur oder Beschaffenheit.

 

Die Sache hat nur einen Haken. Diese Tatbestände gelten zwar für sehr viele Systeme auf den unterschiedlichsten Ebenen, nicht aber für "Systeme schlechthin".

 




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