Die Aktualität der Philosophie
Dass die Philosophie keineswegs verstaubt und somit ad acta gelegt ist, beweist in fünf Vorträgen aus den Jahren 1969 und 1970 der ehemalige Olympiasieger im Deutschland-Achter und nunmehrige Ordinarius für Philosophie an der Universität Karlsruhe, Hans Lenk.
Dieses Sammelbändchen «Philosophie im technologischen Zeitalter» ist mehr als ein Taschenbuch (Urban-Reihe 80; Kohlhammer-Verlag, Stuttgart, [1971; 2. Aufl. 1972]). Schon die Sprache ist - zugegebenermassen - nicht einfach und einprägsam; die Anmerkungen umfassen einen Viertel des Textes. Der Inhalt Ist wohltuend sachlich und verblüffend zeitbezogen: ein Plädoyer auf weitere Mitsprache der Philosophie im Konzert der Spezialwissenschaften, dies aber nicht als moralische Instanz oder sprachanalytische Kritik, sondern als rationale Kritik, als «Methode zu einem Programm moderner Aufklärung», welche den traditionellen Letzbegründungsrationalismus durch die regulative Idee der dauernden, universellen Kritik durch Erfahrung und methodologische Diskussion ersetzt.
«Endgültige Wahrheit ist so nicht zu garantieren, ja, gar nicht sinnvoll zu verlangen.» Doch die geforderte und geförderte Suche nach Alternativlösungen öffnet den Weg zur «Freiheit zu einer flexiblen theoretisch-begrifflichen Konstruktion zum schöpferischen Neuentwurf». Lenk ist gegen Pauschalurteile und Dichotomisierungen und verficht den Standpunkt eines «rationalen Kritizismus» im Sinne des «kritischen Rationalismus» von Karl Raimund Popper und Hans Albert.
Einige seiner Thesen sind: «Die Formulierung und Analyse von Brückenprinzipien zur Verbindung von theoretischen Erkenntnissen und normativen Handlungsregeln ist eine dringliche Aufgabe für die Philosophie.» «Philosophische Probleme können nicht mehr in isolationistischer Unabhängigkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen und auch nicht prinzipiell losgelöst von der Lebenspraxis behandelt werden.» «Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Diskussion ist nötig für die Grundlagendiskussion und für viele Probleme der Fachwissenschaften. Hierzu kann der Philosoph als Speziallist für das Allgemeine einen kritischen Beitrag leisten. Aber auch die philosophische Forschung ist auf kritische Korrektive aus andern Disziplinen angewiesen.»
Ein frischer, wenn auch kühler Wind` weht durch die Studierstuben-Gelehrsamkeit. Mit vielerlei Vorurteilen wird nebenbei - allerdings oft ohne Begründung - abgerechnet. Ein recht nüchterner Humanismus wird in dieser empfehlenswerten Schrift mit emanzipatorischem Impetus vorgetragen.
Es ist gut, dass sich die Philosophie in drängende Gegenwarts- und Zukunftsprobleme einbeisst und sich mit Wissenschaftstheorie und Kybernetik, Soziologie und Verhaltensforschung sowie Pädagogik und Planung herumzuschlagen beginnt.
Erschienen in den Basler Nachrichten, 15. April 1971
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