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                    Von Gertrud Wegner

 

In: Erwin Grochla (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation. 1969, Sp. 1610-1617;

stark verändert unter dem Namen Gertrud Fuchs-Wegner auch in

Handwörterbuch der Organisation, 4. Aufl. 1976, Bd. 3, Sp. 3810-3820.

 

I. Die Konzeption der Systemanalyse; II. Systemanalyse als Forschungs- und Gestaltungsmethode; III. Systemanalyse im Rahmen der Betriebsorganisation.

 

I. Die Konzeption der Systemanalyse

 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind die Bemühungen um die Entwicklung neuer Denkansätze und Verfahren zur Erforschung und Gestaltung komplexer Systeme im technischen und ökonomischen Bereich stark intensiviert worden. Aus diesen Bestrebungen sind neue Forschungsrichtungen wie etwa Industrial Engineering und Operations Research hervorgegangen.

 

Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die gegenwärtig in den USA zu beobachtende Systemströmung erlangt, der einerseits die Allgemeine Systemtheorie und andererseits die mehr pragmatisch orientierten Richtungen wie Systems Engineering, Systems Development, Systems Design und Systems Analysis zuzuordnen sind.

 

Die Entwicklungen zur Systemanalyse gehen zu einem wesentlichen Teil auf die Arbeiten der RAND-Corporation zurück, die dieses Konzept für die Untersuchung von militärischen Problemen ausgearbeitet hat (McGrath).

 

Anhaltspunkte für die Bestimmung des Wesens der Systemanalyse ergeben sich aus den der Systemströmung gemeinsamen Grundgedanken, die durch die Forderung nach einer ganzheitlichen Betrachtungsweise sowie nach einer Intensivierung der interdisziplinären Forschung gekennzeichnet sind.

Die der Systemströmung zugrunde liegende Konzeption lässt sich mit Hilfe des theoretischen Instrumentariums der Allgemeinen Systemtheorie darlegen, wenngleich nicht alle Veröffentlichungen zur pragmatisch orientierten Systems Science und speziell zur Systemanalyse explizit auf das Konzept der Systemtheorie Bezug nehmen.

 

Der für die Systemströmung charakteristische Denkansatz basiert auf der Annahme, dass das Verhalten von Systemen nicht nur aus den in ihnen enthaltenen Elementen bzw. Teilen erklärt werden kann. Vielmehr ist der Wirkungsgrad eines Systems von den Beziehungen zwischen den Elementen abhängig (Beer, Wieser), da die in den Elementen potentiell vorhandenen Eigenschaften erst durch Beziehungen aktiviert werden.

Aus diesem Denkansatz folgt, dass bereits bei der analytisch-zergliedernden Betrachtung eines Systems der Bezug zum Gesamtsystem berücksichtigt werden muss. Das bedeutet für die der Erklärung und Gestaltung von Systemen vorangehende Systemanalyse, dass diese nicht nur die isolierende Zerlegung eines Systems in seine Elemente beinhalten darf, sondern gleichzeitig die Feststellung der Beziehungen zwischen den Elementen zum Gegenstand haben muss (Seiler, McMíllan-Gonzalez).

Da Aussagen über Elemente und Beziehungen komplexer Systeme nicht von einer Disziplin allein gemacht werden können, erweist sich die interdisziplinäre Ausrichtung von Forschung und Gestaltung als notwendige Folge des systemanalytischen Konzepts.

 

II. Systemanalyse als Forschungs- und Gestaltungsmethode

 

Die Systemanalyse kann nicht als eine vollkommen neue Methode bezeichnet werden, sondern stellt die Erweiterung der Analyse als genereller Methode rationalen menschlichen Handelns durch die Berücksichtigung der ganzheitlichen Betrachtungsweise dar (Haberstroh). Sie kann als ein heuristisches Verfahren bezeichnet werden, durch das Elemente und Beziehungen eines Systems, die im Anfangsstadium der Systemanalyse noch unbekannt sind, im Sinne einer sukzessiven Annäherung ermittelt werden (Optner, Johnson-Kast-Rosenzweig).

 

Das Verfahren der Systemanalyse ist hinsichtlich seines Anwendungsbereiches grundsätzlich unbeschränkt. Es kann sowohl für wissenschaftlichtheoretische Probleme als auch für praxisbezogene Gestaltungstätigkeiten herangezogen werden.

Bezogen auf praktische Gestaltungsprobleme ist die Systemanalyse die Voraussetzung für die Konstruktion künstlicher Systeme, in denen keine isolierte Strukturierung einzelner Teilsysteme vorgenommen, sondern durch Berücksichtigung der systemimmanenten Interdependenzen ein Optimum der Gesamtstruktur angesteuert wird.

 

Durch die systematische Vorgehensweise bei der Lösung von Gestaltungsproblemen wird gleichzeitig empirisches Material über das Verhalten einzelner Systeme gewonnen, das für die Bildung und Überprüfung von Hypothesen über Systemgesetzmässigkeiten benutzt werden kann. Bestätigte Aussagen über Systemgesetzmässigkeiten können wiederum den Prozess der Systemanalyse zum Zwecke der Gestaltung von Systemen vereinfachen, so dass von einer engen wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Systemanalyse zum Zwecke der Forschung und zum Zwecke der Gestaltung gesprochen werden kann.

 

III. Systemanalyse im Rahmen der Betriebsorganisation

 

1. Das Verfahren der Systemanalyse

 

Die Durchführung der Systemanalyse - hier soll die Systemanalyse zum Zwecke der organisatorischen Gestaltung von Betrieben im Vordergrund stehen - setzt die Entwicklung einer Strategie zur schrittweisen Determinierung des zu konzipierenden Systems voraus. Dabei ist zu beachten, dass in den allgemeinen Ausführungen nur ein Gerüst für die systematische Abwicklung des Suchprozesses im Rahmen der Systemanalyse gegeben werden kann.

 

Bei der Anwendung dieses Konzepts auf den konkreten Fall sind die innerhalb der verschiedenen Stufen heranzuziehenden Methoden immer von dem jeweils zu untersuchenden System abhängig. In der amerikanischen Literatur werden verschiedene Vorschläge für das schrittweise Vorgehen bei der Anwendung der Systemanalyse aufgezeigt.

Schaeffer z. B. unterscheidet die folgenden sieben Schritte:

  • Vorläufige Auswahl und Klassifizierung der Systemelemente
  • Vorläufige Feststellung der direkten Beziehungen
  • Überprüfung der Systemelemente und -beziehungen
  • Darstellung der Elemente und Beziehungen durch mathematische Modelle
  • Überprüfung der Vollständigkeit des mathematischen Modells
  • Beschreibung der nicht vollständig erfassten Beziehungen
  • Beurteilung der Funktionsweise des gesamten Systems.

 

 

Ein weiterer Ansatz findet sich bei Briggs, der die folgenden Schritte vorschlägt:

  • Spezifizierung der Ziele des Systems
  • Beschreibung der verschiedenen Komponenten des Systems
  • Beschreibung der von den Komponenten wahrgenommenen Funktionen
  • Beschreibung des Informationsflusses innerhalb des Systems
  • Untersuchung der Einflüsse der Umgebung, innerhalb derer das System operiert.

 

Obwohl sich diese Gliederungen hinsichtlich Anzahl und Gegenstand der einzelnen Stufen unterscheiden, handelt es sich letztlich nur um unterschiedliche Detaillierungen, die auf die folgenden Grundstufen der Systemanalyse zurückzuführen sind:

 

(1) Analyse der Zielsetzung

(2) Analyse der Elemente

(3) Analyse der Beziehungen

(4) Analyse des Systemverhaltens

 

Innerhalb dieser vier Schritte wird durch eine sukzessive Analyse die fortschreitende Determinierung des zu gestaltenden Systems angestrebt. Es handelt sich hierbei um eine reduktive Vorgehensweise, bei der die vier Stufen der Systemanalyse unter Umständen mehrfach zu durchlaufen sind. Auf den verschiedenen Ebenen können sich jeweils Faktoren ergeben, die bei den vorangegangenen Stufen zu berücksichtigen sind und eine entsprechende Überprüfung erforderlich machen.

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Literatur

 

Schaeffer, K. H.: The Logic of an Approach to the Analysis of Complex System. Air Force Technical Report AFOSR-2136, Menlo Park, Cal. 1962

Briggs, G. E.: Engineering Systems Approaches to Organizations. In: New Perspectives in Organizations, hrsg. von W. W. Cooper, H. J. Leavitt u. M. W. Shelly II, New York - London - Sidney 1964, S .479ff.

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