Vorgeschichte und Frühgeschichte der Bauhütten
Anhang 5
Münster- und Dom-"Fabriken" (1165-1500)
Strassburg - Amiens - Prag - Xanten - Basel - Köln - Freiburg - Regensburg - Passau
Das Strassburger "Frauenwerk"
Der Begriff "Frauenwerk" (opus sancte Marie, unserre frowen werk) bezeichnete im 12. Jh. nur den Bau des Marien-Münsters. Ab 1224 war es die Kirchenfabrik, "als ein wirtschaftlich selbständiges und mit Rechtspersönlichkeit ausgestattetes Aggregat von Gütern und Einkünften, die dem Münsterbau dienten" (Peter Wiek: Das Strassburger Münster, 1959, S. 51; Barbara Schock-Werner: Das Strassburger Münster im 15. Jahrhundert. Köln 1983, S. 228). P. du Colombier (S. 38) behauptet, 1274 sei am Münster eine "Maison d'Oeuvre - le 'Frauenhaus'" gebaut worden. (Tatsächlich wurde der linke Bau des "Frauenhauses" 1347, der rechte 1579-82 errichtet.)
Nach 1235 wurde der Neubau des Langhauses durch "Meister" Rudolf und Sohn begonnen; 1275 konnte das Gewölbe des Mittelschiffes geschlossen werden, sodass "tocius fabrice", also das ganze Bauwerk - ausser den vorderen Türmen -, fertig war (P. Wiek, S. 88ff). Mit den Türmen wurde bald darauf begonnen. Ein Grossbrand zerstörte 1298 350 Häuser der Stadt und einen Teil des Münsters. Der eine Turm wurde 1439 vollendet.
Wie kompliziert die Organisation der Münsterfabrik war, hat Peter Wiek eingehend anhand der vielen vorhandenen Urkunden untersucht. Im Laufe des 13. Jahrhunderts ging die sog. Münsterpflegschaft immer mehr aus den Händen der Kirche in diejenigen der Stadt über. Zwar sind bis 1282 geistliche, und zwar dem Domkapitel angehörende und im bischöflichen Auftrag tätige "rectores fabrice" bezeugt (S. 49), doch ist eine Laienverwaltung - wenn auch durch kirchliche Vorbehalte eingeschränkt seit 1228 resp. 1261 festzustellen (S. 58f, 65). So war etwa Konrad Oleman von 1261-74 als Laie und Stadtbürger als Geschäftsführer der Münsterfabrik tätig. Vielleicht war er aber auch wie Rudolf und Erwin (1284-1318) gleichzeitig Werkmeister (S.56,58). Der bekannte Chronist Ellenhard ist seit 1291 als Pfleger nachweisbar (S. 50,71).
Die Mannigfaltigkeit der Bezeichnungen für diese kirchlichen und (ab 1282 nur noch) städtischen Münsterpfleger ist der nachstehenden Zusammenstellung zu entnehmen: 1228 magistri operis (S. 52) 1246 magistri operis (S. 55) 1261 Cunrado magistro...fabrice nostre dicto Oleman (S. 56), Laie, Bürger 1263 Berthold Fabis procuratore fabrice (S. 56, 58), Laie, Bürger; Cunrado...Oleiman magistro seu rectori fabrice (S. 56) 1264 fabrice rectoribus (S. 69) 1266 Scholastikus
Markward von Entringen: iudex fabrice (S. 61); Eberhard von
Entringen: rector fabrice; Konrad Oleman: procurator fabrice (S.
56, 60) 1269 Konrad Oleman: magister operis 1274 Konrad Oleman: magister operis; rector fabrice (S. 60) 1276 Witwe von Rudolf, magister fabrice (S. 58), Laie, vermutl. Werkmeister 1277 Markward und Eberhard: provisores et gubernatores fabrice (S. 57, 61) 1281 von heren Weheline, der lonherre ist unserer frowen werkez (S. 64) 1282 Markward: rector fabrice (S.57), letzter Domherr 1283 Heinrich Wehelin: Wilhelmus procurator fabrice (S.57, 69), Bürger 1284 her Heinrich Wehelin der lonherre und meisten; Erwin der wercmeistere (Erwin steht auf Rasur, S. 57) 1286 städtische Pfleger: magistri fabrice (S. 50) vor 1290 Hermann Stehellin: gubernator fabrice (S.58, 67), Bürger 1290 Ritter Lukas von Eckwersheim: magister fabrice (S.49, 71) 1291 Ellenhard: Pfleger (S. 50, 71) 1294 Ritter Lukas: pfleger und lonherre (S. 49, 71) 1299 Ellenhard und Heilmann: pfleger (S.50, 71) 1303 rectoris fabrice (S. 77) 1338 drei procuratores (S. 73)
Während die geistlichen Pfleger sich vorwiegend mit der Veräusserung von liegendem Fabrikgut befassten (S. 61, 65), lag die wirtschaftliche und organisatorische Leitung des Münsterbaus schon früh bei den "bürgerlichen" Pflegern. Seit ca. 1286 wurden letztere von "Meister und Rat" der Stadt in ihr Amt eingesetzt (S. 71ff). Ferner setzten diese seit dieser Zeit auch einen Schaffner (procurator) ein (S. 72, 74-6, 82f), und zwar waren diese geistlichen Standes. Später wurde ihnen noch ein Vertreter der Zünfte (z. B. 1367 ein Goldschmied) zur Seite gestellt.
Die Dombaumeister waren durchwegs Bürger der Stadt, sogar manchmal Mitglieder des Rates (S. 107). (Weniger genau Georg Mitscher: Zur Baugeschichte des Strassburger Münsters. Strassburg: Schultz 1876, z. B. S. 22; Hans Weigelt: Das Strassburger Münster und seine Bildwerke. Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2. Aufl. 1935; 1. Aufl. ca. 1927; Barbara Schock-Werner, 1983, S. 25, vgl. auch 1978, S. 55).
Als 1332 die Zünfte an der Stadtherrschaft teilnahmen und sich deshalb einheitlich konstituierten, wurden die Steinmetzen des Münsters mit den Maurern der Stadt in einer Zunft zusammengefasst. 1402 wurde die Zunft vom Rat der Stadt wieder geteilt (Barbara Schock-Werner, 1978, S. 64).
Amiens
In Amiens liegen für den Baubeginn 1220 keine Angaben vor, aber ab 1234 ist ein "procurator fabricae" dokumentiert. Die "fabrica" oder "Verwaltung" war identisch mit dem Kapitel, das einen Kanonikus und einen "maître de la fabrique" (erst 1375 erwähnt) einsetzte, welch letzterem ein "clerc", ein "varlet de l'oeuvre", ein "maitre maçon" und andere unterstanden. Diese Gruppe arbeitete mit einem "maître des ouvrages" zusammen, der jeweils für ein Jahr aus der Bürgerschaft gewählt wurde (P. Frankl, S. 115f; vgl. J. Gimpel, S. 39, 88).
Prager Dom
Als erster Prager Dombaumeister ("magister fabricae", aber mit der Funktion des "magister operis", des Werkmeisters) wird Mathias von Arras (1344-52) genannt. Ihm folgte 1356 Peter Parler als "magister operis".
Die "directores fabricae" oder "rectores fabricae" wurden vom Erzbischof alleine ernannt und bezahlt. Wie in Köln waren es Geistliche, die dieses Amt ausübten.
Xanten
In Xanten ist von 1165-90 der Kanonikus und Scholastikus des Kapitels, mit Namen Berthold, als "Bruder, Meister der Schulen und Urheber des neuen Werks" (Frater nr. scolarum magr. auctor novi operis) bezeugt.
1213 waren die drei Stockwerke der romanischen Westfassade vollendet. 50 Jahre später wurde mit dem Bau des gotischen Ostchores begonnen (1437 vollendet).
1270 stellte das Kapitel, welches seit 1246 die Herrschaft aus den Händen des Probstes übernommen hatte, eine Urkunde für die "Kirchenfabrik" aus. Um 1300 wird ein "magister Jacob" als Erbauer des gotischen Chors fassbar. Aus den seit 1356 vorliegenden Bauabrechnungen geht hervor, dass das Kapitel einen Kanonikus als "magister fabricae" einsetzte, der für die Einnahmen und Ausgaben der Kirchenfabrik zuständig war. Ihm unterstand als Werkmeister der "magister" oder "magister lapicidae" (Stephan Beissel: Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten. Nachdruck der 2. vermehrten Ausgabe von 1889. Osnabrück: Zeller 1966, S. 51ff, 89, 75, 82, 96 usw.).
Basler Münster
Urkunden über den Basler Münsterbau liegen erst seit 1285 vor. Als erster Werkmeister wird 1357 "Johans von Gemünde" fassbar.
Erste Jahrgänge der Fabrikrechnung sind seit 1399/1400 erhalten. Die Bauverwaltung lag damals beim Domkapitel. Die unmittelbare Leitung des Kirchenbaus (fabrica ecclesiae) führte ein vom Kapitel besoldeter, untergeordneter Geistlicher (Kaplan) mit dem Titel Fabrikmeister (magister fabricae). Er erstattete Rechnung über Einnahmen und Ausgaben der Münsterfabrik. Arbeiten der Maurer, Zimmerleute, Schmiede und Maler wurden an in der Stadt ansässige Handwerksmeister übertragen. Die Steinmetzarbeiten führte ein eigener Werkmeister oder Parlier mit einigen Gesellen aus (Baugeschichte des Basler Münsters. Hrsg. v. Basler Münsterbauverein, 1895, S. 167f.).
Kölner Dom
Schon ein Jahr vor dem Brand der alten Domkirche in Köln (1248) hatte das Kapitel die Absicht, eine neue Kathedrale zu bauen und begonnen, Gelder dafür (ad opus nove fabrice maioris ecclesie) zu sammeln. Albertus Magnus hielt damals in Paris theologische Vorlesungen, hatte also mit dem Plan nichts zu tun. Als "der geniale Schöpfer des grossartigen Wunderwerks gothischer Baukunst" wird Gerhard angesehen. Der alte Dom war rasch repariert worden und diente noch bis 1322 als Gotteshaus. Zu diesem Zeitpunkt war gerade der Chor mit seinen Seitenkapellen des neuen Domes vollendet.
Bauherr des Doms war nicht der Propst, sondern das Kapitel resp. der Dechant. Die Stellung des Erzbischofs war lange umstritten; erst 1365 einigte man sich darauf, dass er und das Kapitel je einen Kanonikus als Provisor wählen und in Eid nehmen sollten. Vom nächsten Jahr an hatten die beiden Provisoren jährlich Rechnung zu erstatten. In den folgenden hundert Jahren gewann zuerst das Kapitel, später der Erzbischof die Oberhand über den gesamten Dombau.
Die Steinmetzen am Dom waren von der seit Ende des 14. Jh. fassbaren städtischen Zunft unabhängig. Sie konnten das Zunftrecht für die Hälfte des gewöhnlichen Satzes erwerben. Auseinandersetzungen waren aber nicht zu vermeiden (z. B. 1471).
Während dessen gingen die Bauarbeiten und Geldsammlungen weiter, doch erst 1447 war der südliche Turm so hoch aufgeführt, dass er die Glocken aufnehmen konnte.
1560 wurden die Bauarbeiten eingestellt, ohne dass die Gewölbe des Langschiffs hätten geschlossen werden können; nur die Seitenschiffe waren eingedeckt und verglast worden (Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Köln und Neuss: Schwann, 3. Bd. 1869, S. 962-92; vgl. auch P. Wiek, S. 97-102).
Freiburger Münster
Um 1200 wurde in Freiburg die Pfarrkirche neu gebaut, zuerst im romanischen Stil und darin dem Basler Münster ähnlich, schon bald aber in den Ostjochen des Langhauses (1218-40) gotisch fortgesetzt. Am Turm wurde bis etwa 1350 gebaut. Als Turmbaumeister könnte der 1308 urkundlich erwähnte Meister Gerhard in Frage kommen.
Nach kirchlichem Recht war nicht die Herrschaft (die Grafen von Freiburg), sondern die Gemeinde baupflichtig. Seit Ende des 13. Jh. ist die Münsterpflegschaft nachgewiesen. Der Stadtrat ernannte aus seiner Mitte drei Pfleger, welche als Aufsichtsbehörde amteten. Sie wählten aus den Münstergeistlichen den Fabrikschaffner oder Prokurator, der die Rechnung und Aufsicht über die Hütte der Steinmetzen führte.
Als erster Münsterpfleger ist 1311 Gottfried von Schlettstadt fassbar, als nächste Werkmeister um 1332 Peter von Basel und Heinrich Leittrer. 1354 erfolgte die Grundsteinlegung zum neuen Chor, wobei vermutlich bereits Johann von Gmünd als Werkmeister verpflichtet wurde. Ihm folgte 1380 Michael von Freiburg. Nach ihm erlahmte die Bautätigkeit. 1471-93 wirkte Hans Niesenberger als Werkmeister. 1513 wurde der Chor geweiht. (Fried. Kempf, Karl Schuster: Das Freiburger Münster. Freiburg: Herder 1923, S. 10ff, 15, 118; Wolf Hart: Die Skulpturen des Freiburger Münsters. Freiburg: Rombach 1975, S.76, 99,117; vgl. auch Ernst Adam: Das Freiburger Münster. Stuttgart 1968).
Regensburger Dom
Seit dem etwa 1275 begonnenen Neubau hat die Regensburger Bürgerschaft, insbesondere das Patriziat, finanziell erheblich zum Dombau beigetragen. Bis etwa 1380 lag die Pflegschaft in den Händen der Bürger, dann ging sie an Domherren (Mitglieder des Kapitels) über. Bürgerliche Pfleger waren Luckh (1281-1307) und Heinrich Simon (1351).
Alle Dombaumeister waren - wie in Köln und Strassburg - Stadtbürger. Von ca. 1300 bis 1538 sind vierzehn namentlich bekannt, im 15. Jh. mehrere Vertreter der Familie Roritzer. Im Gegensatz zu andern Dombaumeistern waren sie seit 1318 auch stets Mitglieder der Zunft. Auch die Zimmermeister und Glasmaler gehörten der Zunft an (P. Wiek, S. 102-110).
Dom zu Passau
Für den Neubau des 1181 ab- resp. ausgebrannten Domes zu Passau war 1264 eine "Kirchenfabrik" gegründet worden. Ihr stand ein Geistlicher des Domkapitels vor ("Baumeister" genannt). Als erster "Werchmeister am Tuem bei Sankt Stefan" ist von 1320-33 Ulrich Chamerer urkundlich belegt; sein "Diener" (d. h. Lehrling) war Werner Polster. Aus dieser Zeit finden sich am Kreuzgang bereits Steinmetzzeichen. 1361 wird Heinrich der "Werchmann" (d. h. Steinmetzmeister), 1376 der Hüttenknecht Heinrich Rappel erwähnt.
Der gegen Ende des 14. Jh. fertiggestellte Dombau wurde bald durch einen neuen Chor ergänzt. Dessen Baumeister war Hans Krummauer (ca. 1370-1437), der gleichzeitig auch Bauten in Niederaltaich und Krummau leitete. Man nimmt an, dass er um 1407 eine "Hütte" als Organisation der am Werk tätigen Steinmetzen einrichtete. Die für das Versetzen der Steine notwendigen Maurer wurden aus den ansässigen zünftlerischen Handwerkern unter Führung eines besonderen verantwortlichen Meisters beigezogen. Unter dem "Münstermeister" Hans Hesse wurde der Chor um 1450 vollendet. Anschliessend wurden das Querschiff (1495 eingewölbt) und der Vierungsturm mit der Kuppel in Angriff genommen. Letztere war um 1535 fertiggestellt (W. M. Schmid: Die Dombauhütte - Alt Passauer Zünfte V-VII. In: Niederbayerische Monatsschrift, 9. Jg., 1920, S. 103-113, 141-150, 166-176).
Dr. phil. Roland Müller,
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