William James: 5 Arten von Konfliktlösungen
William James, einer der grossen amerikanischen Psychologen vor der Jahrhundertwende, hat fünf Arten unterschieden, wie Konflikte gelöst werden können (1890):
1. Bei der vernünftigen Lösung wird versucht, alle Gründe, die für oder gegen die einzelnen Handlungsalternativen sprechen, allmählich zu klären, bis endlich eine Alternative ein Übergewicht erhält. Dafür sind einerseits Informationen zu beschaffen, anderseits ist die Beachtung von Handlungsprinzipien, Geboten oder Verboten hilfreich (heute: normative Konfliktlösung). Technisches Hilfsmittel ist die bereits von Benjamin Franklin praktizierte Methode, auf dem Papier in zwei Kolonnen die Vorteile und Nachteile für jede Alternative aufzuschreiben.
2. Ist eine befriedigende Klärung durch Überlegung nicht zu erreichen, kann die Entscheidung auf zwei Arten forciert werden: a) ein zufälliges Umweltereignis wird als Anlass genommen, die "Unentschiedenheit" zu beenden, b) ein energisches "Schluss jetzt!" soll die Entscheidung herbeiführen. "Explosivhandlungen" oder "Kurzschlussreaktionen" kann man auch hierher rechnen; erstere bestehen meist in aggressiven Entladungen, letztere in blindem Davonlaufen. Länger anhaltende Formen des "Aus-dem-Felde-Gehens" (heute: Evasion) sind Ortswechsel, Ausweichen auf andere Gebiete oder Flucht in Süchte oder Tagträume.
3. Die Gesinnungs- oder Charakteränderung erfordert eine innere Umorientierung. "Der Charakter erhebt sich abrupt auf einen anderen Stand, und die Überlegung kommt dadurch zu einem unmittelbaren Ende." Hans Thomae (1960/74) spricht von einer Neuorientierung, welche die "Herstellung einer neuen Einheit zwischen Persönlichkeit und Umwelt" bedeutet.
4. Während bei all diesen Lösungsarten im Laufe der Klärung oder beim abrupten Entschluss die andern Handlungsalternativen aus dem Gesichtsfeld verschwinden, bleiben sie beim letzten Lösungstyp bis zuletzt bestehen. Der Konflikt muss also durch einen echten Verzicht zugunsten einer Möglichkeit beendet werden. Hans Thomae (1960) hat dies als "wagende" Entscheidungsform charakterisiert, denn es muss ja "schliesslich irgendeine der Handlungen gewagt werden, damit es überhaupt weiter geht".
Dr. phil. Roland Müller,
Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved Webmaster by best4web.ch |