Home Ein Manager ist kein Unternehmer!

                     Eine Skizze aus dem Jahre 1987

 

Siehe auch:    Der Unterschied zwischen Erfinder und Unternehmer

 

Motto:

Ein Unternehmer muss sich in der Umwelt durchsetzen

Ein Manager muss sich innerhalb des Unternehmens durchsetzen

 

 

Als Joseph Schumpeter 1912 den "dynamischen Unternehmer" als Leitfigur popularisierte, nahm er eine Idee auf, die der Verfasser des "Robinson", der Kaufmann und Geheimagent Daniel Defoe, schon über 200 Jahre früher als "honest projector" beschrieben hatte:

  • "Ein blosser Projektenmacher ist etwas Verächtliches ...
    Aber der ehrbare Projektemacher ist der, der, nachdem er mit fairen und klaren Prinzipien, durch Verstand, Rechtschaffenheit und Findigkeit eine Vorrichtung zur geeigneten Vollkommenheit gebracht hat ... sein Projekt durchgeführt und sich selbst mit dem wirklichen Ertrag seiner Erfindung begnügt" [1].

 

Über Innovationen hatte noch früher Francis Bacon geschrieben; Shakespeare hat den "innovator" und "manager" erfunden, Machiavelli schon vorher den "innovatore". Sein vielgeschmähter „Principe“ (1513/34) ist ein solcher.

 

Manager als „Beauftragte“, als Verwalter sind seit dem Jahr 1000 bekannt. Unter dem Fuggern (um 1500) waren es die Buchhalter, welche Managerfunktionen versahen.

 

1600-1700: Die ersten Projektemacher

 

Zu den ersten bekannten Projektemachern zählen um 1600 die Niederländer Simon Stevin und Cornelius Drebbel sowie der Engländer William Gilbert. Um 1650 folgte der Chemiker Johann Rudolf Glauber, bald auch der vielseitige Deutsche Johann Joachim Becher, der Engländer William Petty und der niederländische Mathematiker und Naturwissenschafter Christian Huygens sowie um 1700 der Arzt Friedrich Hoffmann.

 

Unternehmer als „Räuberbarone“

 

Über 400 Jahre (1241-1669) spielten die Hanse im nördlichen Europa eine wichtige Rolle.

 

Zu den weniger ehrenhaften Unternehmern zählten von 1400 bis 1800 die legendären „Merchant Adventurers“, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die "Räuberbarone" (Carnegie, J. P. Morgan, Rockefeller). Nach Meinung des deutschen Forschers in Harvard, Fritz Redlich, „hat der schroff individualistische und sozial unverantwortliche Unternehmer des 19. Jahrhunderts sich durch einen dämonischen Prozess von Zerstörung und Selbstzerstörung selbst gefährdet, d. h. nicht durch seine Schwäche oder Bosheit, sondern auf Grund seiner schöpferischen Leistungen für unsere materielle Zivilisation. Gerade wegen dieser Leistungen wird er zu einem überholten Typ. Was jetzt not tut, ist eine grossartige schöpferische soziale Leistung" [2].

 

Unternehmer sind Risikoträger

 

Eine erste Theorie des Unternehmers (entrepreneurs), nämlich als Risikoträger, hat vor über 250 Jahren der irische Bankier Richard Cantillon aufgestellt. Wie gross die Risiken bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern sein können, hat er am eigenen Leib erfahren: 1734 wurde er von seinem Koch und drei anderen Dienstboten in seinem Londoner Haus ermordet.

Der Kameralist, Polizeidirektor, Berater und Bergwerksaufseher J. H. G. von Justi schrieb als erster systematisch über "Manufacturen und Fabriken" und wurde um 1770 wegen angeblicher Unterschlagungen zu Festungshaft verurteilt.

 

Kapitalisten – Unternehmer - Manager

 

Erstmals scharf zwischen Kapitalisten und Unternehmern unterschieden Turgot (1766) und J. B. Say (1803). Letzterer meinte, der Unternehmer schaffe nicht Stoffe, sondern Nützlichkeit.

Adam Smith (1776) ereiferte sich über die Vorstandsmitglieder damaliger Aktiengesellschaften, die nicht im Interesse der Aktionäre handelten.

 

Bald erkannten auch die Theoretiker (z. B. Riedel, 1839, von Thünen, 1850), dass der Unternehmer schon längst nicht mehr allein Herr im Hause war: Einer oder mehrere andere Männer ( ein Team) leiteten die Unternehmen und ordneten - als vierter Faktor - die Produktionsfaktoren zusammen.

 

1839: Die drei Führungsfunktionen

 

Lange vor der Begründung der funktionalen Betrachtungsweise des Management durch Giuseppe Cerboni (1882/86), Léon Gomberg (1903) und Henri Fayol (1916) hat A. F. J. Riedel bereits 1839 die drei wichtigsten Führungsfunktionen beschrieben, nämlich

  • Geschäftsorganisation (insbesondere Beschaffung)
  • Speculation
  • Inspection (als beständige Leitung und Beaufsichtigung) [3].

 

Ohne Unternehmer und Manager stets zu unterscheiden - obwohl er schon von der "Leitung einer Unternehmung durch fremde Personen" sprach -, schrieb er:

 

  • "Noch höher aber, als in obiger Thätigkeit der Verbindung von Productionsmitteln, zeigt sich die Arbeit des Unternehmers in der Speculation, worin er den Begehr der menschlichen Bedürfnisse beobachtet, um ihnen gerade das Mangelnde zu bieten, die Wege des Absatzes erforscht, die besten Methoden der Production erkundet, Versuche mit neuen Betriebsweisen, Maschinen und Werkzeugen anstellt, und, von Erwerbseifer getrieben, sein Dichten und Trachten auf Alles richtet, was den in seiner Unternehmung verbundenen Productionsmitteln eine vorteilhaftere Anwendung, und also ihm selbst einen höheren Gewinn verleihen könnte" [4].
  • Spekulant war damals: "Nach der Bedeutung des lateinischen Stammworts... 'ein Mann, welcher von einem erhöhten Standpunkt aus in die Ferne späht', es ist eine Art von Plänkler, welcher neue und unbekannte Wege und Gegenden für das grosse Heer der Handeltreibenden ausfindig macht und absucht" [5].

 

Heute, wo alles so kompliziert und unüberschaubar geworden ist, laufen die Bezeichnungen Unternehmer und Manager wieder ineinander. Zwar werden in Lehrbüchern recht gequält Eigentümer-Unternehmer von Manager-Unternehmern (oder gar: Angestelltenunternehmern) getrennt, doch neuerdings setzt sich zunehmend die Auffassung durch:

 

  • "Jedermann ist im Hinblick auf die Unsicherheit im Einkommenserwerb Unternehmer seines Wissens, seiner Arbeitskraft und seines Vermögens."
  • "Wer anderen Menschen zeitweise Lohn, Gehalt, einen Unterhalt zahlt, ist Unternehmer in einer besonderen Funktion: Er verringert für andere die Einkommensunsicherheit." Diese Art Unternehmer ist der Facharbeiter, der Frau und Kinder ernährt, der Handwerksmeister, der Gesellen beschäftigt, die Geschäftsleitung eines Handels- oder Industrieunternehmens und der 'Staat’ [6].
    Schon Cantillon meinte: "selbst die Bettler und Diebe sind Unternehmer von dieser Art" [7].

 

Ab 1880: „Gute Ratschläge“ für Manager

 

Vor 100 Jahren begangen die Efficiency-Ingenieure gute Ratschläge für das Management von Firmen herauszugeben. Bald entstand ein veritabler "efficiency craze" [8].

1920 hielten die "Human factors" Einzug in die Anweisungen und Handbücher. Die daran anknüpfende „Human relations“-Bewegung nannten böse Zungen auch „Kuhsoziologie“, weil dahinter das Bild von den „glücklichen Kühen“ stecke, die mehr Milch geben.

 

 

Hinweise und Literatur

 

1. Schumpeter, Josef: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Leipzig: Duncker & Humblot 1912; 2. neubearbeitete Aufl. 1926; 6. Aufl. 1964; engl. 1934.
Zu Daniel Defoe:
Redlich, Fritz: Der Unternehmer. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1964, 77f, 177f, 228ff, 241-243, 246, 320, 360. Das Zitat von Defoe nach der Übersetzung von Hugo Fischer, 1890, repr. 1975, 22; Fritz Redlich, 228, übersetzt anders.
Redlichs Sammlung von Aufsätzen aus den Jahren 1944-59 ist zwar nicht mehr taufrisch, gibt aber doch eine vielfältige Übersicht.
Zu Schumpeter auch:
Schneider, Dieter: Unternehmer und Unternehmung in der heutigen Wirtschaftstheorie und der deutschsprachigen Nationalökonomie der Spätklassik. Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie V (1986), 29-79, bes. 34-39.
Ein kurzer Auszug aus Schumpeters Werk ist wiederabgedruckt in Witte, Eberhard und Thimm, Alfred L. (Hrsg.): Entscheidungstheorie. Texte und Analysen. Wiesbaden: Gabler 1977, 14-22.

 

2. Redlich, Fritz, a. a. O., 73, vgl. 55ff (im Aufsatz: Der Unternehmer als "dämonische“ Figur; geschrieben 1953), vgl. auch 333, 338ff: "Das frühe hochkapitalistische Geschäftsleben fand weitgehend auf einem niedrigen moralischen Niveau statt", und 372f.

 

3. Schneider, Dieter, 1986, 39-41. Riedel biete 1839 "die bis dahin geschlossenste Darstellung einer Unternehmensführungslehre".

 

4. Zu Riedel ausführlich: Schneider, Dieter, 1986, 39-41, 51, 67-70; vgl. auch: Schneider, Dieter: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. München: Oldenbourg 1985, 9f, 11, 26, 584.

 

5. Schneider, Dieter, 1985, 10; 1986, 41 (die Definition stammt aus dem "Manuel des affaires" von J. G. Courcelle-Seneuil, 1859; dt. 1868; ähnlich bei P. J. Proudhon 1857).

 

6. Schneider, Dieter, 1985, 5, 25ff, 551-560; vgl. 1986, 47ff, 77ff.

 

7. Schneider, Dieter, 1985, 8f, 462; 1986, 49; vgl. Redlich, Fritz, 1964, 226.
Vgl. auch Pollard, Sidney: The Genesis of Modern Management. A Study of the Industrial Revolution in Great Britain (1750-1830). Harvard University Press 1965 (geht von folgender Unterscheidung aus: Der Manager fällt taktische Entscheidungen, der Unternehmer strategische. Pollard betrachtet nur den Manager, der unternehmerische Entscheide im Innern umsetzt).

 

8. Haber, Samuel: Efficiency and Uplift. Scientific Management in the Progressive Era, 1890-1920. Chicago: University of Chicago Press 1964.
Vgl. auch Jenks, Leland H.: Early Phases of the Management Movement. Administrative Science Quarterly V, 1960, 421-447.

 

Eine recht brauchbare, wenn auch nicht sehr präzise, dafür breit orientierte Geschichte der ökonomischen Theorien über den Unternehmer seit Cantillon geben:
Hébert, Robert F. und Link, Albert, N.: The Entrepreneur. New York: Praeger 1982; 2. Aufl. 1988.

 



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