Modelle: Archäologische Spekulationen - kurz
Über die kognitive Entwicklung, die
mentalen Modelle und die symbolischen Aktivitäten des Menschen
der Ur- und Vorzeit gibt es seit 1970 zunehmend dichtere
Spekulationen.
Altsteinzeit:
Werkzeugherstellung und Feuergebrauch, Jagd und symbolische
Aktivitäten
Volker Schurig legte 1976 eine
interessante Studie über die "Entstehung des Bewusstseins"
vor. Zur Phylogenese (Stammesgeschichte) der menschlichen
Kognition, Motivation und Moral haben die Zürcher Psychologen
Norbert und Doris Bischof (1978-93) zahlreiche fundamentale
Überlegungen zusammengetragen.
Dass Werkzeugherstellung (seit 2,5 Mio.
Jahren) und Feuerunterhalt (seit 1,5 Mio. Jahren) "mental
abilities" erforderten, hat der Archäologe John A. Gowlett
(1982, 1984) überzeugend nachgewiesen. Interessant ist auch
Thomas Grant Wynns Beschreibung der "evolution of spatial
competence" (1989).
Alexander Marshack (1972, 1976) sieht
seit etwa 500 000 Jahren "symbolische" Aktivitäten,
beispielsweise Kalendernotationen, graviert auf Rinderrippen, und
die gesprochene Sprache.
Seit Edward B. Tylors "Primitive Culture"
(1871) und Sigmund Freuds "Totem und Tabu" (1913) geistern
zahlreiche Spekulationen über Animismus und Totemismus,
Schädelkult, Opfer und Kannibalismus, Seelen- und
Geistervorstellungen des Homo erectus. Richard Fester (1974, 1978)
und Marie E. P. König haben in den 70er Jahren eine
ursprünglich weibliche und eine runde Weltordnung
behauptet.
30 000 v. Chr.: "Explosion" der
Kreativität und des symbolischen Verhaltens
Immerhin: Seit 30 000 Jahren haben wir
eine derartige Fülle von künstlerischen Erzeugnissen,
Höhlenmalereien und Zeichnungen, Plastiken und Schmuck, dass
die Archäologin Margaret W. Conkey (1978, 1997) von einer
"Explosion des symbolischen Verhaltens" spricht. Der
Wissenschaftsredaktor John Edward Pfeiffer hat in einem
wunderschönen Buch die "Creative Explosion" (1982)
nachgezeichnet.
Jungsteinzeit: Der Mensch wird
sesshaft
Gemäss der Archäologin Marija
Gimbutas (1974) gibt es bereits seit 6000 v. Chr. Haus- und
Tempelmodelle in Osteuropa, ab 3500 v. Chr. folgen sogenannte
"Schreine" mit Figürchen und Ossuarien (Bestattungsurnen).
In Catal Hüyük (6000 v. Chr.)
wurden unter anderem Kultschreine und Backöfen,
Töpfereien, Plastiken aller Art, Lehmziegel und Siegelstempel
ausgegraben. Seit etwa 3700 v. Chr. (Sialk III) wird Kupfer in
Steinformen gegossen.
Seit dieser Zeit finden sich auch
immer häufiger liebevoll gearbeitete kleine Modelle von
Häusern, Schiffen, Wagen und Gespannen, später auch von
handwerklichen Szenen (z. B. die kornreibende Magd, die
bierbrauende Dienerin) als Grabbeigaben. Bei Prozessionen wurden
ausser Opfergaben auch Kultsymbole und grosse Tierfiguren in
feierlichem Zug zum Tempel getragen.
Grundrisse von Häusern, Festungen
und Stadtmauern finden sich seit 2800 v. Chr. auf Paletten.
Backmodel, Speckziegel und Spielsachen wurden in Mohenjo Daro (2500
v. Chr.) gefunden. Seit etwa 2000 v. Chr. sind Gliederpuppen
erhalten. Wunderschön sind die Puppenhäuser, die im Grab
des Mehet-Rê (2000 v. Chr.) gefunden wurden.
Mythen: Erklärung des
Unbekannten durch Bekanntes
Schöne Schilderungen der alten
Mythologien haben Ernst Topitsch ("Vom Ursprung und Ende der
Metaphysik" 1958) und zahlreiche Gelehrte an einem Vortragszyklus
in Cambridge, England, geboten (Carmen Blacker, Michael Loewe:
"Ancient Cosmologies" 1975). Eine breite Übersicht geben
Mircea Eliade (1959; 1974), Pierre Grimal (1963) Alexander Eliot
(1976; 1990; 1993) und Roy Geoffrey Willis (1993).
Feministische Deutungen geben Elisabeth
Gould Davis (1971) in The "First Sex" und Heide
Göttner-Abendroth in ihrer erfolgreichen Zusammenstellung "Die
Göttin und ihr Heros" (1980).
1996 legte der biologische Psychologe
Norbert Bischof seinen Wälzer "Das Kraftfeld der Mythen -
Signale aus der Zeit, in der wir die Welt geschaffen haben"
vor.
Für Mythologie siehe Literaturliste:
Mythologie/ mythology - myths
Literatur
siehe / see:
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