![]() Eine kurze Beschreibung
siehe ausführlicher: Geschichte des Systemdenkens und des Systembegriffs Systemwissenschaft – Herkunft und Grundprobleme Die Systemwissenschaft hat viele tiefe Wurzeln Dazu eine historische Strukturdarstellung
geschrieben Mitte bis Ende Juli 1974 erschienen unter dem Titel „Wissenschaftsforschung und Systemwissenschaften“ in der Neue Zürcher Zeitung, 6. November 1974
hier am Anfang und am Schluss um die Erläuterungen zur Wissenschaftsforschung gekürzt rot = kleine handschriftliche Ergänzungen aus dem Manuskript
zur Wissenschaftsforschung siehe: Bedeutung und Probleme der Wissenschaftsforschung
... zumal das Bild der Systemansätze auf den ersten Blick mehr einem Leopardenfell von Modeströmungen als einem zur Fundierung und Integration des Wissenskosmos geeigneten differenzierten Instrumentarium ähnelt.
... Wie aber kann eine Betrachtungsweise oder Arbeitsmethode fruchtbringend eingesetzt werden, wenn sie selbst ein Forschungsobjekt darstellt, dessen Status in den Einzelwissenschaften ungeklärt oder umstritten ist und darüber hinaus in zahlreiche Richtungen auseinanderläuft? ...
Divergierende Definitionen
Was aber sind diese Systemwissenschaften eigentlich, die da eine so zentrale Rolle spielen sollen? Es sind seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Ansätze zu wissenschaftlichen Theorien, die sich alle darin treffen, dass sie ihren Gegenstandsbereich oder ihm zugehörige Objekte als "System" betrachten. Diese Theorien gehen aber an genau demselben Punkt wieder auseinander, weil sie "System" je verschieden definieren. Dabei ist es freilich nicht so, dass die Gemeinsamkeit somit nur in der Verwendung desselben Wörtchens bestünde, wobei dessen Bedeutung auf die jeweilige Theorie zurechtgeschneidert wäre. Das mag bis zu einem gewissen Grad zwar zutreffen, stehen doch Theorie und Terminologie stets in einem engen Abhängigkeitsverhältnis, aber der Kern, nämlich das mit dem Begriff des Systems Gemeinte ist in den verschiedenen Theorien dasselbe. Das heisst, die Divergenz der Definitionen ist vorwiegend Ausdruck sprachlicher und - damit eng verbundener – denkerischer Unsauberkeit. Dies ist umso erstaunlicher als sich der Systembegriff seit zweieinhalb Jahrtausenden kaum gewandelt hat.
„Das Zusammengesetzte“
Die gemeinsame Grundlage der Systemansätze mag ein Blick in die Begriffsgeschichte freilegen. Wie so häufig waren es auch hier die Alten Griechen, welche den Begriff prägten und durch den Sprachgebrauch den Spielraum möglicher Bedeutungen bestimmten. Nach der Etymologie bedeutet "systema" "das Zusammengesetzte" und meint ein Gebilde, das aus mehreren Teilen besteht und irgendwie ein Ganzes ausmacht.
In dieser allgemeinen Bedeutung kann man Systema etwa als Konglomerat auffassen, das zumindest das Postulat der Vollständigkeit, erfüllt. Schon bei Platon und Aristoteles, vor allem aber bei den Stoikern, kommt es dann darauf an, wie dieses Zusammengesetzte geordnet und aufgebaut ist und wozu es dient. Auffallend ist, wie viele verschiedenartige Objekte so als System betrachtet wurden, etwa ein Staatenbündnis, eine Polis (Stadt), ein Epos und eine praktische Wissenschaft (techne), später Tonarten und logische Schlüsse, aber auch der Mensch, der ganze Kosmos, später die Gestirne und die Elemente.
Über die Musiktheorie und Astronomie gelangte der Systembegriff ins Latein des Mittelalters und hielt dann im 16. Jahrhundert für den "complexus articulorum fidei" Einzug in den theologischen Sprachgebrauch. Er verdrängte hier das schon von den Griechen für System synonym gebrauchte "syntagma", das seinerseits die Begriffe "hypotyposis" (Muster, Vorbild) des Paulus, "summa" der Scholastik und "corpus integrum" oder "loci communes" bei Melanchthon abgelöst hatte. Diese Begriffe - letzterer auch in der Jurisprudenz - hatten zur Bezeichnung sowohl komplexer Gebilde als auch zur Darstellung irgendwelcher Lehren gedient. Klang bei Syntagma noch die griechische Zusatzbedeutung "Traktat", "Buch", "Kompendium" an, so kam bei Systema nun deutlicher die Absicht zum Ausdruck, aus der heraus ein Lehrgebäude aufgestellt wird, nämlich dem Lernenden sowohl das Gesamt der christlichen Lehre darzustellen als auch den Zusammenhang zwischen den einzelnen Glaubensartikeln aufzuzeigen.
Methodische Gliederung
Bei der damals engen Beziehung der Wissenschaften untereinander ist es nicht verwunderlich, dass diese Auffassung und Terminologien in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts auch auf andere Gebiete überging: Systema wurde im doppelten Sinne zum Allgemeinbegriff. Einerseits fasste man es, in Anlehnung an die stoische Definition der "techne" (praktische Wissenschaft; Kunst als artes liberales), als "Inbegriff", als ein "nach bestimmten Prinzipien geordnetes Ganzes" von Sätzen oder Wahrheiten. Damit sind
im Systembegriff die drei Momente der Zielgerichtetheit (der nützliche Zweck),
der Vollständigkeit (das Merkmal "perfectum et absolutum") und der
methodischen Gliederung Während sich also die Theologia didactica oder dogmatica zur Theologia systematica entwickelte, begannen sich die Philosophen mit dem "wahren" System zu befassen. Erforderte die Gründung eines solchen bei Malebranche geniale Intuition, was dann zur "Klassifikation" führte, so machte bei Christian Wolff die methodisch richtige Verknüpfung aller darin enthaltenen Wahrheiten und die vollständige Deduktion aus einem zugrundeliegenden Prinzip, den "nexus veritatum", das wahre System aus.
Noch war jedoch der Bereich - daneben sprach man allerdings bereits vom "Systema nervosum", dem" ganzen Nervenbau" - dieses Systembegriffs auf "Lehrgebäude" beschränkt, was sich über Holbach, Kant, Schelling und Hegel, Comte, Mill, Spencer und Wundt in der Philosophie und in den klassifikatorischen Systemen von Linné, Lamarck und Cuvier über die Genfer Augustin und Alphonse de Candolle und Haeckel in der Biologie durchgehalten hat.
Lambert und Bertalanffy
Diese Begrenzung sprengte der Mathematiker, Astronom, Physiker und Philosoph Johann Heinrich Lambert, 1728 in Mülhausen, das damals zugewandter Ort der Eidgenossenschaft war, geboren und, wie sein Brieffreund Kant meinte, allzufrüh, 1777 als Mitglied der Akademie Friedrich des Grossen in Berlin gestorben. In seiner leider nur als Fragment erhaltenen "Systematologie" gibt er dem Begriff seine im Mittelalter verloren gegangene völlige Ausdehnung wieder zurück, was fortan seine Anwendung in jeder Wissenschaft und auf jedes Objekt ermöglichte. Diese Leistung Lamberts ist derart bedeutsam, dass sich die Herausgeber des ersten deutschen Sammelbandes über "Systemtheorie und Systemtechnik" (Frank Händle und Stefan Jensen; Nymphenburger Texte zur Wissenschaft, München, 1974) nicht scheuten, dieses fast 200 Jahre alte Kabinettstück darin aufzunehmen. Schade, dass sie die geschichtliche Entwicklung des Systembegriffs und damit die Stellung Lamberts nicht skizzierten. Vor allem die Verbreitung des Systemdenkens im 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wäre einiger Beachtung würdig.
Da dies an dieser Stelle nicht möglich ist, beschränken wir uns darauf, was der nach Amerika emigrierte Wiener Biologe Ludwig von Bertalanffy, mit dem sich für ein breiteres Publikum der Begriff Systemtheorie am ehesten - und zu Recht - verbindet, als seine geistigen Grundlagen angibt. In seiner "Theoretischen Biologie" (1932) und in einer populär gehaltenen Schrift "... aber vom Menschen wissen wir nichts" (Econ Verlag, Düsseldorf und Wien, 1970) gibt er darüber Auskunft.
"Die moderne 'System'-Bewegung", schreibt er in letzterer, "hat im wesentlichen drei Wurzeln. · Die erste war die Forderung nach einer 'Allgemeinen Systemtheorie', die ich selbst kurz nach dem Zweiten Weltkriege aufstellte; · die zweite die Kybernetik, die mit Wieners Buch (1948) eine starke Bewegung auslöste; · die dritte die Anforderungen der Technologie, wie sie sich aus komplexen Produktionsprozessen, Systemen von Maschine und Mensch, in der Rüstungsindustrie usf. ergaben. So tritt das Problem der 'Organisation' in verschiedener Weise und auf verschiedenen Gebieten auf, und es hat sein Zentrum irgendwie im Begriff des 'Systems'."
Organismische Biologie
Über seine eigene Theorie schreibt Bertalanffy in der dritten Person, er sei vor mehr als vierzig Jahren zu einer "organismischen" Auffassung in der Biologie gelangt, "welche die Notwendigkeit der Erforschung lebender Systeme als ganzer und ihrer Gesetzmässigkeiten betonte, im Gegensatz zu der Auflösung der Lebenserscheinungen in elementare Teile und Vorgänge nach dem 'mechanistischen' Programm der Biologie. Der Verfasser verfolgte die organismische Auffassung in doppeltem Sinne - einerseits in Arbeiten in der Zell- und Stoffwechselphysiologie, dem Wachstum, Krebsproblem usf.; anderseits theoretisch insbesondere in der Biophysik des 'Organismus als eines offenen Systems', die eine Erweiterung der Biophysik und physikalischen Chemie beinhaltete. Von hier aus wurde der Verfasser zu einer noch weiteren Verallgemeinerung geführt, die er 'allgemeine Systemtheorie' nannte und die eine Theorie 'von Systemen überhaupt’ als Ziel setzte." Diese wurde „seit 1937 mündlich und seit 1946 in verschiedenen Publikationen entwickelt, während Wieners 'Cybernetics' 1948 erschien, gefolgt von der Entwicklung der Theorie der Regelmechanismen und ihrer Anwendung auf elektrische, technologische, biologische, ökonomische, soziale usf. Systeme."
Wichtiger als dieser Prioritätsanspruch sind die Vorläufer und die Zeitgenossen, die ähnliche Absichten verfolgten. Der Begriff der Homöostase und die organismische Auffassung gehen auf Claude Bernard ("fixité du milieu interne") zurück, der in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts bahnbrechende Forschungen auf dem Gebiet der Physiologie unternahm. Kurz vor 1930 nahmen Alfred James Lotka ("Elements of Physical Biology", 1925), Walter Bradford Cannon sowie William Emerson Ritter und Edna Watson Bailey seine Gedanken wieder auf. "Steuerungsprobleme" im Organismus untersuchten etwa Lawrence Joseph Henderson (1913), Karl Spiro (1924), Curt Adam und Ferdinand Hoff, spezifische Regelungsvorgänge Richard Wagner (1925), Walter Rudolf Hess, Eberhard Koch und Otto Friedrich Ranke. n seiner "Theoretischen Biologie" (1932) wies Bertalanffy auch auf Parallelen mit seiner Auffassung bei B. Bavink, H. Lassen, F. Gessner, H. Zimmermann, J. Needham, John Herny Woodger („Biological Principles“, 1929) und H. Jordan hin. Hier stehen auch bereits die Sätze: „Wir möchten den Versuch zur Überwindung von Mechanismus und Vitalismus als Forschungsmethode 'organismische Biologie' und als Versuch einer Lebenserklärung 'Systemtheorie des Lebens' nennen". Denn: "die Lebenseigenschaften sind Systemeigenschaften".
Biologie, Physik und Mathematik
Auch die ersten interdisziplinären Ansätze stammen aus diesen Jahren. 1924 wandte der durch seine Schimpansenversuche bekannt gewordene Wolfgang Köhler die Gestalt-Theorie auf Erscheinungen im Bereich der Physik an und befasste sich bald darauf mit dem allgemeinen "Problem der Regulation" (1927). Auf Grund von Ansätzen Nicolas Rashevskys erwog Bertalanffy schon 1928 die Anwendung mathematischer Methoden in der Biologie, was dann zum "Biophysik des Fliessgleichgewichts" (1953) führte, einer Theorie, die den Organismus nicht wie ein geschlossenes System der Physik betrachtet, sondern als "offenes System", das durch ein "dynamisches Gleichgewicht" und "Äquifinalität" gekennzeichnet ist. Dieses Fliessgleichgewicht hatte bereits 1931 Archibald Vivian Hill als "steady state" bezeichnet - eine Anschauung, die dann in den fünfziger Jahren sogar in den kosmologischen Erklärungsversuchen der Astronomie Einzug hielt. 1939 gab Alan Chadburn Burton eine Reihe von Prinzipien der Kinetik offener Systeme an, und in den vierziger Jahren machten sich vor allem belgische Gelehrte daran, die Gesetze der Thermodynamik auf irreversible Prozesse und offene Systeme auszuweiten (Lars Onsager, Ilya Prigogine, Sybren Ruurds de Groot).
"Der Begriff der offenen Systeme tritt in so verschiedenen Gebieten auf wie bei den Chromosomen und der Zelle, dem Gesamtstoffwechsel, der Proteinsynthese, der Sekretion, dem Wasserhaushalt, dem Wachstum, der Regulation, der Sinnesempfindung, der Nervenerregung, den neurologischen Grundlagen der Wahrnehmung usf., dass die Erwartung berechtigt scheint, in der Theorie der offenen Systeme den allgemeinen Prinzipien nahe zu sein, welche die Synthese früher getrennter Gebiete ermöglichen und als deren Spezialfälle und Anwendungen verschiedenartige Einzelphänomene betrachtet werden können", schrieb Bertalanffy 1953.
Das Hauptziel dieser Theorie lag in der Entdeckung von quantitativen Gesetzen für biologische Phänomene. Genau in dieser Richtung bewegten sich auch zahlreiche Forschungen der Physiologien Arturo Rosenblueth und Warren McCulloch, die Mitte der vierziger Jahre mit Mathematikern wie Walter Pitts und Norbert Wiener und Informationstheoretikern wie Ronald Aylmer Fisher und Claude Shannon zusammenarbeiteten und über Wiener auch mit dem Nachrichtentechniker Julian H. Bigelow und dem Rechenmaschinenspezialisten Vannevar Bush in Verbindung standen. Über diese intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit gibt Wiener in der Einführung zu seiner „Kybernetik“ einen farbigen Bericht.
Nachrichtenübertragung
In der Tat verlief seltsamerweise in der Schwachstrom- und Rechenmaschinentechnik eine ähnliche Entwicklung wie in der Biologie und Physiologie.
Nachdem kurz nach der Jahrhundertwende Löschfunken- und Lichtbogensender in Betrieb genommen und die Elektronenröhre erfunden worden waren, wurde 1913 von mehreren Forschern an verschiedenen Orten das Prinzip der Rückkoppelung entdeckt. Indem der Ausgang eines Verstärkers - damals der Elektronenröhre, seit 1948 des Transistors, seit 1960 des Lasers - über ein geeignetes Netzwerk mit dem Eingang verbunden wird, lassen sich ungedämpfte Schwingungen in sehr grossen Frequenzbereichen erzeugen und dann in ihrer Amplitude modulieren.
Später lernte man auch Frequenz, Phase, Pulsamplitude, -dauer und -phase sowie den Pulscode (PCM) zu modulieren. Welche Modulationsart zum Transport eines Signals mit den geringsten Verzerrungen, Störungen und Kosten geeignet ist, untersuchte vor allem Karl Küpfmüller seit den dreissiger Jahren. Ergebnis war "Die Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung" (1949) - das erste Buch das den Titel Systemtheorie führt. Daran knüpfen die Systemtheorien von Herbert Schlitt (1960), Gerhard Wunsch (1962, 1971), Helmut Schwarz (1967, 1969) und Rolf Unbehauen (1969) an.
Denkmaschinen und Automatisierung
Waren für diese Entwicklungen im Bereich der elektromagnetischen Wellen die Arbeiten des Mathematikers Fourier, von Ohm und Faraday, Kirchhoff, Maxwell, Heaviside, Hertz und Lorentz grundlegend gewesen, so sind es für die Entwicklung der Rechenmaschine Leibniz (Staffelwalze, Dualsystem), Babbage (difference engine), Boole (zweiwertige Algebra) und Hollerith (Lochkartenmaschine). Ende der dreissiger Jahre begannen Konrad Zuse in Berlin mit der Herstellung eines programmgesteuerten Rechenautomaten, Howard Hathaway Aiken an der Harvard Universität und George Robert Stibitz in den Bell Telephone Laboratories mit derjenigen des "Automatic Sequence Controlled Calculators (Mark I)" resp. "Complex Computers". Bedeutsam sind in dieser Hinsicht auch die Anstrengungen von Gustav Tauschek, Louis Couffignal und Vannevar Bush sowie der Mathematiker Alan Mathison Turing und John von Neumann. Ersterer wurde durch seine theoretische Konstruktion der "Turing-Maschine" (1936), letzterer durch seine mit. Oskar Morgenstern herausgegebene "Spiel-Theorie" (1944) bekannt.
Die ersten Bemühungen um die technische "Automatisierung" von irgendwelchen routinemässigen Abläufen hatten bereits vor der Jahrhundertwende in der Fernsprechvermittlung eingesetzt (Selbstanschluss). Ebenso liessen sich mit Hollerith-Maschinen und den daraus entwickelten "Office Roboters" menschliche Arbeitskräfte frei- und für weniger mechanische Tätigkeiten einsetzen. Nicht zu vergessen sind auch die Fliessbänder und Transferstrassen. Doch erst mit der Verfügbarkeit von "Denkmaschinen" (Edmund C. Berkeley, 1949; Louis Coufignal, 1952) und "selbststeuernden Fertigungsmaschinen" (Wolfgang Schmid: Automatologie, 1952) begann in den fünfziger Jahren der Siegeszug der "automatischen Fabrik" (John Diebold, 1952). Erwin Grochla führt in seinem Artikel "Automation" im "Handwörterbuch der Sozialwissenschaften"(Bd. 12, 1965) allein 130 Buchtitel aus den Jahren 1950 bis 1959 an.
Operational Research
Es st nun nicht schwer, sich auf Grund dieser skizzierten Entwicklung vorzustellen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg bald alles als "System" betrachtet zu werden begann, handle es sich dabei nun um einen Betrieb als ganzen, die Steuerung einer Werkzeugmaschine, ein Elektronengehirn oder einen Organismus, einen Verstärker oder eine Zelle, ein Warenlager oder den Menschen am Arbeitsplatz - das "Mensch-Maschine-System".
Eines der interessantesten Beispiele für die Untersuchung des letzteren ist das "Operational Research" (OR), das die Engländer zu Beginn des Zweiten Weltkriegs durchführten, um mit Hilfe des soeben zur technischen Brauchbarkeit gelangten Radars eine wirksame Luftverteidigung durch die ebenso präzise wie schnelle Koordinierung der Radarstationen, der Luftwaffenbefehlshaber und der Jagdflieger zu gewährleisten. Diese neue Methode der optimalen Einsatzplanung von Menschen und Maschinen, Sachmittel und Werkstoffen wurde über längere Zeit im militärischen Bereich weiterentwickelt, woraus sich in den sogenannten "Denk-Tanks" wie der RAND-Corporation in Santa Monica die "Systemanalyse" ergab.
Recht bald erkannte man, dass sowohl OR - auf deutsch meist Unternehmensforschung - als auch Systemanalyse im zivilen Bereich ebenfalls zu leistungsfähigen Verwaltungsinstrumenten ausgebaut werden konnten (Manchester Joint Research Council: Operational Research – Its Application to Peace-Time Industry, 1950; David M. Sparling et al.: Operations Research and Business, 1953; Joseph F. McCloskey /Florence N. Trefethen (Hrsg): Operations Research for Management, 1954/56; Norman Norton Barish: Systems Analysis for Effective Administration, 1951). Die Idee der Systemanalyse drang 1961 bis in die höchste Regierungsebene in den USA vor, und Robert McNamarra machte sie, als John F. Kennedys Verteidigungsminister, zur Grundlage des Planungs-Programmierungs-Budgetierungs-Systems (PPBS), das 1965 auch in den zivilen Ministerien eingeführt wurde - freilich mit wechselhaftem Erfolg. Nigel Calder scheut sich auf Grund der enttäuschenden Erfahrungen nicht zu schreiben (in „Technopolis“, engl. 1969; dt. 1971): "1968 sah es so aus, als würde die Systemanalyse auf dem zivilen Regierungssektor sehr lange Zeit brauchen, um sich zufriedenstellend zu entwickeln, und als könne sie das überhaupt nur erreichen, indem sie die Selbständigkeit der verschiedenen Regierungsressorts, der Regierungen der Einzelstaaten und der Stadtverwaltungen beschränkte. Es handelt sich um eine Verfahrensweise, deren Anwendung totalitären Staaten oder armen Ländern der Dritten Welt leichter fallen dürfte".
Ebenfalls 1965 begann die Schweizer Armee mit Hilfe von OR-Studien nach einem Nachfolger für den Mirage zu suchen. Das Unternehmen "Flugzeugbeschaffung" endete unglücklich. Hier bewahrheitet sich die lakonische Feststellung: Der Systemansatz schafft nur bessere Voraussetzungen, gibt aber keine Gewähr für optimale Lösungen.
Systems Engineering
Mehr als a nur dem Namen nach verwandt mit dieser Art von Systemanalyse ist das "Systems Engineering" - auf deutsch meist Systemplanung oder Systemtechnik genannt. Doch hier beginnt nun recht eigentlich die begriffliche Konfusion, der wir bisher aus dem Weg zu gehen versuchten.
Was bei den einen Systemanalyse heisst, ist bei den andern Systems Engineering oder Systemtechnik usf. und umgekehrt. So sprechen etwa die Mitarbeiter des Betriebswissenschaftlichen Instituts der ETH Zürich von Systems Engineering, diejenigen des Instituts für Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen von Systemmethodik und diejenigen des von ETH und Universität Zürich gemeinsam getragenen Instituts für biomedizinische Technik von Systemanalyse. (Diese Institute sowie das Interdisziplinäre Forschungszentrum für die Gesundheit am Kantonsspital St. Gallen und weitere Arbeitsgruppen an der ETH Zürich befassen sich intensiv mit der Theorie und Anwendung des Systemansatzes, vor allem auch zum Behuf der interdisziplinären Verständigung.) Erwähnt sei noch, dass der ostdeutsche Elektro- und Regelungstechniker Gerhard Wunsch seinem dreibändigen Lehrbuch der Systemtheorie den Titel "Systemanalyse“ gab.
Wer aufmerksam Stelleninserate studiert, findet weitere Anlässe zur Verwirrung.
Nun, auf den Namen kommt es gar nicht so sehr an. Wichtig ist, dass sich diese Bemühungen in der Betrachtung irgendwelcher Objekte beliebiger Komplexität als System treffen und sich als Methoden, Techniken, Vorgehensweisen darstellen, mit deren Hilfe solche Objekte analysiert oder geplant, gesteuert oder aufgebaut werden können. Diese neue Betrachtungsweise lässt sich in jeder wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Disziplin fruchtbar anwenden, was auch in zunehmendem Masse geschieht. Damit verbunden ist freilich gegenwärtig eine Aufsplitterung in verschiedene Richtungen und damit in steigendem Masse eine Entwicklung von der gemeinsamen Basis weg.
„Mathesis universalis“
Zur Überwindung dieses Partikularismus hat Bertalanffy schon 1951 die "General Systems Theory" als "A New Approach to the Unity of Science" resp. 1957 die "Allgemeine Systemtheorie" als "Weg zu einer neuen Mathesis universalis" vorgeschlagen. Sie wurde bislang in Europa nicht recht heimisch. Bis auf den heutigen Tag gibt es keine genuine Darstellung von ihr in deutscher Sprache. …
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