Von dem Ursprung und Fortgang der Maurery
Kurze Nacherzählung auf Deutsch, 1738, der Legenden der Freimaurerei nach James Anderson (1723)
durch: Gründliche Nachricht von den Frey-Maurern, nebst beygefügter historischer Schutz-Schrifft. Franckfurt am Mayn: In der Andreäischen Buchhandlung 1738; 2. Aufl. 1740, 1-16.
Das Grosse vollständige Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, 1739, stützt sich weitgehend und vielfach wörtlich im Artikel „Maurer“ auf diese Nacherzählung.
Die neueste deutsche, und zwar vollständige Übersetzung der ersten 48 Seiten der Constitutions von 1723 erfolgte 1983 durch Rudolf Ebel: Legenden der Freimaurerei nach James Anderson (1723)
Für die auf den vierfachen Umfang erweiterte Fassung von 1738 siehe: Die lange Legende und Geschichte der Frey-Maurerey, 1738
Zum Inhalt vgl.
Von dem Ursprung und Fortgang der Maurery.
[Die ersten zwei Absätze kommen in den Constitutions von 1723 nicht vor.]
Es ist kein Zweiffel, daß die Geometrie sowohl der Grund des Maurer-Handwercks, als aller andern Wissenschafften sey, durch welche wir Weisheit, Krafft und Schönheit, so der grosse Meister der Natur in seine Wunder-vollen Wercke geleget, nicht allein erkennen, sondern auch zugleich auf den allweisen, allmächtigen und höchst-gütigen Ursprung und dessen Verehrung zurück geführet werden. Durch diese Betrachtung der göttlichen Vollkomenheit bekommen wir natürlicher Weise eine Anleitung, derselben nachzuahmen, und es ist gewiß, daß derjenige, welcher diesem herrlichen Original am nächsten kommt, in Ansehung der menschlichen Geschäffte vor andern einen grossen Vorzug erlange.
Unser erster Stamm-Vater Adam hatte gar keine Entschuldigung anzuführen, als er den göttlichen Befehl übertrat, zumahlen ihm dieser zu einer untrieglichen Richtschnur dienen konte und sein Leib so wenig mit einigen Saamen der Verderbniß, als seine Seele mit irrigen Grund-Sätzen, angefüllet war. So bald aber der Fall geschehen, ward der Thorn der Vernunfft von den Leidenschafften eingenommen, und so wohl der Verstand als der Wille auf Abwege verleitet. Nunmehro thaten sich neue Begierden hervor, und eben dadurch wurden verschiedene Dinge dem Menschen notwendig, deren er vorhin gar füglich entbehren konte. Die Zeit und Erkänntniß, welche zur Betrachtung der göttlichen Wercke und zur Beförderung der menschlichen Vollkommenheit sollten angewendet werden, musten nunmehr fast allein zur Erfindung und Bereitung derjenigen Mittel dienen, woldurch der Mensch sich vor dem Ungemach des Wetters und vor der Gefahr von andern Geschöpfen, mit welchen er nunmehr Krieg zu führen hatte, bewahren konte.
Hierbey war er dennoch für glücklich zu schätzen, daß ihm der Allerhöchste die Erkänntniß in Geometrischen Dingen nicht entzogen hatte. Durch diese sahe sich Adam nebst seinen unmittelbaren Nachkommen im Stande, allerhand sinnreiche Künste zu erfinden, welche bis auf den heutigen Tag immer höher gestiegen, und nicht allein den Menschen zum Ruhm, sondern auch der Welt zur Zierde gedienet haben.
Wir sind allerdings versichert, daß Adam seine Nachkommen in der Geometrie und deren Anwendungen unterrichtet, so weit solches in diesen ersten Zeiten dienlich und vonnöthen gewesen.
Cain bauete eine Stadt, welche er nach dem Namen seines ältesten Sohns Hanoch [Enoch] hieß. Seine Nachkommen folgten seinem Exempel, und übten sich nicht allein in der Geometrie und im Maurer-Handwerck, sondern liessen sich auch angelegen seyn, andere gute Künste zu entdecken. Also erfand Thubalcain [Tubal Cain] die Art und Weise mit Ertz und Metall umzugehen, Jubal die Music, und Jabal zeigte, wie man die Vieh-Zucht treiben, Gezelte aufrichten, und mit Stein und Holtz bauen könte.
Man darff aber nicht gedencken, als wann die Nachkommen Seths, welche zuerst die Astronomie oder Stern-Wissenschafft gelehret, den Söhnen Cains in Ausübung der Bau-Kunst und des Maurer-Handwerckes etwas nachgegeben hätten. Denn Henoch, der fünffte nach Seth, welcher die Sündfluth und den letzten Untergang der Welt durch Feuer vorher verkündiget, richtete zwey Seulen auf, eine von Stein, die andere von Ziegeln, worauf die freyen Künste von ihm geschrieben wurden. Die Seule von Stein ist in Syrien bis auf die Zeiten Vespasiani annoch vorhanden gewesen.
Das erste Stück der Bau-Kunst, so unter göttlicher Anführung verfertiget worden, war die Arche des Noah, worin derselbe nebst seinen drey Söhnen, Japhet, Sem und Ham, welche allesamt die Bau-Kunst und Maurer-Arbeit verstunden, vor dem Untergang bewahret blieben. Diese haben hernach die Geometrie und Bau-Kunst ihren Kindern mitgetheilet: Denn wir finden, daß eine grosse Anzahl derselben sich ohngefehr 101 Jahr nach der Sündfluth in der Eben von Sinear [Shinar] versammlet, um daselbst eine Stadt und grossen Thurm zu bauen, damit sie sich einen Namen machen, und ihre Zerstreuung verhindern möchten. Allein dem Höchsten mißfiel diese Eitelkeit, und die von ihm geschehene Verwirrung der Sprachen war Ursache, daß dasjenige, was die Mensch zu verhüten gesucht hatten, vielmehr befördert wurde.
Nichts desotweniger blieb die Wissenschafft der Bau-Kunst und des Maurer-Handwercks in beständiger Ubung: wie denn Nimrod, der Stiffter der Assyrischen Monarchie, nach der allgemeinen Zerstreuung, die Städte Ninive, Rehoboth und andere mehr erbauet. Auch ist kein Zweiffel, daß nachmahls die gelehrten Mathematici in selbigen Landen, welche Magi geheissen, nebst der Geometrie auch das Maurer-Handwerck unter dem Schutz der Könige und grossen Leute des Orients zu mehrerer Vollkommenheit gebracht haben.
Die Verwirrung der Sprachen nöthigte zwar die Maurer zu der alten Gewohnheit, bey ihrem Umgang sich der Rede zu enthalten: allein dadurch wurde die Fortsetzung des Maurer-Handwercks bey ihren zerstreueten Colonien so wenig unterbrochen, daß im Gegentheil die Nachkommen Sems in Asien, des Hams in Africa, und des Japhets in Europa, genugsame Denckmahle hinter sich gelassen, um daraus ihre grosse Geschicklicheit in dem Maurer-Wesen zu erkennen.
Jedoch haben es unter selbigen die Assyrier und Egyptier in dieser Königlichen Wissenschafft [Royal Art] dem Ansehen nach am höchsten gebracht, wie man daran an den Mauren zu Babylon und den Egyptischen Pyramiden, welche mit unter die sieben Wunder der Welt gerechnet worden, eine augenscheinliche Probe findet. Hieher gehöret nicht weniger der prächtige Tempel der Diana zu Ephesus, auch ein Wunder der Welt, welcher unter der Auführung der Mauer-Meister, Dresiphon und Archiphron, zum Stande gebracht worden. Auch muß man das Begräbniß des Mausolos, Königs in Carien, nicht mit Stillschweigen übergehen. Dieses war gleichfalls ein Wunder der Welt, und ward auf Befehl der Artemisia, besagten Königs Wittwe, mit sonderbarem Pracht erbauet, wobey die vier grösten Bau-Meister selbiger Zeit, Leochares, Briax, Scopas, und Timotheus, ihre Kunst bewiesen.
Wiewohl die Nachkommen des grossen Abrahams, weicher die Egypter in den Wissenschafften der Aßyrier unterrichtet, nur Fremdlinge und Vieh-Hirten in Egypten gewesen, folglich sich um die Bau-Kunst weiter nicht, als bey Aufschlagung ihrer Gezelte, bekümmert: so wurden sie dennoch ohngefehr 86 Jahr vor ihrem Ausgang durch die mächtige Hand der Vorsehung zu der Bau-Arbeit in Stein und Ziegeln gezogen, in der Absicht, damit sie vor Erlangung des gelobten Landes, welches damals wegen der Maurer-Wercke berühmt war, selbst gute Maurer werden möchten.
Mittlerweile daß diese Nation in den Arabischen Wüsteneyen umher zog, ward von dem Bezaleel und Abaliab [Aholiae] die herrliche Stiffts-Hütte, welche nachmahls dem Salomonischen Tempel zu einem Muster gedienet, nach der von Gott dem Moses auf dem Berge gegebenen Vorschrifft erbauet, worauf dieser Ober-Mauer-Meister [General Master-Mason] der Loge von Israel geworden, und derseben Gesetze und Verordnungen vorgeschrieben.
Die Israeliten brachten es in Ausübung der Geometrie und Bau-Kunst so weit, daß sie vor den Cananitern selbst einen Vorzug erlangten. Der sonst prächtige Tempel des Dagon, welchen Simson zerstöret, und andere weniger bekannte Gebäude desselben Landes kamen mit dem Tempel Gottes zu Jerusalem gar nicht in Vergleichung. Der weiseste und prächtigste unter den Königen, Salomon, Davids Sohn, hatte diesen erstaunes-würdigen Bau ohne eintzigen Schall der Werckzeuge verfertigen lassen. Die Arbeit geschahe unter der Aufsicht von 3300 [3 600] Mauer-Meistern; auf dem Gebürge waren 80 000 Mann mit der Aushauung der Steine beschäfftiget, 70 000 musten die Lasten zutragen, und 30 000 so unter dem Adoniram stunden, arbeiteten Wechselweise nebst den Sidoniern auf dem Berge Libanon, daß also die Anzahl der Arbeiter sich überhaupt bis auf 183 600 Mann erstreckte.
Dieser herrliche Tempel, über welchen die Welt erstaunet, ward mit unglaublichen Kosten innerhalb 7 Jahren und 6 Monaten angefangen und vollendet. Die Mauer, so denselben umgab, enthielt 7700 Schuh im Umcreyß, und in den Vorhöfen und Gemächern konten 300 000 Menschen Platz finden. Man sah daselbst 1453 Seulen, 2906 Marmor-Pfeiler mit ansehnlichen Capitalen, und bey 2246 Fenster. Inwendig waren nebst den herrlichsten Auszierungen sehr kostbare Zimmer, für Könige, Fürsten und Priester anzutreffen. Man thut daher nicht unrecht, wenn man diesen Tempel für das feineste Stuck in der Maurer-Arbeit und für das gröste Wunder der Welt erkennet.
Gleichwie dieses unvergleichliche Gebäude unter der Vorsorge und Anordnung des Höchsten aufgeführet worden, und dabey der König Salomon Groß-Meister der Loge zu Jerusalem, Hiram Abif aber Werck-Meister gewesen; also ward es von allen Arbeitern für das volllommenste Modell geachtet, wornach sie die Bau-Kunst ihrer Länder verbessert, und das Maurer-Handwerck unter allen benachbarten Völckern eingerichtet. Die Könige, Fürsten und Regenten wurden Groß-Meister, jeder in seinem eigenen Gebiet, und man führte manche ausbündige Wercke auf, von deren Pracht einige noch vorhandene Denckmahle zeugen. Indessen konten weder die erstaunenswürdige Mauren, Tempel und Palläste, so Nebucadnezar zu Babylon, angeleget, noch der Dianen-Tempel zu Ephesus, noch alle die berühmteste Gebäude in Asien, Griechenland und Rom, in Ansehung der vollkommenen Bau-Kunst mit dem Tempel Gottes verglichen werden.
' Da 416 Jahr nach der Vollendung dieses Tempels verflossen waren, wurde derselbe von dem Assyrischen König, Nebucadnezar, eingeäschert, und die übrigen Juden gefangen nach Babylon geführet. Nach ihrer Rückkunfft unter des grossen Cyri Regierung baueten sie einen andern Tempel, insgemein der Tempel Zorobabels [Zerubbabel] genannt welcher zwar erstaunliche Mühe und Arbeit gekostet, aber dem ersten bey weitem nicht gleich gekommen. Eine geraume Zeit hernach unternahm Herodes den Bau eines dritten Tempels, welcher innerhalb 43 Jahren mit grosser Pracht vollendet, von den aufrührischen Juden aber zu der zeit, als Titus Vespasianus die Stadt erobert, in die Asche gelegte worden.
Nach Erbauung des Salomonischen, sonderlich aber des Zorobabelischen Tempels, brachten die Griechen diese Königliche Kunst nach ihrem Vaterlande hinüber, und führeten verschiedene herrliche Gebäude auf, als das Schloss zu Athen, den Tempel der Minerva, des Theseus und des Jupiter Olympius, ihre Hallen, Schwibbögen, Rath-Häuser, Gymnasia, und manche vortreffliche Palläste, wovon die Merckmahle bis auf den heutigen Tag annoch vorhanden sind. Indessen konten die Griechen sich noch keiner grossen Geschicklichkeit in der Geometrie rühmen, bis Thales Milesius und sein Schüler Pythagoras aufkamen, von welchen der letztere den 47. Satz im ersten Buch Euclidis, so mit rechtem Verstande der Grund der gantzen Bau-Kunst ist, soll verfertiget haben.
Der vortreffliche Euclides von Tyrus, welcher in Alexandria unter dem Schutz Ptolemaei, des Sohns Lagi, Königs in Egypten, geblühet, brachte die zerstreueten Grund-Sätze der Geometrie zusammen und in gehörige Ordnung. Gleichwie der folgende König in Egypten, Ptolemaeus Philadelphus, alle nützliche Wissenschafften zu befördern suchte, und die gröste Bibliotheck von der Welt zusammengebracht hatte: also ließ er unter anderen grossen Gebäuden den brerühmten Wach-Thurm Pharos aufführen, welchen man unter die sieben Wunder der Welt gezehlet.
Die Römer haben aus Sicilien, wo der grosse Mathematicus Archimedes sich hervor gethan, ingleichen aus Asien, Egypten und Griechenland, die freyen Künste bekommen. Unter der Regierung des Kaysers Augusti, das der Glantz des Römischen Reichs auf den höchsten Grad gestiegen, ward Christus, der grosse Bau-Meister der Kirche gebohren [was born God’s Messiah, the great Architect of the Church], welcher einen allgemeinen Frieden verkündigte, und den berühmten Bau-Meistern selbiger Zeit Gelegenheit gab, allerley Erfindungen in dieser edeln Kunst zu machen, und verschiedene herrliche Gebäude aufzuführen, deren Uberbleibsel bis auf den heutigen Tag zu einem Muster der rechten Bau-Kunst dienen. Der grosse Vitruvius, welcher damals geblühet, wird für den Vater aller unserer heutigen Bau-Meister gehalten, und diese richten alle ihre Sorgfalt dahin, die Augustische Bau-Art in ihren Wercken nachzuahmen.
Die Bau-Kunst und das Maurer-Handwerck blühete ferner bis auf das fünffte Jahrhundert nach Christi Geburt, da das Römische Reich von den Gothen und Vandalen überschwemmet wurde. Diese zerstörten den grösten Theil der alten Römischen Gebäude, und führeten dagegen ihre eigene verwirrte Bau-Kunst ein, welche zwar mit gar schlechter Wissenschafft in der Geometrie verknüpfet war, gleichwohl aber bis auf das XV. und XV. Jahrhundert die Oberhand in der Welt behielte. Nunmehr begonte die Augustische Bau-Art in Italien durch den Fleiß des Bramante, Barbaro, Michel Angelo, Raphael Urbin, Scamozzi, Vignola und anderer Bau-Meister [in den Constitutions von 1723, 39, zusätzlich: Sansovino, Sangallo, Julio Romano, Serglio, Labaco]. Insonderheit aber des grossen Palladio, gleichsam wieder aufzuleben, unter welchen der letztere in Engelland an unserm berühmten Mauer-Meister, Inigo Jones, eine geschickten Nachfolger bekommen.
Die Gothische Bau-Kunst ward in Engelland schon zur Zeit der Heptarchie oder sieben Künigreiche sehr in Schwang gebracht, nachdem Carolus Martellus, Regent von Frankckreich, auf Ansuchen der Sächsischen Könige unterschiedene erfahrne Bau-Meister und Handwercks-Leute nach dieser Insul abgeschicket hatte. Was aber die fernerweitige Unterweisung der neu aufgenommenen Brüder anlanget, so giebet eine gewisse Acte der Frey-Maurer, so unter der Regierung Königs Eduardi IV. verfasset worden, davon folgende Nachricht:
[Das nachfolgende Zitat ist eine vollständige wörtliche Übersetzung des Texts in der Constitution von 1723, 32-34:]
„Daß, ob gleich die alten Acten der Brüderschafften in Engelland grösten Theils bey den Kriegen der Sachsen und Dänen verlohren gegangen, dennoch der König Athelstan, des Königs Alfred des Grossen, eines starcken Bau-Meisters, Enckel, der erste gesalbte König von Engelland, und welcher die heilige Schrifft in die Sächsische Sprache übersetzet, nachdem er den Frieden und die Ruhe im Königreich wieder hergestellet, mancherley grosse Wercke aufbauen lassen, und viele Frantzösische Maurer an sich gezogen, welche die Aufsicht darüber geführet, und mit welchen er die Pflichten und Ordnungen derer seit den Römischen Zeiten beybehaltenen Logen eingerichtet. Diese brachten den König durch ihr Zureden dahin, daß er die Verfassung der Englischen Logen nach dem ausländischen Modell verbesserte, und den Lohn für die Bau- und Maurer-Arbeit vermehrte.
Daß besagten Königs jüngster Sohn, Printz Edwin, welcher das Maurer-Handwerck gelernet, und das Amt eines Mauer-Meisters übernommen, aus besonderer Liebe zu dieser Kunst, und weil dieselbe auf so rühmlichen Grund-Sätzen beruhet, von dem König Athelstan, seinem Vater, einen Freyheits- und Gnaden-Brief ausgewürcket, zumalen die Maurer unter sich eine Zucht, wie es vor Alters hieß, oder eine Freyheit und Gewalt hatten, sich selbst zu regieren, die vorgegangenen Fehler zu bestraffen, und jährlich eine Unterredung oder allgemeine Zusammenkunfft anzustellen.
Daß hierauf der Printz Edwin alle Maurer des Königreichs erinnerte, sich bey einer Versammlung [Congretation] zu York einzufinden, und da solches geschehen, eine General-Loge errichtet, wovon er selbst Ober-Meister gewesen. Weilen sie nun zugleich allen vorhandenen Schrifften und Acten, so theils in Griechischer, theils in Lateinischer, theils in Frantzösischer und andern Sprachen verfasset, mit sich dahin geracht; so habe diese Versammlung aus dem Inhalt derselben die Einrichtung und Pflichten einer Englischen Loge [the Constitution and Charges of an English Lodge] entworffen, ein Gesetz zu deren stetiger Bewahrung und Festhaltung gemachet, einen guten Lohn für die arbeitenden Maurer verordnet etc.
Daß in folgender Zeit, da die Logen mehr in Schwang gekommen, die Ehrwürdigen Meister und Gesellen mit Genehmhaltung der Lord des Reichs (denn die grösten Leute waren damals Maurer) die Verordnung gemachet, daß künfftighin bey der Wahl oder Aufnahme eines Bruders die Constitution nebst beygefügten Pflichten durch den Meister oder Vorsteher (Guardian) [Warden!] sollte abgelesen, und alle diejenigen, welche als Maurer- oder Werck-Meister aufzunehmen, wohl examiniret werden, ob sie in ihrer Kunst genugsam gegründet, um ihren resp. Herren, vom niedrigsten bis zum höchsten, zur Ehre und Würde vorbesagter Kunst, und zum Nutzen ihrer Herren, d, i, welche sie gebrauchen, und ihnen ihre Dienste und Arbeit bezahlen, an die Hand zu gehen.“
Ausser vielen andern Dingen wird in besagter Acte hinzu gefüget: „Daß diese Pflichten und Gesetze der Frey-Maurer [thoses Charges and Laws of Free-Masons] von unserm verstorbenen König Heinrich VI. und von den Herren seines hohen Raths angesehen und durchgelesen worden; worauf dieselben solche gebilliget und die Erklärung gethan, daß lauter gute und vernüfftige Sachen darin enthalten, welche aus den Gedenck-Schrifften der alten Zeit hergenommen und gesammlet worden.“
Die Augustische Bau-Art ward in Engelland von dem König Jacobo I. [James VI.] wieder empor gebracht, massen derselbe den grossen Inigo Jones bey Erbauung eines Königlichen Pallastes zu Whitehall gebrauchet, welcher, wenn er völlig zum Stande gekommen wäre, an allen Vollkommenheiten des Mauer-Wercks die sämtlichen Palläste der bekannten Welt würde übertroffen haben. Dieses Werck setzte zwar der König Carl I. auch ein Königl. Maurer, weiter fort; allein die unglückseligen innerlichen Kriege brachten dieses preißwürdige Vorhaben ins stecken; wiewohl der prächtige Eß-Saal, so anjetzo eine Capelle ist, annoch von dessen bestimmter Grösse zeuget.
Unter der Regierung des folgenden Königs und Maurers, Caroli II. begonten verschiedene herrliche Gebäude nach dem alten Römischen Geschmack zum Vorschein zu kommen. Dieser König hat nicht allein den Königlichen Pallast Holy [Haly]-Rood-House, welcher für den schönsten Bau unter denen zur Crone gehörigen Häusern geschätzet worden, sondern auch das Königl. Hospital zu Chelsea, und Greenwich, und die St. Pauls-Kirche, welche nach der Bau-Art der St. Peters-Kirche zu Rom eingerichtet, unter der Aufsicht des vortrefflichen Bau-Meisters, Christoph Wren, zu bauen angefangen und vollendet.
Unter dem König William, von welchem nicht ohne Grund geglaubet wird, daß er ein Frey-Maurer gewesen, wurde an den Hospitälern zu Greenwich und Chelsea, fortgebauet, die schönen Gebäude zu Hampton Court aufgeführet, und der zierliche Pallast zu Loo in Holland errichtet. Dieser Printz hat durch sein Exempel den Geschmack der englischen Nation dergestalt verbessert, daß von selbigen Zeiten an der grosse und kleine Adel in Engelland mit einem großmüthigen Ehrgeitz darauf beflissen gewesen, die Schönheit und Zierde der alten Bau-Kunst wieder in Gang zu bringen.
Seine unmitelbare Nachfolgerin, die glorwürdigste Königin, Anna, hat sich als eine grosse Patronin der Königlichen Kunst erzeiget, wie denn im neunten Jahr ihres Regiments eine Parlaments Acte abgefasset ward, vermöge deren man 50 neue Kirchen zu Londen und Westmünster, allesamt nach Augustischer Bau-Art aufführen solte. Diese wurden von dem König Georgio I. vollführet: auch hat derselbe durch einen Gevollmächtigten den ersten Stein zu der Kirche S. Martins in the Fields [St. Martin’s in Campis], einem sehr schönen und starcken Gebäude, geleget, und selbiges durch den berühmten Bau-Meister, Gibbs, zum Stande bringen lassen.
Unter der Regierung Sr. jetzt herrschenden Majestät ist das Maurer-Handwerck noch höher gestiegen, und nicht allein verschiedene prächtige Gebäude zur Vollkommenheit gebracht, sondern auch viele andere zu bauen angefangen worden. Man kan gewiß den englischen Maurern zum Ruhm behaupten, daß wenig Nationen in der Welt zu finden sind, welche es der Englischen an der Menge vortrefflicher Gebäude gleich than. Diese lobwürdige Bemühung wird noch immer mit grossem Eifer getrieben, indem der Graf von Burlington, Herr Kent, der sinnreiche Herr Flitcroft, welcher den Bau der neuen Kirche St. Giles in the Fields, eines zierlichen Wercks, übernommen hat, und andere jetztlebende ausbündige Bau-Meister einen unermüdeten Fleiß auf die Verbesserung der Maurer-Arbeit und Auszierung des Königreichs zu wenden sich angelegen seyn lassen. [Die Namen Gibbs, Kent und Flitcroft kommen in den Constitutions von 1723 nicht vor.]
Die Anzahl der Logen hat seit etlichen Jahren in Groß-Britannien und Irrland gewaltig zugenommen, und es ist zu hoffen, daß die Geometrie und Königliche Kunst in allen denselben ferner mit gröstem Fleiß werde getrieben werden.
[Die beiden nächsten Absätze über Irland kommen in den Constitutions von 1723 nicht vor; die Architekten hiessen richtig: Edward Lovett Pearce und Thomas Burgh.]
In Irrland, welches Reich ehemals wegen der Wissenschafften vor andern berühmt gewesen, findet man verschiedene herrliche Uberbleibungen von dem alten Pracht der Irren, indem die verfallene Mauer-Stücke einiger Kirchen, Clöster, Schlösser und anderer Gebäude davon Zeugniß geben. Und ob gleich dieses Königreich sich sonst in schlechten Umständen siehet, so liegen doch die Künste und Wissenschafften allda heutiges Tages noch nicht gäntzliche darnieder, sondern man muß gestehen, daß aus unterschienden wohl gebaueten Kirchen, Hospitälern, und andern Wercken der Irrländische Geist nicht undeutlich hervor leuchte. Zu Dublin erblicket man einen prächtigen Pallast, worin der Lord-Statthalter seine Hofstatt hat, ein ansehnliches Hospital für alte und unvermögende Soldaten, ein Zucht-Haus, welches mit den Holländischen zu vergleichen, ein schönes neues Gebäude, Dr. Stevens-Hospital genannt; ein Zoll-Haus, welches von allen, die es sehen, bewundert wird, sehr prächtige, geraumliche und bequeme Baracken sowohl für Reuterey, als Fuß-Völcker, dergleichen man in gantz Europa nicht antrifft, und endlich ein Collegium, worin verschiedene der grösten und geschicktesten Leute, so jemals in der gelehrten Welt sich hervorgethan, erzogen worden. Dieses ist so weitläufftig und durchgehends so schön eingerichtet, daß demselben nichts beykömmt, und der dasige Bücher-Saal findet an Grösse und Artigkeit fast nicht seines gleichen.
Das Parlaments-Haus, wo der grosse Rath des Königs sich versammlet, ist nach der wahren Italiänischen Bau-Art aufgeführet, und nicht allein unter die vornehmsten Zierden dieses Reichs zu rechnen, sondern auch vielleicht für das prächtigste in seiner Art auf der Welt zu schätzen. Diesen herrlichen Bau hat der sinnreiche Hauptmann Pierce, ein Nachfolger des berühmten Bau-Meisters Bourk, zum Stande gebracht, unter dessen Aufsicht sehr viele der schönsten Gebäude um Dublin angeleget worden.
Es wären hier noch viele andere prächtige Gebäude, welcher dieser Stadt und dem gantzen Königreich zu einer Zierde gereichen, z. E. die Kirchen, Palläste des Adels, öffentliche Schulen, Brücken u. s. w. anzuführen, wenn solches die beliebte Kürtze verstatten wolte. Man erkennet schon aus dem, was gemeldet worden, daß die Brüderschafft der Frey-Maurer keinen geringen Nutzen gestifftet habe.
[Der nachfolgende Absatz ist der wörtlich übersetzte Schlussabsatz der Constitutions von 1723.]
Und da die freygebohrne Britannische Nation sich von auswärtigen und bürgerlichen Kriegen befreyet siehet, dagegen aber die schönen Fruchte der Freyheit und des Friedens geniesset, auch in den letzten Zeiten ihrem glücklichen Naturell zur Bau-Kunst von allen Arten nachgegangen, und die verfallenen Innungen in Londen wieder aufgerichtet; so blühet diese schöne Haupt-Stadt sowohl, als die Provintzen, mit unterschiedenen würdigen und besondern Innungen, welche alle Viertel-Jahr mit einander Communication pflegen, und jährlich eine grosse Zusammenkunfft halten, in welcher die Ceremonien und Gewohnheiten dieser alten und ehrwürdigen Brüderschafft weißlich fortgepflanlzet, diese Königliche Kunst gehörig getrieben, und das Band der Brüderschafft erhalten wird, so, daß der gantze Cörper einem wohlgebaueten Gewölbe oder Bogen ähnlich ist, indem unterschiedene von hohen Adel, oder sonst ansehnliche Leute von der besten Gattung, samt Geistlichen und andern Gelehrten von den meisten Profeßionen und Bedienungen [learned Scholars of most Professions and Denominations], sich freywillig vereiniget und unterworffen, die Verrichtungen eines aufgenommenen Frey-Maurers unter ihrem Groß-Meister zu übernehmen, und dessen Wahrzeichen zu tragen [to wear the Badges of a Free and Accepted Mason].
[vermutlich ist dieser Schluss-Absatz übernommen aus: Johann David Köhler: Der Wöchentlichen Historischen Münz-Belustigung. 17. Stück, den 25. Aprilis 1736, 132:
Und nun, da die freygebohrnen Britannischen Nationen, von auswärtigen und bürgerlichen Kriegen sich loß gemacht, und die schönen Fruchte der Freyheit und des Friedens genießen, auch in den letzten Zeiten ihrem glückl. Naturell zur Baukunst von allen Arten nachgegangen, und die verfallenen Innungen in London wieder aufgerichtet; so blühet diese schöne Hauptstadt, so wohl als andere Länder, mit unterschiednen würdigen, und besondern Innungen, welche alle Quartal miteinander Communication pflegen, und jährlich eine große Zusammenkunfft halten, in welcher die Formalien und Gewohnheiten dieser alten und ehrwürdigen Brüderschafft weißl. fortgepflanlzt, und die Königl. Kunst gehörig getrieben, auch das Band der Brüderschafft erhalten wird, so, daß der gantze Cörper einen wohlgebauten Gewölbe oder Bogen ähnlich ist: indem unterschiedene von hohen Adel, oder sonst ansehnl. Leute von der besten Gattung, samt Geistlichen und andern Gelehrten von den meisten Professionen und Bedienungen, sich freywillig vereinigt und unterworffen, die Verrichtungen eines aufgenommenen Frey-Maurers zu übernehmen, und deßen Wahrzeichen zu tragen, und zwar unter unsern itzigen Groß-Meister, dem hochgebornen Fürsten, Johann, Herzog von Montagu.]
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