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erschienen in den Basler Nachrichten, 24. November 1970
siehe auch: Antonio Hernandez: Architekturkritik. archithese 10, 1974 Festschrift zum 70. Geburtstag von Antonio Hernandez. Hrsg. vom Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart. Bearbeitet von Dietrich W. Schmidt. Stuttgart 1994. Alfred Hablützel, Verena Huber: Innenarchitektur in der Schweiz 1942-1992. Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Vereinigung Schweizer Innenarchitekten VSI. Sulgen: Niggli 1993.
Zu Hans Zwimpfer http://www.tagesspiegel.de/magazin/immobilien/art875,2347089 http://www.zapco.ch/index.php?id=36
Zu Jacques Aeschimann
Zu Hans Bellmann http://www.straessle-collection.ch/seiten/design_bellmann.htm
Die Fachklasse für Innenarchitektur veranstaltete in der Aula der Allgemeinen Gewerbeschule Basel einen in vieler Hinsicht aufschlussreichen und symptomatischen Diskussionsabend über die «Zusammenarbeit zwischen Architekt und Innenarchitekt» - Unter Leitung von Prof. Dr. Antonio Hernandez (Basel/ Stuttgart) referierten und diskutierten die Innenarchitektin Verena Huber (Zürich), die Architekten Hans Zwimpfer (Basel), und Jacques Aeschimann (Aarau/ Olten) sowie der Häuser- und Möbelbauer Hans Bellmann (Zürich).
Die Befürchtung beginnt sich langsam zu bestätigen: Je mehr über Information und Kommunikation geschrieben, gesprochen und geforscht wird, desto weniger findet sie tatsächlich statt. Das zweite erschreckende Phänomen unserer Zeit - neben vielen anderen - besteht darin, dass zwar in vermehrtem Masse lobenswerterweise Diskussionen - öffentlicher oder auch ganz inoffizieller Natur - veranstaltet werden, ihr Ergebnis jedoch zumeist im Eingeständnis besteht, dass wir weder wissen, worüber wir eigentlich sprechen noch was wir tun können und sollten.
Dabei konnten für diesen Abend interessante und sicher kompetente Referenten gewonnen werden, die sich dann, wie sich in der letzten Sekunde herausstellte, recht einig waren: in der Haltung, im Problembewusstsein, aber weniger im Wissen. Ein bisschen viel Schulmeisterliches wurde verbreitet und sehr. häufig von multilateralem Teamwork gesprochen. Die Diskussion war lahm und lustlos. Es hatten sich über hundert Teilnehmer eingefunden.
Was Ist und soll ein Innenarchitekt?
Aufgrund dieser immerhin dreieinhalbstündigen Veranstaltung hat man den Eindruck, dass die Ausbildung der Innenarchitekten im argen liegt. Die Schüler scheinen über ihren Beruf, dessen Anforderungen und dessen Zukunft gar nicht aufgeklärt zu werden. Es ist auch nicht klar, ob ein Innenarchitekt Innenausbau, Möbelentwurf oder Produktgestaltung (industrial design) betreiben soll oder alles zusammen, etwa im Sinne eines «Ensembliers».
Der Schüler hat auch keinen Schimmer von der Beziehung Innenarchitekt - Architekt - Planung - Produktgestaltung. Dass die Fachschulung für Innenarchitektur oft als zweiter Bildungsweg zum Architekten angesehen wird, zeigt ebenfalls, wie verschwommen die Berufsbilder sind. Es herrscht auch Unklarheit darüber, was eigentlich innen ausgebaut werden muss, warum man überhaupt Möbel entwirft - kaufen doch Schulen und öffentliche Verwaltungen die Inneneinrichtungen von der Stange -, und wird - beispielsweise von Hans Bellmann - gefordert, dass der Innenarchitekt nicht für Privatwohnungen zugezogen werden soll: Der Bürger darf die Freiheit geniessen, seine eigene: Wohnung so geschmacklos einzurichten, wie er will.
Einander widersprechende Anforderungen
Der Innenarchitekt scheint eine etwas verschupfte Persönlichkeit zu sein. Damit er nicht nur als Lückenbüsser fungiert, sollte er von Anfang an, auf jeden Fall frühzeitig, beim Aufbau komplexer Strukturen dabei sein; er soll schon bei der Gestaltung und beim Einbau von vorfabrizierten Teilen mitwirken. Dem steht die bisher eingleisige Ausbildung entgegen, auf Grund derer er verlangt, dass ihm ein vorgegebener Raum, eine «Raumhülle» zur Verfügung" gestellt werde, die er dann füllt. Auf diese Weise kommt er jedoch zu spät, ans Objekt heran.
Ein weiteres Problem ist: Wie finden sich Architekt und Innenarchitekt? Es müsste sich ein Markt finden, denn Angebot und Nachfrage sind von beiden Seiten da. Ein Teamwork ist aber nicht ganz unproblematisch: Es besteht mit der Zeit die Gefahr der Inzucht, das heisst, alle Mitarbeiter gleichen sich einander an, und bald sehen alle Projekte ähnlich aus. Freie Mitarbeit von Fall zu Fall wäre dem vorzuziehen. Zudem bringt Partnerschaft Machtkämpfe mit sich.
Spezialist oder Koordinator?
Für die Ausbildung zum Innenarchitekten ergeben sich nun paradoxe Forderungen. Weil die Berufsbilder heute so vage sind, zieht der Architekt den Innenarchitekten selten bei; er weiss ja nicht, was der andere zu leisten imstande ist. Der Innenarchitekt müsste also zum Spezialisten für Innenausbau werden, der die «Vertrautheit mit der kleinen Dimension» (Verena Huber) verkörpert. Anderseits ist heute alles im Umbruch begriffen, der Bauvorgang hat sich enorm gewandelt, Rationalisierung und Normierung drängen sich auf, und die Architekten sind von der Betonung der Kreativität zur Systemtheorie übergeschwenkt.
Deshalb müsste die Ausbildung der Innenarchitekten offener und umfassender sein. Eine Durchmischung mit der Praxis und «fortgesetzte Bildung» sind notwendig. Der Schüler soll sich nicht gleich festlegen müssen, bedarf also einer breiten Grundausbildung. Er muss die verschiedenen «Sprachen» der Architekten und Planer lernen und soll sich soweit vom Formal-ästhetischen wie vom Handwerklichen lösen können, dass er auch mit Malern and Bildhauern zusammenzuarbeiten vermag.
Im Idealfall könnte er dann nämlich eine Vermittlerrolle zwischen Architekt und Unternehmer oder Produktgestalter, zwischen Geldgeber und Installateur übernehmen und die Bedürfnisse des Mieters, des Bauherrn oder der Verwaltung vertreten.
Hinzu kommt, dass die Schule nicht Anpasser heranziehen soll, sondern die Schüler müssen- kritisch und selbständig denken lernen.
Die Zukunft nicht vergessen
Angehende Raumgestalter müssen sich auch mit Fragen des Umweltschutzes und der Stadtplanung auseinandersetzen. Es geht, meinte Hans Zwimpfer, nicht mehr an, in eindimensionaler Sicht für die Erfordernisse der Gegenwart zu planen. Die Zukunft muss unbedingt berücksichtigt werden. Und diese Zukunft fordert einerseits Normierung, «nicht als technische Notwendigkeit, sondern vielmehr als ästhetische Befreiung» (Hans Bellrnann), anderseits die Auflösung der Rohbaustruktur, bis nur noch Raster vorhanden sind, das heisst Pfeiler und Böden. Genauer noch: Das Bauen der Zukunft wird gekennzeichnet durch Primärstrukturen wie Trag-, Erschliessungs- und Medienstrukturen sowie durch sekundäre, variable Strukturen. Das erlaubt mehrfache Nutzung und flexible Gestaltung. Auch das immer mehr aufkommende Do-it-yourself und die Wegwerfbarkeit müssen berücksichtigt werden.
Ein gewaltiger Fragen- und Aufgabenkatalog, fürwahr. Und eine letzte Vermutung drängt sich auf: Die Zusammenarbeit von Architekt und Innenarchitekt scheint jedenfalls beim Bau der Allgemeinen Gewerbeschule nicht geklappt zu haben. Man kann sich schwerlich etwas Ungemütlicheres und Schmuckloseres vorstellen. Da vermögen weder die Bezeichnung eines schlichten Hörsaales als «Aula», die offenen 32-Liter-Abfalleimer in der Kantine mit den verschmierten Glasflächen noch ein in der hintersten Ecke verstecktes Wandbild viel zu retten.
Schliesslich ganz am Rande: Die abendliche Beleuchtung und vor allem die hinweisende Beschilderung in der näheren Umgebung des Schulkomplexes dürfte besser sein. Sie ersparte Ortsunkundigen lange Fussmärsche zu verschlossenen Türen, türlosen Wänden und falschen Gebäulichkeiten. Dies nur zur .mehrfach geäusserten Frage: Wo bleibt denn bei alledem der Mensch?
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