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Wer will eigentlich Krieg? Was sind das für Mächte und Persönlichkeiten, welche die Geschehnisse so auf die Spitze treiben, dass Blut fliesst?

 

König Menes (Narmer, Aha) schuf das ägyptische Alte Reich (2850 v. Chr.), indem er Unterägypten unterwarf. In Sumer geschah unter König Mesilim von Kisch (2600 v. Chr.) ähnliches. Von den blutigen Taten des Eroberers Eannatum von Lagasch (2500 v. Chr.) kündet die Geierstele.

Über die Motive können wir nur Vermutungen anstellen: Macht, Ausdehnung, wirtschaftlicher Nutzen. Interessant ist jedenfalls, dass die meisten Kämpfe nicht anonym verlaufen, sondern meist mit dem Namen eines Königs, des "Herrschers" verbunden sind, der sich auf göttliche Abstammung und wohl auch Rechtfertigung berief.

 

Frauen als Herrscherinnen

 

Frauen an solcher Stelle tauchen recht früh auf, man denke an Hatschepsut (1500 v. Chr.) und die Frau Echnatons, Nofretete. Die sagenhafte Königin von Saba, Semiramis von Neuassyrien (800 v. Chr.), die Aspasia Perikles', Salome Alexandra, Königin von Judäa und die Cleopatra Caesars und Antonius’ (mit ihren Vorbildern Phryné, Thaïs und Lamia) sind weitere bekannte Gestalten.

 

Königin Hatschepsut rühmt man nach, sie habe den Frieden bewahrt. Ihre Expedition nach Punt wird als Handelszug bezeichnet. Sonst veranlasste sie rege Bautätigkeit und liess den Terrassentempel von Der el-Bahari bei Theben errichten. Semiramis soll "für die hängenden Gärten von Babylon verantwortlich sein. Nun ist es aber nicht so, dass diese beiden Frauen etwa die Macht usurpiert hätten; Hatschepsut führte für ihren minderjährigen Neffen die Regierungsgeschäfte und Semiramis für ihren Sohn.

 

Die "Liebeslehrerin" Aspasia soll immerhin den Peleponnesischen Krieg verursacht haben. Messalina, die Frau von Kaiser Claudius, liess viele Menschen töten und plante einen Mordanschlag auf ihren Mann.

 

Cleopatra wurde von Caesar als Königin eingesetzt. Die junge Zenobia (um 270) regierte für ihren unmündigen Sohn Vaballathus, Galla Placida für Valentinian III. Kaiser Konstantin I. setzte bei seiner Thronbesteigung 306 seine Mutter, die „Heilige Helena“, als „Augusta“ (Kaiserin) ein; sie förderte das Christentum.

Auch Kaiserin Irene (752-803) war fünf Jahre Regentin im Namen ihres minderjährigen Sohnes, den sie freilich blenden liess; die zweite Theodora regierte für Michael III., Olga für Swjatoslaw, die zweite Theophanu und Adelheid von Burgund regierten für ihren Sohn resp. Enkel Otto III, Agnes von Poitou regierte für Heinrich IV., Konstanze von Sizilien für Friedrich II, Blanka für Ludwig IX.

 

Von da an waren Frauen "in leitenden Positionen" keine Seltenheit mehr, hiessen sie nun Mathilde, Johanna (eine davon "die Wahnsinnige", aber. nicht die von Orléans), Beatrix oder dann Katharina (eine davon "die Grosse"), Isabella, Maria (davon eine "die Blutige“), Hedwig, Margarete (wovon eine "die Semiramis des Nordens"), Anna, Elisabeth, Sophie, Karoline, Christine (wovon eine „Minerva des Nordens“ genannt wurde), Luise, Wilhelmine oder Viktoria.

 

Dass natürlich der Einfluss der holden Weiblichkeit hinter den Kulissen vermittelst Heirat und Kurtisanentum weit bedeutender war, sei nicht verhehlt.

 

Das Heer der Amazonen soll es im Altertum tatsächlich gegeben haben.

 

In den letzten zwei Jahrhunderten warfen sich die Frauen dann vorwiegend - sofern sie nicht regierten - auf den Frieden, gewissermassen als späte Nachfahrinnen der Mystikerinnen, Klosterfrauen, Burgfräuleins und andern Heiligen, oder aber auf die Emanzipation, die ja nicht unbedingt mit Intrigen und Giftmischerei verbunden sein muss.

 

Die Frage nach den Kriegsursachen

 

Wer ist es denn, der Krieg will? fragen wir nochmals. Ist es "das Volk" oder der Herrscher, sind es fanatische Sekten oder Bünde, sind es wirtschaftlich oder politisch machthungrige Interessenverbände, oder sind es schlicht die "Umstände“, die zur bewaffneten Verteidigung oder zum Eroberungszug zwingen?

Einen "-ismus" kann man kaum verantwortlich machen, das ist ein viel zu abstrakter Sachverhalt. Nationalismus und Imperialismus, Fanatismus und Dogmatismus sind doch stets von Menschen, einzelnen und Gruppen getragen worden.

 

Es ist einigermassen befremdlich, dass die Frage nach den Kriegsursachen erst nach dem Ersten Weltkrieg zaghaft und nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch einsetzt. Zwar haben sich die Philosophen seit den alten Griechen Gedanken über Krieg und Frieden gemacht, und was Hobbes und Kant - letzterer über den "Weg zum ewigen Frieden" (1795) - sowie Clausewitz, gesagt haben, hat auch heute noch Bestand.

 

Was hat man nun in neuerer Zeit herausgefunden? Die Soziologie sieht einen Ursprung der Konfliktsituationen den sogenannten „ethnozentrischen Weltbildern", welche unterscheiden zwischen "Wir" und „Sie“. Der Gruppenfremde ist immer potentieller Feind. Soweit nicht besonders gestiftete Regelungen der Gastfreundschaft und des Warenaustausches ihm eine Rechtsstellung gewähren, ist "der Andere" recht- und friedlos.

 

"Kriegerische Konflikte bei den einfachsten menschlichen Gruppen resultieren psychologisch weniger aus blosser 'Angriffslust’ als aus einer allgemeinen, gespannten Atmosphäre stets wachsenden Misstrauens, aus Angst, Beeinträchtigungsgefühlen, Frustration, Verletzung des äusserst empfindlichen Ehren- und Prestigekomplexes“, meint der Ethnologe W. E. Mühlmann.

 

Symbolkombinationen für die Sentimentstrukturen

 

Anthropologen sprechen heute gerne davon, dass der Krieg aus den "Sentimentstrukturen" herrühre, die nämlich "den Menschen zu der hektischen Exzessivität seiner Ausbrüche angesichts gewisser Symbolkombinationen befähigen; ihn in die Lage versetzen, seine Feindseligkeit im Denken und Handeln gegenüber solchen Symbolkombinationen und den mit ihnen assoziierten Menschen anzuheizen und über längere Zeiträume zu erhalten, und die ihn für diejenigen manipulierbar machen, die nur allzugut wissen, was der Mensch braucht und welche Frustrationen am ehesten geeignet sind, ihm seinen eigenen Wert fragwürdig erscheinen zu lassen" (Ralph L. Holloway).

 

Einige Fragen tauchen da sogleich auf: Weshalb beeinträchtigt und verletzt denn der eine den andern? Gibt es so etwas wie einen Beleidigungsdrang, der beim andern den Vergeltungstrieb auslöst? Wer ist es, der die Symbolkombinationen (Stereotype, Vorurteile, Gruppenembleme) aufstellt, der entsprechend der Trennung von "Wir" und "der Erbfeind" eine Binnenmoral einer Aussenmoral gegenüberstellt? Wer sind schliesslich jene, die "nur allzugut wissen", wie man die andern, diesmal die eigenen Gruppenmitglieder, manipuliert?

 

Man gerät da nahe an gähnende Abgründe. Die Einführung des Begriffs "Sentimentstruktur" hilft natürlich wenig, denn es wird kaum ein Verhalten des Menschen im positiven wie negativen Sinn geben, das nicht auf sie zurückzuführen wäre, sei es nun Wissbegierde und Lerneifer, Übervorteilung und Mitleid, Schaffenslust und Zorn. Wir haben damit der „black box" des Ursprungs menschlicher Handlungs- und Unterlassungsweisen einfach einen Namen gegeben, der etwas besser klingt als "psychischer Apparat" (Sigmund Freud) oder "Leib-Seele-Geist-Dreieinheit".

 

Selbstverständlich wissen wir nicht erst heute, dass alles mit allem zusammenhängt, doch das besagt noch nicht viel. Wir müssen also Entwicklungsweisen und Wirkungslinien herausarbeiten, um dann Eingriffspunkte zu finden, wo man steuernde Massnahmen ansetzen kann. Also Manipulations-Forschung? Gewiss. Nur muss man sich vor Augen halten, dass dann in zweiter Konsequenz auch die Manipulation zu regulieren ist.

 

Symbole und Manipulation spielen mithin nebst Drängen und Affektpotentialen eine tragende Rolle. Es besteht kein Zweifel, dass beim Menschen die Fähigkeit zur Verständigung mittels Symbolen (Sprache, Kunst, Schrift), also Wort und Bild nebst Mimik und Gestik, ein spezifisches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Tierwelt darstellt - auch wenn behelfsweise von der Duftsprache der Ameisen, der Symbolsprache der Bienen und anderen Sprachen bei Delphinen oder Haustieren gesprochen werden kann. Auch die Wirkung "auslösender Signale" (Farben, Flecken, Gebärden und Sekretionen) ist in der Fauna eingehend untersucht worden.

 

Menschliche Symbole sind uralt, betreffen sie nun die Jagd oder Fruchtbarkeit, Magie oder Religion, Herrschaft oder Furcht vor dem Tod. Die Symbolbildung geht in der Gruppe vor sich, was sich heute noch zeigt, wenn sich irgendwelche Vereinigungen um ein Zeichen, sei es ein Hakenkreuz oder Osterzeichen, eine Blume oder ein Tier scharen. Freimaurer und Männer, die sich sterilisieren liessen, Sängervereine und Fabriken, Fernsehanstalten und neu entstehende afrikanische Staaten, sie alle haben oder schaffen sich ein "Signet".

 

Die amerikanische Mondfähre hiess "Eagle", der Münchner Olympiahund (1972) heisst Waldi, "St. Florian" ist Patron der Feuerversicherung, der Götterbote Hermes wacht über Kaufleute und Handelsreisende, ein "Christophorus" soll die Autofahrer beschützen, ein Amulett den Hippies oder Rockers Glück bringen.

 

Ein Rückfall in die primitivsten Formen?

 

Der Mensch ist also heute durchaus noch In vielem primitiv. Das meint auch Mühlmann, wenn er schreibt:

"In mancher Hinsicht ist gerade bei den modernen Kriegen ein Rückfall auf die primitivsten Formen ungeregelter Kriegsführung festzustellen.

1. Die Strategie der psychologischen Kriegsführung durch propagandistische Beeinflussung des Gegners sowie die Strategie des ‚kalten Kriegs’ oder ‚Nerven-Kriegs’ durch dieselben Methoden, die auf eine Lähmung des gegnerischen Widerstandswillen zielen, bilden auffallende Analogien zur 'magischen' Strategie im primitiven Krieg.

2. Die kriegsrechtlichen Errungenschaften des geregelten Kampfes, schon bei Naturvölkern zu finden und verfeinert und fortgebildet in der historischen Epoche, die formellen Einschränkungen und Milderungen, scheinen wieder verloren zu sein.

3. Der moderne Krieg nähert sich dem primitiven Krieg auch wieder durch seine Ausweglosigkeit und Vergeblichkeit, durch den Mangel an klar definierten Zielen und durch die Unmöglichkeit, sein 'Ergebnis' in Termini wie 'Sieg' auf der einen, 'Niederlage' auf der anderen Seite vorauszusagen.
Weder werden die Probleme, die durch den modernen Krieg angeblich gelöst werden sollen, klar gesehen, noch bietet der faktisch unabsehbare Verlauf eines modernen Krieges die Gewähr dafür, dass sie durch den Krieg als solchen wirklich gelöst werden können."

 

Das tönt nicht erfreulich, genausowenig wie die Aussicht, dass auch "Versuche, den Krieg durch Aufbau einer übergreifenden, mit Autorität ausgestatteten, organisierten 'internationalen' Instanz einzuschränken“, wenig Chancen haben und zu einem Rechtsrückschritt führen. "Die juristische Antizipation eines übergreifenden internationalen Verbandes bleibt unvollkommen, solange dieser organisatorischen Superstruktur keine adäquate Substruktur von wirklich durch gemeinschaftliche Ideen verbundenen Völkern entspricht" (W. E. Mühlmann).

 

Das ist es eben. Was nützt Ordnung ohne Moral? Was aber vermag Moral, wenn sie nicht durch Ordnung gesichert ist?

 

Zusammenhänge von Ordnung. Moral und Krieg

 

Die ersten Aufzeichnungen aus der Menschheitsgeschichte berichten uns von Ordnung (Rechtspflege, Wirtschaft, Verwaltung und Hierarchie), Moral (Lebensweisheit) und Kriegstaten.

 

Das greift also dicht ineinander.

Man ist heute der Auffassung, dass Konflikte nicht gelöst, sondern bestenfalls reguliert werden können und dass man Modelle für die "Abfuhr" von Aggressionen finden müsse. Dabei entzündet sich der Streit an der Frage, ob Aggressivität angeboren oder erworben sei. Genauso könnte man fragen, ob auch Nächstenliebe ein Instinkt oder kulturvermittelt sei. Dieses fruchtlose Gezänk enthüllt, dass der Mensch anscheinend in seinem Forschen immer Gefahr läuft, alles zu dichotomisieren, in Gegensätze oder Pole aufzuspalten, sei es die Binnen- und Aussenmoral, "Liebe und Hass" oder "Anlage und Umwelt".

Monothematische Erklärungsversuche, die Vermutung also einer gemeinsamen Wurzel - beispielsweise Minderwertigkeitsgefühle erzeugen den kompensatorischen Drang zu Nacht und Grösse -, wurden stets ihrerseits von dualistischen oder pluralistischen Theorien aus-polarisiert. Dass ergibt eine unendliche Dialektik von Positionen und Gegenpositionen. Ist das vielleicht der Lauf der Welt? Sind wir unfähig, dem zu entrinnen?

 

Versuche in dieser Richtung hat es immer gegeben. Die Kirchen haben es bis heute zu verbergen gewusst, dass weder das Alte noch das Neue Testament eindeutige Schlüsse auf Sollen und Lassen erlauben. Diese Texte, so wie wir sie vor uns liegen haben, seien es die Propheten und Psalmen oder die Evangelien und Paulusbriefe, sind voller Widersprüche, aus denen sich jedenfalls keine sakrosankten Verhaltensregeln ablesen lassen, so unerbittlich solche uns auch eingehämmert und abverlangt werden. Im 20. Kapitel Exodus steht, man solle nicht töten, im 21. Kapitel aber wird verlangt, dass man einen Mörder töten solle.

 

Wecken Volksverhetzer dämonische Kräfte?

 

Und damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Weshalb raufen die Menschen, streiten, schlagen und rauben, fluchen, stehlen und lügen? Trägt der Mensch dämonische Mächte in seiner Brust, die ihn zum Bösen verleiten? zumindest Ralph L. Holloway scheint dieser Ansicht, und er ist nicht der einzige, wenn er feststellt, dass der gerissene Manipulator diese Kräfte im einzelnen zu wecken vermag. Einerseits muss er auf die "Bedürfnisse" eingehen und anderseits Frustration ausüben, so dass als Reaktion auf das gestörte Selbstgefühl "niedere Instinkte" freigesetzt werden. Der Duce und der Führer, Wilhelm II und Goebbels, Castro und Mao, Nasser, Che Guevara, Yahya Khan, Scheich Mujib und Ian Paisley haben dieses Handwerk beherrscht.

 

Dann wäre also der Mensch nur ein willfähriges Werkzeug für machthungrige, verantwortungslose Volksverhetzer?

Weshalb kann denn der einzelne nicht Widerstand leisten? Das setzt wohl eine zu grosse Stärke, ein zu grosses Selbstbewusstsein voraus. Es gibt ja heute auch nicht viele, die der "Verführung durch den Konsum" zu widerstehen oder ihrem Vorgesetzten im Betrieb Paroli zu bieten vermöchten. Hat das etwas mit Feigheit zu tun?

 

Vergeltung und Angst

 

Wir erwähnten oben den Vergeltungstrieb. Ob Blutrachefehde im Busch oder atomarer Gegenschlag, Vergeltung scheint ein treibendes Bedürfnis zu sein. Einen auslösenden Anfang kann man immer finden oder konstruieren. Nun ist aber Vergeltung auch ein zentraler Begriff der Rechtsordnung: Unrecht muss mit Strafe vergolten werden. Was also das eine Mal als bedauerliche menschliche Eigenart angesehen wird, geniesst in einem andern Rahmen - nämlich dem des Rechts - breite Zustimmung, ebenso die Begriffe „Androhung“, "Abschreckung" und "Brandmarkung". Eine kriegerische Sache scheint damit auch das Strafrecht zu ein.

 

Angst hat ein merkwürdiges Antlitz. Einerseits hält sie manchen davon ab, Straftaten zu begehen, anderseits löst sie aggressive Akte aus. Das liegt natürlich in der Ambivalenz aller menschlichen Dispositionen: Was man aus der einen Blickrichtung als Verbohrtheit und Fanatismus ansehen kann, zeigt sich aus einer andern als Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft. "Liebe" kann sich als blosse Nachgiebigkeit oder Sentimentalität oder echtes Mitleid äussern.

 

Nach psychoanalytischen Theorien vermag der "gebildete" Mensch die Triebzweiheit von "Libido und Destrudo" zu sublimieren, also in Schöpferisches umzusetzen. Mit der Angst oder mit Frustrationen wird das kaum so leicht fallen. Unterlassung einer strafbaren Tat ist noch kein schöpferischer Akt, und wer allzu häufig Kränkungen herunterschlucken muss, kriegt bekanntlich oft Magengeschwüre.

 

Gut, man empfiehlt also unkriegerische Formen der Konfliktabfuhr, dazu gehören in erster Linie Spiel und Sport. Kräftemessen in friedlichem Wettkampf, ob es das ist, was Bedürfnisse zu befriedigen und aufgestaute Affekte zu entladen vermag? Mit der Fairness ist es ja heute in manchen Sportarten nicht mehr weit her, und die Verflechtung Sport-Politik ist mit dem Staatsamateurismus, den Welt-Cups und Olympischen Spielen zunehmend deutlicher und drastischer geworden.

 

„Cherchez la femme“?

 

Noch immer wissen wir nicht, wer Krieg will und was die Frauen dabei für eine Rolle spielen. Materielles Elend - Armut und Hunger - sowie Übervölkerung werden von den Verhaltensforschern als aggressivitätssteigernd geltend gemacht. Doch auch das Imponiergehabe ist eine interessante Entdeckung. Möchte also das Männchen dem Weibchen seine Macht beweisen, ihm einen Purpurmantel umhängen und unermessliche Reichtümer - Schätze und Ländereien - zu Füssen legen?

 

Veit Valtentin beschreibt Karl II. (1660-1685) als "reizend in seiner Schwäche gegenüber schönen Frauen". Was tat er deshalb? Er verfolgte die Puritaner und restaurierte die anglikanische Staatskirche, führte zwei unpopuläre Kriege gegen Holland, was ihm im Abtausch zu Surinam New York einbrachte, und "seine Liebesgeschichte mit Nell Gwynn gewann ihm viele Herzen bei den kleinen Leuten".

 

Was wäre Heinrich VIII. ohne seine sechs Frauen, was Ludwig XIV. ohne „die“ Montespan und „die“ Maintenon gewesen, was Ludwig XV ohne „die“ Pompadour und „die“ Dubarry, was der Schriftsteller Alexandre Dumas ohne Marie Duplessis, die „Kameliendame“, was Ludwig I. von Bayern ohne Lola Montez?

 

Seltsam ging es zu in der Weltgeschichte. Seit dem römischen Satiriker Juvenal heisst es: "Cherchez la femme". Nicht in Wissenschaft und bildender Kunst, nicht unter den Kirchenfürsten und Philosophen, sondern an den "Höfen". Ob Wäscherin oder Fürstentochter, Schriftstellerin oder Erbprinzessin, sie mischten in den Salons und, Boudoirs mit, bis es diese Salons nicht mehr gab. Die Sache wurde in den, letzten hundert Jahren nüchterner. Und heute?

Wem wollten Mussolini und Hitler imponieren, Clara Petacci und Eva Braun? Wem Stalin und L. B. Johnson?

 

Hang zur Grausamkeit?

 

Da geht die Rechnung nicht sauber auf. Es muss also etwas Grundlegenderes vorhanden sein. Ein Hang zur Grausamkeit? Und der lässt sich bei Männern wie Frauen finden. Debora, die Seherin und Richterin, spornte während den Kämpfen um Kanaan die Zögernden an und führte damit den vielbesungenen Sieg über Sisera - dem Frau Jael einen Zeltpflock durch den Schädel hämmerte - herbei. Delila war schuld, dass Simson die Augen ausgestochen wurden; Judith schlug dem Holofernes den Kopf ab, ein Weib tötete Abimelech, und Salome, die schöne, forderte das Haupt Johannes' des Täufers.

 

Theophanu liess ihren zweiten Gatten Nikephoros II. ermorden, Eleonore von Aquitanien hetzte ihre Söhne Richard Löwenherz und Johann ohne Land gegen ihren eigenen Gemahl Heinrich II. auf. Margarete besiegte Albrecht II. von Mecklenburg (1389), Isabella von Kastilien erneuerte die Inquisition (1481) und eroberte Granada; Maria, die Katholische und Blutige liess 300 Evangelische hinrichten (1556), Elisabeth I. liess Maria Stuart hinrichten (1587), die spanische Armada vernichten, bereicherte sich an Francis Drakes Kaperkriegen und wurde durch Sir Walter Raleigh mit der Gründung der ersten englischen Kolonie auf nordamerikanischem Boden, Virginia, geehrt. Die Intrigantin Katharina von Medici veranlasste die Bartholomäusnacht (1572 – 20 000 Hugenotten ermordet), Charlotte Corday erstach den Jakobiner Marat, worauf sie selbst enthauptet wurde, und Rosa Luxemburg beteiligte sich am Spartakusaufstand.

 

Geheimnisumwittert sind die Giftmischerinnen Lucrezia Borgia, die Marquise von Brinvilliers und Charlotte Ursinus.

 

Wir wissen vom Zug der Zürcherinnen auf den Lindenhof und von Jeanne d'Arcs Zug auf Orléans. Was versprach die strenge Agnes, Königin von Ungarn, in Schillers "Tell"? "Ganze Zeugungen hinabzusenden in des Vaters Grab, in Blut sich wie in Maientau zu baden".

Maria Theresia spannte mit der Marquise de Pompadour und Zarin Elisabeth zusammen, um sich von Friedrich dem Grossen nicht alles entreissen lassen zu müssen, und löste damit den Siebenjährigen Krieg aus.

Katharina die Grosse, des Gattenmordes beschuldigt, hat immerhin die Teilung Polens und die Eroberung von Landstrichen des Osmanischen Reichs am Schwarzen Meer auf dem Gewissen.

 Viktoria "erweiterte" die Britische Kronkolonie Indien, nahm Aden und Hongkong ein und unterstützte die imperialistische Politik Disraelis vor allem in Afrika.

 

Was den Herrschern ihre Kurtisanen, waren den Königinnen die Günstlinge.

 

Launen oder Mordlust? Sendung oder Einfügung in politische Realitäten, d. h. in die Staatsraison? Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Krieg und Mord.

 

Bleibt der Mensch durch alle Zeiten „Sünder“?

 

Warum überhaupt Mord? Steckt hier gewissermassen im kleinen dieselbe unglückselige Verquickung von Rächung einer Beleidigung und Abwehr von äusserer oder innerer Bedrängnis dahinter wie bei einem Krieg?

 

Weshalb sind Auseinandersetzungen nicht friedlich, im Wettstreit der Worte oder Leiber auszutragen? Muss denn immer gleich dem andern der Schädel eingeschlagen oder abgehauen, ein Messer oder eine Kugel durch die Rippen gejagt werden? Mord, ob singulär oder kollektiv, war noch nie eine Lösung!

 

"Dem, der dich auf den Backen schlägt, biete auch den andern dar." Diesem Gebot der Bergpredigt wurde kaum nachgelebt. Übersteigt es menschliches Vermögen? Bleibt der Mensch schlicht "Sünder", von Anbeginn an unter dem Fluch der Erbsünde stehend, die sich durch Jahrtausende und durch jedes einzelne Leben fortzeugt?

 

Dennoch haben viele Theologen und Philosophen, am ausgeprägtesten wohl Kant, die Überzeugung vertreten, dass das Gute vom Menschen in Freiheit verwirklicht werden könne, dass sittliche Vollkommenheit auf dem Hintergrund der Unsterblichkeit der Seele und dem Dasein Gottes - sowie seiner Menschwerdung - möglich sei.

 

(geschrieben 1./2. Februar 1972;

am Anfang gekürzt)

 

Literatur

 

Anka Muhlstein: Reines éphémères, mères perpétuelles. Paris: Albin Michel 2001;
dt.: Königinnen auf Zeit. Katharina von Medici, Maria von Medici, Anna von Österreich. Frankfurt am Main: Insel Verlag 2003.

 




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