Home Angesehene Bildhauer schon vor 4500 Jahren

 

erschienen in «Kunst und Stein» 6, 1985, Dezember 1985, 20-21

 

 

Seit dem Ende der 4. Dynastie (etwa 2500 v. Chr.) sind Darstellungen von Handwerkerszenen aus dem Alten Ägypten erhalten, darunter auch von Bildhauern, Malern und Herstellern von Steingefässen.

 

Arbeitsteilige Statuenherstellung

 

Gearbeitet wurde arbeitsteilig im Kollektiv.

Der Arbeitsvorgang verlief folgendermassen: Die gröbste Arbeit findet - sofern es sich um Statuen aus Stein handelt - vermutlich nicht in der Werkstatt, sondern im Steinbruch statt (zum Beispiel Brechen der Steine). In der Werkstatt wird der rohe Umriss mit Axt oder Steinhämmern (siehe Bild 1: ein eiförmiger Stein ist in eine Astgabel als Schaft eingeklemmt) herausgeschlagen; die feinere Durcharbeitung geschieht mittels Hammer und Meissel.

Am Alten Reich hatte der Hammer die Form eines langen keulenförmigen Schlegels (Bild 2), im Mittleren Reich findet man daneben auch den runden Hammer (Bild 3). Im Gegensatz zum kräftigen Drauflosschlagen mit Axt und Steinhammer müssen das Ansetzen des Meissels und die Schlagkraft des Hammers genau berechnet und überlegt sein. Mit diesen Werkzeugen kann bereits eine Modellierung der Statue vorgenommen werden.

 

Mit dem Dechsel - wie die andern Geräte besonders auch in der Holzbearbeitung verwendet - werden Unebenheiten beseitigt und die Oberfläche «geglättet». Mit einem eiförmigen oder halbrunden Polierstein erfolgt das Polieren (siehe Bild 4; oben Kapitell mit Palmen, unten mit Lotosbündel). Anschliessend wird die Statue bemalt, mit Napf oder Palette, Spachtel und Pinsel.

 

Holz und Stein

 

Als Material für Statuen wurde einerseits Holz (für kleinere auch Elfenbein, Horn und Knochen), anderseits Granit und (weicher) Kalkstein verwendet. Rundbilder aus Metall sind erst aus dem Neuen Reich belegt.

Neben menschlichen Bildnissen (immer ganze Figuren) wurden auch Tiere geformt, ferner Reliefs und Hieroglyphen angefertigt. Sarkophage waren meist aus Holz; nur für die Mitglieder der königlichen Familie gab es Steinsärge.

Darstellungen gibt es vom Polieren mit Hilfe von Wasser und Sand.

 

Maler als Vorzeichner

 

Die Tätigkeit der Maler war oft sehr vielseitig. Manche wirkten auch als «Schreiber der göttlichen Bibliothek des Palastes» und als Umrisszeichner. In der letzteren Funktion leisten sie Vorarbeit für die Statuen- und Schmuckherstellung: Sie zeichnen die Umrisse für die künftigen Statuen und Reliefs (siehe Bild 5) oder schneiden Bilder aus, die dann mit kostbaren Steineinlagen ausgefüllt werden. Manchmal zeichnen sie auch Hieroglyphen und malen oder füllen sie aus; Metallgefässe dekorieren sie mit dem Griffel.

 

Ausbohren von Steingefässen mit Kurbelbohrer

 

Das Ausbohren der in ihrer äusseren Form schon fertigen Steingefässe geschieht immer in der gleichen Weise mit dem Kurbelbohrer. Der am unteren Ende einer gegabelten Triebstange befindliche Bohrkopf kann entweder eine Metall- oder Feuersteinspitze sein oder ein Metallzylinder («Röhrenbohrer»). Am oberen Ende der Triebstange ist die Kurbel als Griff befestigt und sind zwei Steine festgebunden, um die Schwungkraft zu erhöhen (siehe Bild 6). Innen- und Aussenwände der Gefässe werden anschliessend poliert.

Neben der flachen weiten Schale gibt es Krüge mit und ohne Henkel; die Kanne mit langem Hals, einmal auch mit angesetzter Tülle; zylindrische Gefässe, Salbgefässe und Gefässuntersätze.

 

Die Sonderstellung der Bildhauer und Maler

 

Bildhauer wie Maler hatten unter allen Handwerkern eine Sonderstellung: Sie gehören nicht zu einem Privathaushalt, sondern kommen von auswärts, und die Herstellung einer Statue, die ja eine Verkörperung des Auftraggebers ist, setzt eine enge persönliche Beziehung zum Grabbesitzer voraus.

 

Bildhauer bei der Arbeit werden sehr oft namentlich genannt. Manche erhielten auch eigene Denkmäler und Gräber. Das liegt weniger an der Anerkennung ihrer künstlerischen Leistung als vielmehr an der Besonderheit des Produkts ihrer Arbeit: Sie schaffen durch das Anfertigen von Bildnissen eine wesentliche Voraussetzung für die Weiterexistenz des Grabherrn nach dessen Tod; sie stehen an der Grenze zwischen Handwerk und Ritual. Daher werden Vertreter dieses Handwerks auch häufig als Opferträger, Totenpriester oder Begleiter des Grabherrn auf der Jagd oder beim Mahl dargestellt.

 

Er gab kaum «freie» Handwerker und keine Gilden

 

Im Alten Ägypten gab es kaum «freie» Handwerker und daher auch keine «Gilden» oder «Zünfte».

Jeder Handwerker arbeitete entweder im Dienst eines Privatmannes oder des «Staates» - ja nachdem König, Kult oder Tempel. Die letzteren waren besser angesehen. Die einzige Ausnahme bildeten Handwerker, die beim Bau der Pyramiden beschäftigt gewesen waren und nun als Stundenpriester dienten. Sie und Handwerker, die als Totenpriester amteten und daher wirtschaftlich unabhänging waren, konnten handwerkliche Aufträge von privater Seite «frei» annehmen. Somit aber waren alle Handwerker nur innerhalb eines Dienstverhältnisses tätig, in welchem ihnen Auftrag und Werkstoff zugewiesen wurde.

 

Aufstiegsmöglichkeiten und Entlöhnung

 

Tüchtige Handwerker in Stein konnten über den Aufseherposten zum «Vorsteher der Steinhandwerker» aufsteigen. Dieser hat es vor allem mit Rohstoffzuteilung, Abrechnungen, Organisation und Personal zu tun.

Den Höhepunkt und Abschluss der Laufbahn kann «der Beamte» bilden. Mancher einfache Steinhandwerker brachte es bis zum «Grossen Leiter der Handwerkerschaft», mancher einfache Maurer zum «königlichen Architekten» («Königlicher Meister der Bauarbeiter»).

 

Bildhauer und Maler arbeiteten stets im Staatsdienst oder am königlichen Hof. Mit Zustimmung des Königs konnten sie freilich befristet als Lohnarbeiter an einen Privatmann (Beamten) ausgeliehen werden - oft auch zusammen mit dem notwendigen Material.

 

Für Steinbrucharbeiten und Tempelbauten wurden «Saisonarbeiter» aus der ländlichen Bevölkerung turnusmässig ausgehoben. Die Entlöhnung erfolgte durch Versorgung am Arbeitsplatz (Verpflegung und Kleidung). Geld und Naturalien (weitere Nahrung, vereinzelt auch Kleider und Kupfer).

 

Trotz Sonderstellung nur «Handwerker»

 

Zusammenfassend kann man sagen: Die Bildhauer und Maler hatten eine bedeutsame Sonderstellung im Alten Ägypten. Zum einen gehörten sie organisatorisch zum Staat, waren Angehörige des Palastes, zum andern wegen ihres vertrauten Verhältnisses zum Auftraggeber, da sie mit ihrer bedeutungsvollen Herstellung von Statuen für dessen Nachleben nach seinem Tode sorgten. Sicher wurden sie für ihre geleistete Arbeit auch belobigt, doch fachliche Qualifikation war bei königlich-staatlichen Handwerkern vorausgesetzt.

 

Schon vor fünfzig Jahren formulierte Hermann Kees: «Im ägyptischen Charakter liegt begründet, dass die Wertung des Künstlers nach handwerklichem Standpunkt erfolgte und selbst Zeiten der Hochkultur eine offen ausgesprochene Anerkennung künstlerischen Schöpfungsgeistes vermissen lassen. Zählt doch der Künstler aller Zeiten zur ‚Handwerkerschaft’, zu der beispielsweise ebensogut die Zimmerleute der Werft gehörten.»

 

(Nach Rosemarie Drenkhahn: Die Handwerker und ihre Tätigkeiten im Alten Ägypten. Wiesbaden: Harrassowitz 1976.)

 

 

Weitere Abbildung

Steinmetzen beim Bau der Cheopspyramide

Gouachemalerei von Nick Solovioff, in Lionel Casson: Das Alte Ägypten. Time-Life, 1975, 130 (engl. 1965).

 


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