Erste Steinmetzdarstellungen
aus Günther Binding, Norbert Nussbaum: Der mittelalterliche Baubetrieb nördlich der Alpen in zeitgenössischen Darstellungen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1978.
Federzeichnung aus dem Utrecht Psalter (Utrecht, Universitäts-Bibliothek). Um 830. Zeigt den Bau einer Stadt. Tätigkeiten: Quader im Mauerwerk behauen. Werkzeuge: Hammer, Spitzeisen. (S. 108: Z 43)
Federzeichnung zur "Psychomachia" des Prudentius (Bern, Burgerbibliothek). Mitte des 10. Jh. In St. Gallen oder einer verwandten Schule entstanden. Zeigt einen Tempelbau. Tätigkeiten: Quader behauen und versetzen, Steine sägen, Material tragen, Mauer vermessen. Werkzeuge: Axt, Längesäge, Trage, Messstab. (S. 90: Z 25)
Buchmalerei im Cotton Ms. (London, Britisches Museum). 1. Hälfte 11. Jh. Zeigt einen Turmbau. Tätigkeiten: Bohlen tragen, Quader und Mörtel anreichen, Portal und Bauornamentik bearbeiten. Werkzeuge: Leiter, Gerüst Mörtelbottich, Holzklöpfel, Hammer, Beitel, Spitz- oder Schlageisen. (S. 97: Z 31)
Federzeichnung aus der Bibel von Noailles (Paris, Bibliothèque Nationale) 1. Hälfte 11. Jh. Zeigt einen Tempelbau. Tätigkeiten: Quader transportieren, tragen, anreichen, behauen, loten, versetzen. Werkzeuge: Vierrädriger Karren, Doppelfläche, Lot, Kelle. (S. 104: Z 37)
Freskomalerei im Tonnengewölbe des Mittelschiffs von Saint-Savin-sur-Gartempe (Dep. Vienne). Um 1100. Zeigt den Turmbau zu Babel. Erste Darstellung von Winkel (in der Hand des rechten Handwerkers auf dem zweiten Obergeschoss) und Rollenzug. Seither zahlreiche bildhafte Darstellungen von Bauarbeiten, Werkzeugen, Geräten und Lastkranen. (S. 106: Z 40)
Steinrelief in der Füllung eines Bogenzwickels über dem Portal des Westflügels, Kreuzgang des Zürcher Grossmünsters. Zwischen 1200 und 1230. Rekonstruktion, gearbeitet bei der Instandsetzung des Kreuzgangs um 1895. Der Bau des heutigen Grossmünsters wurde um 1100 begonnen und in mehreren Etappen durchgeführt, der Kreuzgang um 1180-1230. Im 12. Jh. Relief von Karl dem Grossen mit Felix und Regula am Pfeilerkapitell im Langhaus. Um 1250 Karlsbildnis am Westturm. (S. 125: Z 66; vgl. Kunst und Stein 6/1980, S. 57)
Kolorierte Federzeichnung aus der Zürcher Weltchronik des Rudolf von Ems (Zentralbibliothek Zürich). Um 1340-1350. Erste Darstellung eines Unterstandes zur Mörtelbereitung (Bauhütte). Erst seit dieser Zeit sind "Hütte" und "Loge" auch als Organisation fassbar. Seit dem 13. Jh. waren Treträder im Gebrauch. Der Wolf wurde vor allem in der Romanik verwendet und ab 1220/30 von der Zange verdrängt (erste Darstellungen um 1300). (S. VI, zu Nr. 226)
aus Martin Warnke: Bau und Überbau. Soziologie der mittelalterlichen Architektur nach den Schriftquellen. Frankfurt am Main: Syndikat 1976; 2. Aufl. 1979, S. 210-216.
König Offa berät mit einem Architekten und einem Beamten über den Bau einer Kirche. Miniatur zu Matthew Paris "Life of the Offas". London, British Museum, Ms. Cotton Nero D 1, fol. 234. Um 1300.
Die Zeichnung ist um 1300 dem Manuskript des Matthew Paris hinzugefügt worden. Sie lehnt sich kompositionell und inhaltlich eng an eine Illustration, die Matthew Paris schon um 1260, wohl unter dem unmittelbaren Eindruck des neu geschaffenen Amtes eines Hofarchitekten, für sein Manuskript gezeichnet hatte. Während jedoch Paris den König direkt auf den Bau zu agieren und den Architekten sowie den Beamten nur beratend und bekräftigend von links hinzutreten lässt, tritt der Architekt hier zwischen den König und den Bau, so dass er ein grösseres Gewicht und eine eigene Kompetenz bekommt.
In den Arkaden der bereits weitgediehenen Hochschiffwand bearbeiten Handwerker Quadersteine, Kapitelle oder sind an einem Seilaufzug beschäftigt, durch das die Materialien hochbefördert werden. Auf der Wand prüft der linke Maurer die Wand mit einer Bleiwaage. Bei der Wiedergabe der Bauarbeiten finden sich die engsten Anlehnungen an die ältere Vorlage; hier hinkt die zeichnende Hand stilgeschichtlich etwas nach. Demgegenüber entfaltet sie an der Gruppe um den König die schwingende Eleganz des hochgotischen Lineaments.
Literatur und Bildnachweis: Pierre du Colombier, Les Chantiers des Cathedrales. Paris 1973 (2. Auflage), S. 58, 184, fig. 58.
Zwei Illustrationen zu Rudolf von Ems, Weltchronik. Zürich, Zentralbibliothek, Rh 15, fol. 6'. Zwischen 1340 und 1350 (siehe oben) Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. bibl. 2° 5, vol. 9v. 1383
Die im Auftrag des Stauferkönigs Konrad IV. (1250-1254) verfasste Weltchronik des Rudolf von Ems ist das ganze Mittelalter hindurch weit verbreitet gewesen und oft illustriert worden. ... Die Miniaturen aus der ersten und zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts illustrieren die Stelle aus der Weltchronik sehr unterschiedlich.
... Die fünfzig Jahre später am Mittelrhein für den Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein angefertigte Illustration lehnt sich schon darin enger dem Bibeltext an, dass sie dem Turm Elemente auch einer Stadtarchitektur beigibt, etwa in dem vorgesetzten Torbau. Der Turm ist ein vielteiliges Gebilde, mit Geschossen und Gesimsen. Es erscheint auch kein Architekt und kein König auf dem Bauplatz. Die Arbeitsvorgänge regulieren sich gleichsam nach zünftigen Regeln. In der umliegenden Landschaft sind Arbeiter damit beschäftigt, Mörtel zu mischen und Steine zurechtzuhauen. Die Materialien werden über den Trog an einem mächtigen Seilaufzug hochgeschafft. Den Aufzug bedienen drei Arbeiter, von denen zwei oben das Seilrad bewegen. Auf der schmalen Arbeitsbühne sind sechs Männer mit dem Aufbau der Mauer befasst.
Stilistisch hat die Miniatur den feingliedrigen und linearen Stil der Züricher Handschrift hinter sich gelassen. Sie zeigt kompaktere und derbere Figuren und schliesst sich darin einer Stiltendenz an, die sich seit der Jahrhundertmitte in ganz Europa ausbreitete. In den beiden Miniaturen stehen sich unterschiedlich strukturierte Bauorganisationen gegenüber: Dort die höfische mit einer klar geregelten Befehlsstruktur, hier die zünftige, die die Funktionen gemäss Satzungen verteilt.
Literatur: Christine Kratzen, Die Illustrierten Handschriften der Weltchronik des Rudolf von Ems. Diss. Berlin 1974, S. 31 (für Zürich). - Alfred Stange, Deutsche Malerei der Gotik. Bd. 2, Berlin 1936, S. 112 ff. (für Stuttgart). Bildnachweis: Fotothek des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg (Zürich); Bildarchiv Foto Marburg 236531 (Stuttgart).
König Salomo beim Bau des Tempels von Jerusalem. Miniatur von Raoulet d'Orléans zum "Miroir historial" des Vincent de Beauvais, geschrieben für Louis, Duc d'Orleans. Paris, Bibliotheque Nationale, Cod.fr. 312, fol. 102v. 1396
Im 14. Jahrhundert häufen sich die Darstellungen zum Baubetrieb und allgemein zu handwerklichen Arbeiten. Es ist das Jahrhundert der Zünfte und Zunftaufstände, mit denen neue Mittelschichten in den Städten an die Macht drängen. Die Könige haben die Zünfte vielfach gefördert und nicht selten auch politisch mit ihnen koaliert, wenn es darum ging, adlige oder patrizische Machtstellungen zurückzudrängen. Die Miniatur zeigt ein auffallend gelockertes und direktes Verhältnis des Königs zu den Bauhandwerkern. Der König sitzt vor dem Bauwerk und spricht einen Maurer an, der die Kelle gerade beiseite gelegt hat, um mit dem Lot die Mauer zu prüfen. Der Maurer reagiert ganz unbefangen auf die Ansprache des Königs.
Auch stilistisch wird mit dieser Zeichnung in der Welt der höfischen Miniatur, die gerade um 1400 einen Höchstgrad an esoterischer Eleganz erreicht, ein derber und realistischer Ton vernehmbar.
Literatur: Henry Martini, La Miniature française du XIIIe au XVe siècle. Paris/Brüssel 1923, S.99. Bildnachweis: Bildarchiv Foto Marburg LA 750/14.
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