Home Mephisto und das Böse in der Welt

 

Gedanken zum „Prolog im Himmel“, 2. Teil, Faust I

Protokoll einer Deutschstunde, 18. Dezember 1961

 

 

Auf Grund des Ausspruchs Gottes "Es irrt der Mensch, solang er strebt" erkennen wir die Beschränktheit der menschlichen Existenz. Nicht dass dem Menschen vergönnt sei, jemals das einzig Wahre zu erfassen, sondern vielmehr, dass das Streben nicht ohne Irrtum geschehen kann, dass der Irrtum die eigentliche Voraussetzung dazu ist. In den Augen Gottes ist der Drang des Menschen zur Wissenserweiterung ein Streben, in der Ansicht des Mephisto jedoch ein Fordern, welches den unabdingbaren Irrtum mit Sicherheit nach sich zieht.

 

Die Gestalt Mephistos erscheint in einer tragisch-komischen Art sympathisch, indem er in seiner Hilflosigkeit nicht erkennt, dass er eigentlich nur ein Spielzeug Gottes ist, dass er an einer Bewusstseinsverspätung krankt, die ihm vorzaubert, er sei noch der echte mächtige Satan des Barocks, während er in Wirklichkeit nur eine subalterne Figur ist, welche auf ihre eigene, beinahe menschliche Art strebend im Himmel herumirrt.

 

Wenn Mephisto wüsste, wie schwach er ist, würde er es nicht wagen, von Gott zu erbitten, Doktor Faust quälen zu dürfen. So aber schliesst er eine Wette ab, die von vornherein unmöglich ist, weil Mephisto als Mitglied des Gesindes von Gott mit seinem Meister gar keine Wette abschliessen kann, da Gott, als Allmächtiger und Allwissender, auch den Ausgang der Wette jetzt schon kennt. Er prophezeit, dass Mephisto nicht über Faust triumphieren wird und gibt uns damit den Hinweis auf das Ende des Stückes. Mephisto wird gewiss einigen Erfolg haben, aber er wird das Streben des Doktor Faust nicht abtöten können und am Schluss unterliegen.

 

Mephisto wird versuchen, Faust durch weltliche Verlockungen wie Weiber, Trinken und Schlemmen von der Bahn des Strebenden abzubringen, in der eitlen Hoffnung, dass sich Faust mit diesen niedrigen irdischen Gütern begnügen werde. Dadurch werden die Spannungen in Fausts Wesen ins Extreme vergrössert, er muss als Prototyp der menschlichen Spannungen herhalten und am Schluss dann die Güte, das Funktionieren dieses Prüfelementes darstellen.

 

Hier bietet sich Goethe die Gelegenheit, eine Erklärung des Bösen in der Welt zu versuchen. Er sagt, dass Mephisto als ein reibendes, gärungbringendes Element in der Schöpfung unbedingt vorhanden sein müsse, ansonsten der Mensch sich in seiner Eintönigkeit der Vollkommenheit der Schöpfung gar nicht bewusst werde. Erst durch das Böse als Gegenpol des Guten ergibt sich etwas Positives in der sonst spannungslosen Welt.

 

Diese recht magere Erklärung hat ihren Ursprung bei Leibniz, der sagt, das Böse ist im Grunde genommen nur ein Teil des Guten, es hat keine eigene selbsttragende Macht. Das lässt sich zugleich weiter fortdeuten, dass es also für diesen Bereich der Anschauungen keine Hölle gibt und Mephistos Wirken auf die Erde beschränkt bleiben muss.

 

Am Ende des Prologs kommt Gott nochmals auf die Aufgaben seiner Anhänger zu sprechen, von denen Mephisto als Ungläubiger, das heisst als nicht an die Vollkommenheit Gottes und des Himmels Glaubender, ausgeschlossen ist.

Die Pflicht der Gottessöhne ist nämlich, Freude an der Schöpfung und Harmonie zu haben, nach Gottes Vorbild der Liebe dies aufzunehmen und die göttliche Kraft, die hinter jedem wachsenden Ding, hinter der ganzen Natur steckt, zu erkennen.

 

Dies alles gibt wiederum einen Hinweis auf den guten Ausgang des Faust, dass es kein Böses auf Erden gibt, dass das Wirken Mephistos von Gott nur geduldet und gewährt wird - als Spass für Gott selbst.

 



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