Herkunft des Operations Research
ca. 1940-1960
Notizen, Frühling 1974
Siehe auch: Die Systemwissenschaft hat viele tiefe Wurzeln Systemwissenschaft – Herkunft und Grundprobleme Definitionen von Operations Research Herkunft des Operations Research: Zitate
Die "vergleichsweise neue geistige Bewegung", schreibt Nigel Calder in "Technopolis" (1969; dt. 1971, 203) "begann in Grossbritannien mit den ersten Entwicklungen der Radartechnik. Da sich die militärische Krise schnell näherte, hatten die Streitkräfte wenig Zeit, die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie zu erproben. Ein wirksamer Radareinsatz bei der Luftverteidigung war völlig von der schnellen Koordinierung der Radarstationen, der Luftwaffenbefehlshaber und der Jagdflieger abhängig. Dieses Mensch-und-Technik-System wurde notwendigerweise selbst zum Gegenstand der Forschung - des 'Operations Research' (auch 'OR' genannt). Die Methodik der Untersuchungen breitete sich aus, und auch für andere militärische Aufgaben, so etwa für die Zivilverteidigung, die U-Boot-Bekämpfung, die Bewertung neuer Waffen und die Planung von Invasionen auf dem Seewege liess sich daraus aufsehenerregender Nutzen ziehen." In den USA waren ähnliche Bemühungen im Gange, vor allem für die Steuerung der Flugabwehrartillerie.
Diese vorwiegend theoretischen Problemanalysen führten zur "Kybernetik". Norbert Wiener beschreibt die Vorgeschichte in seinem gleichnamigen Buch (1948 - deutsch 15 Jahre später, 1963). Bedeutsam waren ferner die von John von Neumann und Oskar Morgenstern entwickelte "Spieltheorie" (1944 - deutsch erst 1961), die von Claude Shannon und Warren Weaver ausgearbeitete "Informationstheorie" (1948/49) und die Untersuchungen von Warren McCulloch und Walter Pitts über das Nervensystem (1943).
Sehr bald wurden diese Bestrebungen auch für die Industrie fruchtbar gemacht. Sie wurden zur wissenschaftlichen Grundlage für Arbeitsstudien, Managementstudien und die Industriebetriebslehre. Von entscheidender Bedeutung wurde der Einsatz von Computern.
Seit 1946: RAND-Corporation
1946 wurde in einem Vorort von Los Angeles die "Research and Development Corporation“ (RAND-Corporation) gegründet, der erste "Think Tank", den die US-Luftwaffe zur Analyse militärischer Operationen aufbaute und unterhielt. "Sie vollbrachte Anfang der fünfziger Jahre ihre erste grosse Leistung mit einer Studie über die Verteilung der Atombomber des Strategischen Luft-Kommandos (SAC), bei der es vor allem um die Verletzlichkeit der Flugzeuge am Boden ging", schreibt Calder.
Aus dieser Schule kommt beispielsweise Herman Kahn, der später mit Anthony J. Wiener und andern das Hudson-Institute (N. Y.) gründete und durch seine Schriften über nukleare Kriegsführung (1960/65), „das Undenkbare" (1962) und „The Year 2000" (1967, dt.: „Ihr werdet es erleben", 1967) Aufsehen erregte. In letzterem Buch nennt er übrigens Bertalanffy als Begründer der "Allgemeinen Systemtheorie". Bekannt wurden auch die "Delphi-Prognosen" des RAND-Direktors Olaf Helmer (zusammen mit Theodore Jay Gordon 1964).
1950er Jahre: Ausbreitung des Operations Research
Seit 1952 hielt das Case Institute of Technology jährlich Kurzseminare über OR ab (aus Vorlesungsunterlagen entstand dann 1957 C. West Churchmans "Introduction to Operations Research"). 1953 fand der erste Sommerkurs in OR am Massachussetts Institute of Technology statt. Gleichzeitig begann sich OR in der US-Industrie durchzusetzen.
Besonders gefördert wurde diese Bewegung durch die Operations Research Society of America und das Institute of Management Sciences mit den Zeitschriften "Operations Research" (1953ff), "Journal“ of the ORSA, "Management Science " (1955ff) und "Administrative Science Quarterly" (1956ff), ferner durch die American Management Association (ab ca. 1953) - die 1953 "Automation and other Technological Advances'' und 1954 "The Impact of Computers on Office Management" herausgab und von der 1958 auf deutsch "Operations Research, Mittel moderner Unternehmensführung" herausgegeben wurde -, die Society for Advancement of Management (ab ca. 1958) und die Operational Research Society, London (Zeitschrift: "OR Quarterly", 1950ff).
1957 fand die erste Internationale Konferenz über Operational Research in Oxford (Grossbritannien) statt; im selben Jahr wurde der Arbeitskreis "Operational Research* beim AWF (AKOR) gegründet; er führte z. B. im September 1959 eine Tagung in Salzburg durch. 1961 wurde die Deutsche Gesellschaft für Unternehmensforschung (DGU) gegründet. Die führenden deutschen Zeitschriften in diesem Bereich heissen "Unternehmensforschung (Operations Research)" (1957ff; hrsg. von der DGU), "Qualitätskontrolle und Operational Research" und "Ablauf- und Planungsforschung (OR)'', Organ des AKOR, 1961ff.
Seit 1960 finden übrigens an demselben Case Institute of Technology die "Systems Symposiums" der Society for General Systems Research statt; die "Proceedings" erschienen 1961 (D. P. Eckman), 1964 (Mihailo D. Mesarovíć) und 1968 (Mihailo D. Mesarović).
„forecasting“: Der „Griff nach der Zukunft“
In seinem Buch “Die Zukunft hat schon begonnen“ (1952) beschreibt Robert Jungk auch den "Griff nach der Zukunft", der ebenfalls Anfang der fünfziger Jahre die Gemüter und Firmen bewegte.
Der Chemiekonzern Du Pont war einer der ersten, der sich mit der planmässigen Beobachtung von Trends und Extrapolationen beschäftigte; andere Institutionen des "forecasting" sind die RAND-Corporation (184), die "Brookings Institution", der "Twentieth Century Fund" und die 1956 gegründete „Systems Laboratory Corporation“ in Kalifornien (204). Die bekanntesten einzelnen "forecaster" waren damals Louis Bean (181) und Wassily Leontief (der Erfinder des "statistischen Gitters", der Input-Output-Analyse).
Wie sehr man trotz dieser Vorausschauen und Marktforschung sich verrechnen kann, zeigen etwa die gescheiterte Einführung des Kunstleders Corfam für Schuhe (1964-1971 produziert) durch Du Pont oder die bisher nicht erfüllten Prognosen Gordon Helmers aus dem Jahre 1964.
"Aufbauend auf dieser Tatsache von der 'Voraussagbarkeit' der Erfindungen haben amerikanische Grosskonzerne, wie zum Beispiel die 'General Electric', zur Schulung begabten Nachwuchses 'Schulen für Erfinder' eingerichtet, in denen 'Erfinden' als die Kunst der Kombination von zwei Bekannten zur Schaffung eines noch unbekannten Dritten gelehrt wird", schreibt Jungk. In Zusammenhang mit der Weltraumfahrtindustrie erwähnt er den "science fiction research" mit den Zweigen "Prophecy Analysis", "Prognostication Dynamics" und "Prediction Engineering" (206).
Auch das Bemühen, "Fabriken ohne Menschen" zu bauen, ist erwähnenswert. Die automatische Kontrolle eines Produktionsprozesses wurde Jungk schon Anfang der fünfziger Jahre in den "David Sarnoff Research Laboratories" der RCA am Rande der Universitätsstadt Princeton vorgeführt (176). Ein "Produktionsplaner" hatte nur an einem "Elektronengehirn" durch die Herstellung einiger Kontakte die Produktionsaufgabe zu stellen. Schliesslich erwähnt Jungk auch noch die Anwendung der Spieltheorie und der Computer-Simulation bei Fragen des „weltpolitischen Pokers" und der Luftkriegsstrategie (183).
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