Systems Engineering und Human Engineering
Quellen Nigel Calder: Technopolis, 1969, dt. 1971 Alfred Büchel: Systems Engineering. io Industrielle Organisation, 1969 Günter Ropohl (Hrsg.): Systemtechnik – Grundlagen und Anwendung. 1975
Mit der Systemanalyse verwandt ist "Systems Engineering". Nigel Calder präzisiert in „Technopolis“ (1969; dt. 1971): Während erstere vorwiegend auf die Erarbeitung von theoretischen Modellen ausgerichtet ist, gilt letztere der gesamtheitlichen Betrachtung eines Ingenieurprojekts. Der Systemingenieur "muss sich um den Entwurf und das Funktionieren des Projekts kümmern und Hindernisse und Begrenzungen erforschen ... Das 'Systems Engineering' kennzeichnet wahrscheinlich einen grossen Teil der künftigen Technologie, denn die maschinellen Teile und ihre Funktionen werden immer komplexer", meint Calder.
Alfred Büchel: Systems Engineering. io Industrielle Organisation 38 (1969) Nr. 9, 375
Unter dem Begriff der Kunst werden in der Definition von Engineering wohl alle jene Aspekte bezeichnet, die nicht lehrbar sind. Beim Systems Engineering sind sich alle Autoren darüber einig, dass es eine nur zum Teil lehrbare Tätigkeit ist. Es sollen zwei Gründe für diese Auffassung herausgegriffen werden
Systems Engineering
Mit Hilfe der hergeleiteten Begriffe lässt sich folgende Umschreibung formulieren: Systems Engineering befasst sich mit der Methodik und den Hilfsmitteln zur Gestaltung konkreter Systeme. Aus dem Wort Gestaltung ergibt sich implizite, dass es sich um künstliche Systeme handelt.
… Man spricht meist nur dann von Systems Engineering, wenn komplexe Systeme zu verwirklichen sind, an deren Entwicklung eine grosse Zahl von Personen beteiligt ist. Diese Einschränkung ist an sich willkürlich. Man kann den Begriff auf alle jene Systeme anwenden, für die kein bereits vorgezeichneter Entwicklungsweg bekannt ist. Dieser letztgenannte Tatbestand ist bei komplexen Systemen meist gegeben.
Systems Engineering setzt sich, wie erwähnt, aus einer Methodik (d. h. einer Vorgehensweise) und Hilfsmitteln zusammen, die dabei angewendet werden. Daneben gibt es noch eine Art philosophische Grundhaltung (s. z. B. Chestnut [1]), die etwa wie folgt charakterisiert werden kann:
1] Chestnut, Harold: Systems Engineering Tools. New York: John Wiley & Sons 1965, S. 8ff.
Günter Ropohl in Günther Ropohl (Hrsg.): Systemtechnik – Grundlagen und Anwendung. München: Hanser 1975, 1 und 74
„Die Bezeichnung ‚Systemtechnik’ (‚system engineering') prägte man um 1950" - vielleicht auch bereits Anfang der vierziger Jahre [1] - „bei den Bell Telephone Laboratories, um etwas zu beschreiben, was offensichtlich eine neue Art von Ingenieurleistung darstellte oder doch zumindest bis dahin nicht bewusst praktiziert worden war", erklärt ein amerikanischer Autor [2]. Und ein anderer betont, dass es der besondere Blickwinkel ist, „der die Systemtechnik von der klassischen Technik unterscheidet" [3].
Diesen besonderen Blickwinkel, diese neuartige Form, technische Probleme zu sehen und zu lösen, müssen wir verstehen lernen, wenn wir eine richtige Vorstellung von der Systemtechnik gewinnen wollen. Gewiss: Zunächst machte die Systemtechnik im Zusammenhang mit nachrichtentechnischen, militärtechnischen sowie luft- und raumfahrttechnischen Projekten von sich reden. Doch ist sie auf kein bestimmtes Fachgebiet der Technik beschränkt. Systemtechnische Modelle und Methoden lassen sich in jedem Bereich der Technik anwenden.
Was aber zeichnet systemtechnische Betrachtungs- und Vorgehensweisen gegenüber klassischer Ingenieurarbeit aus? Diese Frage ist nicht mit wenigen Sätzen zu beantworten. Denn es fiele schwer, kurz und knapp zu umreissen, worin überhaupt der Kern technischer Tätigkeit besteht. … Die Art und Weise, in der Ingenieure bei ihrer Arbeit vorgehen, ihre Denkansätze und ihre Problemlösungsbedingungen sind von Fachgebiet zu Fachgebiet, von Aufgabenbereich zu Aufgabenbereich verschieden. So ist eine allgemeine Methodenlehre, die für jegliche Ingenieurtätigkeit gelten würde, bislang nicht entwickelt worden. Eben dieses zu leisten nimmt jedoch die Systemtechnik für sich in Anspruch; sie will, in diesem wie in einigen anderen Punkten, Ansätze bieten, die bei den bekannten Typen von Ingenieurarbeit kaum vorkommen. Es hätte also wenig Wert, zunächst die klassische Technik zu erläutern, um dann die unterscheidenden Besonderheiten der Systemtechnik zu benennen. Die Systemtechnik ist in der klassischen Technik nicht enthalten. Eher ist es umgekehrt; denn klassische Ingenieurtätigkeiten, wie Erfinden, Entwickeln, Konstruieren, Berechnen usw. werden von der Systemtechnik nicht ersetzt, sondern ergänzt.
[1] Schlager, K. J.:
Systems Engineering - Key to Modern Development. IRE Trans., Prof. Gp. Eng.
Management 3 (1956), S. 64-66; zit. n. Hall, A. D.: A Methodology for Systems
Engineering. Princeton/ Toronto/ Melbourne/ London 1962, S. 7. [2] Drenick, R. F.: An Appraisal of the Status and Future of System Theory. In: Fox, J. (Hrsg.): Proceedings of the Symposium an Systems Theory. New York/ London 1965, S. 1-14 [3] Machol, R. E.: Methodology of System Engineering. In: Machol, R. E. u. a. (Hrsg.): System Engineering Handbook. New York/ London/ Sydney 1965, S. 1-3 bis S. 1-13, insbes. S. 1-8.
In eine ähnliche Richtung schliesslich tendieren auch die „Ergonomie“ oder "Human Engineering" (z. B. McCormick, 1957). Nigel Calder bezeichnet sie als "industriellen Ableger von Psychologie und Anatomie", die zum Ziel hat, "die Maschinen, an denen ein Mensch arbeitet, oder in denen er sich fortbewegt, für ihn geeigneter zu bauen". Ebenso dient Human Engineering aber auch der Anpassung des Menschen an die Erfordernisse bspw. der Weltraumfahrt. Robert Jungk berichtete schon 1952 in "Die Zukunft hat schon begonnen" über die Versuche, welche die "Weltraummedizin" seit 1947 an der Luftuniversität "Randolph Field" bei San Antonio, Texas, unternahm. Hier gab es auch die erste Abteilung für "Biometrie".
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