Was ist Sustainability resp. Nachhaltigkeit?
Vielfach fehlt ein sauberer und konsequenter Gebrauch des Wortes Sustainability resp. Nachhaltigkeit. Dazu braucht es etwas Begriffsgeschichte.
"nachhaltig"
Das deutsche Wort "nachhaltig" wird seit Goethes Zeiten gebraucht im Sinne von: "lange nachwirkend, stark".
Wie so häufig, verschob sich in den letzten Jahrzehnten der Gebrauch des Wortes unter dem Einfluss einerseits der geistesgeschichtlichen Entwicklung, anderseits des Englischen.
Das Konzept "Nachhaltigkeit"
Das Konzept "Nachhaltigkeit" wurde durch die "Word Conservation Strategy" (1980) der IUCN und den sog. Brundtland-Bericht der Uno ("Our Common Future" 1987) vorbereitet und durch die Rio-Konferenz von 1992 weltweit verbreitet. Als "nachhaltig" wurde im Brundtland-Bericht eine Entwicklung definiert, die "die Bedürfnisse der Gegenwart deckt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken".
1992 publizierte der Schweizer Industrielle Stephan Schmidheiny zusammen mit dem Business Council for Sustainable Development: "Kurswechsel. Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt." Darin wird die Öko-Effizienz definiert: "Unternehmen gelten als öko-effizient, wenn sie auf dem Weg zu langfristig tragbarem Wachstum Fortschritte machen, indem sie ihre Arbeitsmethoden verbessern, problematische Materialien substituieren, saubere Technologien und Produkte einführen und sich um die effizientere Verwendung und Wiederverwendung von Ressourcen bemühen" (S. 38).
Und nun kommt das Wichtigste: Mittlerweile hat sich eine erneute Bedeutungsverschiebung, nämlich eine Präzisierung ergeben! Heute sieht man das Ziel Nachhaltigkeit (Sustainability) viel umfassender: Es erfordert eine gleichzeitige Beachtung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Faktoren.
Der weltweite Sustainability-Index
1995 wurde in der Schweiz die Sustainable Asset Management AG (u. a. von Alfred Ritter und Bernd Grohe) als Vermögensverwaltungsgesellschaft gegründet. Gemeinsam mit dem führenden Indexanbieter Dow Jones Indexes hat die SAM im September 1999 den weltweit ersten Sustainability-Index an den internationalen Finanzmärkten eingeführt. Dieser Dow Jones Sustainability Group Index (DJSGI) misst die Wertsteigerung von rund 220 nachhaltig geführten Grossunternehmen aus 33 Ländern. Die SAM hat in jüngster Zeit mehrere Fonds lanciert:
Definition des DJSGI
Englisch: Sustainability-driven companies achieve their business goals by integrating economic, environmental and social growth opportunities into their strategies. There is mounting evidence that their financial performance is superior to that of other companies.
Deutsch (Vorschlag): Sustainability (Nachhaltigkeit) bedeutet für ein erfolgreiches Unternehmen die gleichzeitige Beachtung von
· ökologischen Belangen, wie Bevölkerungsentwicklung, Ressourcenverzehr, Umweltbelastung und -verschmutzung; ferner Life-Cycle-Costing und Öko-Effizienz · sozialen Belangen, wie Ansprüchen der Mitarbeiter und Anspruchsgruppen, ferner ethisches und legales Verhalten · wirtschaftlichen Belangen, wie leistungswirtschaftliche Ziele (Markt, Produkt, Produktivität), finanzwirtschaftliche Zielen (Liquidität, Gewinn, Wirtschaftlichkeit); ferner "to be a good citizen" (schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern, fördert die Region).
Unternehmen, die Nachhaltigkeit praktizieren, sind erfolgreicher oder zumindest wettbewerbsfähiger als andere.
Völlig ungenügend ist die Behauptung: "Sustainability ist ein zukunftsweisendes Konzept, da es den Ansprüchen der Konsumenten auf eine bessere Lebensqualität bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen gerecht wird." Sustainability berücksichtigt auch die Ansprüche der Mitarbeiter und Shareholder sowie vieler weiterer Anspruchsgruppen. Auch Ressourcenschonung greift zu kurz. Es geht auch um Wirtschaftlichkeit, Profit usw.
Und die Ethik?
Aber in vielen Artikeln zum Thema und bei manchen Übersichten wird von "sozial-ethischen" oder "ethisch-ökologischen" Geldanlagen gesprochen.
Ferner wird manchmal erwähnt, dass nicht in Firmen folgender Branchen investiert wird: Alkohol, Nikotin, Spielautomaten, Waffen, Erotik, Flugzeuge, Atom-Industrie, usw.
Häufig wird auch die Wendung "umwelt- und sozialverträglich" verwendet.
Das greift zu kurz. Es geht um viel mehr als um "Verträglichkeit". · Es geht auch z. B. um Umwelterhaltung (früher sogar Umweltschutz). · Es geht auch z. B. um ein aktives Engagement für Stakeholder (Sun), die "Erhöhung des sozialen und ökonomischen Wohlergehens der Gesellschaft" (Lucent), "umfassende Umwelt- und Sozialverantwortung", überdurchschnittliche Ausbildung und sogar proaktives Umgehen mit Stakeholder-Gruppen (BT), "Verhaltensregeln zum Thema Menschenrechte" und null Korruption (Shell) oder ethische Standards (Henkel).
Zusammenfassung
1. "Sustainability" geht weit über ökologisch bewusste Unternehmensführung hinaus.
2. "Sustainability" bedeutet, dass ein Unternehmen gleichzeitig und erfolgreich ökonomische, ökologische und soziale Ziele verfolgt.
3. "Sustainability" ist das einzige aus lange Sicht zukunftsträchtige Konzept des Wirtschaftens.
4. Nur nachhaltiges Wirtschaften sichert unser Überleben!
5. Das Erstaunliche: Umwelt- und sozialverantwortliches Wirtschaften rentiert oder verbessert zumindest die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Des Rätsels Lösung: · Die Firmen müssen weniger Schäden "ausbessern" und Entschädigungen zahlen. · Die Firmen haben einen besseren Ruf und sind damit attraktiver.
6. Die Gruppe der besten Sustainability-Firmen der Welt - erfasst im DJSGI oder im Portefeuille der SPG - hat eine bessere Börsen-Performance als die übrigen Firmen.
7. Also investieren intelligente Anleger in Unternehmen, die Sustainability praktizieren.
Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright
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