Home Martin Warnke zu den "Bauhütten" (1976)

 

 

Martin Warnke: Bau und Überbau. Soziologie der mittelalterlichen Architektur nach den Schriftquellen. Frankfurt: Syndikat 1976, 2. Aufl. 1979, Anmerkung 158, 177-178.

 

 

Es kann hier nicht der Ort sein, eine der hartnäckigsten Konstruktionen romantischer Phantasie, die Bauhütte, auf die ihr zukommende Bedeutung zu reduzieren.

 

Seit Heideloffs Publikation von 1844, die man unter die wichtigen sozialprogrammatischen Schriften des Vormärz einreihen kann, müssten dazu zahllose Verwicklungen verfolgt werden. Von der Quellenlage her kann jedoch immerhin festgehalten werden, dass alle Vorstellungen der Bauhütte und die Darstellungen ihrer Organisation von Quellen und Statuten ausgehen, die dem späten 14. und dem 15. Jahrhundert angehören.

 

Dieser wahrhaft herbstliche Tatbestand kann nicht durch das beliebte Argument neutralisiert werden, die Hütten hätten erst in den Zeiträumen, in denen sie bereits überflüssig wurden, ihre Statuten und Grundsätze niederschreiben und rechtfertigen müssen. Nichts deutet darauf hin, dass ihre Praxis wesentlich älter ist. Das Argument dient zumeist nur dazu, die späten Nachrichten unbesorgt um Jahrhunderte zurückzuprojizieren und sie dort mit sporadischen Lesefrüchten aus Chroniken und Viten zu vermischen. Ausnahmslos tut die umfangreiche Literatur zum Baubetrieb des Mittelalters so, als seien drei Jahrhunderte ein Augenblick, - man stelle sich vor, wohin eine entsprechend verfahrende Stilgeschichte gelangen würde.

 

Das inzwischen schier unentwirrbare Nachrichtenknäuel hat beispielsweise dazu geführt, dass auch die von Etienne Boileau (im Auftrag des Königs) zusammengestellten Statuten [1268] umstandslos zu Gesetzen der Bauhütten werden. Nichts weist auch darauf hin, dass es berechtigt wäre, von dem Skizzenbuch des Villard d'Honnecourt als von einem ‚Hüttenbuch’ zu sprechen.

Es soll hier auf Einzelfragen nicht eingegangen werden. Manche erledigen sich im Lauf unserer Untersuchung, etwa die ganz unverständliche Streitfrage, ob es eine Trennung zwischen dem Kunstamt und dem Verwaltungsamt gegeben habe.

 

Die Bauhütte als organisierte Institution jedoch liegt jenseits des hier in Betracht gezogenen Zeitraums [ca. 1000 – 1300]. Überspitzt liesse sich sagen: Die Quellen mussten unbeachtet bleiben, damit die Vorstellung von der Bauhütte am Leben erhalten werden konnte.

Wir sehen die Bauhütte geradezu als eine Form der Stillstellung aller derjenigen Bewegungen, die den Kathedralen und Domen die eigentlichen Gründungsenergien zugeführt haben.

 

 

Kritisch zu den „Bauhütten“ sind ebenfalls:

 

Georg Kloss: Die Freimaurerei in ihrer wahren Bedeutung. Leipzig: Klemm 1846; dritte Abtheilung: Die Steinmetzen in Deutschland, 227-269, besonders 230-237.

Heinrich Boos: Handbuch der Freimaurerei. Aarau: Sauerländer 1894;
2. stark umgearbeitete Aufl. u. d. T.: Geschichte der Freimaurerei. Aarau: Sauerländer 1906. Nachdrucke Wiesbaden: Sändig 1969; Vaduz: Sändig Reprint 1979, 1994.

Douglas Knoop, Gwilym Peredur Jones: The Genesis of Freemasonry. 1948; Nachdruck London 1978;
dt.: Die Genesis der Freimaurerei. Bayreuth: Quatuor Coronati 1968, 54, 59f;
(dt. Kurzfassung siehe G. R. Kuéss, 1960).

Jean Gimpel: Les bâtisseurs des cathédrales. Paris: Seuil 1958, erweitert 1980 und 1985;
engl.: The Cathedral Builders. Salisbury: Michael Russelll 1986; London: Pimlico 1993;
dt.: Die Kathedralenbauer. Holm: Deukalion 1996.

G. R. Kuéss: Die Vorgeschichte der Freimaurerei im Lichte der englischen Forschung. Hamburg: Akazien Verlag Alfred Buss 1960.

Matthias Pflanzl: Die klösterlichen Bauhütten des Mittelalters. Jahresgabe 1960 der Forschungsloge Quatuor Coronati Bayreuth 1960, 5-18..

Otto Winkelmüller: Bauhütten, Zünfte, Gilden, Logen. Quatuor Coronati Heft 7, März 1970, 5-19..

Volker Segers: Studien zur Geschichte der deutschen Steinmetzenbruderschaft. Mit besonderer Berücksichtigung der für das Strassburger Gebiet geltenden Ordnungen und Bestätigungsurkunden (15.- bis 17. Jahrhundert). Diss. FU Berlin 1980, 27.

Günther Binding: Baubetrieb im Mittelalter. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993.

 


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