Definitionen von
Sozialtechnologie
1899 Paul Natorp (soziologische/
soziale Technik):
die kausale Beherrschung der lebendigen Triebkräfte des
Menschen - Bestimmbarkeit von aussen und Selbstbestimmung - zum
Zwecke der Menschenbildung, d. h. Willensbildung in
gemeinschaftlicher Arbeit
(1903 Hugo Münsterberg (Harvard
Psychol. Stud. I, 654):
"The science of pedagogy is a psycho-technical discipline which
makes education mechanical.")
1914 Friedrich von
Gottl-Ottlilienfeld (Sozialtechnik):
"sobald das bevormundete Handeln die Einstellung auf den 'Anderen'
erfährt, ein Eingriff ist in die Beziehungen zwischen den
Handelnden; wie z. B. bei der Technik des Kampfes. des Erwerbes,
bei Rhetorik und Pädagogik, bei der Technik des Regierens und
Verwaltens"
1922 Paul Barth (Die Philosophie der
Geschichte als Soziologie [1. Aufl. 1897], 51):
"der Politiker … ist der Techniker der
Gesellschaft"
1922 u. 1930
Rudolf Eisler:
Die soziale Technik sucht "das Gemeinschaftsleben im Sinne
sozial-humaner und kultureller Bedürfnisse und Ideen" zu
regeln.
1940 Karl Mannheim
(Sozialtechnik):
alle "Methoden und Verfahren, deren letztes Ziel darin besteht, das
menschliche Verhalten und die sozialen Beziehungen zu gestalten"
(288)
1943 Karl Mannheim (soziale
Techniken):
"die Summe aller jener Methoden, die eine Beeinflussung
menschlichen Verhaltens zum Ziele haben und, einmal in die
Hände einer Regierung gelangt, als besonders machtvolles
Instrument sozialer Kontrolle wirken" (10)
1951 (ca. 1946) Karl Mannheim
(Sozialtechniken):
"alle Methoden der Beeinflussung menschlichen Verhaltens, die
darauf abzielen, es den bestehenden sozialen Interaktions- und
Organisationsmustern anzupassen" (15)
1951 Arthur Mayer (soziale
Rationalisierung des Industriebetriebes):
"Anpassung des Menschen an den Mitmenschen, die Bestgestaltung der
zwischenmenschlichen Beziehungen"
1956 Gerhard Weisser in: Werner
Ziegenfuss (Hrsg.): Handbuch der Soziologie II:
"Kunst der Beherrschung gesellschaftlicher Kräfte" (1008)
"Gesellschaftsgestaltung" (1014)
Dem Gesellschaftsgestalter muss heute "von der Wissenschaft
systematisierte soziotechnische Programmatik geboten" werden
(1017)
1960 Gesellschaft für
Arbeitswissenschaft:
"Lehre und Anwendung der Möglichkeiten und Methoden der
Beeinflussung und Lenkung sozialer Abläufe und Strukturen im
Betrieb"
1961 Helmut Schelsky
(Sozialtechniken):
"die Techniken der Organisation, also die Methoden der Beherrschung
und Erzeugung der sozialen Beziehungen, die den Inhalt der
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ausmachen und auch die
Jurisprudenz weitgehend in eine Organisationslehre umgewandelt
haben"
1963 Jürgen Habermas:
rationale Lenkung der Geschicke des Menschen
1966 Olaf Helmer (social technology,
- engineering, - planning):
"providing responsible and enlighted guidance in our ever more
rapidly changing society".
Die Sozialwissenschafter sollen z. B. den "operations-research
approach" anwenden.
1968 G. Duncan Mitchell (Hrsg.): A
Dictionary of Sociology
social engineering.
It has been supposed by some sociologists that the study of the
social sciences can be made the basis of applied as well as
theoretical work. The implication of this is that a technology can
be developed, for the purpose of improving human societies, by
combining value judgments as to desirable kinds of social life with
sociological theories concerning patterns of social organization
and trends of social development. The American sociologist, L. F.
Ward, for instance, thought that a social telesis could be
formulated which would make it possible to develop a means of
promoting the common weal by harnessing the energies of
sociologists and others to the administrative agencies of
governments, particularly those concerned with planning.
It is, of course, a moot point whether or not it is possible to
arrive at an understanding of the course of the events which occur
in any society in the abstract, without attempting to deal with the
problem of why they take place, in terms of the aspirations of
individuals and the objectives which men attempt to attain by
common action in groups, parties and associations.
Human beings lead lives that are shaped at least as much by reason
and obligation as by social influence, and unless this is taken
into account, the study of human society becomes highly unreal.
Furthermore, it is an artificial process to study the growth of
values otherwise than in the context of the life of an actual
society or societies. It is arguable, therefore, that the
fundamental nature of social processes makes it impossible to
establish a technology that can be separated from social philosophy
on the one hand and sociology on the
other. S. of
T.
1968 Horst Baier:
"Sozialtechnologie oder Wissenschaft als Berechnung objektiver
Wirklichkeitszusammenhänge ist also das Ziel der
Positivisten"
"...die Sozialtechnologen lösen die Subjekte in der
Wirklichkeit auf, indem sie deren ideelle Rationalität zur
materiellen umsetzen"
1970 Adam Podgorecki
(Sociotechnique):
"eine angewandte (oder: praktische) Gesellschaftswissenschaft,
welche den Praktiker darüber informiert, wie er effektive
Mittel zur Realisierung angestrebter gesellschaftlicher Ziele
findet, wenn eine gegebene Menge erwiesener Theoreme über
menschliche Handlungsweisen bereitstehen"
1972 Robert Reichardt:
"Helmer bezeichnet mit dem Ausdruck 'social technology' -
Sozialtechnik - die bewusste Gestaltung und Veränderung
sozialer Verhältnisse."
1972 Günter Hartfiel (Hrsg.):
Wörterbuch der Soziologie
[3. Aufl.1982 mit etwas weniger abgekürzten Wörtern;
4. Aufl. 1994 identisch, mit einer leichten grammatikalischen
Änderung im zweiten Abschnitt]
"Sozialtechnik,
(a) prakt. Anwendung, z. B. pädagog., psycholog. oder soziol.
Forschungsergebnisse zur systemat. Beeinflussung sozialen
Verhaltens u. damit (je nach prakt. Zielvorstellungen) entweder zur
Konsolidierung oder zur (gewünschten) Veränderung
bestehender Verhältnisse,
(b) ein System zielunabhängiger u. damit allg. anwendbarer
Regeln u. Methoden der Zusammenstellung u. des Einsatzes von
Mitteln für polit. Handeln."
"Sozialtechnologie,
kritische Bezeichnung für eine Soziol., die ihrer
erkenntnistheoret. Grundhaltung u. ihrem ges.
Selbstverständnis nach sich auf die wiss. Erklärung u.
Berechnung von statischen oder variablen Datenkonstellationen
sozialen Verhaltens u. sozialer Zusammenhänge beschränkt
u. die die Ergebnisse ihrer Forschungen der übrigen Ges.
(für die sie mitunter interessengesteuert 'im Auftrag'
arbeitet) ohne ein bes. Interesse oder eine Verpflichtung für
die Art u. Weise des Anwendens bzw. Benutzens dieser Ergebnisse
sowie der daraus sich ergebenden Folgen zur Verfügung
stellt."
1973 Lexikon zur Soziologie (2.
Aufl. 1978)
[mit drei kleinen Äderungen auch in der 3. Aufl. 1994]
"Sozialtechnologie, Soziotechnik, social engineering,
das zur Lösung sozialer Entwicklungs-, Planungs- und
Organisationsprobleme analog der physikalischen Technologie
angewandte Verfahren des zielgerichteten [und: regelhaften]
Einsatzes effektiver Mittel. Je nach Zweck und Struktur des Systems
können die Mittel einfach oder komplex sein. Beispiele:
soziale Leistungssteuerung [-anreize] im Betrieb, systematisches
Redetraining [Rollen-] bei einer Ausbildung, wissenschaftliches
Management, Organisation von Kommunikationsnetzen für
zielgerichtete Gruppen, Beeinflussung einer Bevölkerung durch
Massenmedien."
Hartmut Lüdtke
[Zusätzliche Stichworte in der 2. Aufl. 1978:
Stückwerktechnik; holistische Planung; beide mit Bezug auf K.
R. Popper.]
1974 Michael Th. Greven
(Systemtheorie und Gesellschaftsanalyse, 171):
Es "steht die Beschäftigung der Wissenschaftler in den
sozialistischen Ländern und speziell in der DDR mit der
Kybernetik und verwandten Wissenschaften … explizit unter
einem sozialtechnologischen Anspruch. Kybernetik,
Informationstheorie sowie ihre Modelle und Methoden werden
'alle in engster Verbindung mit der politischen und
ökonomischen Leitungstätigkeit gesehen'"
1978 Meyers Enzyklopädisches
Lexikon, Bd. 22:
[identisch in: Meyers Grosses Universallexikon, Bd. 13, 1985]
"Sozialtechnologie: krit. Bez. für eine Soziologie, die -
vorgebl. ziel- und interessenfrei - die erforderl. Basisdaten
sozialen Verhaltens liefert und Verantwortung für deren
Verwendung ablehnt."
1980 Der Grosse Brockhaus in 12
Bden, Bd. 10:
"Sozialtechnik, die Anwendung sozialwissenschaftl. Kenntnisse zur
prakt. Beeinflussung sozialer Verhaltensweisen und Strukturen nach
bes. Zielvorstellungen (Stabilisierung oder Veränderung
sozialer Systeme)."
"Sozialtechnologie, krit. Kennzeichnung einer sozialwissenschaftl.
Einstellung, deren Ziele in der wertfreien Erforschung (auch
Auftragsforschung) und Weitergabe von sozialtechnisch verwendbaren
Kenntnissen über soziale Strukturen und Verhaltensweisen
liegt."
1980 Michael Gikas:
"technologische Anwendung soziologischer Ergebnisse"
1980 OECD:
Entwicklung und Einsatz von technischen Hilfsmitteln und
Dienstleistungen zur Erreichung staatlicher sozialer
Ziele
1983 Joachim K. H. W. Schmidt:
"Bei 'Soziotechnik' handelt es sich um eine Technik, die sich auf
die Gesellschaft bezieht, das heisst, sie will Technik zur
Steuerung gesellschaftlichen Handelns sein."
1986 The Encyclopedic Dictionary of
Sociology. Third Edition:
Social Engineering,
closely related to applied sociology, social planning, and social
reform, involves the effort to apply sociological principles to
problems of society.
There is much writing on the subject, but only a limited amount of
social engineering is actually carried out. A corporation may hire
a social scientist to examine its workings in order to raise
production, but social engineering is seldom planned for the state
or nation.
The principal reason for the failure is that large-scale efforts to
plan society are not likely to be in the interest of the
economically and politically powerful; they do not involve sizable,
short-term profit making or the kind of rapid political successes
that will ensure votes.
Zusammengestellt im
Dezember 1984, leicht ergänzt