HomeMorphologisches Denken, Vorgehen und Handeln

 

Eine Art Kurzlehrgang

 

(ausgearbeitet im Januar 1984, mehrfach variiert und verwendet bis 1987)

 

siehe auch:

http://www.zwicky-stiftung.ch/index.php?p=35|38|38&url=/Stichworte.htm

 

 

Inhalt

I. Fritz Zwicky

Fritz Zwicky: Biographisches

Fritz Zwicky: Charakter

II. Morphologie

Zum Begriff "Morphologie"

Was ist Morphologie?

Systematisches Vorgehen nach Tabellen

1. Beschreiben und Erkennen

2. Entdecken und Erfinden

3. Planen und Organisieren

III. Die morphologische Methode

a) HALT

b) ALLE

c) NEIN

d) AHA

 

 

 

I. Fritz Zwicky

 

Der Titel dieser Einführung besagt, dass es um den ganzen Menschen geht.

Morphologie ist nicht nur eine Problemlösungsmethode, sondern auch eine Weltansicht, eine konstruktive Lebenshaltung, eine positive Einstellung. Ziel der Morphologie ist

 

  • die Entfaltung der Eigenart und Talente des Menschen,
  • die Zusammenarbeit aller Menschen guten Willens
  • und die Mitarbeit eines jeden am Aufbau einer lebenswerten Welt.

 

Fritz Zwicky war ein Mensch, der die Morphologie verkörperte. Er hat sich selber als Morphologen bezeichnet.

 

Fritz Zwicky: Biographisches

 

Er stammt aus einer alten und bedeutenden Glarner Familie. Die Familie hat heute über 2000 Zweige.

Fritz Zwicky ist mit den heutigen bekannten Trägern des Namens nur weitläufig verwandt. Sein Vater war Kaufmann, Unternehmer und Vertreter von schweizerischen Industrien, z. B. der Glarner Textilindustrie und von Landis & Gyr, in Varna, am Schwarzen Meer.

Dort wurde F. Z. 1898 geboren. Primar- und Sekundarschulen besuchte er in Glarus, hernach die Industrieschule in Zürich. Anschliessend studierte er an der ETH Mathematik und Physik. Mit 24 Jahren machte er den Doktor.

Nach einer längeren Assistentenzeit an der ETH wurde er 1925 von der Rockefeller Foundation nach Kalifornien eingeladen. Hier wirkte er fast 50 Jahre am California Institute of Technology, in Pasadena. Schon bald wandte er sich der Astrophysik zu und wurde Astronom an den Sternwarten von Mt. Wilson und Palomar. Nach seiner Emeritierung trug er sich mit dem Gedanken, in die Schweiz zurückzukehren. Einige seiner Freunde wollten ihm die Rückkehr in die Schweiz ebnen und gründeten Anfang 1973 in Glarus die Fritz-Zwicky-Stiftung.

Eine Zusammenarbeit mit jungen Schweizer Forschern war vorgesehen. Doch schon Anfang 1974, kurz vor seinem 76. Geburtstag starb F. Z. Er hinterliess Frau (eine Bernerin) und drei erwachsene Töchter; zwei davon leben in der Schweiz.

 

Fritz Zwicky: Charakter

 

F. Z. war ein universaler Mensch, eine faszinierende Persönlichkeit. Gross und kräftig von Gestalt, konnte er das Erbe eines Bergkantons nicht verleugnen. Er hatte die Hartnäckigkeit, Schroffheit und Skepsis eines Berglers, aber auch dessen Drang nach Freiheit und Achtung des Menschlichen. Er war ein guter und begeisterter Bergsteiger und Skifahrer.

 

In Kalifornien nahm er die Grundzüge des amerikanischen Wesens auf, nämlich:

  • Empirismus, d.h. den Kampf gegen Vorurteile, Dogmen, Spekulationen
  • Individualismus, d. h. die Überzeugung, dass jeder eine Chance hat, wenn er sich anstrengt, und
  • Pragmatismus, d. h. das Handeln mit sozialem Engagement.

 

F .Z. ging von einem doppelten Ansatz aus: Damit ein sinnvolles Handeln möglich wird, braucht es eine gute Theorie. Und umgekehrt: Alle Theorie nützt nichts, wenn daraus nicht eine energische Praxis folgt.

 

Daher hat F. Z. z. B. als Astronom nicht nur mittels theoretischer Überlegungen neue Objekte im Weltraum postuliert, sondern auch danach gesucht - und sie gefunden.

 

Er hat sich nicht nur als Weltbürger gefühlt, sondern auch im amerikanisch-russischen Kulturkomitee mitgearbeitet und im Zweiten Weltkrieg ein Bücherhilfe-Programm lanciert, das für kriegsgeschädigte Bibliotheken in allen Erdteilen wissenschaftliche Zeitschriften und Bücher sammelte. Er hat die Ärmel hochgekrempelt und mit einigen Freunden und seiner Frau dieses Material eigenhändig zusammengestellt, in Kisten verpackt und verschifft - insgesamt 100 Tonnen. Dafür hat er ein systematisches Verfahren entwickelt, dass dann zu einer morphologischen Methode wurde.

 

Am Anfang des Zweiten Weltkriegs startete er im Alleingang einen morphologischen Feldzug für den Frieden. Nach dem Krieg setzte er sich für internationale Kontakte ein, z. B. durch Austausch von Wissenschaftern und Studenten, durch Sprachenlernen, internationale Forschungsprogramme und Verträge.

 

Seine humanitären Einsätze stellte er im Zweiten Weltkrieg auch durch den Einsatz im Zivilschutz von Pasadena und nachher als Verwaltungsrat der Pestalozzi Foundation of America unter Beweis.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurde er auch zum Forschungsdirektor einer Raketenfabrik gewählt. Hier entwickelte er den morphologischen Kasten aller möglichen Antriebsmaschinen und -Motoren. Lange Jahre versuchte er dann, auch die Schweizer Armee von seinen morphologischen Ideen zu überzeugen.

 

Aber auch hier, wie in der Physik und Astronomie zeigte sich, dass er mit seinen Ideen und Überzeugungen 20 Jahre zu früh war. Ob in der Wissenschaft, ob in der Politik - bei F. Z. bewahrheitete sich das Sprichwort vom Propheten, der in seinem Vaterland oder in seiner Wissenschaft nichts gilt.

 

Dabei hat sich bei F. Z. aus Heimatverbundenheit und Weltbürgertum, aus urchigem Glarnertum und amerikanischem Zupacken eine explosive Mischung ergeben. Manche bezeichneten ihn als vulkanische Existenz: Er war eine kreative Persönlichkeit par excellence.

Da dies auf scharfsinnigen Analysen ebenso wie systematischem Vorgehen beruhte, nahm er nie ein Blatt vor den Mund. Er trug sein gutes Herz auf der Zunge. Und weil er nicht nur allgemein Schimpfen wollte, nannte er die Bösewichte und Hinterwäldler beim Namen. Er scheute sich nicht, amerikanische Präsidenten als Versager oder einen Bundesrat als Idioten zu bezeichnen. Er griff verkalkte Wissenschafter ebenso an wie ängstliche Redaktoren von Fachzeitschriften, Direktoren ebenso wie Militärs.

 

Das machte ihn ausserordentlich unbeliebt. Und immer mehr fühlte er sich als "lone wolf". Da aber alle seine Bemühungen völlig uneigennützig waren und er bis ins Mark aufrichtig und ehrlich war, hatte er doch zeitlebens auch treue Freunde, darunter Albert Einstein.

 

F. Z. war sicher der bedeutendste Schweizer Forscher des 20. Jahrhunderts und ein unerschrockener Humanist, der es ernst meinte mit "Freiheit und Menschenwürde".

 

II. Morphologie

 

Zum Begriff "Morphologie"

 

Zuerst zum Begriff Morphologie. Das tönt griechisch. Aber die Alten Griechen kannten ihn noch nicht. Man muss also dreierlei unterscheiden:

 

- einige wenige Wörter, welche die Alten Griechen schon benutzten, z. B. Theologie (Lehre von den Göttern), Meteorologie (Lehre von dem was oberhalb der Erde passiert), Astrologie (Lehre von den Sternen).

 

- Wörter, die erst 2000 Jahre später künstlich gebildet wurden, die aber bezeichnen, was schon die Griechen und die mittelalterlichen Gelehrten betrieben, z. B. Psychologie (1590), Anthropologie (1594), Technologie (1611), Methodologie (1643).

 

- Wörter, die neu gebildet wurden und auch etwas Neues bezeichnen, z. B. Morphologie. Das Wort wurde von Goethe (1796) und einem Arzt namens Burdach (1800) unabhängig voneinander erstmals gebraucht. Es ist ein Kunstwort, das sich zusammensetzt aus morphé (Gestalt) und logos (Lehre). Im Unterschied zum gleichzeitig gebildeten "Biologie", das etwas Altbekanntes bezeichnet, bedeutet Morphologie einen neuen Ansatz und neue Methode.

 

Was ist Morphologie?

 

Morphologie als neue Wissenschaft befasst sich also mit den Gestalten, unorganischen, organischen und menschlichen. Nun ist Gestalt aber nie etwas Fertiges, Abgeschlossenes, Isoliertes. "Die Gestalt ist ein Bewegliches, ein Werdendes, ein Vergehendes" (Goethe). Daher ist Gestaltenlehre "Verwandlungslehre".

 

Gestalten sind stets in Bildung und Umbildung begriffen. Wenn wir diese Bildungen der Natur und des Menschen verstehen wollen, müssen wir uns daher selber auch "beweglich und bildsam" verhalten.

 

Daher umfasst Morphologie dreierlei:

  • eine neue Betrachtungsweise, wir können sie "dynamische Strukturbetrachtung" nennen,
  • eine neue Methode, nämlich schon bei Goethe ein "systematisches Vorgehen nach Tabellen", und drittens
  • eine Lebenshaltung, welche die beiden vorangehenden Aspekte in eine Selbstbildung zusammenfasst.

 

Morphologie ist also dynamisch im mehrfachen Sinne, als Anschauung, Vorgehen und Haltung. Oder:

Morphologie heisst: durch systematisches Vorgehen die Kreativität stimulieren.

 

Mit dieser Einstellung kann man drei wichtige Tätigkeitsbereiche des Unternehmers unterstützen:

1. Beschreiben und Erkennen

2. Entdecken und Erfinden

3. Planen und Organisieren

 

Systematisches Vorgehen nach Tabellen

 

Das Werkzeug des Empirikers und des Praktikers für ein geordnetes Vorgehen sind Tabellen.

Das Vorgehen erfolgt über verschiedene Stationen in einer Kreisbewegung. Während der Bewegung verwenden wir ein Zoom-Objektiv.

 

Dabei lassen wir uns von fünf Überlegungen leiten:

 

1. Wir müssen immer eine möglichst vollständige Übersicht über das Ganze, das wir im Auge haben, behalten. Morphologie ist eine Gesamtschau.

2. Der Gebrauch von Tabellen in fortschreitender Folge dient dazu, ein Problem unter Hunderten zu lösen. Wir wissen alle, dass man nicht mehrere Probleme gleichzeitig lösen kann. Morphologie ist konzentriertes Problemlösen.

3. Wir können aber nicht stets das Ganze betrachten, sondern müssen auch in die Details gehen, einzelne Bereiche unter die Lupe nehmen. Morphologie ist eine genaue Wissenschaft.

4. Die Verwendung von Tabellen ergibt einen Zyklus, d. h. sie führt am Schluss wieder an den Anfang zurück. Das ist wichtig und keineswegs selbstverständlich. Es geht darum, einen Aspekt beharrlich und zielstrebig zu Ende zu denken. Morphologie ist das hartnäckige Durchziehen einer Sache oder eines Gedankens.

5. Dann beginnt der ganze Vorgang mit einem andern Problem wieder von vorne. Morphologie ist ein unaufhörlicher Prozess.

 

Ergebnis ist eine spiralförmige Bewegung. Morphologie geht ja von der unaufhörlichen "Bildung" der Gestalten und auch der eigenen Person aus.

 

1. Beschreiben und Erkennen

 

Nun springen wir mitten ins Wirtschaftsleben. Und wir fangen an mit der Beschreibung eines Unternehmens. Beschreiben heisst: sich eine Sache vor-nehmen, als Ganzes vor die Augen stellen und nach verschiedenen Merkmalen analysieren.

Beschreiben ist ein mehrfach gegliederter Vorgang aus Gegenbewegungen von Analysieren und Synthetisieren, von Typisieren und Präzisieren.

 

(Philosophie-Lexikon: Beschreibung = geordnete Aufzeichnung der charakteristischen Merkmale eines Gegenstandes, der dabei in seine einzelnen Bestandteile zerlegt wird. Das muss möglichst vollständig und auf die einfachste Weise erfolgen.)

 

Zwei wichtige Merkmale eines Unternehmens sind:

  • die Mittel, d. h. was herein kommt und hinaus geht; man spricht auch von Produktionsmitteln oder -faktoren;
  • die Verrichtungen, welche an diesen Mitteln vorgenommen werden; man bezeichnet sie meist als Aufgaben oder Funktionen.

 

Weitere Merkmale sind:

  • Gestaltungs- und Lenkungsmittel (z. B. Strategien, Management)
  • Ausführungsmittel (z. B. Können und Arbeit, Instrumente und Verfahren), auch Potential genannt
  • Ziele, Zwecke, Absichten
  • Rahmenbedingungen wie Gesetze, Märkte, Konjunktur, usw.

 

Als Darstellung dient für zwei Merkmale eine Tabelle. Treten weitere Merkmale hinzu, ergibt sich ein Würfel.

 

Eine geschlossene Tabelle ist ein strenges Gerüst. Man muss jedes Feld ausfüllen. Das zwingt zum Suchen. Dabei kommt es aber auch zu Erkenntnissen: "Aha, so sieht das also aus."

Erkennen heisst also, sich nach einer Beschreibung vom Ganzen ein Bild machen.

 

(Philosophie-Lexikon: Erkennen = den Stoff der Anschauung bearbeiten (Kant); Erlebnisse in fortschreitender Weise aktiv verarbeiten, so dass Erkenntnis als systematisch geordnetes Wissen entsteht. Ziel: die wesentlichen Eigenschaften und Zusammenhänge sehen. Leitlinie ist der Wille zur Objektivität.

Erkenntnis drückt sich in begründeten Urteilen aus. Erkannt ist etwas, wenn wir beurteilen können, was und wie ein Gegenstand ist, unabhängig von unserer persönlichen Meinung und Lage.)

 

2. Entdecken und Erfinden

 

Erkennen ist also ein Vorgang, der zu einem Bild der Sache führt. Wenn wir das Bild nun genauer betrachten, z. B. wenn wir nun unser eigenes Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen, können wir Entdeckungen machen.

 

Entdecken heisst, nach planmässigem Suchen eine bereits existierende Sache, die bisher verborgen oder uns unbekannt war, erkennen oder auffinden.

Dazu dient zuerst wieder die Beschreibungstabelle: Wenn wir sie in Bezug auf unser Unternehmen systematisch durchgehen, entdecken wir Sachen, an die wir noch gar nie gedacht haben. Wir können auch Schwachstellen entdecken: "Halt, da klemmt etwas."

 

Und nun heisst es, ins Detail gehen.

Nehmen wir an, das Unternehmen habe Schwierigkeiten mit dem Absatz seiner Produkte. Wir betrachten also einmal das Feld "Werbung, PR".

 

Wir können davon erneut eine Tabelle anfertigen: die Entdeckungstabelle. Im Unterschied zur vorherigen bei der es auf Ganzheit und Vollständigkeit ankam, ist es eine offene Tabelle, die wir auf Grund unserer Erfahrung laufend ausbauen können. Dabei lässt sich dreierlei sehen:

- an wie viel man nur schon in diesem Bereich (Feld) denken muss

- wie viele Möglichkeiten es überhaupt gibt

- an was man überhaupt noch nicht gedacht hat.

 

Erfinden heisst, durch eigenes Nachsinnen Dinge oder Vorstellungen hervorbringen, die bisher nicht oder nicht auf diese Weise existierten.

 

Damit wir zu Erfindungen, also etwa einer Werbeidee kommen, müssen wir zwei Merkmale oder Kategorien herausgreifen und in einer geschlossenen Tabelle einander gegenüberstellen. Das gibt die Erfindungstabelle.

 

Wenn wir diese systematisch aufbauen und durchgehen, können wir zu Erfindungen gelangen, z. B. bei zunächst merkwürdigen Kombinationen wie etwa Text und TV-Spot.

 

3. Planen und Organisieren

 

Ist man so auf eine "Erfindung" (Idee, Produkt, Verfahren) gekommen, die man realisieren möchte, muss man ans Planen gehen.

 

Planen heisst: einen kleinen Ausschnitt der Zukunft entwerfen, und zwar indem Massnahmen, Mittel und Wege zur Erreichung eines Zieles ausgearbeitet werden.

 

(Georg Picht: Planung = der ausgearbeitete Entwurf der rationalen Direktiven des Handelns, das eine Utopie verwirklichen will.)

 

Zur Realisierung einer Werbe- oder PR-Idee erstellen wir daher eine Planungs-Tabelle. Man kann sie auch als Massnahmen-Katalog bezeichnen.

Wiederum ein Ausschnitt davon betrifft die Organisation.

Organisieren heisst, Abläufe und die sie tragenden Strukturen zur Erreichung eines Zieles gestalten, sie ausrichten. Dafür kann eine Organisations-Tabelle erstellt werden.

 

(Erwin Grochla: Organisieren = Gestaltungshandeln)

 

Diese Tabelle führt nun wieder zum Ausgangspunkt zurück, zur Beschreibung des Unternehmens als Ganzes. Und es zeigt sich, dass die Realisierung einer Werbe-Idee nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem vielfältigen Geschehen eines Unternehmens ist.

 

Bei der Realisierung geht es nun darum, Plan und Organisation in das ganze Unternehmen sinnvoll einzubauen.

 

Fassen wir zusammen:

 

Morphologisches Vorgehen heisst, mit Tabellen zum Ziel kommen.

Aus der Beschreibung des Ganzen ergibt sich das Erkennen, wie es aussieht. In diesem Bild zeigen sich Schwachstellen.

Diesem rückt man mit einer Entdeckungstabelle zu Leibe. Sie zeigt, woran man noch gar nicht gedacht hat.

Zum Erfinden von Verbesserungen und Neuerungen und damit auch zur Erkennung von Chancen benützt man die Erfindungstabelle.

 

Ist eine Idee, ein neues Produkt oder Verfahren "erfunden", so muss man seine Realisierung planen (das ergibt den Massnahmenkatalog und die Richtlinien) und organisieren (was die Disposition und Anweisungen ergibt).

 

Das so erhaltene Ergebnis ist in das Unternehmensganze einzubauen (Integration).

 

III. Die morphologische Methode

 

a) HALT

 

Die "Halteaktion" war von F. Z. ursprünglich politisch gemeint. Ihre Absicht war, die Diktatoren an der weiteren Zerstörung der Welt zu hindern. In einem ähnlichen Sinn kann das auch für Unternehmer gelten. Das Überleben und Gedeihen der Firma darf nicht gefährdet werden.

 

"Halt" heisst, einen Strich ziehen und einhalten. Warum? Damit man nicht betriebsblind wird.

Die tägliche Arbeit hat zur Folge, dass man unmerklich in Routine erstarrt. Scheuklappen sind entstanden, ohne dass man sich dessen bewusst wurde. Was heisst das? Wenn eine Schwierigkeit auftaucht, schiebt man einfach ein vorhandenes Programm ein, ohne dass man sich darüber Rechenschaft ablegt, ob es bei früheren Verwendungen auch geholfen hat.

 

Der Halteort ist ein Ort der Besinnung. Von ihm aus erschliessen sich alle drei Zeitdimensionen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

 

Und da Morphologie immer auch Fragen heisst, lassen sich am Besinnungsort drei Gruppen von Fragen stellen:

 

1. Vergangenheit

Was haben wir bisher eigentlich gemacht?

Was hat sich bewährt, was nicht?

Wo hatten wir Erfolg, wo nicht?

 

2. Gegenwart

Wo stehen wir heute?

Wie ist die Lage um uns?

 

3. Zukunft

Wohin steuert unser Unternehmen?

Was haben wir eigentlich vor?

Sollen wir so weitermachen wie bisher?

 

Die Besinnung genügt aber nicht, sie muss präzisiert werden. Das geschieht in einer Bestandesaufnahme und Erfolgsanalyse. Dafür können wir die Beschreibungstabelle verwenden.

Zur Erfolgsanalyse im besonderen brauchen wir noch eine Ziel-Tabelle. Sie kann auch zur Problemfindung dienen. Fragen sind

 

1. Welche Ziele haben wir nicht erreicht? Was waren die Gründe dafür?

2. Welche Ziele haben wir erreicht? Wessen Verdienst war es?

3. An welche Ziele haben wir überhaupt nicht gedacht? Was waren die Gründe dafür?

 

Aus der systematischen Durcharbeitung dieser Punkte ergibt sich die Beschäftigung mit der Zukunft. Die Fragen lauten:

 

- Worauf können wir nicht mehr zählen?

- Was wird auf uns zukommen?

- Sollen wir auch andere Ziele ins Auge fassen?

 

b) ALLE

 

Das Ganze

 

Morphologie erhebt einen Totalitätsanspruch. Sie verlangt eine Gesamtschau. Sie geht davon aus, dass das sektorielle Vorgehen nur sinnvoll ist, wenn man das Ganze im Auge behält.

 

Das Ganze ist zuerst einmal eine dreimal dreifach gegliederte Welt:

 

  • Individuen mit ihrem Innenleben, einer inneren Stimme und einem Eigenbereich stehen
  • über ihr Verhalten, vermittelt durch zahlreiche Zwischenglieder, in bestimmten Situationen
  • einem unermesslichen Geschehen von Natur, Kultur und Transzendenz gegenüber.

 

Und dieses "Ganze" ist selber getragen von natürlichen, übernatürlichen und kulturellen Vorgängen.

 

Wir müssen uns also bewusst sein, dass unsere vorherigen Betrachtungen des Unternehmensganzen auch schon einen winzig kleinen Ausschnitt aus grösseren Ganzen darstellen.

Als Menschen leben wir aber immer auch in diesem grösseren Ganzen.

 

Und daher lauten die Leitsätze der morphologischen Methode:

 

- Jeder ein Genie, d. h. jeder Mensch ist einzigartig, unvergleichlich und unersetzlich

- gerichtete Intuition, d. h. es ist eine Verbindung zwischen Individuum und Umwelt zu erreichen

- wobei das Ziel der Aufbau einer lebenswerten Welt für alle ist.

 

Das Wörtchen "alle" betrifft also nicht nur die Berücksichtigung aller Merkmale beim Problemlösen, sondern auch alle Menschen, ja alle Lebewesen, die gesamte belebte und unbelebte Natur. Das ist es, was Morphologie als "Ansicht" und "Lebenshaltung" bedeutet.

 

Alle Merkmale und alle Stufen des Vorgehens

 

In speziellen Bereichen haben wir das Wörtchen "alle" bereits kennengelernt. Gewiss sind nicht alle Merkmale in einer morphologischen Tabelle zu fassen, aber durch sinnvolle Gruppierung, ständiges Fragen und Ergänzungen kann man diesem Ziel recht nahe kommen.

 

Auch in einer weiteren Bedeutung haben wir das Wörtchen "alle" schon berücksichtigt. Es gilt, beim morphologischen Vorgehen alle Stufen zu durchlaufen, bis sich der Kreis schliesst. Hernach sind alle andern Kreise vollständig zu durchlaufen, bis sich die spiralartige Gesamtbewegung ergibt.

 

Allerdings ist das nur ein Ideal. Wir können nie alle Kreise durchlaufen, dafür reichen weder Zeit noch Kräfte aus. Aber als Ideal soll uns das kleine Wort "alle" leiten.

 

c) NEIN

 

"Nein" bedeutet etwas ähnliches wie HALT. Es bedeutet ebenfalls eine Bestandesaufnahme:

 

- Wie haben wir bisher etwas gemacht?

- Was haben wir bisher geglaubt?

 

Nun behaupten wir, das war falsch. Aber wir bleiben nicht dabei stehen, sondern gehen an eine positive Konstruktion. Das positive Denken ist ja auch ein Kennzeichen der Morphologie.

 

Wie erfolgt die Konstruktion?

Für das Unternehmen hat schon 1912 Joseph Schumpeter die Innovation definiert. Sie umfasst:

 

- bezüglich Produkte:

•           ein neues Produkt

•           eine neue Qualität

•           eine neue Verwendung

•           Ersatz durch ein billigeres Produkt

- bezüglich Produktion:

•           neue Verfahren

•           neue Anlagen, Maschinen

- bezüglich Märkten:

•           Erschliessung neuer Absatzmärkte

•           Erschliessung neuer Beschaffungsmärkte

- bezüglich des Unternehmens:

•           Änderung der Organisation

•           Gründung eines neuen Unternehmens

 

Das NEIN führt also zu Innovationen. Und zu deren Realisierung stützen wir uns wieder auf das morphologische Vorgehen.

 

d) AHA

 

Dinge sind unvollkommen, Menschen sind unvollkommen, und was sie tun meist ebenfalls. Zu sagen: "Damit müssen wir leben", genügt nicht. Es gilt vielmehr, davon kreativen Gebrauch zu machen. Auch hier ist also eine positive Einstellung gefordert. Betrachten wir einige Beispiele:

 

1. natürliche Unvollkommenheiten:

•           der Kletterer nützt Unregelmässigkeiten in der Felswand

•           der Holzschnitzer benützt knorriges Holz

•           der Skifahrer nützt die Unregelmässigkeiten des Geländes aus

•           der Physiker nützt "Imperfections in Crystals" (F. Z.)

•           der Astronom nützt "Sternszintillationen" (F. Z.)

 

2. menschliche Unvollkommenheiten:

•          der gute Verkäufer nützt menschliche Schwächen wie Eitelkeit, Schwäche, verfängliche Situationen aus

•          ein Werbefachmann macht sich körperliche Auffälligkeiten von Menschen zu nutze

•          ein Vorgesetzter nimmt einen Fehler des Mitarbeiters zum Anlass, mit ihm darüber zu sprechen

 

3. Unvollkommenheiten menschlicher Erzeugnisse

•          Druckfehler in Zeitungen geben Anlass für neue Gedanken: "Wie wäre es, wenn es tatsächlich so wäre?"

•          F. Z. hat optische Unzulänglichkeiten von Teleskopen ausgenützt, um Galaxien von einzelnen Sternen zu unterscheiden.

 

Grundsätzlich kommt es auf die Optik an. Irgend ein Merkmal kann immer in zwei Richtungen ausgelegt werden, z. B.

 

•           Hartnäckigkeit als Sturheit oder Durchhaltevermögen

•           Genauigkeit als Pingeligkeit oder Vorsicht

•           Kritik als Niederreissen oder Anstoss zum Bessermachen usw.

 

Wiederum im Idealfall käme es darauf an, im Unternehmensgeschehen von Eigenarten der Mitarbeiter und Sachmittel sinnvollen Gebrauch zu machen. Auch hiefür kann morphologisch vorgegangen werden, und zwar mittels einer kreativen Nutzentabelle. Dabei handelt es sich bei der positiven Bewertung einer Eigenart um eine Negation der negativen Einschätzung. Zeigt sich keine Möglichkeit, die Eigenart zu nutzen, kann man danach suchen, wie sie zu neutralisieren wäre.

 

Zusammenfassung

 

Es hat sich gezeigt, dass die vier Impulse der morphologischen Methode untereinander zusammenhängen: Halt, Nein und Aha werden getragen von "Alle", das stets in unserem Hinterkopf präsent ist und uns leitet bei der Zusammenstellung der Merkmale für die Tabellen.



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