Die göttliche Gesetzlichkeit im Kosmos
Von den Alten Ägyptern bis zum alten Rom
Geschrieben März/ April 1973
Zuerst: das Fortbestehen …
Fassen wir zusammen: Die ersten religiösen, mythischen oder magischen Vorstellungen des Menschen entzündeten sich am Wunsch nach dem Fortbestehen der eigenen Gattung und der Tierwelt (Fruchtbarkeitskulte) sowie nach dem Überleben des einzelnen im Lebenskampf und seines Geistes oder seiner Seele im Jenseits (Tanz, Ekstase und Amulette; Totenkulte). Der Glaube an übermenschliche Kräfte, Natur- und Geistesgottheiten mag damit verbunden sein.
… dann die Weltentstehung
Seit dem Aufblühen der Hochkulturen stellte man sich zusätzlich die Frage nach der Entstehung der Welt, der Elemente, Gottheiten und Könige, wobei vor allem himmlische und irdische Erscheinungen (Himmel, Sonne, Mond; Wachstum, Fortpflanzung, Unwetter, Regen, Wasser, Bäume) eine Rolle spielten. Ein reichhaltiges Pantheon von anthropo- oder theriomorphen Göttern wurde seit 1400 v. Chr. (Aton) zusehends von einer eher monotheistischen Gottheit (z. B. "El", "Jahwe") und etwas später, vielleicht seit 800 v. Chr. durch ein abstraktes Prinzip oder Weltgesetz, das die Welt ordnet und lenkt, abgelöst: das "Eine" in der Rigveda X, 129; das "Brahman'' in den Upanischaden, der "Himmel" oder "fa" im China des Konfuzius sowie das "Tao", ferner das "Dharma" des Buddha.
Interessant ist in den frühen Kosmologien die grosse Bedeutung, die der Trennung von Himmel und Erde, dem schöpferischen Wort und später der Geburt der Liebe (Rigveda, Hesiod) als Prinzip des Strebens, Verlangens und Begehrens und dem daraus entspringenden Denken oder Erkennen zukommt.
Gerechtigkeit und Wahrheit
Die Frage nach der Gerechtigkeit (auch: Vertrag) taucht ebenfalls sehr früh auf, das Problem der Wahrheit jedoch tritt erst ebenfalls um 800 v. Chr. ins Bewusstsein. Diese Wahrheit - gehütet und übermittelt von Priestern, Schamanen, Sehern oder Dichtern - ist jedoch noch bei den Göttern (Soma, Varuna, Mitra, Ahura Mazda), in den Upanischaden beim Brahman, bei Hesiod, bei den Musen und bei Parmenides bei einer namenlosen Göttin im Hause des Lichts, eben der Wahrheit. Die Unterscheidung von Wissen und Meinen, von Wahrheit und Schein (Täuschung, Illusion, Maya) ist damit erreicht.
Seele und Hauch sowie Unterteilungen des Menschen
Im Alten Ägypten kam der Seele (ka oder ba) bereits eine wichtige Rolle zu, ferner wie bei den Sumerern und Babyloniern der Luft, dem Hauch, dem Atem. In Indien vollzog sich ein Bedeutungswandlung von Hauch über Wesen zu Seele ("Atman", welche in den Upanischaden mit "Brahman" eins ist). Da war es Mahavira (Jina) im 6. Jahrhundert v. Chr., der erstmals belebte Einzelseelen von der unbelebten Materie trennte, wobei letztere die Seele gewissermassen infiziert, sterblich macht, weshalb sie durch asketische Bussübungen vom Stofflichen wieder gereinigt werden muss.
Dieselbe Vorstellung findet sich bei seinem Zeitgenossen Pythagoras, dessen (orphische) Seelenwanderungslehre auch mit derjenigen von Buddha in Verbindung gebracht werden kann. Was bei Buddha, ebenfalls einem Zeitgenossen, noch dazukommt, ist die erstmalige Aufteilung des Menschen in verschiedene Bereiche, Vermögen und Funktionen, was sich wiederum ebenfalls bei Zarathustra findet. Nach Ansätzen bei Heraklit (500 v. Chr.), Empedokles (450 v. Chr.), Philolas und Demokrit (400 v. Chr.) finden sich bei den Griechen ausgebildete "Unterteilungen" des Menschen erst bei Platon und Aristoteles.
Was ist die Bestimmung des Menschen?
Die Frage schliesslich nach der Bestimmung und Aufgabe des Menschen schlug sich einerseits in den altägyptischen "Lebensweisheiten" und pessimistischen Klagen, anderseits in babylonischen Mythen nieder und findet sich dann sowohl in den frühen chinesischen und indischen Überlieferungen als auch in deren grossen "Systemen" der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr., ferner bei den israelitischen Königen, Priestern und Propheten, in den zarathustrischen und altgriechischen Lehren und Mythen.
Nach den späteren Vorsokratikern findet diese Frage nach dem Warum und Wie des menschlichen Lebens in den ethischen Schriften des Platon und Aristoteles ihre unnachahmliche Lösung. Freilich hatte man das Individuum damals noch nicht "entdeckt"; der Mensch musste dem Staat oder der göttlichen Lenkung und Vorsehung untergeordnet bleiben.
Mit den Fragen nach der Wahrheit, der Seele und der Bestimmung des Menschen wurden, vor allem in Griechenland, bald erkenntnistheoretische Probleme verbunden. (In China warfen solche erst die Sophisten des 4. Jh. v. Chr. auf; in Indien entwickelte sich erst im Anschluss an Buddha sowie im orthodoxen Nyaya-System eine Logik oder Dialektik.)
Homer und Hesiod über die Götter
Homer (8. Jh. v. Chr.) und Hesiod (700 v. Chr.) haben wohl aus orientalischen Epen zumindest die Abfolge der Göttergeschlechter übernommen. War aber Homers Welt eine der trügerischen Wahrscheinlichkeiten, der menschenähnlichen Götter und der List, so beansprucht Hesiod, im Auftrag der Musen (als Schutzherrinnen der geistigen Tätigkeiten) die Wahrheit zu verkünden. Sein Preis der Arbeit und des Rechts (in den "Erga") spiegelt erstmals aber auch das harte Alltagsleben, die materiellen Sorgen des kleinen Bauern und Händlers in Griechenland - das Motiv ist bereits bekannt aus dem früheren Ägypten und Babylon.
Der Anfang einer rationalen Naturbetrachtung
Nun ist das Interessante, dass bei den Pythagoreern nicht nur das Schicksal der Seele in den Mittelpunkt rückt, sondern auch die mathematische Betrachtungsweise ("Alles ist Zahl"). Wie konnte es dazu kommen? Das hängt einerseits damit zusammen, dass der Mensch noch mehr in den Mittelpunkt rückte, anderseits aber die anthropomorphen Göttervorstellungen abgelehnt wurden. Der Kosmos wurde entmythologisiert, wenn auch die alten Götter noch entweder verehrt wurden (Konfuzius) oder sich irgendwie doch noch als göttliche Kräfte in der Natur behaupten konnten (Xenophanes). Bekanntlich wurden auch die Buddhisten, Jainas und Charvakas in Indien als Nicht-orthodoxe, als Neinsager (Nastikas) bezeichnet.
Diese deutliche Veränderung der Vorstellungen in Richtung auf einen geschlossenen und göttlichen Kosmos, in oder über dem meist ein einziges Weltprinzip oder ein einziger nicht-menschenähnlicher All-Gott regiert, ist die Voraussetzung einer rationalen Naturbetrachtung: Es ist ein einziger Geist- und Ordnungs-Gott, der alle Dinge ist oder in allen Dingen wirkt. Alle Zustände und Veränderungen in der Natur gehen auf den Willen und das Denkens dieses einen Gottes zurück. Und auch wenn in einzelnen Dingen und Lebewesen noch Gottheiten wirken, dann vermögen sie das nur durch diesen einen Gott.
Es dürfen, damit die Forderung nach einer Wahrheit auch wirklich erfüllt wird, keine unberechenbaren, dunklen und eigenständigen Mächte mehr einen Einfluss auf das Geschehen der Natur ausüben. (Im Gegensatz zu Jahwe ist diese Art "Nachfolger" von Aton, El und dem "Letztgeborenen", nämlich Zeus, eine unpersönliche allgegenwärtige und allwirksame Macht, welche die Ordnung in der Welt hervorruft und bewahrt.)
Wie kann man die Ordnung der Welt erkennen?
Die rationale Philosophie der Natur oder Naturwissenschaft setzt eine Ordnung voraus, die mit denselben Fähigkeiten, wie derjenige sie hat, der sie herstellt und in ihrem Bestand sichert, auch erkannt werden kann. Also vermag der Geist des Menschen, gewissermassen als geringeres Abbild des göttlichen Geistes, die Wirkungen desselben in der Natur erkennen, also Naturwissenschaft treiben. "Auch der Gott der Juden musste erst durch diesen Gott der Griechen in neuplatonisch-christlichem Sinne geprägt werden, bevor er eine Wissenschaft von der Natur, ein über die Ergebnisse der heidnischen Antike herausgehendes Erkennen der Werke Gottes in der Natur ermöglichen konnte" (Fritz Krafft, 1971, 46).
Das sind Voraussetzungen, die auch für die moderne Naturwissenschaft gelten, auch wenn sie, wie z. T. schon die Griechen, für die eine Gottheit einfach "Natur" setzt. Diese Natur ist einfach, denn der eine Gott tut nichts Überflüssiges, und weil er überall nach denselben "Gesetzen" wirkt, hat das an der Natur einmal Erkannte zeitlich und örtlich unbegrenzte Geltung. Daher kam die heutige Naturwissenschaft eine Religion oder Religiosität durchaus ersetzen. Eine zweite, damit eng in Zusammenhang stehende Bedingung ist das Abstrahieren, die isolierende Begriffsbildung und Zusammenschau von Gleichartigem, z. B. die Erfassung des "Lebewesens" oder des "Warmen", des "Wassers", des "Geschehens", des "Denkens", ja des "Seins" unter erstmaliger Verwendung des bestimmten Artikels (ebenfalls im 5. Jh. v. Chr.), ferner die Verwendung von Metaphern und Analogien.
Seit also Zeus als oberster Gott und Gestalter der gegenwärtigen Weltordnung in ihrem ewigen Bestand angesehen wird, spielt die Entstehung der Welt keine grosse Rolle mehr. Die natürliche, göttlich durchdrungene Welt gilt fortan als organische Einheit, die überall nach denselben Prinzipien aufgebaut und reguliert wird. Unterschiede ergeben sich allein aus dem unterschiedlichen Zusammenwirken der gleichen Ursachen. Was ferner erlaubt ist, sind verschiedene Akzentuierungen, d. h. die Betrachtung unter verschiedenen Aspekten.
Die drei Milesier: Thales, Anaximander und Anaxagoras
Nach neueren Forschungen
liegt Thales ganz im Rahmen dieser neuen Anschauung, wenn er
meint: 2. die Erde schwimme wie ein Stück Holz oder ein Schiff auf dem Wasser. Dieses Wasser darf aber nicht als stoffliche Ursubstanz angesehen werden, genausowenig wie damit eine Entstehung von allen Dingen aus Wasser impliziert ist.
Dasselbe gilt für seine Nachfolger. Der bekannte Satz des Anaximander (550 v. Chr.) beschreibt viel eher ein biologisches Bewegungsprinzip als ein Entstehungsprinzip. Die Dinge der Natur, ihre Kräfte und Gegensitze sind einer Rechtsordnung unterworfen, nach der sich ihr periodischer Aufstieg und Untergang vollzieht. Kurz, dem kosmischen Geschehen wohnt eine immanente göttliche Gesetzlichkeit inne.
Auch bei Anaximenes entstehen die Dinge nicht aus Luft und werden wieder zu Luft, sondern sie sind und bleiben Luft. Nur in den drei Eigenschaftspaaren warm/ kalt, feucht/ trocken und verdünnt/ verdichtet äussern sich die verschiedenen Zustandsformen der Luft in den Dingen.
Die drei Milesier beschäftigten sich also nicht, wie es häufig heisst, mit der Verwandlung von stofflichen Elementen. Das Apeiron und die Luft bleiben unvergänglich und unverletzlich, da sie ein Gott sind, der "regiert" oder "steuert". Stoff ist in dieser Zeit noch zugleich bewegter und bewegungsfähiger Stoff; Bewegungs- und Stoffursache fallen also noch zusammen.
Mathematische und geometrische Formen
In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. taucht langsam die Auffassung auf, dass sich der Kosmos in mathematischen und geometrischen Formen und Beziehungen ausbilde. Fassbar wird dies bei Pythagoras und seinen Schülern Archytas, Hippasos und Philolas. Die Zahlen und ihre Verhältnisse sind die Ordnungsprinzipien des Kosmos.
Die Bewegungen der Gestirne nach mathematischen Prinzipien sieht noch Platon als einen Beweis für ihre Göttlichkeit an. Auf Grund dieser Betrachtungsweise ergab sich dann auch die Forderung nach der Kugelgestalt der Erde und des ganzen Kosmos. Wichtig ist hierbei, dass das Erkannte (geometrische Form, ausgezeichnete Zahlen, Sphärenharmonie) als ausserhalb des Bereichs sinnlicher Wahrnehmung liegend angenommen werden musste. Das "direkt Beobachtete" gibt nur relative Wahrheit wieder; wir müssen von ihm auf Unsichtbares, auf das eigentliche Wesen schliessen.
Beim "Alles ist Zahl" der Pythagoreer handelt es sich immer noch um eine un-stoffliche Fassung der Ursprünge. Erst Empedokles kam, unter Übernahme pythagoreischen Gedankenguts, zur erstmaligen Unterscheidung von Kraft und Stoff. Aus den vier ungewordenen und deshalb auch unveränderlichen Grundstoffen Wasser, Erde, Luft und Feuer setzen sich die Dinge zusammen, und zwar unter Wirkung der allgegenwärtigen Prinzipien oder Kräfte Liebe und Streit. Entstehen und Vergehen sind irreführende Bezeichnungen, es gibt nur Sich-Mischen und Sich-Trennen. Das meint auch Anaxagoras, der, umgekehrt als Empedokles, die "Elemente" als Mischung aus allen Grundstoffen ansieht. Alles enthält "Keime" von allem. Wer diese aussondert oder unterscheidet, das ist der Geist, der über allem Vermischten steht.
Ähnliches findet sich schon früher bei Heraklit, der, obwohl er als Philosoph des Werdens gilt, meinte, dass der Kosmos "immer war, ist und sein wird, nach Massen sich entzündend und verlöschend" (Fr. 30). Dieser unvergängliche Kosmos, dieses ewig lebendige Feuer steht unter der Herrschaft des Logos, des einen Göttlichen, das aber noch viel mehr in der Welt ist als bei Empedokles und Anaxagoras. Bei Aristoteles wird die göttliche Macht dann aufgespalten. Einerseits ist sie als reines Denken der über der Welt stehende erste Beweger, selber unbewegt, ohne Wollen und Handeln, anderseits liegt sie in allen Dingen als Streben zur Verwirklichung. "Alles Werden ist die wechselnde Formung eines bleibenden Stoffes, wobei jeweils ein vorher bloss potentiell Vorhandenes zum Aktuellen verwirklicht wird" (Ernst Topitsch, 1972, 364).
Gegenüberstellungen: Chorismos
Mit der sachten Trennung von Welt und Gott sowie von Stoff und Kraft im 5. Jahrhundert v. Chr. konnte nun auch erst die Vorstellung eines eigenen Bereiches der Mathematik und Geometrie aufkeimen. Diese beiden Schwesterwissenschaften wurden zu Hilfsmitteln der Naturerkenntnis. Sie liegen also nicht mehr in der Natur selbst, sondern in einem autonomen Reich; und die Natur ist nur noch bemüht, Idealformen anzunehmen, ohne sie je zu erreichen. Die den Sinnen zugängliche, veränderlich-sichtbare Welt wird damit einer nur mit dem Geist zu erfassenden unveränderlichen und ideellen Welt gegenübergestellt. Das ist der sogenannte Platonische Chorismos.
Einen weiteren Chorismos gibt es dann noch zwischen dieser Welt der mathematischen Gebilde und Gesetzmässigkeiten und dem Reich der Ideen (das Gute, Eine, Wahre, Schöne) selbst, deren Abbilder die mathematischen Gebilde sind. Deshalb sind Mathematik und Geometrie Hilfsmittel zur Erkenntnis der höchsten Ideen, was das Hauptstreben des Menschen ausmachen soll und von Platon "Dialektik" genannt wird. Die Ideen sind Musterbilder, para deigmata, nach denen sogar der Demiurg, der Bildnergott, die Welt angefertigt, nicht geschöpft, hat.
Die Vorstellung eines solchen Chorismos hat sich bis Kant gehalten, bei dem die Sinnenwelt physischen Naturgesetzen gehorcht, wahrend der mundus intelligibilis den moralischen Gesetzen gehorchen sollte. Anderseits findet sich die Auffassung, dass der göttliche Geist in allen Dingen und Ereignissen, unmittelbar gegenwärtig sei, noch bei Hegel.
Die Philosophie der Stoa hemmte die weitere Entwicklung
Das Eigenartige ist nun, dass die monotheistische Vorstellung eines Weltenlenkers, welche die Voraussetzung zur rationalen Betrachtung der Natur wurde und bis zu Aristoteles einige beachtliche Ergebnisse erzielen liess, sich bald sosehr wandelte, dass der "Fortschritt" der Naturwissenschaft für eineinhalb Jahrtausende gehemmt wurde. Woran lag das wohl?
Ein Grund könnte in der Philosophie der Stoa liegen. Erstens stand sie in viel ausgeprägterem Masse unter dem Einfluss der orientalischen Mythologie - zahlreiche Stoiker stammten ja auch aus dem Nahen Osten, dem semitischen Kulturkreis -, und zweitens holte sie die Gottheit wieder viel mehr auf die Erde hinab, d. h. sie steht nicht mehr über der Welt, sondern regiert und verwaltet sie als autokratischer Herrscher bis ins Kleinste hinab mit unerbittlicher Notwendigkeit. Die Welt ist das eine Imperium des Gottes, der als Zeus, Feuer oder Sonne gefasst wird. Der Kosmos wird also einer wohlverwalteten Stadt verglichen, die durch politische Eintracht zusammengehalten wird.
Diese stoische Vorstellung übte einen mächtigen Einfluss einerseits auf die Römer aus, anderseits auf den Juden Philon von Alexandria, der stoisches mit platonischem und jüdischem Gedankengut verschmolz.
Die Zeit der Stoa und der Römer war also eine der Verschmelzung, selbst wenig schöpferisch, dafür gross im Sammeln, Bewahren und Verwalten. Dies nicht nur in der Philosophie und Theologie, sondern ebensosehr im Politischen. J. D. Bernal (1970, 196ff) stellt fest: Die geistige Entwicklung kam zum Stillstand, und die Gesellschaftsordnung entwickelte sich nicht weiter. Die Philosophie lehrte jetzt, das Leben so hinzunehmen, wie es eben war. Sie wurde zur Religion der gebildeten oberen Schichten. Die politische und wirtschaftliche Macht häufte sich in den Händen einiger weniger reicher Leute - z. B. in Alexandria und Rom -; die Bevölkerung wurde unterdrückt und verarmte immer mehr. "In einer derartigen Atmosphäre gab es keinen Anreiz für wissenschaftliche Arbeit, und soweit wissenschaftliche Forschungen noch betrieben wurden, geschah es, weil man es so gewohnt war. Unter diesen Umständen musste die Wissenschaft sehr bald ihren wesentlichen Inhalt verlieren: die Natur zu erforschen und Neues zu entwickeln" (214f).
Sklavenhaltergesellschaften und feudale Wirtschaftsordnung hemmen weiter
Nach dem Zusammenbruch der "plutokratischen Sklavenhaltergesellschaften" kam die feudale Wirtschaftsordnung als Naturalwirtschaft auf. Sie brauchte kein grundsätzlich neues Weltbild und war in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht uneinheitlicher und primitiver als die Sklavenhalterordnung. Erst als das aufkommende Bürgertum die feudalen Ordnungen zu zerschlagen begann, konnte sich der Kapitalismus, und in seinem Schoss die moderne Wissenschaft, Naturbetrachtung und Philosophie, entwickeln.
Die Stagnation der Naturwissenschaft und Philosophie über eineinhalb Jahrtausende hatte also, stark vereinfacht, drei Gründe: 1. die Autorität der Griechen, die meinten, alle Probleme gelöst zu haben; 2. die "Herabholung" des göttlichen Weltenlenkers auf die Erde, und 3. die Sklavenhalterwirtschaft und das Feudalsystem.
Literatur
Walter F. Otto: Gesetz, Urbild und Mythos. Stuttgart: Metzler 1951. John Desmond Bernal: Wissenschaft. Reinbek: Rowohlt Bd. 1, 1970 (engl.: Science in History; zuerst 1954) Fritz Krafft: Geschichte der Naturwissenschaft I: Die Begründung einer Wissenschaft von der Natur durch die Griechen. Freiburg Rombach 1971. Ernst Topitsch: Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Wien: Springer 1958; als dtv Taschenbuch 1972.
Weitere Literatur siehe:
Dr. phil. Roland Müller,
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