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Eine kurze Rückblende auf die Zeit von ca. 1800-1920

 

rot = ein Nachdruck des Werks ist erschienen in der Serie „British Management Writings Before the First World War“, hrsg. von Morgen Witzel, Bristol: Thoemmes 2003.

 

 

Im Allgemeinen wird "Scientific Management" mit F. W. Taylor angesetzt, obwohl Lyndall Fownes Urwick schon 1944 darauf hinwies, dass dessen Wurzeln bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurück reichen. Taylor hat nicht etwas Neues erfunden, sondern nur vorhandene Ideen zusammengeführt.

 

Urwick stellte eine ganze Reihe früher Pioniere in zwei Bändchen "The Making of Scientific Management" vor. Eine geraffte, dafür erweiterte Übersicht bot sein "Golden Book of Management" (1956).

 

Die Anfänge der Managementlehre

 

Folgende Daten sind bemerkenswert:

 

¨ Die doppelte Buchhaltung breitete sich im Bereich des Handels von 1500 bis 1700 aus. Ansätze zu einer Geschäftsführung, die über diese kommerziele Kontrolle hinausgeht, finden sich erst am Ende dieser Zeitperiode: 1688 erschien ein Büchlein "of universal Instruction in Trade and Management of affairs". Dieser "Exact Dealer" erlebte immerhin fünf Auflagen. Kurz vorher, 1675, war in Paris "Le parfait Négociant" von Jacques Savary erschienen. Es wurde über 100 Jahre lang immer wieder neu aufgelegt.

 

¨ In die Manufaktur wurden dagegen doppelte Buchhaltung und Kostenrechnung erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts eingeführt, setzten sich aber nur langsam durch.

 

¨ Zum erstenmal wurde das "Scientific Management" von den Söhnen von James Watt und Matthew Boulton in ihrer 1795 errichteten "Soho Foundry" praktiziert. Eine sorgfältige Analyse der reichhaltigen Dokumente aus dieser Zeit wurde erst 1930 vorgenommen. Sie ergab: "Neither Taylor, Ford, nor other modern experts devised anything in the way of plan that cannot be discovered at Soho before 1805."

Ähnliches könnte in den Baumwollspinnereien von Samuel Oldknow und Richard Arkwright der Fall gewesen sein.

 

¨ Pionier des "Personnel Management" ist der Manager und Sozialreformer Robert Owen. Seit seinem 18. Altersjahr (1789) bewies er sein Können als Organisator und Unternehmer. Reden und Aufsätze seit 1812 veröffentlichte er mehrfach unter dem Titel „ A New View of Society“; die definitve Zusammenstellung wurde 1927 unter dem Titel "A New View of Society and Other Writings" herausgegeben. Die erste deutsche Übersetzung erfolgte erst im Jahre 1900.

 

¨ Charles Babbage lehrte als Professor für Mathematik in Cambridge. Er gilt nicht nur als Erfinder der Lochkarte (1821) und Vorläufer der Computerbauer (1823-27 arbeitete er an der  "Difference Engine", 1833 an der „Difference Engine“), sondern auch als Management-Theoretiker.

Von seinen vielen Schriften wurde das 420seitige Werk "On the Economy of Machinery and Manufactures" (1832) ein grosser Ver kaufserfolg und sogleich ins Französische und Deutsche übersetzt. Wie später F. W. Taylor suchte er nach allgemeinen Prinzipien des Managements.

Auch Andrew Ures „Philosophy of Manufactures“ (1835) wurde sofort als „Das Fabrikwesen“ übersetzt.

 

Seit 1855: systematische Organisation und Verwaltung

 

Alfred D. Chandler (1962) zeigte, dass in Amerika die Eisenbahnen als erste eine systematische Organisation und Verwaltung im grossen Stil einführten. Das begann 1855.

Ab etwa 1880 zogen Händler von kurzlebigen Konsumgütern wie Fleisch, Bananen und Zigaretten landesweite Verteiler- und Marketingorganisationen auf. Ähnliches gelang den Herstellern von Erntemaschinen und Nähmaschinen; bald folgten die Elektrogerätehersteller, später auch die Stahlwerke, dann Chemie- und Ölgesellschaften.

 

Leland H. Jenks ergänzte 1960 die Zusammenstellungen von Urwick in einem Aufsatz über die frühen Phasen des "Management Movement" durch Hinweise auf

 

¨ die Bedeutung von Fachzeitschriften (wie "Railroad Gazette", "American Machinist", "Engineering Magazine") und Tagungen (z. B. der "American Society of Mechanical Engineers") für den Austausch von Erfahrungen und Empfehlungen, seit etwa 1870, mit einem ersten Höhepunkt um 1900;

 

¨ Unternehmensplanung und -organisation in Grossfirmen wie Standard Oil of New Jersey, A.T. & T. und Du Pont schon vor 1900.

 

Seit 1870: Managementausbildung

 

In den 1870er Jahren wurde in England die Bedeutung einer "Management-Ausbildung" für Techniker und Ingenieure wie für Buchhalter erkannt.

 

Wichtige Anstösse gaben aber erst folgende Publikationen:

 

  • Henry Metcalfe: "The Cost of Manufactures and the Administration of Workshops, Public and Private“, 1885, noch 1907 nachgedruckt
  • Zwei Aufsätze von Henry Robinson Towne: "The Engineer as Economist", 1886; "Gainsharing", 1889
  • Emile Garcke, John Manger Fells: "Factory Accounts“, 1887, noch 1922 neu aufgelegt
  • Frederic Arthur Halsley: „The Premium Plan of Paying for Labor“, 1891
  • "The Commercial Aspects of an Engineer's Training", ein Leitartikel von "Engineering", Februar 1893.

 

1896: Das erste echte Managementbuch

 

Kurz nachdem Taylor seine ersten beiden, je etwa 50 Seiten um fassenden Artikel über "Belting" (1893) und "A Piece-Rate-System" (1895) publiziert hatte, setzte der Elektroingenieur Joseph Slater Lewis einen Markstein Management-Literatur mit seinem über 500seitigen Buch: "The Commercial Organisation of Factories" (1896). Trotz seines Titels war es ein umfassendes Management-Buch; es enthält bereits farbige Flussdiagramme und Organigramme, wie wir sie heute noch verwenden (Check-Lists wurden seit 1853 verwendet).

Slater meinte:

A manufacturing Organisation is, in a sense, an engine of warfare - industrial warfare - hence it is obvious that readiness, efficiency and perfection of organisation must receive very careful if not paramount consideration, as against the Claims of profit and dividend.

 

Drei Jahre nach Slater brachte Francis G. Burton ein ähnliches Buch, "The Commercial Management of Engineering Works", auf den Markt.

 

In seiner Chronik des "efficiency craze" betont Samuel Haber (1964), dass in den letzten Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende neben den herkömmlichen ingenieur- und buchhaltungstechnischen Vorgehensweisen zwei Strömungen unterschieden werden können:

  • die "industrial betterment"- oder "welfare"-Bemühungen, die vor allem in sozialen Verbesserungen bestanden (beispielhaft John H. Patterson bei NCR), und
  • die "systemizers", die ein besseres Management (Buchhaltung, Organisation, usw.) forderten.

 

Zu letzterer gehörten die meisten bisher angeführten Personen (etwa: J. Slater Lewis); seit 1900 gab es, vor allem für Büroverwaltung, die Zeitschrift "Systems".

 

Efficiency-Bewegung und systemizers vs. Betterment und Industrial democracy

 

Das erste Handbuch für kommerzielle Berufe schrieb Lawrence R. Dicksee: "Office Organisation and Management" (1906); es erlebte noch 1951 seine 15. Auflage. Sein zweites Buch über „Business Organisation“ (1910) wurde nur bis 1924 nachgedruckt. Ein analoges Werk von Hugo Diemer, "Factory Organization and Management" (1910), brachte es bis 1935 auf fünf Auflagen. Bei einer einmaligen Auflage blieb J. W. Stannards „Factory Organisation and Management“ (1911).

 

Zu den ersten "efficiency engineers" gehörte Harrington Emerson, der zwischen 1885 und 1907 Burlington und Sante Fe Railroad reorganisierte. Sein erstes Buch trug den Titel: "Efficiency as a Basis for Operation and Wages" (1909; 4. Aufl. 1919). Er empfahl darin das Line-Stab-Prinzip. Seine "twelve Principles of efficiency" (1912) erlebten bis 1924 sechs Auflagen.

 

Leland H. Jenks wies darauf hin, dass sich sowohl Taylors Ansatz als auch die Efficiency-Bewegung zwischen 1900 und 1910 nur langsam ausbreiteten. Ihr Durchbruch kam erst 1911, im Jahr, in welchem auch Taylors "Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung" erschienen (dt. 1913),

 

Als die Anhänger von Taylor 1911 eine Gesellschaft gründeten, fanden sich die "systemizers" zu "Efficiency"-Gesellschaften zusammen. Die "Betterment"-Leute kritisierten beide.

Aus der "Betterment"-Idee machten Walter Lippmann und andere die "Industrial democracy" Bewegung, welche nach Kriegsende (1919) die Taylor Society infiltrierte.

 

Der erste, der das Taylor-System schon vor dem Ersten Weltkrieg in England übernahm, war der aus der Schweiz stammende Hans Renold. Sein Unternehmen hatte als eines der ersten einen "employment manager".

 

Eines der ersten Bücher über "Personnel Management" war Edward Cadbury: "Experiments in Industrial Organisation" (1912).

 

Bestseller häufen sich

 

Nun häuften sich die Publikationen:

Organisation und Marketing behandelte 1912 Alfred J. Liversedge in seinem Handbuch für Manager "Commercial Engineering".

Im Jahr darauf bot Dexter Simpson Kimball "Principles of Industrial Organization" an.

Den ersten Sammelband über "Scientific Management" à la Taylor gab Clarence Bertrand Thompson 1914 heraus (878 Seiten; 4. Aufl. 1922). Im selben Jahr erschien von Alexander Hamilton Church: "The Science and Practice of Management" (535 Seiten).

Das ebenfalls umfangreiche Werk (638 Seiten) von Edward Tregaskis Elbourne "Factory Administration end Accounts" (1914) wurde als Bestseller noch 1934 aufgelegt.

 

Psychologen und Sozialforscher mischen sich ein

 

Zu den ersten "von ausserhalb", also weder von Technik noch Buchhaltung her an das Management herantretenden Forschern gehörten die Psychologen Hugo Münsterberg, Lillian Gilbreth und Charles Samuel Myers (sowie sein Mitarbeiter Bernard Muscio), der Psychiater Paul Sollier, die Sozialphilosophin Mary Parker Follett und der als Sozialforscher bekannte Benjamin Seebohm Rowntree (und sein Assistent Oliver Sheldon) sowie der Mediziner und Philosoph George Elton Mayo.

 

Die Deutschen kommen erst spät

 

Erstaunlicherweise hat sich die deutsche Betriebswissenschaft weitgehend unabhängig von diesen Bestrebungen entwickelt. In die deutsche Sprache übersetzt wurde nur das Werk von Babbage und Ure.

Erst die Schriften von Taylor und Gilbreth fanden deutsche Übersetzer (1908-21). Als erste Vertreter von Taylors Gedankengut in Deutschland galten Adolf Wallichs von der TH Aachen (Hackstein, 1977, I,  211) und der "Energetiker" Wilhelm Ostwald (Volpert 1977, LXIV; vgl. Haber 1964, 13).

 

Literatur

 

Siehe auch:    Literatur: Angewandte Psychologie, Arbeitspsychologie, usw., Kap.: Betriebspsychologie (ab 1885)

                        Literatur: Vom Unternehmer zum Manager (ab 1625)

 

 

L. Urwick, E. F. L. Brech: The Making of Scientific Management.
Vol. I: Thirteen Pioneers,
Vol. II: Management in British Industry,
Vol. III: The Hawthorne Investigations. 1944ff; mehrere Aufl. in den 50er Jahren, London: Pitman & Sons.

Lyndall Fownes Urwick: The Golden Book of Management. A Historical Record of the Life and Work of Seventy Pioneers. London: Newman Neame 1956.

H. Eilbert: The Development of Personnel Management in the United States. Business History Review 33, 1959, 345-364.

Leland H. Jenks: Early Phases of the Management Movement. Administrative Science Quarterly V, 1960, 421-447.

Leland H. Jenks: Early History of a Railway Organization. Multiple-Level Organization of a Great Railroad. Business History Review 35, 1961, 153-179, 336-343.

Alfred D. Chandler, Jr.: Strategy and Structure. Chapters in the History of the (American) Industrial Enterprise. Cambridge, Mass.: MIT Press 1962; erste Paperback-Ausgabe 1969; 20. Aufl. 1998.

Samuel Haber: Efficiency and Uplift. Scientific Management in the Progressive Era, 1890-1920. Chicago: University of Chicago Press 1964.

Sidney Pollard: The Genesis of Modern Management. A Study of the Industrial Revolution in Great Britain. London: Arnold/ Harvard University Press 1965 (1750-1830).

Frederick Winslow Taylor: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. Neu herausgegeben und eingeleitet von Walter Volpert und Richard Vahrenkamp. Weinheim: Beltz 1977;
ferner Reprint der deutschen Übersetzung von 1913 (in der Ausgabe von 1919) bei Gesellschaft für sozialwissenschaftliche und ökologische Forschung e. V., München, ca. 1977, mit Nachwort: Das Narrenschiff, vom Arbeitskreis Technikkritik.

Rolf Hackstein: Arbeitswissenschaft im Umriss. 2 Bände. Essen: Girardet 1977.

 

(erschienen in io Management Zeitschrift, 57 (1988), Nr. 11, 536-538)

 



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