Home Definitionen: Systemtheorie

 

Siehe auch:   Jürgen von Kempski: Allgemeine Systemtheorie (1961)

                        Herbert Fuchs: Systemtheorie (1969)

 

 

Quellen

Karl Küpfmüller: Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung. 1949

Meyers neues Lexikon, 7. Bd. 1964

Das grosse Duden-Lexikon, Bd. 7, 1967

Georg Klaus (Hrsg.): Wörterbuch der Kybernetik, 1967

Staatslexikon, 10. Bd. 1970

Lexikon der Pädagogik, 2. Bd. 1970; 3. Bd. 1971

Josef Löffelholz: Repetitorium der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl. 1970

Dr. Gabler’s Wirtschaftslexikon, 8. Aufl. 1971

Theo Lutz: Taschenlexikon der Kybernetik, 1972

Brockhaus Enzyklopädie, 18. Bd. 1973

 

 

 

Der Ingenieur Karl Küpfmüller, schreibt am Anfang seiner „Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung“ (1949):

„Die Systemtheorie beantwortet in übersichtlicher Weise alle Grundfragen der verschiedenen Teilgebiete der Nachrichtenübertragung, so dass sich damit gleichzeitig ein Überblick über die gesamte Nachrichtentechnik ergibt.“ Mit der Systemtheorie „lässt sich das Wesentliche der Vorgänge erkennen“.

 

 

Meyers neues Lexikon. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, 7. Bd. 1964, 915

Systemtheorie:

Charakterisierung elektrischer Nachrichtenübertragungssysteme durch ihre elektrischen Eigenschaften bzw. durch ihr Verhalten bei typischen Sendefunktionen (z. B. Sprungfunktion).

Auf Arbeiten von Karl Willy WAGNER (1883 bis 1953) („Operatorenrechnung und Laplacesche Transformation nebst Anwendungen in Physik und Technik“) fussend, wurde die S. von K. KÜPFMÜLLER (geb. 1897) weiterentwickelt.

 

 

Das grosse Duden-Lexikon, Bd. 7, 1967, 813-814

Systemtheorie:

1)     allg. die Theorie der Beziehungen zw. den Elementen (bzw. Teilsystemen) eines Systems, des Zusammenhangs zw. Struktur u. Funktionsweise von Systemen;
daneben klassifiziert die S die Systeme (z. B. offene, geschlossenen, stabile. Instabile u. a. Systeme);

2)     speziell Bez. für die Charakterisierung elektr. Nachrichtenübertragungssysteme durch ihre elektrischen Eigenschaften beziehungsweise durch ihr Verhalten bei typischen Sendefunktionen.

 

 

Georg Klaus (Hrsg.): Wörterbuch der Kybernetik. Berlin: Dietz 1967, 637-638

(Lizenzausgabe in 2 Bdn, Frankfurt am Main: Fischer-Bücherei 1969)

 

Systemtheorie:

Theorie der Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems, der Relation zwischen Struktur und Funktion von Systemen, der Beziehungen zwischen Teilsystemen und Gesamtsystemen usw.

 

Die Systemtheorie nimmt verschiedene Klassifikationen von Systemen vor (offene, geschlossene Systeme; stabile, instabile Systeme; lineare, nichtlineare Systeme usw.). Sie strebt eine exakte mathematische Formulierung der von ihr erarbeiteten Begriffsbildungen, Beziehungen, Gesetze usw. an. Hierzu benutzt sie vor allem die Vektor- und Matrizenrechnung, die Topologie, die Theorie der Differentialgleichungen und die Funktionentheorie.

 

Die allgemeinsten Ergebnisse der Systemtheorie haben Bedeutung für die systematische Philosophie, insbesondere für den dialektischen Materialismus. Darüber hinaus gewinnen systemtheoretische Betrachtungen für alle Bereiche der Wissenschaft in wachsendem Masse Bedeutung, in denen komplexe und komplizierte Systeme im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen. Das gilt z. B. für die verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen einschliesslich der politischen Ökonomie.

 

 

Staatslexikon, Freiburg: Herder, 10. Bd. 1970, 582

unter dem Stichwort „Kybernetik“

 

Die Theorie der Steuerungs- und Regelungssysteme ist eine Unterdisziplin der allgemeinen Systemtheorie. Dieser Umstand und die Tatsache, dass dem Systembegriff in allen vorangehend angeführten kybernetischen Disziplinen grundsätzliche Bedeutung zukommt, haben es sinnvoll scheinen lassen, die allgemeine Systemtheorie der K. im weitesten Sinne zuzurechnen.

Ein im weiteren Operationsbereich der K, gegenüber dem Systembegriff kaum weniger gebräuchlicher Begriff ist derjenige des Modells. Da Modelle besondere Systeme sind, besteht in jedem Falle zwischen einer allgemeinen Theorie der Modelle und der allgemeinen Systemtheorie ein enger Zusammenhang.

 

 

Lexikon der Pädagogik, Freiburg i. Br.: Herder, 2. Bd. 1970, 54

unter dem Stichwort „Ganzheit, Ganzheitsprinzip“)

 

Unabhängig von diesen metaphys. Voraussetzungen wird eine Theorie der Ganzheit heute auch in der Systemtheorie, in der Kybernetik und in der Strukturtheorie gegeben. Dabei geht es vor allem um die Klärung der Selbstregulierung, durch die sich modifikable Ganzheiten in ihrer Funktionalität erhalten.

Die für die Ganzheit konstitutive Einheit wird dabei nicht auf ein vorgegebenes Prinzip (z. B. „Entelechie"), sondern auf innere Konstitutionsvorgänge zurückgeführt. Wegen des Miteinbeziehens dynamischer Prozesse übernehmen die genannten Theorien mehr und mehr die Aufgabe der früher metaphysisch und statisch vorgehenden Ganzheitslehre.

 

Lexikon der Pädagogik. Freiburg i. Br.: Herder, 4. Bd. 1971, 204

 

Allgemeine Systemtheorie und Systemanalysen.

Da der S.begriff in alle Wiss.en Eingang gefunden hat, versuchen die von L. v. BERTALANFFY begründete „General System Theory“ sowie die von N. WIENER initiierte kybernetische S.theorie und die mehr pragmatisch orientierte „Systems Science“ („Systems Analysis", „Systems Engineering“ u. ä.) interdisziplinäre Betrachtungsweisen ganzheitlicher Art zu entwickeln, die derartige Beachtung finden, dass man bereits von einer neuen „systems-era" (ELLIS-LUDWIG) spricht.

 

L. v. Bertalanffy - A. Rapoport (Hrsg.), General Systems. Yearbook of the Soc. for Gen. Syst. Res. (Ann Arbor 1956 ff.);

D. O. Ellis - F. J. Ludwig, Systems Philosophy (Englewood Cliffs, N. J., 1962);

M. D. Mesarović (Hrsg.), Views on General Systems Theory (New York - London - Sydney 1964);

L. v. Bertalanffy, General System Theory. Foundations – Development - Applications (New York 1969);

G. Rabow, The Era of the S. (New York 1969);

H. Schwarz, Einf. in die moderne S.theorie (1969);

W.-D. Narr, Theoriebegriffe u. S.theorie (2. Aufl. 1971).

 

 

Josef Löffelholz: Repetitorium der Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden: Gabler, 3. Aufl. 1970, 77-78

 

Begriff und Wesen der Systemforschung

 

Entwicklung und Wesen der Systemforschung

 

Die immer stärkere Anwendung der exakten Methoden, der „Methoden der Naturwissenschaften", in den Sozialwissenschaften hat in zunehmenden Masse die quantitativen Strukturen vieler Sozialgebilde (sozialer Organisationen) erkennen lassen und zeigte überraschend, dass biologische, soziale und mechanische Gebilde vielfach isomorphe Systeme und Strukturen aufweisen.

Diese Erkenntnis führte zu Systemanalysen, die eine eigenständige interdisziplinäre Wissenschaft begründeten, die Systemtheorie. Soweit die Systemwissenschaft formalisierte Systeme (Formal- oder Idealmodelle) entwickelt, ist sie eine Idealwissenschaft oder Formalwissenschaft (wie Mathematik und Logik) im Gegensatz zu den Realwissenschaften.

 

Die Systemtheorie hat insofern eine sehr grosse Bedeutung für die Praxis, als sich die Betriebe heute äusserst instabilen Umweltverhältnissen gegenübersehen. Die Systemforschung ermöglicht aber die Dynamik der betriebswirtschaftlichen Organisationssysteme, die bisher fast nur statisch gesehen wurden, ganz in den Blickpunkt zu rücken und sich auf das Kriterium der Flexibilität auszurichten, um die Organisation den veränderten Umweltbedingungen schnell anpassen zu können. Die von der Systemforschung entwickelten Formalmodelle dienen den Realwissenschaften zur Bildung oder Verbesserung von Realmodellen. Andererseits entwickelt die Systemforschung aus den Realmodellen der Realwissenschaften Ideal- oder Formalmodelle.

 

Allgemeine Systemtheorie und Systemforschung

 

Die amerikanische Systemwissenschaft teilt sich in zwei Richtungen: die General Systems Theory einerseits und das Systems Research oder Systems Engineering andererseits, die in Deutschland meist Systemforschung genannt wird.

 

● Die General Systems Theory, die vor allem auf den Biologen Ludwig von Bertalanffy zurückgeht und von Ashby und Boulding weiter entwickelt wurde, will als neue interdisziplinäre Formalwissenschaft die einzelnen Realwissenschaften zu einer „Einheit der Wissenschaft" integrieren. Sie soll eine für alle Systeme geltende Theorie aufstellen und strebt eine exakte mathematische Formulierung der von ihr entwickelten Begriffe, Beziehungen, Gesetze u. dgl. an. Sie benutzt dazu vor allem die Vektor- und Matrizenrechnung, die Topologie, die Theorie der Differentialgleichungen und die Funktionentheorie. Eine solche Wissenschaft kann für alle Natur- und Sozialwissenschaften grosse Bedeutung gewinnen. Sie steckt aber noch ganz in den Anfängen. Der wissenschaftliche Nutzen und die Praktizierbarkeit einer solchen „Superwissenschaft" werden aber von einigen Autoren (Hempel, Ackoff, Kosiol u. a.) angezweifelt.

● Das Systems Research, Systems Engineering oder die Systemforschung ist dagegen pragmatisch ausgerichtet. So wollen Kosiol und Mitarbeiter den Begriff Systemforschung „als Sammelbezeichnung für alle Möglichkeiten realwissenschaftlicher Interdisziplinforschung" verwenden [1]. Den Unterschied solcher Interdisziplinforschung zu den übergreifenden Wissenschaften sehen sie darin, dass die übergreifende Wissenschaft isomorphe Strukturen in völlig verschiedenen Objektbereichen der Realität aufzeigt, während die Interdisziplinen einen ganz bestimmten Problembereich, z. B. Automation, Maschinenbau oder Raumfahrt, untersuchen und sich dabei der Theorien verschiedener Einzeldisziplinen bedienen. Im konkreten Fall ist dann hinzuzufügen, welche Art von Systemforschung, z. B. Systemforschung für Automation, vorliegt.

 

1] Kosiol, Szyperski, Chmielewicz: Zum Standort der Systemforschung, ZfbF 1965, S. 337ff.

 

 

Dr. Gabler’s Wirtschaftslexikon, 8. Aufl. 1971, 1468-1470

 

(fast wörtlich von Josef Löffelholz, 1970, abgeschrieben; je einmal wurde Systemforschung und Systemwissenschaft durch Systemtheorie ersetzt)

 

Systemtheorie,

eine interdisziplinäre Wissenschaft, die eine für alle biologischen, sozialen und mechanischen Systeme geltende formale Theorie zu entwickeln bestrebt ist.

Die immer stärkere Anwendung der exakten Methoden in den Sozialwissenschaften hat in zunehmendem Masse die quantitativen Strukturen vieler Sozialgebilde erkennen lassen und zeigte, dass biologische, soziale und mechanische Gebilde vielfach isomorphe Systeme und Strukturen aufweisen.

 

Die S. hat insofern eine grosse Bedeutung für Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis, als sich die Betriebe heute äusserst instabilen Umweltverhältnissen gegenüber sehen. Die S. ermöglicht, die Dynamik der betriebswirtschaftlichen Organisationssysteme (Organisation der Unternehmung), die bisher fast nur statisch gesehen wurden, ganz in den Blickpunkt zu rücken und sich auf das Kriterium der Flexibilität auszurichten, um die Organisation den veränderten Umweltbedingungen schnell anpassen zu können.

 

Die S. hat in den USA, wo sie weitgehend entwickelt wurde, zwei Richtungen hervorgebracht:

  • Die General Systems Theory, die vor allem auf den amerikanischen Biologen Ludwig von Bertalanffy zurückgeht, will als neue interdisziplinäre Formalwissenschaft die einzelnen Realwissenschaften zu einer „Einheit der Wissenschaft" integrieren. Sie soll eine für alle Systeme geltende Theorie aufstellen und strebt eine exakte mathematische Formulierung der von ihr entwickelten Begriffe, Beziehungen, Gesetze u. dgl. an. Sie benutzt vor allem die Vektor- und Matrizenrechnung, die Topologie, die Theorie der Differentialgleichungen und die Funktionentheorie.
  • Im Gegensatz zu dieser „Superwissenschaft" (Kosiol) ist das Systems Research oder System Engineering ganz pragmatisch ausgerichtet, es wird in Deutschland vielfach als „Systemforschung" bezeichnet und soll als „Sammelbezeichnung für alle Möglichkeiten realwissenschaftlicher Interdisziplinforschung" (Kosiol) verwandt werden.
    Die übergreifende Wissenschaft zeigt isomorphe Strukturen in völlig verschiedenen Objektbereichen der Realität auf, während die Interdisziplinen einen ganz bestimmten realen Problembereich untersuchen und sich dabei der Theorien verschiedener Einzeldisziplinen bedienen.

 

Literatur:

Adam/ Helten/ Scholl: Kybernetische Modelle und Methoden, Köln/ Opladen 1970;

Kirow, H. W.: Kybernetik, Wiesbaden 1969;

Ulrich, Hans: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern/ Stuttgart 1971;

Wegner, Gertrud: Systemanalyse und Sachmitteleinsatz in der Betriebsorganisation, Wiesbaden 1969;

Wieser, Wolfgang: Organismen, Strukturen, Maschinen, Frankfurt 1959.

 

 

Theo Lutz: Taschenlexikon der Kybernetik. München: Verlag Moderne Industrie 1972, 201

 

Systemtheorie

Die theoretische und wissenschaftliche Behandlung des Systembegriffes hat in der Systemtheorie zu erfolgen.

Insofern Kybernetik die formale Wissenschaft von den Strukturen, den Relationen und dem Verhalten dynamischer Systeme ist, wäre die Systemtheorie eine fundamentale Disziplin der Kybernetik. Dem steht gegenüber, dass es innerhalb der Kybernetik nur wenig definitorische Bemühung gibt, den Begriff System zu fassen, und dass vielmehr viele Disziplinen, die auch die Kybernetik berühren, mit individuellen Versionen dieses Begriffes arbeiten. So ist es innerhalb der Kybernetik bis heute zu einer umfassenden Systemtheorie nicht gekommen.

 

Einzelne Disziplinen, die auch im Einzugsbereich der Kybernetik stehen, wie etwa die Nachrichtentechnik, verfügen über brauchbare und für die jeweilige Disziplin nützliche Systemtheorien, deren Zusammenfassung allerdings wohl kaum die Systemtheorie einer Kybernetik liefert!

 

 

Brockhaus Enzyklopädie, 18. Bd. 1973, 407

Systemtheorie,

die grundsätzl. Behandlung des Zusammenwirkens der durch ihre Einzelfunktionen beschriebenen Elemente eines Systems miteinander und mit der Aussenwelt.

Das System kann dabei z. B. eine techn. Einrichtung sein. bes. eine Anlage mit verschiedenen, einander beeinflussenden Regelungsvorgängen, aber auch ein biolog. Organismus oder ein sozialer Verband (Kybernetik).

Mathemat. Methoden der S. sind bei kontinuierl. Behandlung Differential- und Integralgleichungssysteme, bei der zunehmend verbreiteten diskreten Betrachtung Mengentheorie, Algebra der Gruppen und Graphen zur Beschreibung der Systemzustände und -übergänge.

J. W. FORRESTER: Grundsätze einer S. (a. d. Engl., 1972).

 

(Aus: Brockhaus Enzyklopädie, 24. Bd., 1976, Ergänzungen, 683:

Systemtheorie

die, Erforschung des Zusammenwirkens der Elemente eines Systems (sozialer Verband, biolog. Organismus, techn. Einrichtung).)

 



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