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Matthias Becker: Die Chancen Gottes. Aussichten der Religion in der Gesellschaft der Gegenwart. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1971.
Der Mensch ist ein komisches Wesen: Manchmal trieft er vor Edelmut. Da hat er doch vor etwa 100 Jahren Gott umgebracht und jetzt offeriert er ihm wieder Chancen.
Der Moraltheologe, politischer Redaktor von Radio Bremen und Dozent an der pädagogischen Hochschule Bremen, Matthias Becker (*1933), betont gleich am Anfang, dass er weder Gott bekennen, noch leugnen wolle. Gottes Existenz ist buchstäblich ungewiss, nicht nur philosophisch.“ Becker will Gott wieder "aktuell" machen und untersuchen, „was der Name Gott in der Welt bisher angerichtet hat und wozu er nicht imstande war". Wie nicht anders zu erwarten, werden, die evangelische wie katholische Kirche - "der arme Paul“ mit seiner "Apothekermoral" - und die Tiefenpsychologie in die Zange genommen.
Der Basler Karl Barth wird als ungeschichtlich Denkender abgetan, der Zürcher Emil Brunner als einer, der den Menschen in seinem optimistischen Begriff von Personalität vereinzelt. Rudolf Bultmann hat die Bibel ontologisiert, Karl Rahners Theologie ist „eine aufgewärmte Romantik in neuer Gestalt, aber mit dem alten Kern“, Teilhard de Chardin hat den Mythos der mystischen Hochzeit evolutionstheoretisch und theologisch umgedeutet und bestätigt.
Solche Äusserungen, eingepackt in Pauschalurteile über. Bürger„ Politiker und Kirche, angereichert mit Philosophie, Soziologie und Populärpsychologie - Frustration' ist „eine Art von Trauer* -, sind kaum dazu angetan, den Zugang zu manch Bedenkenswertem in dieser Streitschrift zu erleichtern - auch wenn Mondfahrt, Peter-Stuyvesant-Zigaretten, Porno, Axel Cäsar Springer, Erich von Däniken und Harvey Cox („Playboy Gottes“) als volkstümliche Beispiele in dieser unkontrollierten Anhäufung von Behauptungen auftauchen.
Mangelnde Sorgfalt im Zitieren, in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis verstärken den Eindruck, dass es sich der Autor zu leicht gemacht hat. Zwar brauchte er 350 Seiten, um in vielen Wiederholungen Altes und Neues kunterbunt breitzuwalzen, kommt aber nur zum Ergebnis: Die Chancen Gottes beruhen auf der sozialpolitischen Lösung ungerechter Zustände in den „höchstentwickelten Systemen des Spätkapitalismus“ sowie auf der Entwicklung der Religion in der Dritten Welt.
Damit aber .auch gar kein Aspekt - ausser der Umweltverschmutzung - ausgelassen werde, schliesst das global herausgeputzte Problem-Sightseeing mit „Futurologie und. Gottes Zukunft“.
Becker hat seine Chancen vertan, Wie geht denn das „Gleichnis vom Sämann“?
Erschienen in den Basler Nachrichten, 6. Oktober 1971
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