![]() Von der Eiszeit bis heute
siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%BCrich
Die Geschichte der Ursprünge der städtischen Siedlung von Zürich, der Stadtbefestigungen und des Lindenhofs wurde in den letzten 200 Jahren mehrmals umgeschrieben. Hier die aktuellste Version:
Oswald Heer: Die Urwelt der Schweiz. 1865, S. 546.
15 Mio. v. Chr. Den Gesamtuntergrund von Zürich bildet die tertiäre, obere Süsswasermolasse. Auch Üetliberg und Albisgrat wurden zu dieser Zeit gebildet (Molasse und Nagelfluh).
115 000 - 10 000
v. Chr. herrscht die letzte Eiszeit, die Würm-Eiszeit (Jung-Pleistozän; Mittel-Paläolithikum
mit Neandertaler;
Ca.
8000 v. Chr. (Holozän; Mittelsteinzeit; Mesolithikum) entstanden im
Bereich der heutigen Stadt Zürich nach dem Rückzug des Linthgletschers der
Ausfluss (heute „Limmat“ genannt) eines Sees (heute „Zürichsee“) - etwa im
Gebiet des heutigen Paradeplatzes -
Seit etwa 4250 v.
Chr. (Jungsteinzeit; Neolithikum; Landwirtschaft) entstanden an der
Zürichseebucht Seeufersiedlungen (auch „Pfahlbauerdörfer“ genannt),
insgesamt neun von Wollishofen bis zur Seehofstrasse, dazu zwei Inseln (Kleiner
und Grosser Hafner);
Um 1500 v. Chr. (Mitte
der Bronzezeit) wurden die Seeufersiedlungen plötzlich verlassen, entweder weil
sich der Wasserstand erhöhte oder senkte (!) oder wegen kriegerischer
Auseinandersetzungen.
6. Jh. v. Chr. Fürstensitz der Kelten auf dem Üetliberg
Zur Zeit der
Kelten (Eisenzeit; 800-15 v. Chr.) war der Lindenhof offenbar unbewohnt. 1989/91
fand man bei Grabungen am oberen Rennweg, beim heutigen Hotel „Widder“, Reste
von Holzhäusern und Scherben von keltischen Gefässen aus der Zeit kurz vor 50
v. Chr. Das Mittelland war von den Helvetiern bewohnt. Drei Stämme waren die Tiguriner, Verbigener und Tougener.
Ab 15 v. Chr. entsteht auf dem Lindenhof (unter Kaiser Augustus) eine kleine römische Militärstation. „Die folgende römische Zivilsiedlung Turicum kam ohne Befestigung aus, wie alle römischen Zivilsiedlungen des 1.-4. Jahrhunderts n. Chr. in unserem Raum“ (D. Wild 2004, 10)
um 200 Grabstele an der Pfalzgasse: Unio, Vorsteher der Zollstation von Turicum (Zürich), und seine Frau Aelia beklagen den Tod ihres Söhnchens Lucius Aelius Urbicus
ca. 300 (unter Diokletian) oder 330 (unter Konstantin) oder 370 (unter Valentinian): Kastell mit 10 Türmen aus Stein: „Castrum Turicum“ als Teil eines weiträumigen Befestigungssystems (zerfällt nach 400 langsam; wird aber weiter benützt)
Emil Vogt: Der Lindenhof in Zürich. 1948.
ab 600: fränkische Besatzung von Zürich
ab 800 oder 850: der fränkische Adel (Karl der Grosse oder Ludwig der Deutsche) baut auf dem Lindenhof eine Pfalz (880 „karolingische Pfalz“)
ab 890: die Herzöge von Alemannien (auch als Herzöge von Schwaben bezeichnet) erneuern die Pfalz
10. Jahrhundert: dauernde Niederlassung von Kaufleuten (mit eigenem Recht) an der Marktgasse, die ihrerseits freie Handwerker anzogen
ab 950
(vergrösserte „ottonische Pfalz“ mit 30m langem „Kaisersaal“):
976-1172 sind die kaiserfreundlichen Grafen von Lenzburg Herren von Zürich sowie Vögte über Fraumünster und Grossmünster
Kurz vor 1050 lassen
die Salier die alte Pfalz abbrechen und eine neue, grössere errichten:
1098 übergibt Heinrich IV. die Reichsvogtei an die Herzöge von Zähringen
um 1180 bauen die Zähringer das langgezogene Pfalzgebäude zur turmbewehrte Pfalzburg mit vorgelagertem Doppelgraben um (D. Wild 2004, 7, 30)
1218 wird Zürich nach
dem Aussterben der Zähringer von Kaiser Friederich II. (der seinen geistigen
und politischen Schwerpunkt in Sizilien hat) für „reichsfrei“ erklärt;
1271 wird in einer Urkunde berichtet, dass „gemäss alter Gewohnheit“ Prozessionen auf dem Lindenhof durchgeführt wurden; am Palmsonntag wurde der hölzerne Palmesel vom Fraumünster hier heraufgezogen; am Pfingstmittwoch fand eine Prozession zu Ehren der Heiligen Felix und Regula statt (bis 1524)
1285 siedelt das
1234 gegründete Dominikanerinnenkloster Oetenbach (mit einem Klosterbau im
Tiefenbrunnen) neben den Lindenhof („Sihlbühl“) um
Mai 1292 Hedwig
ab Burghalden führt im Mai 1292 die Zürcher Frauen, bekleidet mit Rüstungen aus
dem Zeughaus und „bewaffnet“ mit Trommeln und Pfeifen, auf den Lindenhof, um
die Stadt belagernden Österreicher unter Herzog Albrecht abzuschrecken
1422 hört man zum ersten Mal von den Linden; jede Zunft besass einen steinernen „Stammtisch“; viele Festivitäten fanden statt; auch die Armbrustschützen installierten sich hier, sie haben eine Schiessanlage über die Limmat; die Rückführung der Pfeile erfolgt mit einer Seilwinde über den Fluss (sie schossen „von der Schützenstube, auf dem späteren Schnecken, unterhalb der Metzg am rechten Limmatufer, zur Halde des Lindenhofs“ hinüber – O. Zuber, 1975, 11)
Der Lindenhof um 1400 Thomas Germann: Zürich im Zeitraffer. 1997.
Der Lindenhof auf dem Murerplan (1576) Gut sichtbar sind die Drahtseile, an denen die von rechts der Limmat abgeschossenen Pfeile zurückspediert wurden
seit 1668 wird ein laufender Brunnen aus einem Sod in der Schipfe gespiesen
Im 18. Jahrhundert ist das Sechseläutenfeuer mit der Verbrennung des «Böög» an der Lindenhofhalde belegt
1798 findet auf dem Lindenhof unter grossem Pomp die Beschwörung der von Napoleon diktierten neuen helvetischen Konstitution statt
1937-1938 systematische archäologische Ausgrabungen auf dem ganzen Lindenhof durch Emil Vogt
1966-1968 Freilegung der Gemäuer unter dem Küchenboden der Freimaurerloge
1997-1999 archäologische Ausgrabungen im Rennwegquartier (und bei der Zentralbibliothek, 1990) verändern das bisherige Bild, das man von den Stadtbefestigungen hatte und deuten auf einen keltischen Ursprung der Stadt Zürich hin Seither zahlreiche neue archäologische Funde und Befunde
Freimaurerei in Zürich gibt es ab ca. 1740, zuerst nur sporadisch
1771 „Modestia
cum Libertate“ (McL) gegründet (zuerst unter dem Namen „La Discrétion“);
1851 McL kauft von der Familie Gessner das „Haus zum Paradies“ (Lindenhof) 1852-54 Umbau
durch Gustav Albert Wegmann
1959-63 Erneuerung der Baukomplexe an der Pfalzgasse 6 und 4 sowie des Gebäudes Lindenhof 4 1966-68 Renovation der Logengebäude durch Architekt Robert Fässler 2003 erneute Renovation des Grossen Tempels.
Literatur
Adolf Streuli: Der Lindenhof in der zürcherischen Geschichte. Drei Vorträge. Zürich: Orell Füssli 1910. Emil Vogt: Der Lindenhof in Zürich. Zwölf Jahrhunderte Stadtgeschichte auf Grund der Ausgrabungen 1937/38. Zürich: Orell Füssli 1948. Marcel Beck, Die mittelalterliche Pfalz auf dem Lindenhof in Zürich. Zeitschrift für schweizerische Geschichte 29, 1949, 70–76. Emil Vogt, Ernst Meyer, Hans Conrad Peyer: Zürich von der Urzeit zum Mittelalter. Zürich: Verlag Berichtshaus 1971. Roger Ley et al.: 200 Jahre Freimaurerloge Modestia cum Libertate im Orient von Zürich 1771-1971. Zürich 1971. Hans Rudolf Sennhauser, Zürich, Ausgegrabene Pfalzkapelle auf dem Lindenhof. In: Friedrich Oswald, Leo Schaefer, Hans Rudolf Sennhauser, Vorromanische Kirchenbauten. Katalog der Denkmäler bis zum Ausgang der Ottonen. Veröff. des Zentralinstitutes für Kunstgeschichte in München III (München 1966–1971) 393-394. Sigmund Widmer: Zürich – eine Kulturgeschichte. 13 Bände. Zürich: Artemis 1975-85. Otto Zuber: Der
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siehe auch: Der Lindenhof – Ein Stimmungsbild aus dem Jahre 1959
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