![]() Ein Stimmungsbild aus dem Jahre 1959
Foto: Karin Bertschi, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich
manche historischen Angaben sind ungenau oder falsch für genaue Angaben siehe:
Beschreibung
Der Lindenhof ist wohl der älteste Teil der Stadt Zürich, und darum wollen wir ihn einmal näher betrachten. Ursprünglich ein römisches Kastell, ist er heute nur noch ein Platz von dem aus man eine weitreichende Aussicht hat. Der Name Lindenhof rührt natürlich von den Linden her, welche schon vor 500 Jahren dem Hof den Namen gaben. Heute sind es im ganzen 56 Stück, eine ganz beträchtliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass der ganze Platz nur etwa 3 Aaren gross ist. Die Bäume sind fast symmetrisch angeordnet, das heisst 7 Reihen mit je 8 Bäumen.
Was einen am meisten erstaunt ist, dass der Hof 4 Eingänge hat, zwei grosse, die auf den Platz hinaufführen und ihn halbieren, zwei kleinere welche an jeder Ecke auf der Seite gegen die Bahnhofstrasse auf der Hügel führen. In der östlichen Hälfte des Platzes befindet sich ein kleines Türmchen an der Mauer gegen die Limmat hin und wird heute als Taubenschlag von vielen Dutzenden von solchen Vögeln benutzt. Gleich daneben steht ein achteckiger Brunnen, auf dessen Säule ein Bronzestandbild einer Zürcherin steht, die mit Panzerhemd und Schwer bewaffnet ist und eine Fahne in der Hand trägt. Diese Statue wurde erst vor 40 Jahren errichtet [1912 oder 1921 von Gustav Siber] und erinnert an den einstigen Zug der Frauen in voller Kriegsausrüstung auf den Lindenhof, um den die Stadt bedrohenden Feinden Angst einzujagen. Dieser Zug lebt noch lange in mittelalterlichen Chroniken fort, und er hätte sicher ein gutes Argument gegeben für das Frauenstimmrecht.
In der westlichen Hälfte befindet sich eine kleine Kinderspielanlage und ein quadratischer, mit einer Mauer umgebener Ausgrabungsort. Eine kleine Treppe führt zu der Grabstelle hinab aber man sieht nur einige Felsbrocken herumliegen. Die Fundstücke sind natürlich schon lange weggeschafft worden.
An die Südseite des Lindenhofes grenzt ein langgestrecktes schon 100 Jahre altes Gebäude, die Freimaurerloge.
Viele Leute sind auf dem Lindenhofe nicht anzutreffen höchstens ein Liebespärchen und im Sommer einige alte Leutchen und spielende Kinder. Eigentlich schade denn es sind auf dem ganzen Platz 35 Bänke aufgestellt, und fast niemand benutzt sie.
Doch geniesst man eine wunderschöne Aussicht auf die Altstadt und die umliegenden Gebiete. Man blickt vom Grossmünster zum Rathaus und kann gerade noch die Zinnen des Gymnasiums erblicken. Das Physikgebäude, Polytechnikum und Universität, ja der Walcheturm und die Gebiete von Oberstrass sind in unserm Blickfeld. Zwischen den Häusern erkennen wir den Sankt Peter, und nach Norden schauend gewahren wir die Sternwarte, die wie ein riesiger Wachtturm alle andern Gebäude überragt. Blicken wir über die östliche Mauer, so rauscht die Limmat unten durch, und wir werfen einen Blick über die alte Fleischhalle gerade in die winkligen Gassen und in die engen Fenster und auf die schmutzigen Wände und Dächer der Altstadt. Dieser Platz ist auch der Ort, von dem aus man den schönsten Überblick auf den Limmatquai hat mit seinen vielen Ladengeschäften, deren Lichtreklamen in der Nacht in den mannigfaltigsten Farben sich in der Limmat spiegeln und den Schein auf den dunkeln Hügel hinaufwerfen.
Geschichte
Doch wenden wir uns jetzt der Geschichte des Lindenhofes zu:
Der Lindenhof ist eigentlich der älteste Teil der ganzen Stadt Zürich, und darum ist es sehr interessant, seine Entstehungsgeschichte zu verfolgen.
Vor einigen 10 000 Jahren sah das Gebiet der Stadt ganz anders als heute aus; das Kongresshaus, die Börse und das Bellevue gab es noch nicht; die Einmündung des Sees in die Limmat wurde erst in neuerer Zeit so verschmälert.
Schon zu Zeiten des Pfahlbauers war das Gebiet des untern Zürichsees besiedelt, und der Lindenhof bildete geradezu den besten Aussichts- und Wachposten für die Verteidigung gegen fremde Überfälle. Freilich sah der Hügel damals noch anders aus; er bildete keine Terrasse wie heute, sondern er war ein ziemlich steil ansteigender Moränenhügel, der in der Zeit des Zürcher-Eiszeitstadiums abgelagert worden war. Man hat verschiedentlich Funde und Ausgrabungen gemacht, aus denen man schliessen kann dass die Besiedlung durch Pfahlbauer und später Kelten eine bewiesene Sache ist. Nachher kamen die Römer und benannten den Flecken mit Turïcum; dies ist ursprünglich kein römischer Name, sondern kommt vom keltischen Wort "dur", das soviel heisst wie .Befestigung, Zufluchtsort. Unter dieser Befestigung verstand man natürlich nicht anderes als den Lindenhof.
Schon im 1. Jahrhundert nach Christus stellten die Römer an diese Stelle ein Kastell, das von Vindonissa mit Militär versehen wurde. Bald bildete sich um diese Garnison ein kleines Kastrum, das den Mittelpunkt eines grossen Strassennetzes bildete, das von Italien bis weit hinauf nach Gallien reichte. Natürlich herrschte ein reger Betrieb auf dem Lindenhof, und er war bald als Handelszentrum bekannt. Die Befestigung war sehr stark, und die heutigen Mauern besitzen die alten römischen Mauern als Fundament, welches auf sehr steile Böschungen gestellt war. Bei Ausgrabungen stiess man auf einen römischen Grabstein, der aus dem 2. Jh. stammt und wohl der bedeutendste Fund in unserer Gegend aus jener Epoche ist. In diesem Jahrhundert soll auch die Bärenjagd im Gebiet des Kastells grosse Bedeutung gehabt haben. Schon im 5. Jh. aber wurden die Römer von den Alemannen vertrieben, die das römische Kastell zerstörten und sich auf weit auseinander liegenden Höfen ansiedelten.
Anfangs des 9. Jh. gelangte der Lindenhof unter fränkische Herrschaft, welche ihn zu einer Pfalz machte. Auf dem grossen Vorplatze wurde bis ins 13. Jh. das Blutgericht abgehalten, und als sogar Karl der Grosse einmal nach Zürich kam, schlug er dort sein Quartier auf. Später wird uns überliefert, dass alles in diesen Mauern vereinigt gewesen sei, was der kaiserliche Hof und die reichen lombardischen Grossen an Pracht und Glanz aufzubieten vermochten.
Durch diese gehobene Stelle wurde Zürich auch bald als reichsfrei erklärt, und die Pfalz wurde im 13. Jh. zerstört. Nach ihrem Untergang diente der Lindenhof nur noch als öffentliche Anlage und zur Beschwörung der zürcherischen Verfassungen. Erstmals 1422 werden die 52 Linden erwähnt, unter denen das Volk sommerliche Spiele und andere Vergnügungen und Schiessen aufführte.
Im Jahre 1668 wurde auf dem Lindenhof ein 155 Fuss tiefer Sodbrunnen errichtet, von dem das jetzt noch vorhandene Häuschen auf der Limmatseite der Mauer herrührt. Dieser Brunnen fiel den von weither kommenden Leuten sehr auf, da seine Tiefe ganz respektabel ist.
Diese Feste und Bälle der Zürcher in ihren hoffärtigen Gewanden dienten zur allgemeinen Belustigung. Auch Prozessionen wurden mit grossem Pomp auf den Hof geführt. Sie galten vor allem Felix und Regula, die nach der Legende auf dem Lindenhof gemartert worden sein sollen. Auch als Zuschauerplatz hatte der Hof seine Bedeutung, im späteren Mittelalter besonders, als an seinem Fuss die zum Ertränken Verurteilten ins Wasser geworfen wurden.
Auch im Krieg spielte der Lindenhof eine grosse Rolle. Eine Chronik beschreibt, wie 1292 König Albrecht eine Woche lang die Stadt belagerte, und wie alle Frauen und mannbaren Töchter die Waffen aus dem Zeughause umgebunden hätten und mit grossem Kriegsgeschrei auf den Lindenhof marschiert seien, sodass Albrecht die Belagerung aufgegeben habe, als er soviel streitbares Volk sah.
Zur Reformationszeit wurden die grössten Feste veranstaltet. Es waren meist Hirschjagden und Schützenfeste, die mit viel Volk gefeiert wurden. Auch als Schützenstand wurde der Lindenhof gebraucht, d. h. es wurde mit Armbrusten über die Limmat auf eine Scheibe an der steilen Böschung geschossen, und die Pfeile wurden dann mit einem kleinen Bähnchen über das Wasser zurückgeschoben.
Nach dem Untergang der Alten Eidgenossenschaft (1798) wurde auf dem Lindenhof die Beschwörung der neuen helvetischen Verfassung abgehalten was wohl eines der grössten Ereignisse auf diesem Hügel gewesen sein wird.
Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass auch der Dichterfürst Goethe bei seiner 2. Schweizerreise [1779] den Lindenhof besucht und geschrieben hat: „Der Lindenhof ist die grösste Sehenswürdigkeit von Zürich und man muss ihn unbedingt gesehen haben, denn seine Geschichte erstreckt sich von der Urzeit bis in die Gegenwart."
Und schliesslich begrüssen seit Jahren [1879] die Singstudenten in den Nacht vom 30. April auf den 1. Mai jeweils mit dem Lied „Der Mai ist gekommen“ den Wonnemonat.
(Vortrag im Gymnasium, Februar 1959)
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