HomeWas ist Unternehmensethik?

 

Aus: Prof. Dr. Pater Albert Ziegler: Verantwortungssouveränität - Unternehmensethik heute. Bayreuth: Josef Schmidt Verlag 1992, S. 53-56, 85, 165-166.

 

Ethik lässt sich in vielfältiger Weise umschreiben.

Drei Umschreibungen drängen sich indessen auf.

  • Bei der ersten handelt es sich um eine Worterklärung (Ethos).
  • Bei der zweiten geht es um den unmittelbaren Gegenstand der Ethik (Handeln).
  • Bei der dritten steht der mittelbare Gegenstand der Ethik zur Frage (Handlungsfolgen).

 

Die Worterklärung

 

Das griechische Wort Ethos heisst ursprünglich: Lebensweise.

Später kommt als zweite Bedeutung hinzu: der durch die betreffende Le bensweise geprägte Lebensraum.

Heute besagt Ethos: die Gesamtheit der tatsächlich anerkannten und tagtäglich praktizierten, also gelebten sittlichen Grundsätze.

 

1) Aus diesen Wortbedeutungen können wir vier Lehren ziehen:

  • Statt Lebensweise können wir auch Lebensgewohnheiten sagen.
  • Damit wird der Zusammenhang zwischen Unternehmensethos und Unternehmenskultur deutlich: In beiden Fällen geht es nicht um Theorien, sondern um die Praxis.
  • Ethik als Lehre vom Ethos hat es nie nur mit der inneren Gesinnung (Gewöhnung und Gewohnheit) zu tun, sondern auch mit dem, was nach aussen hin folgt (Wohnraum). Sie hat es mit der Umweltethik (Ökologie) zu tun.
  • Zweideutig ist das Wort «ethisch». Es kann sich nämlich sowohl auf das Wort «Ethos» als auch auf das Wort «Ethik» beziehen. Deshalb ist Vorsicht beim Gebrauch des Wortes «ethisch» geboten.
    Wenn es beispielsweise von einem Menschen heisst, er lebe ethisch einwandfrei, muss man sich fragen: Hat er bloss eine gute Theorie (Ethik)? Oder hat er vor allem eine gute Praxis (nämlich ein hohes Ethos)?

 

2) Dem aus dem Griechischen stammenden Wort Ethos entspricht das aus dem Lateinischen stammende Wort Moral.
Moral geht auf das Eigenschaftswort «moralis» zurück und bedeutet «die Sitten betreffend, sittlich». Das Wort erscheint im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert, und zwar zuerst in der Bedeutung «sittliche Nutzanwendung; Sittlichkeit».
Heute wird es sehr unterschiedlich verstanden. Nicht wenigen stösst das Wort unliebsam auf, weil es die Nebenbedeutung von «moralinsauer» und «moralisieren» bekommen hat. Deshalb ersetzt man Moral heute häufig mit Ethos.

 

Unternehmensethik ist eine Lehre

 

Als Lehre ist Unternehmensethik nicht das Unternehmensethos, sondern dessen Theorie. Sie stammt zwar - hoffentlich - aus der Praxis, aber sie ist noch nicht die Praxis selbst.

Sie ist eine Lehre und nicht schon deren Verwirklichung. Als Lehre enthält sie Richtlinien als Entscheidungshilfen. Diese Entscheidungshilfen ersetzen der persönlich zu wagenden Gewissensentscheid nicht, sondern setzen ihn voraus und sind ihm behilflich, dass er sachlich und wertmässig richtig fällt.

 

Im übrigen geht es der Unternehmensethik wie der Ethik überhaupt: Sie wird nicht schon dadurch ausser Kraft gesetzt, dass man ihren Richtlinien nicht folgt. Sie kann in diesem Sinne zwar wirkungslos sein, ohne deswegen schon falsch sein zu müssen.

Als Lehre wird die Ethik letztlich erst durch eine gegenteilige Lehre und nicht durch eine der Lehre zuwiderlaufende Praxis widerlegt.

 

Aufgabe der Unternehmensethik

 

Damit ist noch einmal eine Aufgabe der Unternehmensethik deutlich geworden. Sie muss immer auch die Lehre von den sittlichen Tugenden eines Unternehmers sein.

 

Früher gab es die Fürstenspiegel. Darin erblickte der Fürst sich selbst. Nur wenn er in diesen Spiegel sah, konnte er sich selber - guten Gewissens - in die Augen sehen.

 

Ähnlich brauchen wir Spiegel für Unternehmerinnen und Unternehmer. Wie muss ich mich als Unternehmerin oder Unternehmer verhalten, damit ich mich nicht nur in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, sondern mir auch selber in die Augen sehen vermag? Gewiss wird in der Unternehmensethik das Institutionelle immer mehr Gewicht bekommen. Dennoch muss das Persönliche und Personale das Herzstück der Unternehmensethik bleiben.

 

Ergebnis

 

1) Unternehmensethik ist die Lehre der verantwortbaren, weil nutzbringenden Einordnung des Unternehmens in das Gemeinwohl.

2) Als Lehre dieser Einordnung muss die Unternehmensethik zunächst das Unternehmen in seinen grösseren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen sehen und die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Verantwortung der Unternehmer deutlich machen.

3) Als Lehre dieser Einordnung muss die Unternehmensethik sodann die herkömmlichen Sozialprinzipien des personalen Gemeinwohls, der Subsidiarität und der Solidarität europäisch und weltweit bedenken.

4) Als Lehre der verantwortbaren Einordnung muss die Unternehmensethik - mit Hilfe der drei Sozialprinzipien - mithelfen, zwei gegenwärtige Hauptfragen zu lösen:
- Einerseits die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer öko-sozialen Marktwirtschaft;
- andererseits die Ausschaltung der ethischen Trittbrettfahrer.

5) Als Hilfe zur Ausschaltung der ethischen Trittbrettfahrer muss die Unternehmensethik neben allen institutionellen Fragen immer auch die sittlichen Grundhaltungen der Unternehmerinnen und Unternehmer bedenken.
Anstand ist gefordert. Nur dann kommt es zur Unternehmenskultur.

 




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