HomeSozialwissenschaftliche Erkenntnisse

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1. Jeder Mensch erfüllt mehrere Rollen und Funktionen

 

• "Die verschiedenen Lebensverhältnisse verschiedener Zeitalter und Länder pflegen der Mehrzahl derjenigen Menschen, die unter ihnen leben, ein verschiedenes Wesen zu verleihen."

 

• "Da die Gegenstände, mit welchen die Menschen in verschiedenen Berufen und Lebensverhältnissen in Berührung kommen, sehr verschieden sind und sie an verschiedene Leidenschaften gewöhnen, bilden sie auch in den Menschen ganz verschiedene Gewohnheiten und Sitten aus."

 

• "Aber auch in bezug auf diese unterscheidenden Kennzeichen ihres Standes findet sich oft ein unbeachteter Umstand, der uns, wenn wir auf ihn geachtet hätten, gezeigt haben würde, dass in dem Wesen, das nur auf Grund der Gewohnheit einem jeden Beruf zuzuteilen pflegen, an sich und unabhängig von Gewohnheit und Brauch eine gewisse sittliche Richtigkeit gelegt ist."

(Adam Smith: Theory of Moral Sentiments, 1759)

 

Schon Thomas von Aquin (um 1250) hat als Rollen z. B. Stadtkommissar und Bürger, Sklave und Herr, Kinder und Eltern, Untergebener und Vorgesetzter, Soldat und Feldherr unterschieden.

Zur Arbeitsteilung meinte er: "Es ist für den Menschen eine Naturforderung, dass er als ein für Gesellschaft und Staat veranlagtes Lebewesen (animal sociale et politicum) in der Gemeinschaft mit vielen lebt ... In der Gemeinschaft unterstützt der eine den anderen, indem die verschiedenen Menschen durch ihren Verstand an der Erfindung von Verschiedenem sich beteiligen. Der eine gibt sich mit Medizin ab, der andere mit anderem usw."

 

Im 20. Jahrhundert haben Georg Herbert Mead (Mind, Self and Society, 1934, dt. 1968), Ralph Linton (The Study of Man, 1936) und Talcott Parsons (The Structure of Social Action, 1937) den Rollenbegriff wieder eingeführt.

 

Für die Ökonomie wichtig sind die Rollenpaare Partner/ Konkurrent, Produzent/ Konsument und Auftraggeber/ Ausführender.

 

2. Jeder Mensch macht einen Lust/Unlust-Kalkül

 

Jeder Mensch strebt danach, Vergnügen zu erlangen und zu behalten und Schmerz zu vermeiden. Das lässt sich sogar mathematisch, in einem "Lust-Unlust-Kalkulus", formulieren.

 

Die Aufgabe der Wissenschaft ist zu ermitteln, welche konkreten Massnahmen geeignet sind, allen Menschen - oder wenigstens einer möglichst grossen Zahl von ihnen - das erstrebte Vergnügen in möglichst hohem Masse zu verschaffen und zu sichern. Die Gesetzgebung muss dann diese Massnahmen durchführen.

 

"Das grösstmögliche Glück der grösstmöglichen Zahl" ist das einzig mögliche, zulässige und vernünftige Prinzip für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

                  (Jeremy Bentham, 1789)

 

John Stuart Mill formulierte 1848 ganz ähnlich das hedonistische Prinzip:

• Jeder Mensch strebt, mit einem Minimum an Arbeit und Opfern ein Maximum von Gütern, von Glück und Reichtum zu erreichen.)

 

3. Nutzen und Wert von Gütern sind veränderlich

 

Der Nutzen eines Gutes besteht darin, dass es geeignet ist, irgendein Bedürfnis - egal ob berechtigt oder eingebildet, vernünftig oder unsinnig - zu befriedigen.

Güter sind aber nicht abstrakt nützlich, sondern immer in konkreter Gestalt und Menge:

  • Der Mensch braucht nicht Brot als solches, sondern eine bestimmte Menge Brot.
  • Und ebenso ist das Bedürfnis, dem der Nutzen entspricht, nicht abstrakt. Es konkretisiert sich in der Dringlichkeit des Verlangens nach Brot.
  • Als drittes ist die besondere Lage zu beachten: Wieviel Brot ist erreichbar, wie selten ist es?
  • Viertens: Der Wert eines Gutes richtet sich nach dem Masse von Bedürfnisbefriedigung, welches die letzte Einheit einer Gütermenge gewährt (das ist der "Grenznutzen"): Ein Vorratskeller voll Brot ist nicht mehr wert, als die Menge, die den momentanen Hunger stillt.
  • Fünftens: Die Bedürfnisse konkurrieren miteinander. Sollen alle befriedigt werden, muss der Grenznutzen beachtet werden. Dann stellt sich ein Gleichgewichtszustand - der gleiche Sättigungsgrad aller Bedürfnisse - ein.

 

(Dies nach der sogenannten Grenznutzenschule oder "psychologischen Schule", deren erste Vertreter Hermann Heinrich Grossen, 1854, und Carl Menger, 1883, waren. Ihr zur Seite steht die mathematische Schule von Cournot, Cassel und Pareto. Beide werden manchmal unter dem Oberbegriff "Hedonistische Schule" zusammengefasst.)

 

4. Tendenzen zur Individualität stehen Tendenzen zur Konformität gegenüber

 

• "Das Individuum hat vor dem Bedürfnis, sich zur Geltung zu bringen, höchstens das andere, leben zu wollen ...

Aus den Beziehungen zur Ganzheit (d. h. zur Gesellschaft im weitesten Sinne) erhebt sich das Geltungsbedürfnis, das wiederum in zwiefacher Qualität als Angleichungsbedürfnis und als Abhebungsbedürfnis (begründet im Anerkennungs- und Auszeichnungstrieb) in Erscheinung tritt ...

Angleichungsbedürfnis beruht in dem Bestreben, nicht unter dem Verbrauchsniveau der Schicht zu bleiben, zu der man sich rechnet, und Abhebungsbedürfnis ist begründet in dem Wunsch, sich durch bestimmte Verbrauchsdifferenzierungen von ihrem Habitus zu unterscheiden."

(Wilhelm Vershofen: Wirtschaft als Schicksal und Aufgabe. 1930, 2. Aufl. 1950).

 

5. Die Bedarfsimpulse sind vorwiegend emotional

 

• "Der Bedarf entwickelt sich keineswegs vorwiegend rationaliter ... Die Bedarfsimpulse ... sind vorwiegend sensual, emotional."

(Wilhelm Vershofen 1925)

Dieser Forscher war der Begründer der institutionalisierten Verbrauchsforschung in Deutschland und legte besonderes Gewicht auf die Motivforschung. So entstanden z. B. 1930 an der Nürnberger Handelshochschule, wo er schon 1919 das "Institut für Wirtschaftsbeobachtung" eingerichtet hatte, Diplomarbeiten zu den Themen "Emotionalität beim Kauf" und "Konsument und Markenartikel".)

 

6. Jedes Produkt hat auch Zusatznutzen

 

Jedes Produkt hat für den Konsumenten einen Grundnutzen, einen Zusatznutzen und einen Geltungsnutzen

(Wilhelm Vershofen 1930, 1940, 1959).

 

7. Was über den Grundbedarf hinausgeht, hat einen rasch abnehmenden Nutzen

 

• "Sehr vieles von dem, was sich der moderne Mensch über die Deckung der lebensnotwendigen Bedarfe hinaus aus seinem Einkommen zu leisten vermag, bringt das Erlebnis des abnehmenden Nutzens mit sich, d. h. es befriedigt auf die Dauer immer weniger und reizt zu immer neuen und andersartigen Bedarfsdeckungen, die in ihrer Unberechenbarkeit nicht wenig zur persönlichen Unzufriedenheit und auch zur unstabilen Lage unserer Wirtschaft beitragen"

(Wilhem Vershofen, ca. 1941).

 

8. Mode bringt zusätzliche Nachfrage

 

• "Gebrauchsgegenstände veralten, nicht weil sie abgenützt und verbraucht sind, sondern weil sie der Mode nicht mehr entsprechen. Infolgedessen findet ein frühzeitiger Ersatz statt, der sich über die normale Nachfrage hinaus am Markt geltend macht."

(Wilhelm Vershofen, 1931)

Daher widmete sich das Nürnberger Institut auch der Modeforschung und richtete 1930 einen Nachrichtendienst "Wandlungen der Konsumentengewohnheiten" ein, 1932 ausgeweitet durch die Errichtung einer Abteilung "Konsumentenwünsche".)

 

9. Der Mensch lügt

 

1941 befand Wilhelm Vershofen, der Altmeister der deutschen Markt- und Motivforscher in einer Rede über die "Grenzen der Verbrauchsforschung" knapp und bündig: "Der Mensch lügt, auch bei der Befragung. Darüber wird man nicht leicht hinwegkommen … Es ergibt sich also die Tatsache, dass im wesentlichen bei der Befragung Meinungen gehört werden."

 

1929 äusserte sich Otto A. Breyer zu den Methoden und Möglichkeiten der Verbrauchsforschung: "Denn die richtige Interpretation der Erscheinungen, die Zurückführung derselben auf die ihnen zugrunde liegenden Ursachen und Motive ist keineswegs immer aus dem vorliegenden Material abzuleiten … Der Erfolg einer Untersuchung hängt daher nicht nur davon ab, was gefragt wird, sondern insbesondere davon, wie gefragt wird."

 




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