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Huschmand Sabet: Der gespaltene Himmel. Verbum-Verlag, Stuttgart 1967.

 

Rezension, erschienen in den Basler Nachrichten, 12. 8. 1969,

unter dem Titel:

Baha'i - Die Offenbarungsreligion der Zukunft?

(leicht ergänzt anhand des Manuskripts)

 

Mit einer ausführlichen Antwort des Autors

 

 

Zur Baha’i-Religion:

http://www.bahai.org/

http://www.bahai.us/content/view/97/171/

http://question.bahai.org/

siehe auch: Wikipedia

 

rot = Worte des Offenbarers

 

Es ist nicht leicht, über eine von deutschsprachigen Lexika als "mohammedanische Sekte" apostrophierte religiöse Strömung unvoreingenommen zu urteilen. Doch um ein Urteil oder Verurteilen soll es sich hier nicht handeln, sondern um die kritische Besprechung des Buches, das darüber knapp Auskunft gibt.

Der heute 38jährige persische Diplomingenieur und Geschäftsführer Huschmand Sabet, der seit 1950 in Deutschland lebt, schrieb es vor zwei Jahren [1967]und gab seinem Erstlingswerk den Titel "Der gespaltene Himmel" ("die Himmel sind gespalten, und Gott ist herabgefahren, ausgestattet mit strahlender Herrschaft", 161). Eine grosse Kontroverse scheint sich um es entfacht zu haben.

 

Geschichtliches: Babismus und Bahaismus

 

Halten wir uns zuerst an das authentisch Geschichtliche. Das 19. Jahrhundert war ein fruchtbarer Boden für neue religiöse Strömungen. Neben den christlich-sozialen Bewegungen in Deutschland und England entstanden eine Reihe von adventistischen und anderen Religionsgemeinschaften, zum Beispiel (vgl. 152):

·        die Katholisch-Apostoliker (Edward Irving), von denen sich 1865 die Neuapostoliker ablösten, weiter

·        die Adventisten des "Siebenten Tags" (W. Miller 1831),

·        die Mormonen (Joe Smith, 1830),

·        die Christian Science (Mary Baker-Eddy, 1876),

·        die Theosophische Gesellschaft (Helena Blavatsky, 1875), oder gar

·        die Church of God (J. Weinbrenner, 1830),

·        Golden Dawn (1887),

·        die Pfingstbewegung (1895),

·        Christian Endeavour (1881) und

·        das New Thought Moverment (Quimby).

 

Sabet schildert die Geschichte seiner Glaubensrichtung so:

 

Im Jahre 1844 erklärte ein persischer "Nachfahre Mohammeds", der sich Bab ("Tor" oder "Pforte" zur Erkenntnis) nannte, er sei der "Verheissene". Schnell hatte er achtzehn dies verkündende Jünger und eine grosse Zahl von Anhängern um sich geschart, wurde jedoch, zusammen mit ihnen, verfolgt und 1850 in Täbris öffentlich füsiliert.

1852 erlebte diese junge Strömung den Höhepunkt ihrer Vernichtung: über 20’000 Babi (Babisten) wurden insgesamt umgebracht.

 

Die Übriggebliebenen wurden hierauf von Beha Allah oder Baha'u'llah ("Glanz, Herrlichkeit Gottes", 1817-1892, Sohn eines Staatsministers) ermutigt und gesammelt. 1863 stellte er sich ihnen als der "Verheissene aller Zeiten und Religionen" (32; ähnl. 160) vor und begründete damit die Baha'i-Religion (in den Lexika "Behaismus" genannt), worauf er mehrfach verbannt und in Gefangenschaft (in Akka) gehalten wurde. Hier verfasste er zahlreiche Sendschreiben an weltliche und geistliche Herrscher seiner Zeit (worin er Gottesfurcht und Abrüstung forderte).

Seinen ältesten Sohn Abdu’l-Baha ("Diener der Herrlichkeit", 1844-1921) ernannte er zum einzigen autorisierten Ausleger seiner Lehren. 1908 erst wurde dieser aus dem staatlichen Gewahrsam entlassen und besuchte in ausgedehnten Vortragsreisen Ägypten, Europa und Nordamerika.

Seinen Enkel Shoghi Effendi (1897-1957) machte er zum "Hüter der Sache Gottes". Unter diesem begann 1937 „im Vollzug des von Abdu’l-Baha niedergelegten ‚göttlichen Planes’ … die planmässige Verbreitung der Baha’i-Religion über die ganze Welt“ (172).

Nach dessen Tod übernahmen neun Sachverwalter des Glaubens, "Hände der Sache Gottes", die Weiterführung seiner Überzeugungen. Sie werden namentlich nicht genannt.

 

Es hat damit ein Abstieg von der "Herrlichkeit Gottes" selbst, über den "Diener Gottes" und "Hüter" seiner Sache bis zu den anonymen "Händen der Sache Gottes" stattgefunden.

 

1953 bestanden „12 Nationale geistige Räte und etwa 2500 Baha’i-Zentren und Gemeinden in der ganzen Welt“ (172). Für 1967 lauten die Zahlen 81 und über 28 000; die Baha’i-Literatur wurde in etwa 400 Sprachen übersetzt. In den USA zählt man heute [1969] 13 000 Mitglieder.

 

Der Gottgesandte und seine Grundsätze

 

Was ist nun das Ziel dieser "Offenbarungsreligion, die den Anspruch erhebt, die Weltreligion der Zukunft zu sein" (32)? Baha'u'llah verstand sich als "Wiederkunft Christi", genauer als Gottgesandten in der Reihe Adam-Noah-Abraham-Moses-Zoroaster (Zarathustra)-Buddha-Krischna-Christus-Mohammed-Bab.

"Das eigentliche Wesen der Baha'i-Verkündigung aber besteht darin, dass sich Gott [nach seinem eigenen Willen] in unserer Zeit in der Gestalt Baha' u'llahs wieder geoffenbart hat“ (71). „In Baha'u'llah erblicken die Baha'i die Erfüllung der Verheissungen aller geschichtlichen Religionen" (36; ähnl. 161).

Hierbei gilt: "Jeder Gottgesandte trägt den Beweis für seine Wahrheit in sich selbst" (163). Diese Gottgesandten oder -offenbarer als "Manifestationen Gottes" (38) bilden eine Einheit (34), und damit ist "zugleich die grundsätzliche Einheit der Religionen ... a priori gegeben, da alle Manifestationen Gottes dem Reich der Offenbarungen angehören" (133).

(Nicht berücksichtigt bei dieser Einheit aller Religionen werden etwa der Konfuzianismus, Taoismus [Laotse], die verschiedenen Sonnen- und Naturreligionen und die "Sekten".)

 

"Durch seine Sendung wird Baha'u'llah, innerhalb der Kette der nie endenden Gottesoffenbarung - "jeder Gottgesandte [ist] zugleich die Wiederkunft des vorangegangenen Offenbarers" (129f.) -, die Einheit des ganzen Menschengeschlechtes errichten und eine göttliche Weltkultur begründen. Für die Erlösung der gesamten Menschheit zu leben und zu wirken, ist die höchste und vornehmste Aufgabe eines jeden Baha'i ... Die Ausübung einen Berufes, der den Dienst an der Menschheit zum Inhalt hat, ist die Pflicht eines jeden und wird von Baha'u'llah auf die Stufe des Gottesdienstes erhoben ... Viele Prinzipien, die die moderne Welt ihr eigen nennt, gehören zu den Glaubenslehren der Baha'i-Religion, so z. B. das selbständige [und unabhängige, 71] Suchen nach Wahrheit [auch 37], das Aufgeben jeglicher Vorurteile religiöser, rassischer oder nationaler Art, die Gleichberechtigung und bestmögliche Erziehung beider Geschlechter, die Einführung einer Welthilfssprache [seit Descartes anvisiert; auch 73, 89f.] und einer Weltschrift sowie international gültiger Einheitssysteme für Geld, Mass und Gewicht, ferner die Forderung nach gegenseitiger Ergänzung und [vernunftmässiger, 71] Übereinstimmung von Wissenschaft und Religion ... Alle diese Grundsätze wurden von Baha'u'llah schon vor 90 Jahren aufgestellt" (34-35).

 

Eine neue Religion und absolute Autorität

 

Das Ist nun auch das einzig "Besondere in diesen Worten Baha'u'llahs" (41), dass er schon in der Mitte des letzten [19.] Jahrhunderts die Alternativen des Atom- und Chemiezeitalters vorausgesehen hat: Einigung oder Untergang der Menschheit, "Eine Welt oder keine".

 

Schon aber etwa Nostradamus (1555) und Alexis de Tocqueville (um 1840) waren in diesem Sinn Voraussagende. Und heute werden viele dem Satz zustimmen: "Die einzige Chance, die der Menschheit bleibt, liegt in einer grundlegenden, alle Lebensbereiche umfassenden Wandlung ... In allen Lebensbereichen sind Entwicklungen im Gange, die die Menschheit gefährden oder ihr gar schaden" (46).

 

Eine friedliche Einheit der Menschen ist seit langem ein dringendes Anliegen; es seien nur Th. W. Wilson, R. Steiner, F. Buchman, Schweitzer, Einstein, Russel und Gandhi genannt.

 

Die Baha'i möchten diese Einheit nun durch "das umfassende Konzept einer [administrativen] Weltordnung" (67), durch die "Neue Ordnung" (49), den "Grössten Frieden" (37; 55) erreichen.

"Für unsere Tage lehrt Baha'u'llah, dass die Erlösung der ganzen Menschheit wichtiger sei als die Erlösung und Errettung des einzelnen. Diese Erlösung der Menschheit und ihre geistige Einheit [in einer nicht näher erläuterten Mannigfaltigkeit] sind das, was man unter Errichtung des ‚Reiches Gottes auf Erden’ versteht. Da die Menschheit verschiedene Stufen der Einheit von der Familie bis zur Nation beschritten hat, wird die Einheit der Menschheit keine Illusion bleiben. Allerdings kann nur die Religion diese Einheit begründen, denn nichts anderes spricht das menschliche Wesen so sehr in seiner ganzen Tiefe und Fülle an" (51).

 

Hier nun liegt ein logisch kurzatmiger Schluss vor. Sabet hat nämlich am Anfang seines Buches grossangelegte und durchaus Zustimmung erheischende Analysen der heutigen Zeitlage ausgeführt und unter anderem einen Verfall und ein Versagen des Christentums und Islams [64-65; der Absolutheitsanspruch bewirkt Dogmatik und Intoleranz], eine Rückständigkeit der bisherigen Religionen gegenüber den Erkenntnissen und Erfordernissen unserer Zeit festgestellt.

 

Erstens vermischt er hier allerdings die verschiedenen Bereiche Glauben-Religion-Religionswissenschaft-Apologetik-Christologie-Geistlichkeit-Theologie-Kirche (als Verwaltungs- und Lehrinstitution) -Bibel-Christentum und das "gelebte Christentum". Letzteres gibt es, ohne öffentliche Zurschaustellung, auch heute noch, hier wie in kommunistischen Ländern, und es ist vielleicht verbreiteter als man meint - nicht jeder, der da nicht zur Kirche geht, ist ein Ungläubiger, Gottloser oder Materialist. (Zudem gibt es seit Tertullian auch ein "credo quia absurdum" - "ich glaube (nicht 'obwohl', sondern) weil es absurd ist".)

 

Dennoch stellt Sabet, zweitens, fest, "dass sehr viele Menschen nicht mehr glauben können ... Die Menschen entfremden sich innerlich der Religion" (15), die Souveränität der Kirche "ist gänzlich verlorengegangen …; auch auf geistigem und moralischem Gebiet ist die Autorität der Kirche fragwürdig geworden ... [und] durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges konnte die materialistische Ideologie [16] ihren Einfluss noch weiter ausdehnen" (19).

Wenn dem so ist, warum will man denn den Hunderten von Millionen Menschen, welche der Religion gleichgültig gegenüberstehen, sie vernachlässigen, ignorieren oder bekämpfen, nun ausgerechnet wiederum mit einer Religion - wenn auch in neuer Form - kommen? Vielleicht eigneten sich ja für die Erziehung und "Veredelung des einzelnen und der Gemeinschaft" (50) heute viel eher Wissenschaft oder Philosophie, Kunst, Spiel oder Sport, Humanismus oder Ideologie, Mystik oder Okkultismus bis zum Underground, Pop oder den Hippies.

 

Wenn nun, drittens, die Autorität allenthalben ins Wanken geraten ist - auch Papst Paul VI. leidet darunter -, wie könnte dann die von den Baha'i geforderte zentrale, „unparteiische, universale“ (166), "absolute göttliche Autorität" (34-35, 74) des längstverstorbenen Baha'u'llah wirkungsvoll fungieren? Vielleicht hat man heute von („anerkannten“, 165) 'Führern' (31) genug und vermöchte sich dem nicht gehorsam unterzuordnen, von dem es heisst: "Er ist der vollkommene Lehrer der Menschheit, er ist der vollkommne Arzt für ihre Leiden, und ohne ihn hat sie keine Chance zu überleben. Seine Autorität ist die göttliche Autorität, und er ist der wahre Gesetzgeber ... Er verkörpert für die ganze Schöpfung das höchste, unfehlbare Richtmass der Gerechtigkeit’" (71).

 

Ohne Weg zum Ziel

 

Gegen die Erwartung des "Reiches der göttlichen Offenbarung", der "'neuen Erde' ..., welche nicht Menschenwerk ist", des anbrechenden "Reich Gottes", des "baldigen Erscheinens des Herrn" (152) ist gar nichts einzuwenden - wohl die meisten Religionen leben davon und darauf zu.

Wie kann nun aber dieses als [von Shoghi Effendi] paradiesisch formulierte (und damit langweilig anmutende) Schlaraffenland eines "endgültig und vollständig gesicherten" (89) - was dem dynamischen Anspruch der Baha'i-Religion (auch für das Jenseits) widerspricht - Weltgemeinwesens mit Weltlegislative, -exekutive ("gestützt auf eine internationale Polizeitruppe", 89), -schiedsgerichtshof, -verkehrssystem, -wirtschaft, -hauptstadt ("als Nervenzentrum einer Weltzivilisation"), -literatur, usw. (wobei man nur noch das einheitliche Weltklima und -wetter beifügen möchte) erreicht werden?

 

Die Baha'i geben keine konkreten Anweisungen hierfür.

Mit dem kommentarlosen Lesen heiliger Schriften in "Häusern der Andacht" ist es wohl kaum getan.

 

So möchte man vorschlagen, statt von universaler Einheit als Fernziel zu sprechen, eine kritisch-verantwortliche Zusammenarbeit zu beginnen.

Hierbei müssten sich vermutlich zuerst einmal die vielen hundert religiösen Richtungen, die sich die Menschheitsverbrüderung aufs Panier geschrieben haben, verbrüdern.

Zweitens könnte man sich ein tatkräftiges Wirken in internationalen Organisationen vorstellen; da bieten sich an: IKRK, BIT, UNESCO, UNICEF, ECOSOC, FAO, UNCTAD, OMS (WHO), IAO (ILO), OECD, die Internationale Liga für Menschenrechte, die Pestalozzi-Weltstiftung, usw.

Die Baha'i-Religion will "allen diesen Bemühungen um Einheit und Frieden jenes geistige Zentrum geben, ohne welches sie keine Chance haben, einen Dauererfolg zu begründen und die Krisen des Tages zu überleben" (66).

 

Die Baha'i-Bewegung besteht schon über hundert Jahre. Sie hat sich in dieser langen Zeit weder vollständig vom Ruch einer Sekte oder von Schwärmern, Enthusiasten und Illusionisten befreien, noch mit ihren einheitlichen Bestrebungen Kriege, Hungersnöte, soziale Unruhen und Enttäuschungen verhindern können. Gilt der Satz von Sabet: "In den Arsenalen warten soviele Vernichtungswaffen auf ihren Einsatz, dass man mit ihnen, würde man ihre Sprengkraft in die des Dynamits übersetzen, die gesamte Erdoberfläche mit 3,5 mm hochexplosivem Dynamit bedecken könnte" (87) - dann täte eigentlich schnelle und beförderliche Rettung not und es eilte sehr mit "jenen herrlichen Zeiten und der damit verbundenen Menschheitskultur, die uns bevorstehen" (54).

 

Es scheint jedoch, sagen wir einmal ‚realpolitisch gesehen’, ein recht gewaltiges Unterfangen zu sein, "zu gegebener Zeit" (50) die "allumfassende Vereinigung", den "wahren Frieden" zu bewerkstelligen, denn "auch Menschen verschiedener Entwicklungsstufen, Bildung und Mentalität - die sogenannten zivilisierten Völker, die Völker unter einer Feudalherrschaft ebenso wie die Naturvölker - sollten sich gleichsam unter einem Zelt zusammenfinden" (84).

 

Bestimmte Baha'u'llah wohl aus diesem Grund die Dauer seiner eigenen Sendung als göttliche Manifestation auf "nach eigenem Zeugnis nicht weniger als eintausend Jahre" (142)? Und was ist in diesem Zusammenhang mit der Aussage anzufangen: "Die Baha'i glauben …, dass jede Art von geistigem, wissenschaftlichem und kulturellem Fortschritt direkt oder indirekt dem ewigen und lebendigen Wort Gottes zuzuschreiben ist (39), dass diese Entwicklung - "die plötzliche, unerwartete [und kraftvolle] Entfaltung der Wissenschaft und Technik" (78) - nicht den Charakter des Zufälligen hat, vielmehr werden immer mehr zielstrebige, sinnvolle Konturen sichtbar" (79)?

 

Wissenschaft - Gemeinschaft - Toleranz

 

Ein Kernsatz ist: "In der Baha'i-Religion wird gefordert, dass die Religion in ihrer Methode wissenschaftlich sein soll ..., denn es gibt nur eine Wahrheit" (86-87). Wissenschaft heisst unter anderem Redlichkeit und Vollständigkeit.

 

So hätte Sabet auch erwähnen müssen, dann sich nach dem Tode des Bab zwei Halbbrüder, Subh-i-Azal und Mirza Hussein Ali (der sich dann Baha'u'llah nannte), erbittert um sein Erbe stritten (1866), wobei die Azalis sich als einzige rechtmässige und echte Nachfolger betrachteten; sie unterlagen.

Weiter hätte auch ein systematisches Verzeichnis der Baha'i-Literatur und der verschiedenen orts- und nationalen „Baha'i-Zentren und Gemeinden“ hingehört. (Dass sich deren Zahl in den letzten 15 Jahren mehr als verzehnfacht hat, heisst aber nicht, dann der Satz gilt: "Die Entstehung und die rasche Verbreitung der Baha'i-Religion widerlegen eindeutig die Kritiker“, 164.)

Auch etwa ein Photo des sehenswerten, über hundert Meter hohen Baha'i-Tempels in Wilmette bei Chicago - neben dem "Universalen Haus der Gerechtigkeit" in Haifa das zweite Zentrum der Baha'i - hätte Platz finden dürfen.

 

Es fällt auf, dass für die Beantwortung einer Stellungnahme den Marburger Theologieprofessors Rudolf Bultmann zu diesem Buch, Sabet bekennen muss, in mehr als dreiviertel Jahren sei "ein geplantes internes Seminar, in dem ein Gedankenaustausch stattfinden sollte, ... leider ... nicht zustande gekommen". Rege ist der Kontakt unter den Baha'i also nicht, was sich auch darin zeigt, dass Sabet von seinen "Baha'i Freunden" spricht. Welche religiöse Gemeinschaft nennt ihre Mitglieder "Freunde"?

 

Noch ein Wort zur Toleranz: Baha'u'llah sagt, "man solle es ein für allemal aufgeben, durch eigene Meinung die Autorität des lebendigen [und schöpferischen] Wortes Gottes [d. i. "die Gesetze und Gebote der letzten göttlichen Manifestation", 100] herauszufordern" (70). „Wenn ihr den Ratschlägen ... keine Beachtung schenkt, dann wird göttliche Züchtigung von allen Seiten über euch kommen, und der Urteilsspruch seiner Gerechtigkeit wird gegen euch verkündet werden“ (48). „Wer sich von ihm [Jesus] trennen lässt, ist in der Tat ein Aussätziger, dessen im Reiche Gottes, des Allmächtigen, des Allgepriesenen, nicht gedacht werden soll" (146).

Denn es ist "alles, was sich heute der geistigen Einheit der Menschheit und dem Weltfrieden entgegenstellt, in den Augen der Baha'i 'Sünde'" (144). Und: "Die Spende eines Nicht-Baha'i für die Baha’i-Arbeit darf grundsätzlich nicht angenommen werden" (40). Da verwundert es nicht, wenn die Baha'i oft zu den Eiferern gezählt werden.

 

Nun, wir können nicht gerade "dankbaren Herzens in jubelnder Freude überströmen" (72) - zuviel ist unklar oder widersprüchlich in dieser kleinen, allgemein als interessant erachteten, aber keineswegs wissenschaftlichen Schrift -, doch schliessen wir uns Bultmanns Worten an:

Es "bleibt natürlich die Frage, ... ob ich in der Baha'i-Religion die geistige Kraft erblicken kann, die eine neue Aera heraufführt. Ich kann Sie meiner Achtung und Sympathie versichern ...

Ist nun eine Einheits-Religion, wie das die Baha'i-Religion sein möchte, ein Mittel, die Einheit der Menschheit herbeizuführen? Das bezweifle ich ... Keine Religion [kann] den Anspruch auf Absolutheit erheben ... Jeder Religion entspricht ein bestimmtes Selbstverständnis des Menschen. Die Geschichte lehrt, dass es bestimmte Möglichkeiten des Selbstverständnisses gibt, z. B. im Schöpfungsglauben des Judentums, des Christentums wie im Islam [usw.] ... Ich sehe nun nicht ein, welche Form und welchen Sinn eine Universalreligion haben könnte. Soll sie dem Menschen die Entscheidung ersparen? Das wäre falsch; denn das Menschenleben vollzieht sich als geschichtliches notwenig in Entscheidungen."

 

 

Auszüge aus einem 7seitigen Brief des Autors

an den Rezensenten vom

19. Januar 1970

 

Ihre geschichtliche Beschreibung der Bahá’í-Religion ist korrekt, bis auf Ihre Bemerkung über die neun Hände der Sache, Sachwalter des Glaubens, die Sie als anonym bezeichnen.

… Im übrigen ist Ihr Bemühen sichtbar und anerkennenswert, dass Sie durch viele Zitate dem wesentlichen Inhalt des Buches gerecht zu werden versuchen. Mir scheint aber, dass Sie wesentliche Lehren und Aussagen der Bahá’í-Religion, die eng miteinander verflochten sind, nicht entsprechend sehen und würdigen. Deshalb möchte ich auf Ihre kritische Würdigung antworten.

 

Erlauben Sie mir, diese Fundamentallehren kurz zusammenzufassen.

Die Bahá’í glauben an einen in die Geschichte hineinwirkenden Gott, der sich durch seine Boten, Manifestationen Gottes, den Menschen offenbart. Diese Manifestationen Gottes, Religionsstifter, bilden eine Einheit und jeder ist als die Wiederkunft und Erfüllung des vorangegangenen zu betrachten. Da nun jede geschichtliche Religion eine Frühlingszeit, eine Sommerzeit und später eine Herbst- und Winterzeit hat, sprechen die Bahá’í von der Relativität der religiösen Wahrheit und vom Fortschreiten der Gottesoffenbarung.

Wenn ich nun heute eine Analyse des heutigen Christentums, der Sie ja im wesentlichen zustimmen, gebracht und von dessen Verfall berichtet habe, so darf man daraus nicht den Schluss ziehen, die Autorität Christi sei nicht eine wahre Autorität gewesen, oder man müsse sich, wenn die eine oder andere geschichtliche Religion versagt habe, heute eher Wissenschaft oder Philosophie, Kunst oder Sport, Humanismus oder Mystik, oder Ideologien irgendwelcher Art zuwenden.

 

Die Sache Gottes, die Sache Christi lebt weiter, heute in der Bahá’í-Religion.

 

In diesem Sinne sollten Sie auch die Aussage Bahá'u'lláhs über die Dauer seiner Sendung verstehen von nicht weniger als eintausend Jahren. Im übrigen geben Sie selbst zu, dass ein gelebtes Christentum überall, auch in kommunistischen Ländern, anzutreffen ist.. Diese Aussage würde ich als Bahá’í unbedingt bejahen und noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass alle Menschen potentielle Gläubige sind, nur sind diese Kräfte in vielen verkümmert, falsch geleitet oder haben durch Enttäuschungen einem tiefgreifenden Skeptizismus Platz gemacht. Somit ist die Aufgabe einer neuen Religion, die Glaubenskräfte zu stärken und zu reinigen, Ideale und gemeinsame Ziele zu geben und die Ausdrücke des Glaubens in der Tat auch dem Ungläubigen glaubwürdig zu machen.

 

Einer der schwersten Vorwürfe, die Sie glauben, mir machen zu müssen, ist - zumal das Handinhandgehen von Religion und Wissenschaft ein Bahá’í-Prinzip ist -, dass ich den Geboten der Wissenschaftlichkeit nicht Genüge getan hätte. So bemängeln Sie, dass ich nicht über das Verhalten derer, die sich gegen Bahá'u'lláh auflehnten, berichtet habe. Ausserdem vermissen Sie ein systematisches Verzeichnis der Bahá’í-Literatur und der verschiedenen Orts- und Nationalen Bahá’í-Zentren und Gemeinden. Auch ein Bild des Hauses der Andacht in Wilmette bei Chicago vermissen Sie in meinem Buch.

Darf ich dazu anmerken, dass bei jedem Buch Auswahl und Beschränkung der Thematik geboten ist. Meine Absicht war nicht, ein Standardwerk über die Bahá’í-Religion zu schreiben, und dies habe ich auch entsprechend erwähnt.

 

Ausserdem soll sicher aus der Forderung, dass die Religion in ihrer Methode wissenschaftlich sein soll, nicht die Vorstellung abgeleitet werden, dass alle Bahá’í-Bücher streng wissenschaftlicher Natur sein müssen. Mir lag wenigstens solch eine Absicht fern. Wenn aber für Sie die Wissenschaftlichkeit eines Werkes so entscheidend zu sein scheint, so erlauben Sie mir folgende Kritik an Ihrer Rezension.

 

Immer wieder werden Zitate von Bahá'u'lláh unter meinem Namen gebracht und umgekehrt, oder sie werden einfach vermischt. Diese Verfahrensweise ist für einen Bahá’í-Autor besonders peinlich, weil die Worte des Offenbarers für uns einen besonderen Rang und eine besondere Stufe einnehmen, was Sie symbolisch auch daran erkennen können, dass in den Häusern der Andacht nur die Worte der Offenbarer zu Gehör kommen.

Úbrigens scheint mir Ihr kritisches Verhalten in dieser Rezension typisch für eine Geisteshaltung zu sein, die in Europa vielfach anzutreffen ist. Alles, was Ihnen positiv und zukunftsträchtig in der Bahá’í-Religion erscheint, übergehen Sie geflissentlich, damit der Leser ja nicht zu der Ansicht kommen könnte, der Rezensent sei positiv beeindruckt worden und deshalb nicht sachlich neutral. Andererseits stellen Sie es in aller Ausführlichkeit dar, wann immer Sie glauben, eine Schwäche entdeckt zu haben, manchmal gar ohne nähere Prüfung.

 

Lassen Sie mich dies durch Beispiele erklären:

 

Der Frage, ob es sich bei den Bahá’í um eine Religion oder eine Sekte handelt, weichen Sie aus, obwohl gerade da der Leser von Ihnen als Rezensent eine Antwort verlangt.

… Im übrigen unterscheidet sich die Bahá’í-Religion von allen religiösen Erscheinungen, die im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert entstanden sind, dadurch, dass die Bahá’í-Religion nachweislich Anhänger aller Religionen, Buddhisten, Hinduisten, Anhänger von Zarathustra, Juden, Christen, Moslems, ja sogar Atheisten fast gleichmässig angesprochen hat, so dass schwer auszumachen ist, ob es mehr Bahá’í mit hinduistischem oder mit christlichem background gibt. Dieses Phänomen ist meiner Ansicht nach ausserordentlich beachtenswert.

 

Zweitens, die zentrale Aufgabe, die sich die Bahá’í-Religion gestellt hat, ist, die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Einheit der Menschheit zu schaffen, wie Sie richtig bemerken. Diese gewaltige Aufgabe, sicherlich die grösste, die die Menschheit je in Angriff genommen hat, hat verschiedene Komponenten. Die religiöse Komponente, wie es auch von Ihnen richtig gesehen wird, besteht in dem Glauben an die Einheit Gottes, an die Einheit der Religionen und an die Einheit der Gottgesandten, wobei es für mich unerklärlich ist, wieso Sie bei der Einheit der Religionen Konfuzianismus, Taoismus, die verschiedenen Sonnen- und Naturreligionen und die Sekten ausnehmen. Es ist mir keine Stelle in den authentischen Schriften der Bahá’í-Religion bekannt, die diese Ausschliessung rechtfertigt. Dass hier oder dort die Menschen in den Religionen Irrwege gegangen sind, wovon die Sekten genauso betroffen sind wie die grossen Religionen, ändert doch daran nichts, dass diese Religionen in ihrem Ursprung göttliche Stiftungen gewesen sind.

 

Die Einheit der Menschheit hat auch eine politisch-wirtschaftliche Komponente und eine gesellschaftliche Komponente, wozu die drei Gewalten und eine Weltsprache gehören.

… Was ist nun daran nicht korrekt, wenn eine Religion, die die Marschrichtung der Menschheit für die kommenden Jahrhunderte bestimmt und den Menschen Ziele und Ideale gibt, für die es sich zu leben lohnt, wenn also solch eine Religion Leitbilder bietet, an denen sich die Menschen orientieren können. Oder sind Sie etwa der Ansicht, dass die Menschheit zwar die klein gewordene Erde verlassen und auf anderen Planeten landen kann, es aber ein für allemal aufgeben soll, darauf zu hoffen, jemals in einer gemeinsamen Sprache zu sprechen?

 

Drittens, Sie schreiben, die Bahá’í-Bewegung besteht schon über einhundert Jahre, hat aber mit ihren einheitlichen Bestrebungen Kriege, Hungersnöte, soziale Unruhen und Enttäuschungen nicht verhindern können. Hierzu ist festzustellen, dass zwar der Stifter der Bahá’í-Religion vor hundert Jahren seinen Anspruch als Verheissener der vorangegangenen Religionen und als Erlöser der Nöte der Menschheit proklamiert hat, aber durch seine Verbannung und Gefangenschaft, durch die Isolierung und Schwierigkeiten, die seine Anhänger zu überstehen hatten, sein Anspruch und seine Lehren der Menschheit nur sehr allmählich bekannt geworden sind.

 

… Mit der Proklamation der Menschenrechte allein und schönen Aussagen über die Einheit der Menschheit und den Frieden ist, wie Sie richtig bemerken, noch nicht viel gewonnen. Wenn Sie nun die Anhänger der Bahá’í-Religion mit all jenen Menschen vergleichen, die in anderen Organisationen arbeiten und zusammenwirken, so ist festzustellen, dass

a) Ihre Empfehlung, in internationalen Gremien zu wirken und zusammenzuarbeiten für die Bahá’í eine Selbstverständlichkeit ist, und zwar angefangen von der UNO bis hin zum Roten Kreuz,

b) keine andere Gemeinschaft die Probleme so total in Angriff nimmt und sich um Lösungen bemüht wie die Bahá’í,

c) die Bahá’í verpflichtet sind, in eigenen Reihen immer mehr jenes Menschenbild zu verwirklichen, das die einheitliche Welt fordert.

In diesem Sinne eignen sie sich viel besser als andere Gruppierungen der Kristallisationspunkt für die Einheit der Menschheit und des Friedens zu sein.

 

… Um sich also über die Bahá’í ein Urteil zu bilden, sollte man zweierlei prüfen.

Erstens, ob die Lehren und Prinzipien Bahá'u'lláhs und die Ordnung, die seinen Namen trägt, grundsätzliche Schwächen aufweisen und diese kritisch beleuchten.

Zweitens, inwieweit die Bahá’í inzwischen in ihren eigenen Reihen dieser Ordnung, diesen Prinzipien und Lehren GeItung zu verschaffen imstande gewesen sind. Denn, sollte es Bahá'u'lláh gelungen sein, tatsächlich einen neuen Gemeinschaftstyp zu schaffen, der Vorurteile rassischer, nationaler und religiöser Art nicht kennt oder sich um deren Überwindung bemüht, der gleichzeitig durch ein, in gewissem Sinn demokratisches, weltumspannendes Netz von Institutionen gekennzeichnet ist, so ist das eine ungeheuerliche Leistung, die eigentlich nur Parallelen im Urchristentum und in den Anfängen des Islam aufzuweisen hat.

 

… Die Bahá’í haben versucht, in einer Welt von Chaos und Unfrieden eine Insel der Geistigkeit zu bilden, wo geistigen Idealen Rechnung getragen wird.

 

… Die Bahá’í-Religion hat in ihrer jungen Geschichte nicht nur bewiesen, dass sie gute Lehren und Prinzipien hat und von schönen Idealen begleitet wird, sondern dass sie auch die Abwehrkraft hat, sich gegen innere und äussere Feinde zu behaupten und ihre Integrität und Einheit aufrecht zu erhalten.

 



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