Stichworte für einen Volkshochschulkurs, 1.6.1987
1. Es wird zwar behauptet, fast alle menschlichen Handlungen seien Entscheidungshandlungen (z. B. Hans Thomae 1974), aber wenn man an Vorgänge wie Wahrnehmen und Fühlen, Vorstellen und Erwarten, Lernen und Vergessen, Sich-Ausdrücken und Gestalten oder an Körperbewegungen und Stoffwechselvorgänge denkt, dann bilden "Entscheidungen" nur einen kleinen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der menschlichen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen.
2. Es erfordert auch nicht jede Situation eine Entscheidung. Vielfach ist "nur" die Reaktion auf einen Reiz (Signal), die Ausführung eines Befehls oder die Durchführung von Routineaufgaben gefordert.
3. Die Literatur unter dem Titel "Spiel- und Entscheidungstheorie" betrifft mehrere unterschiedliche Bereiche menschlichen Handelns, darunter: a) Wählen (choice), Wetten (betting) und Bieten (bidding) b) Urteilen (judgment) und Schätzen (estimate); auch: inductive reasoning, inference.
4. Es gibt zwei grosse Gruppen von Entscheidungstheorien: a) solche, die das reale Verhalten von Aktoren beschreiben und zu erklären versuchen = deskriptive, empirisch-realistische Theorien b) solche, die vorschreiben, wie man entscheiden sollte = präskriptive Theorien i) ethisch-normative Theorien für das richtige Handeln (sie sind kulturell konstruiert) ii) praktisch-normative Theorien, welche zur Auswahl einer optimalen oder "genügenden" Alternative führen (sie sind statistisch konstruiert) iii) technologische (praxeologische) Theorien, die zur besten Lösung führen (es handelt sich um Entscheidungsmethodik oder -technik) vi) Die Entscheidungs-Logik beschreibt das rationale Handeln (sie ist begrifflich konstruiert).
5. Bei deskriptiven Entscheidungstheorien wird die ganze Palette der Eigenheiten eines Aktors in Betracht gezogen, z. B. Dispositionen, Temperament, Motive, Überzeugungen, Gewohnheiten, Stimmungen, Informationen, Können.
Die präskriptiven Entscheidungstheorien dagegen berücksichtigen meist nur:
(Bei Zielkonflikten sind drei Lösungen denkbar: Zieldominanz, Zielschisma, Zielkompromiss.)
6. Die präskriptiven Theorien untersuchen Situationen, in denen die Wahl zwischen mehreren einander ausschliessenden Handlungsalternativen (= Aktionsfeld) zu treffen ist. Die Handlungen können sein: · einander ausschliessende
7. Zu welchen Ergebnissen die einzelnen Alternativen führen, hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Sie werden als Umweltzustände bezeichnet. a) Wenn eine Handlungsalternative ganz sicher zu einem bestimmten Ergebnis führt, spricht man von Entscheidung unter Sicherheit. b) Wenn das Ergebnis je nach Umweltzustand anders herauskommt, spricht man von Entscheidung unter Unsicherheit. Dabei sind drei Fälle unterscheidbar: · Die "Umweltzustände" werden von einem "vernünftigen" (rationalen) Gegenspieler bestimmt: Spieltheorie (z. B. Schach, Gefangenendilemma; Acme-Bolt) ·
Die "Umweltzustände" unterliegen dem Zufall
(die "Natur" ist der Gegenspieler).
8. Wahrscheinlichkeiten können objektiv gefasst oder subjektiv geschätzt (oder behauptet) sein. Bei den objektiven gibt es zwei Gruppen: mathematische (logische) und statistische (frequentistische; extrapolierte). Wenn ein Subjekt durch Beobachtung von Umweltzuständen lernt, kann es seine (subjektiven) Wahrscheinlichkeiten modifizieren. Das ist die sogenannte "Bayes'sche Statistik".
9. Für Entscheidungen unter Sicherheit kann man eine Zielgrössenmatrix zeichnen. Einfache Spielsituationen können in einer "Normalform" dargestellt werden. In den anderen Fällen können Handlungsalternativen und Umweltzustände in einer Matrix-Darstellung kombiniert werden; das ergibt eine Ergebnismatrix.
10. Die optimale Alternative kann nun anhand bestimmter Entscheidungsregeln (siehe Entscheidungsmaschine) bestimmt werden. Solche sind im allgemeinen: a) das Dominanzprinzip b) die Zielfunktion bestehend aus: · Präferenzfunktion (d. h. die Angabe, wie viel die einzelne Alternative zur Erreichung des Zieles beträgt) ·
Optimierungskriterien, nämlich Erreichen
eines bestimmten Werts: · Nutzenfunktion als Bewertung des einzelnen Ergebnisses.
11. Entscheidungsregeln für Unsicherheit sind: a) das
Mini-Max-Kriterium (Wald-Kriterium; 1950; wenn pessimistisch; auch:
Maximin, vor allem beim Spiel): b) das
Maxi-Max-Kriterium (wenn optimistisch): c) das
Hurwicz-Kriterium: d) Das Laplace-Kriterium (Indifferenzprinzip) beruht auf dem Durchschnitt aller Ergebnisse e) Beim Savage-Niehans-Kriterium (1948, 1951) wird das maximale Bedauern minimiert (auch: Mini-Max-Regret-Kriterium). f) Weitere Bedauerns-Minimierungen sind möglich. g) Analog sind auch Frohlockens-Maximierungen (Maximax-Frohlocken; Walter Adolf Jöhr, 1952; Gérard Gäfgen, 1963) möglich. (Das Bedauern lässt sich mathematisch fassen. Es ist die Differenz zwischen dem grösstmöglichen und dem kleinste Gewinn. "Psychologisch" ist das Bedauern, wenn wir sehen, was uns durch die Wahl einer Handlungsalternative alles entgangen ist.)
Ein weiteres Prinzip wurde von Herbert A. Simon formuliert: das Satisfizing-Prinzip. Man nimmt die erstbeste Lösung.
12. Je nach verwendeter Entscheidungsregel ist eine andere Handlungsalternative optimal (siehe Entscheidungsmaschine). Es kommt also darauf an, worum es dem Aktor geht. Oder umgekehrt: Jede Alternative, wie wir handeln können, ist in einer bestimmten Hinsicht optimal. Es kommt ganz einfach darauf an, was wir erreichen wollen. Es sind also nicht die Umstände, sondern die Ziele, welche die beste Lösung in einer Entscheidungssituation bestimmen. Die Entscheidungsregeln werden ja durch die Ziele definiert, und diese Ziele können ganz verschieden sein.
13. Entscheidungsregeln für Risikosituationen sind: a) das m-Kriterium (Bayes-Regel;
EV-Maximierung): b) das m-s-Kriterium: c) das
Bernoulli-Prinzip (SEU-Maximierung):
(Weitere Möglichkeiten sind: m-emin; m-f; m-v; m-V.)
14. Nutzen ist der Beitrag, den eine Handlung zur Erreichung eines Zieles leistet. Dazu müssen wir die Ziele inhaltlich bestimmen, das kann sein:
Vielfach sind unsere persönliche Ziele gar nicht so klar. Dann ist eine Umdrehung der Optik empfehlenswert. Ich kann mich fragen: "Was verliere ich, wenn ich dies oder das tue?" oder: "Was verlieren die andern, wenn ich dies oder das tue?"
15. Bei Spiel-Situationen, die ausserordentlich vielfältig sind, spielen häufig Macht, Drohung und Abhängigkeit eine Rolle. Statt Entscheidungsregeln braucht man hier "Strategien", also Aktionspläne.
16. Wenn man Entscheidungen unter Risiko im zeitlichen Verlauf (d. h. "mehrperiodig") betrachtet, ergibt sich ein Zustands- oder Entscheidungsbaum. Abfolge und Ausmass der Ergebnisse sind ja von der jeweils gewählten Handlungsalternative abhängig. Das erfordert: a) Amalgamierung von Präferenzfunktionen b) flexible Planung. Bei der flexiblen Planung können 3 Verfahren zur Ermittlung der optimalen Strategie angewendet werden:
Literatur
Michael Bitz: Entscheidungstheorie. München: Vahlen 1981. Helmut Laux:
Entscheidungstheorie. Berlin: Springer; I: Grundlagen, 1982;
Webmaster by best4web.ch |