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Hans Albert: Plädoyer für kritischen Rationalismus. Verlag Piper, München 1971; 4. Aufl. 1975.

 

 

«An ihren Methoden sollt ihr sie erkennen» - so beschliesst der Ordinarius für Soziologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim, Hans Albert, das dritte der fünf «Plädoyers für kritischen Rationalismus», die in der neuen «Serie Piper» vor kurzem als schmales Bändchen herausgekommen sind.

 

Die ersten zwei kürzeren Artikel umreissen im wesentlichen die Tradition der kritischen Prüfung und rationalen Diskussion, welche auf die Vor-Sokratiker zurückgeht und in der Aufklärung sowie in den modernen Naturwissenschaften fruchtbare, erkenntnisfördernde Anwendung erfahren hat. Albert faltete dies im einzelnen in seinem bekannten «Traktat über kritische Vernunft» (1968) auseinander und führte dort mit eigenwilligen Wortprägungen das «Münchhausen-Trilemma», den konsequenten Fallabilismus, die Abschirmungs- und Immunisierungsstrategien und die Brücken-Prinzipien vor.

 

Die erwähnten Strategien sind nun Methoden, die Albert Anlass zu Attacken geben, Methoden, die auf der Überzeugung beruhen, Wahrheit offenbare sich selbst - entweder dem Geist über die intellektuelle Intuition oder den Sinnen über die sorgfältige Beobachtung des «Gegebenen» - und müsse demzufolge nur noch mittels Hermeneutik in Philosophie und Historik, mittels Exegese in der Theologie und mittels Interpretation in Philologie und Jurisprudenz ausgelegt werden. Das bedeutet jedoch nichts weniger als eine Zementierung und Verteidigung des Bestehenden auf dem Weg der Dogmatisierung, Verschleierung, Parteilichkeit und Institutionalisierung.

 

Albert jedoch möchte die Fronten und Abgrenzungen durchbrechen und der Suche nach Widersprüchen sowie dem Denken in konkret realisierbaren Alternativen den Weg bereiten, den Auffassungen Max Webers und Karl R. Poppers auch in Sozialphilosophie, Ökonomie und Politik zu Anerkennung verhelfen. Dem Alternativ-Radikalismus von Traditionsverhaftung und Utopie, die letztlich nur zu Resignation oder Revolution führen können, setzt er einen demokratischen Liberalismus entgegen, der eine Wandlung der verbesserungsbedürftigen sozialistischen wie kapitalistischen Systeme mit einer Sozialtechnologie der schrittweisen Reformen herbeiführen könnte.

 

Diese Aufsätze, von denen zumindest die ersten drei klar geschrieben und leicht lesbar sind, verdienen die Beachtung eines jeden, der um das Wohlergehen und den Fortbestand unserer Gesellschaft besorgt ist, geben sie doch Anstösse zum heute so laut geforderten «Umdenken», besser: zum schöpferischen Denken und konstruktiven Handeln.

Das Rationalitätsmodell des Kritizismus ist weder eine im Elfenbeinturm ausgeheckte Theorie noch ein Aufruf zum totalen Umsturz, sondern der Entwurf einer Lebensweise, einer auf nüchternen, illusionslosen, unheroischen Überlegungen und Analysen basierenden sozialen Praxis.

 

Erschienen in den Basler Nachrichten, 8. Februar 1972

 



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