HomeVorgeschichte und Frühgeschichte der Bauhütten

 

Anhang 4

 

Die Werkstatt: officina, domus fabri, loge, atelier

 

Ergasterion = officina; auch fabrica - opus - officina - domus - mansiones - tabernaculum - Scheune, Schuppen - Logen - atelier - Bilder - Chroniken

 

ergasterion (gr.) = officina (lat.), auch fabrica

 

Seit dem 6. Jh. v. Chr. gab es in Griechenland die Betriebsform des "Ergasterion", zuerst für Töpfereien, bald für fast alle Gewerbebetriebe. Auch die meist mit einer Bäckerei verbundenen Mühlenbetriebe hiessen "Ergasterion" (LAW, Sp. 856, 1082ff).

Die römische Übersetzung heisst "officina" (Du Cange 1886, VI, S. 36f; Forcellini 1940, III, S. 477; Niermeyer 1976, S. 737).

 

Staatswerkstätten - vor allem für Waffen - seit dem 2. Jh. n. Chr. hiessen "fabricae" (vgl. auch RE: Fabricenses, Bd. 6, 1909, Sp. 1925-30; Der kleine Pauly, II, 1967, Sp. 501f; H. von Petrikovits in H. Jankuhn, S. 74, 96; ferner, wie zu sämtlichen lat. Begriffen der klassischen Zeit: Thesaurus u. Forcellini).

 

Aber schon seit dem 4. Jh. diente "fabrica (ecclesiae)" zur Bezeichnung des Kirchengebäudes, bald dann auch des Kirchenvermögens, das aber erst ab ca. 1200 - auch in Zusammenhang mit der Bezeichnung "opus" - langsam ein selbständiges Kirchengut wurde (S. Schröcker, S. 72-89; vgl. auch Anm. 89).

 

Ab 500 n. Chr. wurde erneut die Wassermühle manchmal als "officina" bezeichnet (Dietrich Claude in Herbert Jankuhn, S. 230).

 

"opus": Werk, Bau, Unternehmen

 

Laut H. Jantzen (S. 79) und E. Adam (S. 257) wurde für Bauhütte das Wort "opus" verwendet.

Doch in den massgeblichen, wenn auch unvollständigen Lexika des mittelalterlichen Lateins wird diese Bedeutung von "opus" nicht angeführt (Du Cange 1886, VI, S. 45f: opera, -ae, S. 51: opus; W. v. Wartburg 1955, Bd. 7, S. 358-70: opera, operari, operarius, S. 380-2: opus).

Niermeyer (1976, S. 739: opera) unterscheidet bei "opus" (S. 741f): "labour service, building, church fabric-fund, divine worship" und "in behalf of".

 

Dabei taucht "opus" in der Bedeutung von "Werk, ... Bau, Technik, Arbeit" in der Zeit von 750 bis 900 n. Chr. schon mehr als 130 Mal auf (Julius von Schlosser) und als "Bau, Bauführung, Unternehmen" im 11. und 12. Jh. ca. 250 Mal (Otto Lehmann-Brockhaus). Es deckt sich dabei weitgehend mit "fabrica".

 

Officina ab 800 n. Chr. zunehmend häufiger

 

Im allgemeinen diente "officina" als Bezeichnung von Werkstätten. Julius von Schlosser (Schriftquellen zur Geschichte der karolingischen Kunst. Wien: Graeser 1892) liefert für die Zeit von ca. 750-900 n. Chr. vier Textstellen:

 

- "totidem monasterii officinas" (bei St. Riquier; Mabillon, Annales Benedictini; ca. 800)

- "denique officina construxit" (bei Troyes; Martyrologium Adonis; ca. 850).

- "in exteriora officinarum" (beim Kloster St. Gallen; Ratberti Casus s. Galli; ca. 850)

- "ceterarumque officinarum" (bei St. Bertin; Miracula s. Bertini; ca. 860)

 

Für das 11. und 12. Jh. bringt Otto Lehmann-Brockhaus (Schriftquellen zur Kunstgeschichte des 11. und 12. Jahrhunderts für Deutschland, Lothringen und Italien. Berlin: Deutscher Verein für Kunstwissenschaft 1938, 2 Bde) bereits über 100 Belegstellen für "officina" als Werkstätte oder Wirtschaftsgebäude.

Nach 1298 heisst es bei einer von Ellenhard verfassten Chronik des Brandes von Strassburg, auch die "officinas" beim Münster seien in Asche verwandelt worden.

 

Dass Hans Josef Böker (Wilhelm von Hirsau. In Günther Bandmann, Hrsg.: Beiträge über Bauführung und Baufinanzierung im Mittelalter. Köln 1974, S. 76) "caeteras officinas" mit "die übrigen Aufgaben" übersetzt, könnte ein Interpretationsfehler sein, führt doch O. Lehmann-Brockhaus "officina" an dieser Textstelle (Nr. 1582; Bd. 1, S. 313; betrifft das Jahr 1089 in Zwiefalten) im Sachregister (Bd. 2, S. 306) unter "officina (Werkstätte, Wirtschaftsgebäude)".

 

Zur selben Zeit gibt es ja auch andere Belege für "officina" als Werkstätte, z. B. in Hirsau um 1100 unter Gebhard (O. Lehmann-Brockhaus) oder in der Nähe von Osnabrück (H. J. Böker: Benno II von Osnabrück, a.a.O., S. 82; Kap. 19 der Vita Bennonis II).

 

Schon früher soll Bernward von Hildesheim Werkstätten eingerichtet und gefördert haben (Vita s. Bernwardi, cap. 6; H. J. Böker, a.a.O., S. 90), und um 1128 baute Otto von Bamberg "alle Gebäude des Klosters durch einzelne Werkstätten (per singulas officinas) neu" (Lore Bender: Otto von Bamberg, a.a.O., S. 98: Vita des Prüfeninger Mönchs).

 

Weitere Belege für "officina" bei M. Warnke, S. 35 (1090), 42f (1070), 119 (1184), 126 (1171).

Vgl. auch W. v. Wartburg, Bd. 7, 1955, S. 334f (officina = Werkstatt).

 

Selten: "domus" für Handwerker

 

Bei Otto Lehmann-Brockhaus (Nr. 785, 3030) finden sich ferner zwei Belege für "domus":

- "domus fabri ferrarii" (Hütte der Schmiede; Dialogi de miraculis s. Benedicti auct. Desiderio abb. Casiniensi, ca. 1070 geschrieben)

- "domus fabri" (um 1200 beim Kloster Loccum; Bericht aber erst um 1400 geschrieben).

Ein weiterer Beleg für "domus" (um 1040) bei M. Warnke, S. 176.

 

mansiones

 

Ein alleinstehender Hinweis über "Hütten der Bauarbeiter" (mansiunculas u. mansiones), also Wohngebäude, findet sich in einem 1176 verfassten Bericht über die gut 100 Jahre vorher von Wilhelm dem Eroberer nach der Schlacht von Hastings (1066) erbaute Battle Abbey (M. Warnke, S. 77-8, vgl. S. 95).

 

"tabernaculum" Hütte, Zelt, Tempel, "ciborium"

 

Auch die Behauptung von C. F. Discher (S. 41), dass "tabernakulum" für Bauhütte stehe, ist fraglich.

Niermeyer (1976, S. 1010) verweist auf "ciborium" und gibt nur einen Beleg; Du Cange (1887, VIII, S. 3) unterscheidet 6 Bedeutungen von "tabernaculum", aber nicht "Bauhütte".

Immerhin nennt Otto Lehmann-Brockhaus für "tabernaculum" als "Hütte, Zelt, Tempel ..." im 11. u. 12. Jh. 8 Textstellen (J. v. Schlosser hat noch keine, nur für "ciborium").

 

Scheune, Schuppen

 

Die von Ferdinand Janner (Die Bauhütten des deutschen Mittelalters. Leipzig: Seeman 1876, S. 101) für das Jahr 1305 erwähnte "Bauhütte" (horreum latomorum) zu Landau in der Pfalz ist ein schlichtes Magazin oder Lagerhaus ("horreum" wurde im Deutschen zu Scheuer, d. h. Scheune).

Auch die "hutta lapicide" am Prager Dom (um 1372-78) ist nach W. Jüttner (S. 39) ein "Schuppen", desgleichen die "Steinhütte" (S. 40).

 

"Logen" in England

 

Loge als Werkstatt der Bauleute und Aufenthaltsraum (vgl. auch J. Gimpel, S. 63) findet sich (nach Knoop/Jones: Genesis, S. 38-9; Knoop/Jones: Mason, S. 50-4, 68) an folgenden Orten:

1277/80 Abtei von Vale Royal: logias

1292 Westminster Palace (auch 1332)

1316 CaernavonCastle

1330 Schloss Beaumaris

1337 Guildhall London

1370ff Yorker Münster: loge

1405 Exeter Cathedral

1413 Westminster Abbey, bereits 1394/5: logge

1421 Brücke von Catterick: luge

1429 Canterbury Priory: loygge

1438/39 Huddlestone: logiarum

1481 Schloss Kirby Muxloe: le shulde (shold, shoolde)

1491 Kirche von St. Giles in Edinburgh

1529/36 Holyrood-House

1539/40 SandgateCastle

 

"Atelier" des Holzbildhauers

 

In Frankreich taucht das Wort "atelier" (astelier 1332) als Arbeitsstätte eines Bildhauers in Holz erstmals 1362 auf. Es leitet sich von "astella = kleiner Splitter" her (W. v. Wartburg, I, 1928, S. 163f).

 

Bilder erst ab 1350

 

Älteste Darstellungen von Bauhütten: Zürcher Weltchronik des Rudolf von Ems (um 1350), Enikels Weltchronik (um 1370), siehe Binding/Nussbaum, S. VI u. 228 (auch M. Warnke, S. 214f), Tafel 20 u. S. 187.

 

Keine Beschreibungen in Chroniken

 

Keine Erwähnung von Bauhütten findet sich in der Beschreibung des Neubaus der Abteikirche von St. Denis von Abt Suger 1145 (dt. Text im Anhang zu Ernst Gall: Die gotische Baukunst in Frankreich und Deutschland. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1925, S. 93-107; eingehend zu St. Denis: O. v. Simson).

 

Auch die zwei andern Berichte von Abt Suger ("Ordinatio", ca. 1141, und "De Administratione" ca. 1145/49) sowie die einzigen beiden andern längeren Texte aus dieser Zeit, nämlich Gervasius' Chronik "über den Brand und den Wiederaufbau der Kathedrale von Canterbury" (um 1185) und Burchard von Halls Chronik des Klosters St. Peter zu Wimpfen im Tal (um 1280) - vgl. dazu P. Frankl, S. 3-35, 55f - geben darüber keine Aufschlüsse.

 



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