Woher kommt der Begriff "Logistik"?
Das seltene griechische Wort "Logistike"
bezeichnete im alten Griechenland die "praktische Rechenkunst".
Zur Versorgung von Streitkräften
Die Sache Logistik nahm ihren Ursprung in der
Versorgung von Streitkräften (Militärlogistik). Kaiser
Leon VI von Byzanz verfasste im 9. Jahrhundert n. Chr. die erste
noch heute bekannte Logistikdefinition, die nach heutigem
Sprachgebrauch die Gebiete "Rüstung", "Organisation",
"Truppenversorgung", "Operationsplanung" und "Nachrichtenwesen"
umfasst.
In seiner neuzeitlichen Entwicklung ist der
Begriff "Logistik" abgeleitet aus dem Französischen. Das Verb
"loger" bedeutet unterbringen, unterstützen, versorgen,
bereitstellen.
Im militärischen Bereich wird "Logistik"
zu Napoleons Zeiten in der Bedeutung von "Lagerkunst" als dem
Tätigkeitsbereich des Quartiermeisters angewandt.
Ein Schweizer General definiert
Der Schweizer Offizier Antoine-Henri Jomini
brachte es in jungen Jahren bis zum General in französischen
und russischen Diensten. Auf Grund seiner Erfahrungen führte
er 1838 in seinem Werk "Précis de l'art de la guerre" die
"Logistique" in die Kriegswissenschaft ein und stellte sie
gleichwertig neben Strategie und Taktik - vorerst ohne Echo.
Erst 1879 wurde das französische Wort als
"Logistics" ins Englische übernommen und 20 Jahre später
im Sinne Jominis definiert als: "The art of moving and quartering
troops".
Um 1900 taucht "logistics" der Sache nach als
die Summe aller Tätigkeiten und Dienstleistungen zur
Unterstützung der amerikanischen Streitkräfte auf. Das
richtige Vorausberechnen von Bedarf, Leistungsvermögen,
Raum und Zeit wird zur Grundlage der Logistik.
Logistik in Industrie und Wirtschaft
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann man in
Amerika, das logistische Gedankengut auch für
Industrieunternehmen nutzbar zu machen. Der wesentliche Anstoss
ging dabei von der Distribution aus (Versorgung der Kunden), was
angesichts der Grösse des USA-Binnenmarktes nicht
verwundert.
In Europa wird der Begriff Logistik seit den
1960er Jahren in der betriebswirtschaftlichen Literatur für
den Fluss von Stoffen und Waren verwendet.
Die 1954 gegründete Schweizerische
Studiengesellschaft für rationellen Güterumschlag taufte
sich nach 30 Jahren - im Herbst 1984 - in "Schweizerische
Gesellschaft für Logistik" um.
Marketinglogistik
Zur Marketinglogistik gehören nach
Hans-Christian Pfohl (1972) alle Tätigkeiten, durch die
Transport- und Lagervorgänge in einem Netzwerk zur
Auslieferung der Fertigprodukte an ihre Kunden gestaltet, gesteuert
oder kontrolliert werden. Die Verantwortung der Marketinglogistik
beginnt also erst nach der Fertigstellung der Produkte und ist
eindeutig auf den Absatzmarkt gerichtet.
Systemorientierte Logistik
Man erkannte jedoch schnell, dass der Nutzen
noch erheblich grösser sein kann, wenn nicht nur einen Teil
des Warenflusses betrachtet, sondern dieser als Ganzes gesehen
wird: von den Lieferanten durch das Unternehmen bis zu den Kunden.
Logistik wird somit zu einem systemorientierten Ansatz,
koordiniert bislang nicht abgestimmte Prozesse, vermeidet
Insellösungen und schöpft damit erhebliche
Rationalisierungspotentiale aus.
Dieser Ansatz wird häufig auch als
flussorientierte Definition der Logistik bezeichnet (Jürgen
Weber, Sebastian Kummer 1994, Hans-Christian Pfohl 1996). Ein
wesentlicher Aufgabenschwerpunkt liegt weiter in disponierender und
steuernder Tätigkeit.
Unternehmenslogistik
"Die Grundfunktion von Logistiksystemen ist
die raum-zeiliche Veränderung von Gütern", schreibt
Hans-Christian Pfohl (1972, 8). Der koordinierte Ansatz der
Logistik geht aktuell so weit, nicht nur Aufgaben der
Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik
vernetzt zu lösen, sondern auch bislang anderen
Unternehmensbereichen zugeordnete Aufgabenstellungen zu
übernehmen.
Unter dem Sammelbegriff "Unternehmenslogistik"
(Peter Rupper 1987) sind Beschaffungs-, Produktions- und
Distributionslogistik funktionell abgegrenzt:
-
die Beschaffungslogistik beschäftigt sich mit der
Versorgung des Produktionsprozesses mit Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffen vom Beschaffungsmarkt
-
die Produktionslogistik (Peter Rupper 1985; Roland Müller,
Peter Rupper 1992) steuert den Fluss der Güter durch den
Produktionsprozess und
-
die Distributionslogistik steuert den Absatz der Produkte auf
dem Absatzmarkt.
Man will insbesondere nicht mehr den
Materialfluss durch die Produktionsplanung bestimmen lassen,
sondern umgekehrt die Steuerung der Produktion der Logistik
übertragen. Logistik muss sich demnach auch mit dem Fluss
von Informationen befassen. "Der Güterfluss ... fliesst nicht
von allein, sondern setzt den Austausch von Informationen ...
voraus" (Pfohl 1972, 8).
Weiter führt Pfohl aus: "Die
Informationsströme sind nicht Selbstzweck, sondern vom
physischen Güterfluss abgeleitet" (Pfohl 1972, 6). Dies
ändert sich jedoch derzeit mit den elektronischen Medien und
der Verbreitung von Informationen in Datennetzen, auch die
Verbreitung von Informationen bedarf der logistischen
Unterstützung, z. B. Internet-Provider.
Neue Verantwortungsbereiche
Eine solche Prozesskettensicht
führt unternehmensintern zur Schaffung neuer
Verantwortungsbereiche, in denen neben den material- und
warenflussbezogenen Dienstleistungsaufgaben auch
Steuerungsfunktionen wie Produktionsplanung und -steuerung,
Bestelldisposition und Versandsteuerung zusammengefasst werden.
Unternehmensübergreifend bedeutet das
auch eine Einbindung externer Logistikdienstleister in die
Gestaltung und Abwicklung des Material- und Warenflusses und eine
enge Kopplung der jeweiligen Partner.
Die Automobilindustrie spielte hier in den
späten 70er und frühen 80er Jahren eine
Vorreiterrolle.
((Nach Dr.-Ing. Hubert Becker,
München))
Frühe betriebswirtschaftliche Literatur zur Logistik
a) englisch
Donald John Bowersox, Edward W. Smykay,
Bernard J. LaLonde: Physical distribution management. Logistics
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1968.
Robert E. McGarrah: Production and
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Jimmy Lee Heskett, Robert M. Ivie,
Nicholas A. Glaskowsky, Jr.: Business logistics. Management of
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Donald John Bowersox: Readings in
physical distribution management. The logistics of marketing.
London: Macmillan 1969.
John Edward Sussams: Industrial
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Paul T. MacElhiney: The logistics of
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b) deutsch
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Verlag Handelsblatt 1970.
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Gösta Bernd Ihde: Logistik.
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Gösta Bernd Ihde:
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Lagerplanung: planungstechnische Grundlagen, Materialflusssysteme,
Lager- und Verteilsysteme. Fachbuchreihe Fertigung und Betrieb,
Band 12, Springer-Verlag, Berlin 1979.
c) neuere Schriften
Peter Rupper (Hrsg.):
Produktionslogistik. Gestaltung von Material- und
Informationsflüssen in der Produktion. Zürich: Verlag
Industrielle Organisation 1985.
Peter Rupper (Hrsg.):
Unternehmenslogistik. Ein Handbuch für Einführung und
Ausbau der Logistik im Unternehmen. Zürich: Verlag
Industrielle Organisation 1987, 3. Aufl. 1993.
Roland Müller, Peter Rupper
(Hrsg.): Die neue Produktionslogistik : Methoden und Instrumente
zur Reduktion von Beständen und Durchlaufzeiten in der
Produktion. Zürich: Verlag Industrielle Organisation 1992.
Jürgen Weber, Sebastian Kummer:
Logistikmanagement. Führungsaufgaben zur Umsetzung des
Flussprinzips im Unternehmen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel
1994
Hans-Christian Pfohl::
Logistiksysteme. Betriebswirtschaftliche Grundlagen. Berlin:
Springer 1996.
Zur Wortgeschichte
Henry George Liddell, Robert Scott: A
Greek-English Lexicon. 1. ed. 1843, 9. ed. 1929-1936;
ergänzter Reprint in einem Band 1996.
Le Grand Robert de la Langue
Française. 2. A., 9 Bände,1985.
Oxford English Dictionary. 1933, 2. A.
1989 in 20 Bänden.
Neue Ausgaben von Jomini
Antoine Henri Jomini: Précis de
l'art de la guerre ou nouveau tableau analytique des principales
combinaisons de la stratégie, de la grande tactique et de la
politique militaire. Reproduction intégrale de
l'édition définitive de Paris, Ch. Tanara, 1855.
Paris: Ed. Ivrea 1994 (390 Seiten und 6 Beilagen).
Antoine H. de Jomini: The art of war. -
New. ed., Reprint der Ausgabe Philadelphia 1862. London: Greenhill
Books 1992.
A-H. Jomini: Abriss der Kriegskunst.
Übersetzt von Generalmajor v. Boguslawski; herausgegeben von
Rainer Hauser; Vorwort von Albert A. Stahel. 2001.