Osterinsel (Rapa Nui)

 

 

                     

 

                     

 

                      

 

                      Ein neuer Tag beginnt

 

 

3.2.

 

Vor lauter Ferien habe ich über eine Woche lang vergessen, meine Antibiotika einzunehmen.

 

 

Die Osterinsel: Ganz rechts der magische Maunga Pukatikei, bereits in den Wolken

 

                                                                                                                                     

Als ich gegen neun Uhr der Osterinsel ansichtig wurde, erfasste mich Begeisterung und murmelte vor mich her: „Das ist reine Magie!“

 

Die Vulkaninsel ist fast völlig flach, nur ein paar Vulkanbuckel ragen über die mit Gras und niedrigen Stauden bewachsene karge Landschaft, die mit kleinen Brocken von Tuff übersät ist.. Der östliche flache Vulkankegel, der mir in die Augen stach, war der Maunga Pukatikei, 400 Meter hoch, sehr symmetrisch, mit einer Plattform für den Toten- und Ahnenkult auf der Spitze und einer weiteren auf halber Höhe. Leider wurde die Magie bald durch Regenschwaden getrübt, und beim Vorbeifahren mit dem Van zeigte sich, dass die „Plattformen“ wohl eher kleine Wäldchen sind.

 

 

 

Die Vulkanbuckel hinter der Hauptstadt Hanga Roa (ca. 4000 Einwohner) im Regen

 

 

Insgesamt hatten wir bei unserem fünfstündigen Landausflug enormes Wetterglück. Immer wenn wir im Van sassen, regnete es. Spazierten wir jedoch übers Gelände, war es trocken oder schien gar die Sonne. Nur bei der grössten Grabanlage, Ahu Tongariki nieselte es. Der Reiseführer behauptete, es habe zwei Monate lang nicht geregnet, darum sei alles völlig ausgetrocknet und staubig.

 

Der erste Eingeborene, den ich am Landungssteg sah, glich in Aussehen und Kopfschmuck Mike. Aus dem Lautsprecher des Vans erklang die Elisabethenserenade, und es begann zu sträzen. Ein seltsames Gefühl, mit einem Computer zwischen den Knien (ich erwog einen Besuch in einem Internet-Café) auf einer breiten Asphaltstrasse durch eine unwirtliche Landschaft gefahren zu werden. Die Insulaner haben nahezu alle Wälder abgeholzt und die Weiden übernutzt.

Immer wieder stehen am Strassenrand oder sogar mitten auf der Strasse Kühe und Stiere oder elegante, wenn auch magere, Pferde und Fohlen.

 

Als Reiseführer amtete ein Einheimischer etwa in meinem Alter, der perfekt und deutlich englisch spricht. Er ist ein typischer Inselbewohner der Südsee: Sie kennen keine Berufe, sondern sie machen alles, was gerade notwendig ist: fischen und kochen, säen und ernten, fischen und züchten Tiere, bauen und roden, lernen und lehren, usw  Unser Begleiter hat Architektur und Anthropologie in Berkeley studiert, betreibt eine Herberge und ein Planungsbüro in der Hauptstadt (ein paar verstreute Häuser), züchtet Melonen und anderes Gemüse und versieht auch Transportdienste. Für Fachliteratur über die Kultur der Osterinsel verweist er auf amazon.

 

Als wir um sechs Uhr abends  am Landungssteg der Tender zurück sind, stehe ich wie üblich leicht verlegen herum, so dass ich mich bald zwei Ehepaaren anschliessen kann, die sich noch zum Zeremonialdorf Orongo auf dem Vulkan Rano Kau hinauf chauffieren lassen wollen. Wir sind dort mutterseelenallein und geniessen den weiten Ausblick, die wärmende Spätnachmittagssonne und den Wind, der uns, das Gras und die niederen Stachelbüsche sanft streichelt.

Als wir uns nach dem Rückweg zwanzig Meter vor dem Van befanden, begann es wieder zu regnen.

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Ahu Nau Nau im Norden der Osterinsel. Da die Statuen (Moai) bei einem Erdebeben, ca. 1968, vornehinaus in den Sand stürzten und unter weiterem Sand begraben wurden, konnten sie später unversehrt wieder aufgerichtet werden. Vier der fünf Figuren tragen einen tonnenschweren zylindrischen Hut. Ein Forscher konnte nachweisen, dass in den Augenhöhlen künstliche Augen eingesetzt waren

 

 

 

Der einzige Sandstrand der Osterinsel: auf dem linken Bild hinter Kokospalmen die Kultstätte von Ahu Nau Nau, auf dem rechten Bild der weissandige Strand von Anakena, an dem einst der erste König der Insel, Hotu Matua, landete

 

 

 

 

 

 

Ein Eingeborener mit imposantem Haarschmuck von der grössten Kultstätte der Osterinsel: Ahu Tongariki, die im Hintergrund rechts sichtbar ist. Im Mittelgrund Touristen, die im Nieselregen über die karge Ebene streunen

 

 

Ein typischer Moai von links (links) und rechts (rechts).

 

 

 

 

Ahu Tongariki: 15 kolossale Moai schön säuberlich aufgereiht – von vorne und von hinten. Rekonstruktion nach einem Tsunami, der 1960 die halbe Insel (und weitere Inseln im Pazifik bis Hawaii) in Mitleidenschaft gezogen hatte

 

 

 

Alle Moai wurden Im einzigen Steinbruch der Osterinsel am Hang des erloschenen Vulkans Rano Raraku hergestellt. Heute liegen noch 400 Gestalten in allen möglichen Bearbeitungsphasen und Positionen herum. Touristen dürfen nur auf markierten Wegen herumspazieren. Wenn jemand auch nur einen Schritt daneben tritt, ertönt ein scharfer Pfiff

 

 

Da stehen sie, diese stummen Köpfe.

Der stilisierte Leib, stets nur bis zu Genitalien und Hintern reichend, also ohne Beine, ist ein, zwei oder drei Mal so lang wie der langgestreckte Kopf und steckt hier stets mehr oder weniger tief (bis zu 7 m) im Boden

 

 

Alle Moai wurden mit Steinwerkzeugen (Obsidian = harter Basalt) aus dem Tuffgestein gemeisselt. Die grösste Gestalt misst 20 Meter, wiegt 350 Tonnen und war vermutlich gar nicht zum Transport vorgesehen. Dieser erfolgte üblicherweise schiebend den Hang hinunter. Dann wurde die Figur aufgestellt und am Rücken fertig bearbeitet. Hernach wurde sie aufrecht, im „Wiegeschritt“, zum Bestimmungsort gebracht - nicht auf Rollen oder Holzschlitten, wie der einheimische Reiseführer  betont. Die für den Transport breite Basis wurde schliesslich abgeschlagen, sodass die Statue schlank wurde

 

 

 

Eine zerbrochen Steinfigur am Fusse des Vulkans Rano Raraku, dem Steinbruch für die Moais

 

 

 

Der See im Vulkan Rano Kau (410 m) nahe bei der Hauptstadt Hanga Roa. Der Schlund ist 200 m tief und 1,6 km breit.

 

 

 

Petroglyphen (rongo-rongo) bei der Zeremonialstätte Orongo am Rande des Vulkans Rano Kau

 

 

Abendlicher Blick von der Zeremonialstätte Orongo auf die Vogelinsel (Motu Nui). Sie wurde aus Steinplatten für das Fest des Vogelmannes (Tangata-Manu) gebaut.

Bei einem Wettkampf musste ein Vertreter jedes Stammes schwimmend das erste Ei einer Seeschwalbe von der kleinen Insel ergreifen und unversehrt hierher bringen. Der Häuptling des Siegerstammes erhielt für ein Jahr den Titel „Vogelmann“ und die Macht über die anderen Stämme

 

 

Knapp rechtzeitig zurück zum Abendessen, trank ich fünf Gläser Weisswein, meine Tischnachbarin im selben Rhythmus fünf Gläser Rotwein. Etwa beim dritten Glas taute sie ein bisschen auf, sodass am Schluss nur noch wir zwei im Speisesaal sassen. Small talk, brrrr. Später sassen wir Rücken an Rücken – ich wollte sie in ihrem Sinnieren nicht stören – bei Anatolis Salonmusik. Ich kannte kein Stück und genehmigte mir drei Bacardi..

 

Nachdem Sibylle (66) und Helga (54) einer Broadway-Tanz-Show beigewohnt hatten, schlossen sie sich mir und Anatoli (ich schätze ihn auf über 70) an. Später dislozierten wir, ohne Anatoli, zur Casablanca-Bar. Ich trinke, zum Entsetzen von Sibylle, „Cola light“ und verdrücke auf ihre Veranlassung hin drei Baby-Hot-Dogs mit viel Senf. Als sich die schummrige Bar um halb Eins bis auf ein paar Mitglieder der Crew und eine kleine Gruppe Unentwegter geleert hat, wagte ich mich mit Helga für einige Foxtrott, präsentiert von DJ Wanda, auf die kleine Tanzfläche. Nachdem sie sich bequemt hat, sich von mir führen zu lassen, klappt es ganz gut.