Fritz Zwicky und seine Morphologie
Eine neue Art von "Morphologie" - welche aber schon Goethe ins Auge gefasst hatte - wurde vom Glarner Fritz Zwicky (1898-1974) entwickelt.
Dieser hat von 1916 bis 1920 an der ETH studiert, 1922 doktoriert und war von 1921 bis 1925 Assistent von Pierre Debye und Paul Scherrer. Ein Forschungsstipendium brachte ihn ans California Institute of Technology, wo er seit 1927 als Professor für theoretische Physik, seit 1942 für Astrophysik wirkte. Er schuf sich einen Namen in zahlreichen Naturwissenschaften (Festkörperphysik, Astrophysik, Triebstoffchemie, Raketentechnik), aber auch als Humanist (Zivilschutz, Pestalozzi-Stiftung, Aid to War Stricken Scientific Libraries).
Morphologie = Weltbild, Strukturbeschreibung, Entdeckungsmethode
Gemäss seiner vielfältigen Begabung und Tätigkeit lässt sich das, was er unter "morphologischem Denken und Vorgehen" entwickelte, mindestens in drei unterschiedlichen Richtungen fassen:
1. Morphologie als
umfassende Weltschau und Erkenntnistheorie,
2. Morphologie als
Strukturanalyse und -beschreibung
3. Morphologie als
Problemlösungsmethode,
Seine Erfolge in der Entdeckung von Supernovae (seit 1937: 123), Humason-Zwicky-Sternen (1939-41), intergalaktischen Brücken (1949), kompakten Galaxien als Quasars (1963), etc. hat er auf die Anwendung der "gerichteten Intuition" zurückgeführt.
Weitere Methoden kamen dazu: z. B. die Methode der "Stützpunkte" (1949), welche zur "systematischen Feldüberdeckung" (1956/66) führt oder die Multisprachenlehre, in der durch Assoziation und Widerspruch drei bis vier Sprachen auf einmal gelernt werden (1966/67). Grundlagen für all dies sind stets Vorurteilslosigkeit und Mut.
Seit 1947: Ausbreitung in der Schweiz
Seit 1946 hat Fritz Zwicky in unzähligen Vorträgen und Publikationen seine morphologischen Methoden und das morphologische Weltbild der Fachwelt wie den Laien vorgelegt, z. B. schon 1947 vor der Sektion Bern des SIA und naturwissenschaftlichen Vereinigungen in Bern, 1951, 1954 und 1956 an der ETH Zürich.
Sowohl die Kriegstechnische Abteilung (KTA) des EMD - für die Zwicky 1947 "Vorschläge zur Gesamtbereitschaft" verfasste - als auch die Industrie (Bührle, BBC, Uhrenindustrie, Basler und Hofmann) interessierten sich für Zwickys Ideen und Patente. 1953 und 1957 schickte die Firma Heberlein Mitarbeiter für persönliche morphologische Schulung zu Zwicky nach Pasadena.
Zu den ersten, welche um die Verbreitung der Morphologie besorgt waren, gehörten Prof. Walter Custer, Paul Dubach, Heinz Waldburger und Dr. Fritz Kesselring.
Aus einer Arbeitsgruppe junger Forscher ging 1955 unter massgeblichen Einfluss Dubachs die "Morphologische Gesellschaft Zürich" hervor, welche Zwicky für die bekannten Vorträge an der ETH 1956 einlud (daraus 1959 das Buch "Morphologische Forschung"). Der erste Kurs über Morphologie wurde im Herbst 1959 von Eduard H. Schoch im Auftrag seines Generaldirektors bei der Viscosuisse (Emmenbrücke) mit den Hermann Holliger und Hansheinrich Glättli in Zürich organisiert. Holliger amtete als Präsident der Morphologischen Gesellschaft und gründete 1964 sein eigenes "Morphologische Institut Zürich".
1973: "Fritz-Zwicky-Stiftung"
Zwicky selber hat Ende 1960 in Pasadena die Internationale "Gesellschaft für Morphologische Forschung" gegründet und 1967 am Caltech ein Symposium mit den namhaftesten Methodologen der Zeit durchgeführt.
Im Herbst 1971 - gerade als Zwicky sich anschickte, auf Einladung des Studenten-Rings erneut 6 Morphologie-Vorträge an der ETH zu halten (November 1971 - Januar 1972) - traten Prof. Custer und Dubach mit der Idee an ihn heran, eine "Fritz-Zwicky-Stiftung" ins Leben zu rufen. Die Gründung fand am 23.1.1973 in dessen Beisein in Glarus statt.
Stiftungszweck ist insbesondere die Betreuung und Auswertung des astrophysikalischen und morphologischen Lebenswerks von Zwicky (sein Nachlass befindet sich nunmehr erschlossen in der Landesbibliothek Glarus) sowie die Verbreitung und Förderung des morphologischen Gedankenguts.
Bereits im Herbst 1973 fand eine erste Arbeitstagung in Glarus statt (der Tagungsband erschien 1979), im Sommer 1983 eine weitere mit ebenfalls internationaler Beteiligung.
Prof. Dr. Franz Aebi hat Zwickys Ideen für die schweizerische Landesverteidigung und deren Nachwirkungen eine fundierte Analyse gewidmet, die im Bulletin der "Schweizerischen Kriegstechnischen Gesellschaft" (1984) in zwei Fortsetzungen abgedruckt wurde [Sonderausgabe am 15.7.1984; 57 Seiten]. Sie findet sich ebenfalls in der 1986 erschienenen 700seitigen Biographie "Fritz Zwicky - Leben und Werk des berühmten Schweizer Astrophysikers, Raketenforschers und Morphologen" von Roland Müller (S. 323-338); zu bestellen bei:
Dr. phil. Roland Müller,
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