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Eugene
L. Hartley, Ruth E. Hartley: Fundamentals of Social Psychology. New York: Knopf
1952; Nachdrucke 1959 und 1961;
Stichworte für ein Proseminar, 21.12.1964
Es sind Sitten und Traditionen, Verhaltensregeln und Gruppenprodukte (wie Redensarten, Schlagwörter, Lieder, Werte, allgemeine Reaktionen auf Situationen). Sie bleiben auch dann noch bewahrt, wenn die Bedingungen, die ursprünglich Anlass zu ihrer Entstehung gaben, geschwunden sind. Weiter wirken sie bereits auf die frühkindliche Entwicklung und durchziehen und beherrschen das gesamte Leben allgegenwärtig.
Beispiele: a) Behandlung von Verwandten (selber Stand; keine Ehe zwischen Vettern und Cousinen) b) Bei dem Koryak und Eskimos wird der Gast ins Bett der Gastgeberin geschickt. Ablehnung dieses Angebotes bedeutet die grösste Beleidigung und kann den Tod infolge Ermordung nach sich tragen. c) Normen für ein gewisses Arbeitspensum pro Tag; meist "inoffiziell“, der Fabrikleitung verborgen (Produktionsnorm wird Verhaltensnorm).
Wichtig: Es ergibt sich möglicherweise eine Kluft zwischen ausdrücklich festgelegten Vorschriften (Militär, Fabrik) und den stillschweigenden Gruppennormen.
I. Funktion der Normen
Sie verleihen der Gruppe Stabilität, sichern die Positionen der Mitglieder und regeln zwischenmenschliche Beziehungen, indem sie Konflikte und Frustrationen einschränken; sie grenzen auch die Gruppe nach aussen ab.
Abhängigkeit von der Gruppengrösse: 2 Individuen (Familie) bis ganze Länder umfassend (darin, wieder kleinere Gruppen).
Die Normen der Gesellschaft beeinflussen die Ziele der kleineren Gruppen (Familien), welche dem Individuum als Identifikationserfahrungen zugänglicher sind (zuerst werden darin die Normen erfahren, später wächst das Individuum darüber hinaus in andere Gruppen). In der Familie und kleineren Gruppen spiegeln sich die Werte und Verhaltensnormen der umfassenden Gesellschaft wider, da sie meist daraus erwachsen und darin eingebettet sind.
II. Anpassung des Individuums an soziale Normen
Neuhinzutretender nimmt sie sehr unkritisch auf und verteidigt sie heftiger als "Alteingesessene". Die Grundlagen dieses Konformitätsbedürfnisses (oder Gesinnungswandels) sind:
a) als Mittel zum Zweck (z. B. Führersteilung auch in der neuem Gruppe). Die Anpassung wird als Preis für soziale Anerkennung und Prestige geleistet. b) Furcht vor Missachtung durch andere Mitglieder (ist ebensogross wie vor offiziellen Strafen) infolge z. B. Ehrgeiz oder Überlegenheitsbeweise.
Der Einzelne ist sich nicht notwendig der Tatsache bewusst, dass er in Gruppensituationen beeinflusst wird (z. B. autokinetisches Phänomen) und dass das möglicherweise von früher Kindheitserfahrung bedingt ist (also ein Teil der Umweltanpassung). Das zeigt, dass es sowohl Verhaltens- wie auch Wahrnehrungsnormen gibt.
Weiter: Anpassung ist Lernen.
Es existiert eine grosse richtunggebende und formende Wirkung der sozialen Normen auf Funktionen (psychische Prozesse wie deren Inhalte), z. B. biologische Grundtriebe (Hunger etc.), Intelligenz (z. B. Neger aus dem Süden gleichen sich im Norden der USA der höheren Intelligenz an), Wahrnehmung (z. B. stark gesteigert durch Bedürfnis und Übung bei Indianern; abhängig von der sozialen Erwartung) und Lernen.
III. Änderung sozialer Normen
Sehr langsam, nur durch Prestigeträger der Gruppe eingeleitet (nicht durch Fremde) (Mode); die neue Norm muss zudem besser funktionieren ,.als die alte. (Wissenschaft).
IV. Beziehung zwischen den Gruppen
Sie ist ein Sonderfall der Wirkung von sozialen Normen. Jede Gruppe ist ja abgegrenzt, nach sichtbaren (Sichtbarkeitsfaktor, „visibility factor“, wie Hautfarbe, Sprache) oder künstlichen Unterscheidungsmerkmalen (Uniform, Geheimzeichen). Neue Normen können eingeführt werden zur Abgrenzung der Gruppe und zur Andersgestaltung des Verkehrs mit andern Gruppen.
Objektive Untersuchung der Beziehungen möglich, nach:
a) Bestimmung der sozialen Distanz (nicht gleich sozialem Umgang, „social intimacy“), d. h. des herrschenden sympathetischen Verständnisses einer Gruppe zur andern.
Es gibt eine Differenz zwischen der sozialen Distanz zweier Gruppen (Differential oder sog. Distanzenschwelle, „social distance margin“), die den Grund von Störungen und Reibereien bildet. Denn die soziale Distanz ist abhängig von Macht und Status, d. h. eine mächtigere Gruppe schätzt die soziale Distanz zu einer niedrigeren grösser ein als diese.
b) Prüfung des Sättigungsgrades (Fähigkeit zur Absorption zusätzlicher Mengen einer fremden Substanz) (änderbar durch Strukturwandlungen der Gruppe) am Studium von Spaltungen (des Integrationsgefüges). Es stellt sich z. B. heraus, dass der Integrationsprozentsatz grösser für unauffällige Fremde ist als für hervorstechende.
c) Messung der Bevorzugung-Ablehnung mittels einen linearen Kontinuums: Also mittels Attitüdenforschung (und Abstraktionen der lndividualpsychologie) wird die Meinung der einen Gruppe über die andere erforscht. Die lineare Skala hat Anwendung für Gruppenvergleiche wie für die Analyse von individuellen Differenzen. Beispiel: 60 % der Attitüdenänderung nach dem Zeigen eines einseitigen Films bleiben bestehen, bis auf Jahre hinaus. Oder: Es zeigt sich eine grosse Korrelation zwischen der positiven Einstellung zu Negern und der Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Verhältnissen.
V. Gruppenleistung
Es gibt Unterschiede zwischen der Leistung des "Individuums allein " und des "Individuums in Gruppen“. Die Leistungsnorm einer Gruppe ergibt sich aus der Zielstrebigkeit der Gruppe als ganzes, d. h. Steigerung der Produktivität nur möglich durch Mitbeteiligung der Gruppe (Diskussion und Beteiligung aller Mitglieder).
Es folgen verschiedene Grundsätze für eingreifende Mächte und Gestaltung der Gruppenstruktur zur Erreichung positiver Ziele, z. B. Solidarität, Gleichgewicht, Rollen, Selektion, etc. nach Herbert A. Thelen.
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