Home Management: Woher kommen die aktuellen Forderungen?

 

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Führung 2000: Kapital in High-Tech, Vertrauen in Mitarbeiter investieren.

io Management Zeitschrift 59 (1990), Nr. 1, S. 36-46

 

 

Wurzeln in Renaissance und Aufklärung

 

Die geistigen Wurzeln dieser Forderungen reichen bis in die Zeit der Abkehr vom Feudalismus, also die Renaissance (z. B. Alberti, 1441; Palmieri, 1438), zurück.

 

Der „mündige“ Mensch und Kooperation

 

In der Zeit der europäischen „Aufklärung“ also im 18. Jahrhundert, kamen insbesondere die Idee vom "mündigen“ Menschen und der Kooperation sowie die Theorie des Unternehmertums (die Praxis ist jahrtausendealt) auf:

 

¨ In seinem legendären Aufsatz fasste der grosse Philosoph Immanuel Kant 1784 die Errungenschaften der Aufklärung zusammen: Sie ist der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschliessung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines Anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

 

¨ Mit dem Projektemacher resp. Unternehmer befassten sich Daniel Defoe (1697; dt. 1890 und 1975) und Richard Cantillon (um 1730; gedruckt 1755, dt. 1931).
Der Kaufmann und Schriftsteller Defoe meinte: „Ein ehrenhafter Projektenmacher ist der, welcher seine Ideen nach klaren und deutlichen Grundsätzen des gesunden Menschenverstandes und der Ehrlichkeit in angemessener Weise ins Werk setzt, darthut, worauf er hinaus will, nicht Griffe in fremde Taschen macht, selbst sein Projekt ausführt und sich mit dem wirklichen Erzeugnis als Gewinn von seiner Erfindung begnügt."

 

¨ Der Bankier Cantillon hat als erster die Unsicherheit bei allem Wirtschaften beschrieben und jeden Menschen als Unternehmer betrachtet: Unternehmer, „ob sie nun zur Führung ihres Unternehmens Kapital brauchen oder ob sie Unternehmer in ihrer eigenen Arbeit ohne jedes Kapital sind", leben in Unsicherheit; „selbst die Bettler und Diebe sind Unternehmer von dieser Art ... Ich stelle daher als Grundsatz auf, dass ... aller Tausch und der Umlauf des Staates durch Vermittlung dieser Unternehmer zustande kommt."
Daraus leitete Dieter Schneider (1985, 5; zu Cantillon 8f) die Formel ab: „Jedermann ist im Hinblick auf die Unsicherheit im Einkommenserwerb Unternehmer seines Wissens, seiner Arbeitskraft und seines Vermögens.“
Christian Lutz (1986, 42) spricht sogar vom "Lebensunternehmer". Das ist ein Menschentypus, "der sich selbst aus der zunehmenden Kenntnis seiner eigenen und der Umfeldpotentiale eigenständig entwickelt und im gleichen Zuge an der Entwicklung seines Umfeldes aktiv mitwirkt“.

 

Richard Cantillon: Essai sur la nature du commerce en général (um 1730). London 1755;
dt.: Abhandlung über die Natur des Handelns im allgemeinen, mit einer Einleitung von Friedrich August von Hayek. Jena 1931
Daniel Defoe: An Essay Upon Projects; Reprint The Stoke Newington Daniel Defoe ed. New York: AMS Press 1999;
dt.: Über Projektemacherei. 1890, Reprint Wiesbaden: Heymann 1975 (mit informativer Einleitung von Harry Schmidtgall). Christian Lutz: Die Kommunikationsgesellschaft. Ein Leitbild für die Politik und Wirtschaft Westeuropas. Rüschlikon: Gottlieb Duftweiler Institut 1986.
Dieter Schneider: Geschichte betriebswirtschaftlicher Theorie. München: Oldenbourg 1982;
2. Aufl. u. d. T: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 1985, 8f u. 5.

 

¨ Bei David Hume (1740) und seinem Freund Adam Smith (1759/76), den Mitbegründern des Liberalismus, ist die Quelle der Moral die Sympathie als die Fähigkeit, sich in die Gemütslage anderer hineinzuversetzen. Die sozialen Gefühle sind ebenso ursprünglich wie die egoistischen. Smith's Devise kann man formulieren: „Handle so, dass die anderen Menschen mit dir sympathisieren können!"
Trotz der populären gegenteiligen Auffassung war Smith keineswegs ein Vertreter des nackten Egoismus. Er sah das Selbstinteresse eingebunden in Pflicht und Verantwortung. Nur auf dieser Basis führt die Erwerbs- und Wettbewerbsfreiheit zum höchsten Gesamtnutzen. Sein „klares und einfaches System der natürlichen Freiheit" beruht auf dem Glauben an die natürliche Sittlichkeit des Menschen, und diese ist seit den Theoretikern der Renaissance auf Zusammenarbeit, und zwar ganz pragmatisch, zum Wohl der Gemeinschaft ausgerichtet.

 

¨ Ebenfalls bei Hume (1752) und stärker noch bei Smith (1776) findet sich bereits das Denken in Regelkreisen mit Rückkoppelung und das Konzept der Selbstregulation in der Ökonomie (siehe Otto Mayr, 1971). Die Werkstatt von James Watt war übrigens eine Lieblingszuflucht von Smith während seines Aufenthalts am Glasgow College.
Die Selbstorganisation in der Natur charakterisierte bald darauf Kant in seiner „Kritik der Urteilskraft“ (1790).

 

¨ Adam Smith sah auch bereits die Gefahren von extremer Arbeitsteilung und Monotonie: Wer sein ganzes Leben dieselben Handgriffe ausführt, „hat keinerlei Möglichkeit, seinen Verstand anzuwenden oder seine Erfindungsgabe zu gebrauchen, um Wege für die Beseitigung von Schwierigkeiten zu ersinnen, die ihm niemals begegnen. Folglich verliert er die Gewohnheit solcher Anstrengung und wird in den meisten Fällen so stumpfsinnig und unwissend, wie ein menschliches Wesen nur werden kann.“

 

19. Jahrhundert und Zwischenkriegszeit: vielversprechende Ansätze

 

Selbstverständlich sind diese Ansätze seither vielfältig weiter entwickelt worden. Im 19. Jahrhundert tauchten weitere Ideen auf, die heute wieder aktuell sind, z. B.:

  • Ganzheit (seit Kant, Goethe und den Romantikern)
  • organische Wirtschaft (seit Adam Müller, 1809)
  • Interdisziplinarität als Forderung (A. Comte) sowie Praxis (z. B. in den Sozialumfragen der Royal Commissions)
  • „Teamwork", z. B. in der Form von Genossenschaften (Owen) oder Produktiv-Assoziationen, in denen der Arbeitnehmer zugleich Unternehmer sein sollte (St. Simon, Fourier, Blanc, Lassalle) sowie als Solidarismus (Leroux), d. h.  Kooperation statt Wettbewerb
  • Dezentralisation, mit ihrem bekannten Abkömmling, dem schweizerischen Föderalismus
  • Arbeiter- später Volksbildung
  • die Untersuchung von „Genie" und Kreativität sowie wissenschaftlicher und technischer Entdeckungen und Erfindungen
  • Selbstbestimmung (Fichte, Schelling).

 

Die meisten dieser Bestrebungen erlebten nach dem Ersten Weltkrieg einen neuen Aufschwung, z. B. die Auffassung von Staat, Wirtschaft und Unternehmen als Organismus sowie die Forderung nach Solidarität (resp. Kooperativismus und Subsidiaritätsprinzip), Dezentralisation und Erwachsenenbildung.

Kaum mehr bekannt ist, dass es in den 20er und 30er Jahren schon einen Kreativitätsfimmel in den USA gab. Die Wissenschaft untersuchte das "produktive Denken" resp. Problemlösen, Imagination und Gruppendynamik sowie die Entstehung, Durchsetzung (Innovation) und Ausbreitung (Diffusion) von Erfindungen (Invention).

 

60er Jahre: alles, was uns heute noch bewegt

 

Vieles von dem, was heute wieder diskutiert wird, ist also nicht mehr ganz taufrisch. Wenn man nicht so weit zurückdenken will, kann man sich aber an die 60er Jahre erinnern. Denn da taucht nun wirklich schon fast alles auf, was uns momentan bewegt:

 

¨ Douglas McGregor (1960; dt. 1970) und Edgar H. Schein (1965; dt. 1980) zeigten, wie Menschenbilder das Verhalten der Vorgesetzten und die Organisation der Unternehmen bestimmen.

¨ Die Ökonomen wendeten ihre Aufmerksamkeit dem "Human Capital" zu (z. B. Gary S. Becker, 1964).

¨ Fritz Machlup (1962) prägte den Begriff "Knowledge Industry'', Peter F. Drucker (1966) den Begriff „Knowledge Economy'". Für das Management beschrieben Ida R. Hoos "Automation in the Office" (1961), A. M. McDonough „Information Economics" (1963). H. A. Simon 'Perspektiven der Automation für Entscheider" (1966; amer. 1960-64) und Perry E. Rosove „Computer-based Information Systems“ (1967). Charles A. Myers gab einen Sammelband The Impact of Computers 0n Management" (1967) heraus.

¨ Rensis Likert (1961; dt. 1972) und Robert T. Golembiewski (1967) legten Modelle vor, bei denen die gesamte Unternehmensorganisation aus Teams besteht. Dazu gehört auch partizipative oder kooperative Führung. „Team-Management" kommt auch im Verhaltensgitter von Blake/ Mouton (1964; dt. 1968) vor. Auf kritische Punkte wiesen Harold J. Leavitt (1962/65) und George Strauss (1963) hin.

¨ Paul O. Gaddis (1959), John St. Baumgartner (1963), David I. Cleland (1964-68), John M. Stewart (1965) und viele andere beschrieben das Projekt-Management. Damit verbunden waren meist Vorschläge zum Produkt-Management und zur Matrix-Organisation (auch F. A. Shull 1965).

¨ Die vor allem aus gruppendynamischen Erkenntnissen und Trainings herausgewachsene '"Organisationsentwicklung" mauserte sich zu einem probaten Instrument "geplanten Wandels“. George A. Steiner zeichnete die „kreative Organisation“ (1965), S. W. Becker und T. Whisler die „innovative Organisation“ (1967). V. E. Cangeloni und W. R. Dill beschrieben "Organizational Learning" (1965) und C. E. Gregory „The Management of Intelligence " (1967).

¨ Seit dem grundlegenden Werk von Tom Burns und G. M. Stalker (1961) ist das "Management von Innovationen" ein Dauerthema (vgl. Chris Argyris 1965 oder Alfred Kieser 1969/70). Häufig forderte man da für "flache Organisationsstrukturen" und "learning by doing" (K. J. Arrow, 1962).

¨ Gregory Bateson (1963/70) brachte den Begriff "Flexibilität" anhand von Ashbys "Kybernetik" (1956) in die Diskussion. Alfred Kieser beschrieb 1969 die "Flexibilität verschiedener Organisationsstrukturen".

¨ Zentralisierung und Dezentralisierung von Aufgaben und Entscheidungen behandelten u. a. L. Illetschko (1961), Erich Kosiol (1962), Knut Bleicher (1966), Peter F. Drucker (1966) und William T. Morris (1968).

¨ In Frankreich wurde die "education permanente" aufgebaut.

 



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