HomeLudwig Klages

 

*Hannover 10.12.1872, † Kilchberg 29.7.1956

 

dt. Philosoph und Psychologe.

K. verbrachte seine Jugend in der Vaterstadt Hannover, schloss Freundschaft mit Theodor Lessing und verfasste Gedichte und mythologische Dichtungen. Studierte 1891/92 in Leipzig, hernach im München des "fin du siècle" Physik und Chemie, daneben auch Psychologie (bei Theodor Lipps) und Philosophie. Er promovierte 1900 mit einer langwierigen Experimentalarbeit über die Synthese des Menthons bei Adolf von Baeyer.

Schon 1896 gründete er mit Hans U. Busse und Georg Meyer die "Deutsche Graphologische Gesellschaft" und verfasste bald Hunderte von Gutachten. Er schrieb für Stefan Georges "Blätter für die Kunst" und begründete mit Alfred Schuler und Karl Wolfskehl die legendenumwitterte "Kosmische Runde". 1904 kam es zum Bruch mit Stefan George und Friedrich Huch, einem Cousin Ricardas. Fortan widmete sich K. nur noch seinen naturphilosophischen und seelenkundlichen Forschungen.

Im Ersten Weltkrieg (1915) siedelte er in die Schweiz über, wo er bis zu seinem Tod in Kilchberg, hoch über dem linken Ufer des Zürichsees - anfänglich in der Villa der Witwe Conrad Ferdinand Meyers - wohnte. Durch sein "Seminar für Ausdruckskunde", Vortragsreisen in ganz Europa und 29 Bücher wurde er, vor allem in der Zeit zwischen den Weltkriegen, weitherum bekannt.

 

K. gilt als einer der fruchtbarsten und umstrittensten Philosophen und Psychologen des 20. Jahrhunderts. Zustimmungen und Beschönigungen wie Ablehnungen und Verunglimpfungen sind Legion (siehe Hans Kasdorff: "L. K. - Werk und Wirkung, Bd. 1: 1969, Bd. 2: 1974; und: „L. K. im Widerstreit der Meinungen", 1978). Er selber bezeichnete sich als "der am meisten ausgeplünderte Autor der Gegenwart" (1929).

 

Seine Leistungen liegen in der Begründung

  • der wissenschaftlichen Graphologie ("Die Probleme der Graphologie" 1910; ergänzt durch "Handschrift und Charakter" 1917),
  • der Charakterkunde ("Prinzipien der Charakterologie" 1910, erweitert als "Die Grundlagen der Charakterkunde" 1926)
  • und Ausdruckslehre ("Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft" 1913, völlig umgearbeitet als "Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck" (1935).

Eine reife Summe bot "Die Sprache als Quell der Seelenkunde" (1948).

Seine wichtigsten Beiträge zur Metaphysik bilden "Vom kosmogonischen Eros" (1922) und das vierbändige Werk "Der Geist als Widersacher der Seele" (1929/32).

 

Basis seiner Anthropologie ist nicht der irreführende "kartesische Scheingegensatz von Geist und Körper oder auch Geist und Materie", sondern "die Einsicht, Leben und Geist seien zwei völlig ursprüngliche und wesensgegensätzliche Mächte, weder aufeinander noch auf ein Drittes zurückführbar". Das Leben stellt sich in der Polarität von Leib und Seele dar; der Geist ist weder heilig noch schöpferisch, sondern "ein Störer und Befehder des Lebens".

 

Seit seinem Appell "Mensch und Erde" (1913; mit einem Vorwort von Bernhard Grzimek 1980) ist K. nie müde geworden, die Verschandelung, Ausbeutung und Vergiftung der Natur anzuprangern. Er betrachtete sie als Folge der sich zur absoluten Willkür aufschwingenden Selbstherrlichkeit des messenden und rechnenden, also rein analytischen Geistes.

 

Werke und Biographisches:

 

Sämtliche Werke, 8 Bde, 1964-1979
(nicht darin enthalten: Rhythmen und Runen. Nachlass. Herausgegeben von ihm selbst, Leipzig 1944),
Registerband 1982.

Supplement: Schröder, Hans Eggert: L. K. - Die Geschichte seines Lebens. 2 Bde, 1966 u. 1972 (betr. die Jahre 1872-1920).

Schriftenreihe "Hestia" ab 1960, bisher 14 Bde (u. a. mit Fortsetzungen der Klages-Bibliographie von Hans Kasdorff).

Alle: Bouvier Verlag Herbert Grundmann, Bonn.

Centenar-Ausstellung 1972 der Klages-Gesellschaft Marbach e.V., unter anderem im Schiller-Nationalmuseum Marbach.

 

Literatur

 

Müller, Roland: Das verzwistete Ich - L. K. und sein philosophisches Hauptwerk "Der Geist als Widersacher der Seele", Bern 1971;

Frauchiger, Ernst: Auf den Spuren des Geistes. Ein Neurologe mit L. K. und Teilhard de Chardin, Bern 1974;

Schröder, Hans Eggert: Schiller – Nietzsche - Klages, Bonn 1974;

Kunz, Hans: Martin Heidegger und L. K. (ursp. 1930 u. 1949). Reihe "Geist und Psyche", München 1976;

Kuckartz, Wilfried: L. K. als Erzieher, Bonn 1978;

Kasdorff, Hans: L. K. Gesammelte Aufsätze und Vorträge zu seinem Werk, Bonn 1984;

Schröder, Hans Eggert (Hrsg.): Das Bild, das in die Sinne fällt. Erinnerungen an L. K., Bonn 1986;

Tenigl, Franz (Hrsg.): K., Prinzhorn und die Persönlichkeitspsychologie. Zur Weltsicht von L. K., Bonn 1987 (= Hestia 1986/87);

Eugster, Konrad: Die Befreiung vom anthropozentrischen Weltbild. L. K.' Lehre vom Vorrang der Natur, Bonn 1989.

 

Beitrag von Roland Müller in: Schweizer Lexikon, 1993

 

 

Zum Vergleich …

 

Encyclopaedia Britannica, 1998 und

Encyclopaedia Britannica Deluxe Edition 2004 CD-ROM:

 

Ludwig Klages

 

German psychologist and philosopher, distinguished in the field of characterology. He was also a founder of modern graphology (handwriting analysis).

 

Educated in chemistry, physics, and philosophy at the University of Munich, where he also taught, Klages was a leader in the German vitalist movement (1895–1915), which argued that laws of physics and chemistry alone cannot explain life. In 1905 he founded at Monaco a centre for characterological study, which he moved to Kilchberg, Switz., in 1919.

 

Klages believed human beings to be distinguishable from other animals by a “spirit” (Geist) that underlies the human capacity to think and to will. This capacity is the source of human estrangement from the world and is the origin of the ego and its desire for immortality. His research sought to define and structure characteristics evidenced in different egos, as documented in Prinzipien der Charakterologie (1910; “Principles of Characterology”), Geist und Leben (1935; “Spirit and Life”), and Die Sprache als Quell der Seelenkunde (1948; “Language as the Source of Knowledge of the Soul”).

 



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