Rehabilitation der alten Griechen
Fritz Krafft: Geschichte der Naturwissenschaft I. Die Begründung einer Wissenschaft von der Natur durch die Griechen. rombach hochschul paperback, Verlag Rombach, Freiburg im Breisgau 1971.
In der Hochschul-Paperback-Reihe des seit 1967 sehr rührigen Rombach-Verlages erschienen bisher über zwei Dutzend Grund- und Einführungsvorlesungen aus allen natur- und geisteswissenschaftlichen Lehrfächern, fünf davon nach kurzer Zeit bereits in 2. Auflage.
Das Thema «Geschichte der Naturwissenschaft» soll nun in acht Bänden von Prof. Fritz Krafft (Mainz) behandelt werden [es sind keine weiteren Bände mehr erschienen]. Der erste Band führt von Hesiod bis Platon.
Jede wissenschaftliche Aussage wird durch zwei Faktoren geprägt: durch den Urheber und den historischen Raum. Deutungen des Naturgeschehens sind geistige Produkte, und Geschichte der Naturwissenschaft ist damit eine Geisteswissenschaft. Die griechischen Denker sind die Begründer der Wissenschaft von der Natur, obwohl sie manche empirisch gewonnene Erkenntnis von den Babyloniern und Ägyptern übernommen haben. Sie begannen mit der rationalen Erklärung der Natur als Ganzer durch Prinzipien, und zwar auf Grund eines ausgeprägten Abstraktionsvermögens. Hoch interessant sind die Fäden, die Krafft spannt: Die rationale Auffassung Gottes als Einen Geist, der die Ordnung der Welt hervorruft und bewahrt, ist Voraussetzung der Erkennbarkeit der Natur durch den menschlichen Geist wie für den Glauben an die Einfachheit der Natur. Auch die moderne Naturwissenschaft beruht darauf, nur dass sie wie häufig schon die Griechen, für Gottheit «Natur» setzt.
Man würde es nicht für möglich halten, dass solch trockene und «steinalte» Materie auf derart spannende, übersichtliche und klare Weise lebendig gemacht werden könnte. Krafft zeigt, dass man das kann, wenn souveräne Beherrschung des Stoffs sich mit Anschaulichkeit der Darstellung paart. Vor zuviel Philosophie braucht der Leser keine Angst zu haben; über weite Strecken schildert der Autor die kosmogonischen Theorien oder den Streit um die periodischen Nilschwellen, die mathematisch-harmonische Ordnung des Kosmos und den Aufbau der Materie.
Man muss nicht die ganzen 370 Seiten in einem Zug lesen - den einen mag mehr die Geographie, den andern die Astronomie und den dritten die Mathematik interessieren -, denn die Zusammenstellung wichtiger Textstellen wird durch einen aufschlussreichen Text hinreichend verbunden. Diese 12 Vorlesungen bilden einen fesselnden Abschnitt Wissenschaftsgeschichte von unverminderter Aktualität.
Erschienen in den Basler Nachrichten, 3. März 1972
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