Home Über das Feuer religiösen Verlangens

 

Antoine Vergote: Religionspsychologie. Walter-Verlag, Olten 1970;
frz.:
Psychologie religieuse. Bruxelles: Dessart 1966.

 

Von Religion dürfen wir nur dort sprechen, „wo der Andere, der Grund und Ursprung des menschlichen Seins, nicht als umgreifende Welt verehrt wird, sondern als Ganz-Anderer, dem gegenüber sich der Mensch zugleich fern und nah weiss“ (201). Jeder religiöse Glaube verbindet sich „mit einem Geständnis der Sünde“.(209). Dies sind zwei von vielen mühselig herausgesucht sein wollenden Voraussetzungen des vierhundertseitigen Werks eines katholischen Theologen, der sich in Psychoanalyse unterweisen liess und Professor in Löwen Ist.

 

Religionspsychologie erforscht nach seiner Auffassung die religiösen Erfahrungen, Haltungen und Ausdrucksformen. Das Transzendente, die „effektive Existenz Gottes“ oder das Übernatürliche wird hierbei methodologisch ausgeschlossen. Eine solche Psychologie beschäftigt sich also nur mit der Manifestation der Religion im Menschen, nicht mit ihrem 'Wesen, was besagt: psychologisches Begreifen und Verstehen ist nie vollständig.

 

Vergote verficht eine dynamisch-genetische Betrachtungsweise, die strukturale Züge erkennen lässt. „Der Mensch war zunächst religiös auf Grund eines unmittelbaren Erfassens seiner Situation in der Welt. Er fühlte sich von einem heiligen Geheimnis abhängt; das ihn umfing, und dessen, höchst wirksame Gegenwart in den Lebenserscheinungen er erkannte“ (63). Religion hängt also aufs engste mit dem Gefühl - das intentional ist – zusammen; die Affektivität Ist der Ort der religiösen Erfahrung.

 

Nach repräsentativen (?) Untersuchungen von Heranwachsenden in Belgien misstraut man heute der Gotteserfahrung, aber auch einem spekulative theologischen Gerüst. Gleichfalls hat die Natur ihre religiös-symbolische Macht verloren; „in einer Welt, die der früheren Sakralität entkleidet worden ist, zeigt sich Gott nicht mehr unmittelbar“. Weshalb ist der Mensch dennoch religiös? Als Reaktion auf Frustration, auf Ordnungs- oder Schutzbedürfnis, auf Angst oder Schuldgefühle? Aus Hoffnung auf Unsterblichkeit oder zur Lösung sozialer Probleme? Steht „das Feuer religiösen Verlangens“ (192), stehen „existentielle Sehnsüchte“ oder die Elternbilder dahinter?

Das spielt alles mit, bedeutsamer aber ist, „dass die Religion dem Eros, dem Prinzip des Glückes und der Vereinigung, entspringt“ (218).

 

Wie ein Umstandskrämer bemüht : sich der Autor um Klärung, das muss man ihm zugestehen. Das Resultat ist begrifflich sehr unsauber und bemerkenswert widersprüchlich, schlecht aufgebaut und geordnet sowie in ein unbefriedigendes Deutsch übertragen. Völlig danebengehende Untertitelchen und ungenügende (empirische) Nachwelse müssen leider ebenfalls erwähnt werden.

Alles, was Vergote anfangs betont und weitschweifig als nicht-psychologisch aussondert, kommt nach und nach doch herein. Trotz psychologischer Vagheit, ja Unbedarftheit, jedenfalls aber Einseitigkeit, fühlt er sich bemüssigt, C. G. Jung zu bekritteln.

 

Erschienen in den Basler Nachrichten, 14. Oktober 1970

 


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