Nach Lukrez: "De rerum natura"
http://www.thelatinlibrary.com/lucretius.html http://www.thelatinlibrary.com/horace/carm2.shtml
siehe auch: Zur Ethik von Gesamtsystemen
Um sein Leben gut zu gestalten, ist alles auf der Erde vorhanden. Irdische Güter sind leicht zu erlangen, geistige oder göttliche aber nur mit Schwierigkeiten.
Motto: vivere aequo animo, gleichmässig, ohne Auffallen zu erregen, unbemerkt.
Doch der Mensch wollte Sicherheit im Leben durch Anhäufung von Geld etc. Das geht nicht. - Ruin, Neid der Andern wirft sie hinunter.
Sisyphus. Verfolgt falsche Ziele, nämlich Macht und Besitz. Mühsamer Aufstieg auf schmalen Pfad, den zu erstreben sie von andern, von zweiter Hand erfahren haben; d.h. es ist nicht natürlich.
Den Gedanken des vivere aequo animo oder mit der mens aequa finden wir auch in den Werken von Horaz (Oden II, 3 und 10). Er gibt einem gewissen Dellius den Rat:
"Erhalte sorgsam, waltet die böse Zeit, Dein Herz in Gleichmut, doch in der guten auch Von ungezähmtem Wonnetaumel, Dellius, rein! o du Raub des Todes;
Ob du im Kummer jegliche Frist gelebt; Ob feiertäglich auf der geheimen Au Zurückgelehnt du dich beseligt Mit dem verwahrteren Krug Falerners."
Das ist also die Beschwörung, die mens aequa in jeder Lebenssituation zu gebrauchen, da es nach dem Tode nicht mehr darauf ankommt, was man vorher getrieben hat. Man darf also das Leben, wenn auch mit vernünftigen Einschränkungen, geniessen.
Die Warnung vor einem allzuhohen Streben zu Lebzeiten folgt bald darauf an Licinius: "Öfter wankt vom Winde bewegt der Fichte Riesenwuchs; viel schmetternder kracht hinunter Hoher Thürm' Einsturz; und es schlägt des Berges Gipfel der Donner." (Übersetzung von J. H. Voss)
Wie bei Lukrez durch Neid so droht auch hier dem Emporstrebenden der Neid, den er erweckt bei den Göttern und den Menschen. Dieser Neid wird verkörpert durch Naturgewalten wie Wind und Blitz, die einander gleich gestellt sind und versuchen, alles was über das Normale, über die mediocritas hinausragt, umzulegen und zu Fall zu bringen.
Die Essenz all dieser Lebensregeln ist also: Das richtige Verhalten gegenüber günstigem und ungünstigem Schicksal, aber nicht nur die massvolle Seelenstimmung, sondern Hoffnung und Furcht sollen zum Handeln führen Tatkraft in bedrängter Lage und Selbstbeschränkung im Glück leiten hinauf oder hinab zur mediocritas.
Aus einem Latein-Vortrag, Herbst 1961
Dr. phil. Roland Müller,
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