Erster Freibrief für die Herren von Roslin von 1601
Aus Wilhelm Begemann: Vorgeschichte und Anfänge der Freimaurerei in Schottland. Berlin: Mittler, Bd. 1, 1914, 84-88.
Eine erste Übersetzung ins Deutsche wurde bereits von C. F. A. Burkhardt oder C. Ch. F. Krause angefertigt in der „Geschichte der Frei-Maurerei aus authentischen Quellen“ (Freiberg; Craz und Gerlach 1810, 269-272, dazu „Einige Sprachbemerkungen“, 366-368) – einer Übersetzung von David Brewsters „History of Freemasonry“ (Edinburgh 1804) – unter dem Titel: „Diplom von den Maurern von Schottland dem William St. Clair of Roslin verliehen“.
… Erst nach dieser Zeit [1744!] kommen die Sagen von der „Mutter-Loge“ Kilwinning zum Vorschein, vorher sind sie nirgends zu finden und lassen sich ja auch mit der Urkunde von 1599 [die zweiten Schaw-Statuten] in keiner Weise vereinigen.
Dieses unanfechtbare urkundliche Zeugnis gegen Kilwinnings spätre Behauptung, die älteste Loge Schottlands zu sein, hat man vielleicht absichtlich nachher verschwinden lassen, damit es nicht gegen die eigne Loge angerufen werden konnte; so mag die Handschrift in den Besitz der Familie Eglinton gekommen sein, da zwischen ihr und der Loge alte Beziehungen bestanden, wie oben schon gesagt wurde.
Ist die zweite Urkunde vernichtend für die Sagen über „Mutter Kilwinning", so werden durch eine dritte, ebenfalls von William Schaw unterschriebne Urkunde die sagenhaften „erbllichen Großmeister" aus der gutsherrlichen Familie derer von Roslin ins Reich der Fabel verwiesen. Ort und Zeit der Abfassung sind in ihr nicht angegeben, da sie aber von William Schaw unterzeichnet und dieser im April 1602 gestorben ist, so muß sie vor diesem Jahre aufgesetzt sein, und Lyon ([History of the Lodge of Edinburgh] S. 62 bzw. 68 f.) weist aus den andern Unterschriften überzeugend nach, daß sie zwischen Dezember 1600 und November 1601 entstanden sein muß. In England und Schottland ist sie bekannt unter dem Namen „St. Clair Charter".
Wegen ihrer Bedeutung für das wirkliche Verhältnis der Gutsherren von Roslin zu den Steinmetzen Schottlands will ich, damit jeder selbst urteilen kann, auch diesen „Freibrief" hier in deutscher Übertragung vorführen.
c. Erster Freibrief für die Herren von Roslin von 1601.
[Englischer Text bei William James Hughan: Masonic Sketches and Reprints, 1871, 219-221; Nachdruck Kessinger Publishing 1999.]
Kund sei allen Leuten durch diesen gegenwärtigen Brief. Wir Vorsteher (deacones), Meister und Freileute der Steinmetzen im Königreich Schottland, mit ausdrücklicher Zustimmung und Beistimmung von William Schaw, Werkmeister unsers allerhöchsten Herrn, sintemalen es von Zeitalter zu Zeitalter unter uns beobachtet ist, daß die Herren von Rosling immer Schirmherren und Schützer (patrones and protectors) von uns und unsern Vorrechten gewesen sind, gleichwie unsre Vorfahren ihnen als Schirmherren und Schützern gehorcht und sie anerkannt haben,
weil dies seit einigen Jahren durch Nachlässigkeit und Versäumnis außer Gebrauch gekommen ist, wodurch nicht allein der Herr von Rosling sein gutes Recht eingebüßt, sondern auch unsre ganze Zunft eines Schirmherrn, Schützers und Beaufsichtigers (patron [patrone], protector [protectour] and oversear) entbehrt hat, was mannigfache Verderbnisse und Mängel unter uns selbst und in unsrer Zunft erzeugt und vielen Leuten Veranlassung gegeben hat, eine üble Meinung von uns und unsrer Zunft zu fassen und große Unternehmungen zu unterlassen wegen unsers großen, straflos gebliebnen Übelverhaltens, wodurch nicht nur die Urheber der Verstöße, sondern auch die ehrlichen Leute in ihrer Zunft und in ihrem Vorteil geschädigt werden, wie gleicherweise, wenn verschiedne und besondre Streitigkeiten unter uns ausbrechen, große und mannigfaltige Unzuträglichkeiten entstehn aus Mangel an einem Schirmherrn und Schützer, da wir nicht imstande sind, die gewöhnlichen Richter und Gerichte des Königreichs aufzusuchen wegen unsrer Armut und der Langsamkeit des Verfahrens,
- um dem abzuhelfen und gute Ordnung unter uns für alle Zukunft zu erhalten, sowie zur Fördrung unsrer Zunft und unsers Berufes sowie des Gemeinwohls in diesem Königreich, genehmigen wir für uns selbst und im Namen aller unsrer Brüder und Zunftleute, mit genannter Zustimmung, und willigen ein, daß William Sinclair von Rosling für sich selbst und seine Erben aus den Händen unsers allerhöchsten Herrn Freiheit und Gerichtsbarkeit über uns und unsre Nachfolger für alle Zukunft erwerbe und erlange, als Schirmherr und Richter (patrone and judge) für uns und die gesamten Ausüber unsrer Zunft im Königreich, über die wir Gewalt und Vollmacht haben, so daß wir ihn und seine Erben später als unsern Schirmherrn und Richter unter unserm allerhöchsten Herrn, ohne jedwede Art von Berufung oder Ablehnung seines Urteils, anerkennen können, mit Vollmacht für genannten William und seine Erben, einen oder mehrere Richter abzuordnen und solche weite und breite Gerichtsbarkeit über uns und unsre Nachfolger zu üben, sowohl in den Städten wie auf dem Lande, wie es unserm allerhöchsten Herrn gefallen wird, es ihm und seinen Erben zu gewähren.
William Schaw,
Maistir of Wark.
Unter Schaws Namen stehn Unterschriften von Vertretern von Logen, woraus hervorgeht, daß eine besondre Versammlung zur Ausfertigung der Urkunde berufen gewesen sein muß. Vertreten waren darnach die Logen zu Edinburgh, zu Dunfermline, zu St. Andrews, zu Haddington, zu Aitcheson’s Haven. Am untern Ende der Papierrolle ist rechts ein größres Stück in der halben Breite der Rolle abgerissen, und es ist nicht unmöglich, daß dort noch weitre Unterschriften gestanden haben; Bestimmtes läßt sich jedoch darüber nicht sagen.
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