HomeWie die Götter Modelle schaffen und verwenden

 

siehe auch / see also: Deutungen der Architektur

 

 

Vorweggenommen:

  • a) Götter arbeiten nach Modellen

  • b) geben dem Menschen Modelle für irdische Dinge in die Hand und

  • c) dienen irdischen Belangen selbst als Modell.

 

 

Gott als Baumeister

 

Das Bild von Gott als Baumeister stammt von den Alten Ägyptern. In manchen Quellen wird Ptah, der die Welt durch Herz (Wissen, Verstand) und Zunge (Wille, Wort) schafft, auch der Göttliche Bildner oder Künstler genannt. Für das einfache Volk war er stets der "Oberste der Handwerker". Auch im ägyptischen Totenbuch (um 1500 v. Chr.) wird Gott als Baumeister aufgefasst. Ähnlich im Talmud.

 

In der verhältnismässig systematischen Schöpfungsgeschichte der Babylonier (14. Jh. v. Chr.) "vermass" Marduk die Wohnstätte Apsus, des uranfänglichen Wassers, errichtete die "Grosse Wohnung" und, gegenüber Babylon, "ein Haus, das soll mein prachtvoller Wohnsitz sein". Schliesslich galten auch in Indien der vedische Gott Tvashtri und sein hinduistischer Nachfolger Visvakarma als himmlische oder "göttliche Baumeister".

 

Im "Historischen Wörterbuch der Philosophie"( 1984, Sp. 45) lesen wir:

"Nach Platon hat der Demiurg den Kosmos nach geometrischen Urbildern aus einem je schon vorhandenen Stoff gebildet; Augustin lässt nach christlichen Voraussetzungen Gott als Weltschöpfer auftreten, der urbildliche Ideen und ewige Wahrheiten in die von ihm hervorgebrachte Welt investiert. Leibniz spricht diese geistigen Formen als 'Modelle' an, nach denen sowohl die Natur ihre Gebilde produziert, welche aber zugleich auch als Vorbilder für menschliches Erkennen dienen. In dieser Tradition kommt eine Verbindung von technischem und theoretischem Modell-Begriff im Zeichen einer philosophischen Theologie zustande, für die Gott nach dem Modell seiner Ideen die Welt geschaffen hat, wobei diese hinwiederum Modelle für menschliche Erkenntnis sind."

 

Betrachten wir dies noch etwas genauer (vgl. auch Ernst Robert Curtius 1967):

 

a)

Wichtige Teile des zweiten Buch Moses (Exodus) wurden etwa um 500 v. Chr. verfasst. Darin wird berichtet, wie Gott zu Moses folgendes spricht: "Genau nach dem Urbild der Wohnung (für das Heiligtum, R. M.) und nach dem Urbild aller ihrer Geräte, das ich dir zeigen werde, so sollt ihr es machen."(2. Mose 25,9).

Dieses Bild wird von Platon (um 370 v. Chr.) im "Staat" aufgenommen. Da ist die Rede davon, dass die Maler für den Staat einen Plan nach einem göttlichen Ideale entwerfen müssten (550E) und dass es für jeden guten Staatsbürger ein "himmlisches Mustervorbild" gebe (529B).

 

b)

Doch Gott schafft nicht nur Modelle im Himmel, er arbeitet, "schöpft" selber nach Modell.

 

In der Genesis (ebenfalls um 500 v. Chr.) heisst es zwar einerseits: Und Gott sprach..." (z. B. 1, 24), doch anderseits: "Und Gott machte all die verschiedenen Arten des Wildes und des Viehs und all dessen, was auf dem Erdboden kriecht "(1,25; ähnl. 2,19). Gott muss also ein Modell für jede Art vor Augen gehabt haben.

 

Bei Platon heisst es:

"Den Schöpfer und Vater dieses Alls zu finden ist freilich schwierig, und wenn man ihn gefunden hat, ist es unmöglich, sich für alle verständlich über ihn auszusprechen; doch muss man in betreff seiner wiederum dies untersuchen, nach welchem von beiderlei Urbildern (paradeigma) er als Baumeister diese Welt gebildet hat, ob nach demjenigen, welches stets dasselbe und unverändert bleibt, oder aber nach dem Entstandenen.

Wenn nun aber doch diese Welt schön und vortrefflich und der Meister gut und vollkommen ist, so ist es offenbar, dass er nach dem Ewigen schaute..." (Timaios 28ff).

Es könnte sein, dass von daher die vor allem im Mittelalter bildhaft gewordene Darstellung von Gott als Baumeister oder Werkmeister mit dem Zirkel in der Hand inspiriert worden ist.

 

c)

Drittens dient Gott selbst als Modell. In der Genesis heisst es: "Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde"(1.27). Bei Platon gilt Gott selbst als das rechte Mass aller Dinge (Legg. 716C).

 

Was ist in diesem philosophisch-theologischen Umkreis die Aufgabe des Menschen? Als Handwerker oder Künstler soll er sich nach der Idee dessen richten, was er gestalten möchte. Legendär ist das Beispiel bei Platon: Ein Handwerker, der einen Tisch herstellen will, muss wissen, was ein richtiger guter, Tisch ist, und "im Hinblick auf diesen" macht er seinen Tisch. Als Mensch allgemein soll er versuchen, Gott nachzuahmen und von der himmlischen Ordnung und Vernunftmässigkeit in seinem Leben ein Abbild darzustellen.

 

 

Literatur

 

Norbert Bischof: Das Kraftfeld der Mythen - Signale aus der Zeit, in der wir die Welt geschaffen haben. München: Piper 1996, ungekürzte Taschenbuchausgabe, 2. ed. 2000.

Ernst Robert Curtius: Gott als Bildner. In E. R. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 1948, 6. ed. 1967, 527-529.

Heide Göttner-Abendroth: Die Göttin und ihr Heros. Die matriarchalen Religionen in Mythos, Märchen und Dichtung. München: Verlag Frauenoffensive 1980, 11., erw. u. vollst. überarb. ed. 1997; engl. The Goddess and Her Heros. Stow, Mass.: Anthony Publ. Company 1995.

Pierre Grimal (Ed.): Mythologies. Paris: Larousse 1963; dt.: Mythen der Völker. Frankfurt: Fischer Bücherei, 3 Bde 1967, erneut 1977.

Günter Lanczkowski: Geschichte der Religionen. Frankfurt: Fischer Lexikon 1972.

J. M. Plumley: Die Alten Ägypter. In Carmen Blacker, Michael Loewe (Ed.): Weltformeln der Frühzeit. Düsseldorf: Diederichs 1977.

Ernst Topitsch: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Wien: Springer 1958, erneut 1980; München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1972.

 




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