Abb. Kapitalisten und Geldmenschen sind
Zwangsneurotiker
Oskar Pfister, Pfarrer und
Tiefenpsychologe in Zürich,
meinte in seiner Schrift "Der seelische
Aufbau des klassischen Kapitalismus und des Geldgeistes" 1923:
Kapitalisten und Geldmenschen sind
Zwangsneurotiker. Ursache ist die fehlende Liebe. Entweder haben
sie in ihrer Jugend keine erfahren oder sie wurde ihnen durch eine
rigorose Moral ausgetrieben. Das führt zum "Liebesstau" und zu
Angst- und Unwertgefühlen.
Nun folgt: Der machtvolle Trieb muss sich
einen andern als den normalen Ausgang brechen. Der Kapitalist
wendet sich daher von der Wirklichkeit ab und einem symbolischen
Ersatz zu. Ihm ist das Geld ein Symbol für Liebe. Zweitens
werden die Minderwertigkeitsgefühle durch ein Anschwellen der
Ichansprüche kompensiert. Diese äussern sich in
symbolischen Leistungen (z.B. Orthodoxie und Askese), deren
Unterlassung die Angst verstärken würde.
Der gute Pfarrer meinte: "Auch der
Geldmensch kann einem infolge von Verdrängung eingetretenen
Zwang unterliegen, ohne dass er es weiss. Er glaubt, in klarer
Erkenntnis seiner Beweggründe zu handeln, auch wo er von
unbewussten Mächten gezwungen ist. Er hält sich für
frei, wo er ein Sklave tief verborgener Seelenmächte ist ...
Er nimmt ein Phantom für die Sache selbst. Er klamme sich an
den symbolischen Ersatz..." Geld und Leistung vertreten Liebe oder
Sexualbetätigung (S. 45).
"Wenn man sie (die Geldmenschen) nicht
allgemein als Kranke behandelt, so geschieht es darum, weil sie
klar denken können, für ihre seltsamen Absichten
zweckmässige Mittel wählen und sozial da, wo es gefordert
wird, das nötige leisten" (S. 52).
"Nun gibt es aber auch einen Geldgeist,
der ganz anders psychologisch zu beurteilen ist. Er ist ... ganz
einfach der Ausdruck natürlicher sittlicher
Minderwertigkeit..., eine vulgäre Abart des gewöhnlichen
Egoismus. Leute, die sich nicht einsetzen für Gemeinwohl, die
von echter Liebe nichts wissen, sondern auch die Liebesregungen
einzig als Äusserung selbstsüchtigen Strebens kennen,
müssen stets auf Steigerung ihres Genusses, ihres Ansehens,
ihrer Machtsphäre ausgehen." Der Grund ist hier eine
zurückgestossene Neigung der Nächstenliebe. Sie
führt zu übermässiger Gefühlsbesetzung des
Ich.
Einen einzigen Trost hält Oskar
Pfister bereit: "Wir leiden alle schwer am Widerspruch zwischen
hochentwickelter Sachkultur und armseliger Innenkultur" (S.
65).
Denn: "Während unsere Zeit glaubt, einen überlegenen
Wirklichkeitssinn zu besitzen, hat sie gerade die wichtigsten
Faktoren der Wirklichkeit, die psychologischen und in höherem
Sinn biologischen Tatsachen, mit unglaublicher Kurzsichtigkeit aus
den Augen verloren" (S. 66).
Was wäre die Lösung? "Soziale
Gesetzgebung und Erziehung müssen sich verbünden, um den
verheerenden Drachen des Mammonismus zu bannen" (S. 76).
Persönlichkeitsbildung, ja eine "richtige Universalbildung"
ist vonnöten: "Nur ein verdrängungsfreier Idealismus, der
den Menschen in einen grossen Gesamtzusammenhang nicht nur mit der
Menschheit, sondern auch mit dem Weltganzen und Schöpferwillen
hineinstellt ... ist imstande, uns aus den Wirren des heute
grassierenden Geldgeistes in die Sphären eines lichtvollen
Daseins zu führen" (S. 85)